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Morgenausgabe

Nr. 259

A 131

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

6. Juni 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipalt. Nonpareillezetle 80 31. Rellamezeile 5,- R. Kleine An zeigen" das fettgedrudte Bort 25 Pi. ( zuläffig zwei fettgebrudte Morte), jedes weitere Wort 12 Bf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche bas erste Wort 15 Bi jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien. anzeigen Beile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Der deutsche Besuch in Chequers  . Der gute Parteitag.

Macdonald und Henderson auf dem Bahnhof.- Festeffen mit Bernard Shaw  .

Besuch, nicht Konferenz.

Condon, 5. Juli.  ( Eigenbericht.) I nommen und an Land gebracht, wo sie der Bürgermeister der Stadt Reichskanzler Dr. Brüning und Reichsaußenminister auf englischem Boden begrüßte. Dr. Curtius empfingen am Freitagabend die Bertreter der deutschen   Presse in London  . Der Reichskanzler betonte, daß sie zu einem freundschaftlichen Besuch und nicht zu einer Konferenz nach London   eingeladen feien. Er habe den Wunsch, diese Gelegenheit dazu auszunügen, um der englischen   Regierung eine Schilderung der finanziellen und wirt schaftlichen Lage Deutschlands   zu geben. Daß dabei die Reparationsfrage nicht fehlen tönne, bedürfe angesichts der Wichtigkeit dieses Faktors unter den deutschen   Schwierigkeiten feiner Erwähnung. Jedoch fönne

feine Rede davon sein, daß die deutsche Regierung eine Ein­stellung der Zinszahlungen für ihre auswärtigen Anleihen erwäge,

wie dies ein Londoner   Blait behauptet hat. Derartige Maßnahmen fönnten überhaupt nicht in Frage kommen. Neben den Repara­tionen merde auch die Abrüstung zur Sprache fommen. Der Reichskanzler streifte die neue Notverordnung und sagte, daß sich auch für das nächste Jahr teine bessere Aussicht biete, da die gegen wärtige Krise sich erst dann durch eine entsprechende Berringerung der Staatseinnahmen auswirken werde. Schließlich gab er seiner Freude über die freundschaftliche Einladung, die von der englischen  Regierung an Dr. Curtius und ihn ergangen sei, Ausdruck. Bei ihrer Ankunft in London   am Nachmittag um 2.45 lihr waren die deutschen   Staatsmänner Dom Bremierminister Macdonald und Außenminister Henderson auf dem Bahn­fteig empfangen worden. Als das Auto den Bahnsteig, verließ, erfcholl aus dem Munde eines jungen Deutschen

der Ruf: Deutschland   erwache!",

jedoch so zaghaft, daß er nur von den Umstehenden gehört wurde. Der deutsche Botschafter, von Neurath  , war den deutschen  Ministern nach Southampton   entgegengefahren. Dort hatte ein englisches Kriegsschiff die deutschen   Gäste von der Hamburg  " über.

Das Programm der Tage in London   und Chequers   ist außer ordentlich reichhaltig. Freitag abend gibt die englische   Re gierung ein Festessen im Goldenen Saal des Auswärtigen Amtes, zu dem 62 Personen eingeladen sind. Die ganze Regie rung wird dabei sein, außerdem die Führer der parlamentarischen Oppofition. Höhere Beamte und intereffierte Persönlichkeiten, die mit deutsch   englischen Angelegenheiten verbunden sind, wie der ehe­malige englische Botschafter in Berlin  , Lord D'Abernoon, find eben falls eingeladen. Am Sonnabendvormittag wird die deutsche Kolonie in London   Gelegenheit haben, die beiden Minister zu sehen. Die deutsche Botschaft hat anläßlich der Truppenparade für den Geburtstag des Königs ihre Terrassen geöffnet. Bei dieser Gelegenheit werden die deutschen   Minister unter der deutschen Kolonie weilen. Daran anschließend fahren Brüning und Curtius nach dem Landsiz des Premierministers

nach Chequers  , wo sie mit Macdonald und Henderson bis Sonntagmittag allein fein werden.

Sonntag vormittag wird Brüning die katholische Kirche   in einem naheliegenden Ort besuchen. Zum Frühstüc sind eine Reihe von Gästen eingeladen, darunter auch Bernard Shaw   und Galsworthy  . Die englische Regierung legt auf den außen­politischen Charakter der Zusammenkunft besonderen Wert. Montag vormittag werden die deutschen   Herren vom König im Buding ham- Palast in Audienz empfangen. Um 1 Uhr gibt die deutsch  englische Gesellschaft ein Frühstüd. Am Nachmittag veranstaltet das Königliche Institut für auswärtige Angelegenheiten einen Emp­fang und am Abend gibt die Deutsche   Botschaft ein Bantett, zu dem außer der englischen   Regierung der österreichische Gesandte in London  , Herr von Frankenstein, eingeladen ist. Im Anschluß on das Bankett findet ein Empfang statt, bei dem das ganze Diplo­ matische   Corps zugegen sein wird. Am Dienstagvormittag werden die deutschen   Minister nach Southampton   abreisen, um von dort mit dem Dampfer nach Hamburg   zurüdzukehren.

Katholiken verhaftet und verbannt.

de

Faschistische Preffe beginnt einzulenfen.

Rom  , 5. Juni.  ( Eigenbericht.)

Das natifanische Staatsorgan befämpft in einer offiziösen Berlautbarung die gemeldete Entschließung der faschistischen Parteileitung. Es verlangt, daß die Do­fumente veröffentlicht merden sollen, wenn in diejeni Partei beschluß von der dokumentierten Feindseligkeit" der Haltung bei einigen Abteilungen der Katholischen Aftion gesprochen wird. Die Beröffentlichung wird von patikanischer Seite um so dringender ver langt, als noch in den allerlegten Tagen nach den beim Batilan ein gelaufenen Nachrichten eine Reihe Mitglieder der Katholischen Aktion verhaftet worden sind, und andere ohne jeden Prozeß in die Berbannung auf die Inseln geschickt wurden.

Die offiziöse Berlautbarung des vatikanischen Organs sieht auch in den Ehrfurchtsbezeugungen der Faschistischen Partei für die Kirche feine Erklärung und Entschuldigung des Borgefallenen. Sic betont vielmehr die Drohungen, die darin enthalten wären und un­verändert bleiben. Trotzdem versucht jetzt die Regierung alles, um zu einer Aussöhnung zu fommen und Mussolinis Bruder brachte heute das erste Bort der Entschuldigung und des Be dauerns für die Exzesse vor. Der Plan zum Neuaufbau der Katholischen Aktion, der alle Mitglieder der aufgelösten tatholischen Boltspartei aus den Führerstellungen entfernen soll, findet im Batifan feineswegs Annahme. Man will die Getreuen nicht schutzlos fallen lassen. Auch die neue außerordentliche Sigung des Kardinal­follegiums hat sich damit beschäftigt. Bon vatikanischer Seite erfährt man, daß man dem Verlangen, dem Faschismus aus rein inner­politischen Gründen goldene Brücken zu bauen, nicht ohne weiteres nachgeben werde und könne.

Jan Dombsti gestorben. Au den Folgen des Ueberfalls durch Pilsudski   Schergen.

Warschau  , 5. Juni.  ( Eigenbericht.) Am Freitagmorgen ist der bekannte demokratisch- oppofitionelle Bauernführer 3an Dombftigestorben, der im vorigen Jahre einem bestialischen leberfall von bisher angeblich unbe fannt gebliebenen Pilsudski Offizieren zum Opfer gefallen mar. Seit fener Mihhandlung hatte fich fein Sergieiden so verschlechtert, daß es nun zu feinem Tode geführt hat. Dombfti hat zur Zeit

großen Einfluß auf die polnische Außenpolitit ausgeübt und non polnischer Seite vor 10 Jahren den Rigaer Frieden mit Sowjet rußland unterzeichnet.

Brest  - Litowff fommt vor Gericht!

Warschau  , 5. Juni.  ( Eigenbericht.)

Ein Nachwort zur Leipziger   Tagung.

Von Friedrich Stampfer  .

Bom Parteitag, der gestern zu Ende gegangen ist, hat man schon in Leipzig   halb im Scherz halb im Ernst gesagt.. er sei zu gut verlaufen. Manche hätten es lieber ge= fehen, wenn die ungeheuren Spannungen, die in dieser Zeit das deutsche Volt erfüllen, auf ihm zu dramatischerem Aus­brud gekommen wären, und sie hätten eine besser geführte brud gekommen wären, und sie hätten eine besser geführte und stärkere Oppofition als ein Warnungszeichen für die Re­gierenden gewünscht. Indes läßt sich das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit nicht fontingentieren, man muß es nehmen wie es fommt, und wenn man gelegentlich auch zu schlechtes Wetter ertragen muß, darf man über zu gutes nicht tlagen.

Das Ergebnis von Leipzig   scheint uns zu beweisen, daß die Zeit für eine Opposition, wie sie bisher in der Partei betrieben wurde, vorüber ist. Natürlich wird und soll es immer verschiedene Meinungen in der Partei geben, und ebenso natürlich wird es immer Genossen geben, die nach Temperament und Grundauffassung zur Kritik an der Politik der Partei neigen. Ohne solche Meinungsverschieden­heiten und Temperamentsunterschiede gäbe es fein gesundes Leben in der Partei. Ein vollständiges Fiasko aber hat in Leipzig   jene Form der Opposition erlitten, die gewissermaßen eine Partei in der Partei darstellt; sie hat sich als lebensunfähig erwiesen, und von ihren bisherigen An­hängern ist zu verlangen, daß sie aus ihren Erfahrungen praktische Schlußfolgerungen ziehen. Die Oppo fition wird nicht schwächer sondern st ärfer werden, wenn sie darauf verzichtet, sich von der übrigen Partei abzugrenzen, wenn sie darauf verzichtet, sich innerhalb der Partei zu organi­fieren..

Das Ergebnis von Leipzig   bedeutet feine Ablehnung jeder Opposition schlechthin, wohl aber schärfste Ablehnung und entschiedenste Verurteilung jeder organisierten und abge­stempelten Opposition. Die fleine Gruppe um Seydewig ist weit hinter ihrer Zeit zurück, wenn sie glaubt, eine große Partei von heute fönne sich noch den Lugus organisierter Richtungsfämpfe leisten. Die Kommunisten und Natio nalsozialisten, die ihre organisierten Oppositionen ein­fach hinauswerfen und windelweich prügeln, fönnen für uns nicht Vorbilder sein. Aber das Gesez, daß verschärfte Kämpfe eine schärfere Zusammenfassung der fämpfenden Formationen erfordern, gilt auch für uns. Das hat die Masse der Partei­mitglieder im Lande klar erfannt, und dieser Massen= ftimmung hat der Parteitag durch seine Beschlüsse Aus­brud verliehen. Er hat die Fraktionsdisziplin ver fchärft und damit sicher den Beifall der ganzen Parteimit­gliedschaft gefunden. Seydewis und seine Freunde stehen vor der Wahl, ob sie sich selber immer weiter an die Peripherie der Partei und vielleicht am Ende aus ihr hinausmanövrieren oder ob sie in der Partei ihren Auffassungen Geltung vera sie nicht den Weg betreten mögen, der von der Partei weg­führt sondern den Weg, der zu ihr hinführt dazu brauchen fie mur die Mauer niederzureißen, die sie selber zwischen sich und der Partei aufgerichtet haben.

Der von der Pilsudsti- Regierung bereits seit langem ange fündigte Brozeß gegen die in Brest  - Litomit gefolter ten polnischen Oppositionsführer soll, mie nun verschaffen wollen. Die Mehrheit ist einig in dem Wunsche, daß lautet, mitte Juni beginnen. Zu allererst sollen die beiden sozialistischen   Führer Professor Barligti und Dr. Lieber mann, ferner der ehemalige Ministerpräsident Witos  , der ehe­malige Innenminister Dr. Kiermit und einige andere an die Reihe fommen, gegen die im einzelnen noch nicht bekannte Anklage wegen Bergehens gegen verschiedene politische Paragraphen des alten russischen Strafgefeßbuches erhoben wurde. Die Antlageschrift foll sechs Bände umfassen, die aber doch wohl nicht verhindern werden können, daß die Angeklagten vor Gericht als Kläger auftreten werden.

Der Reeder als Kriegsminister.

Berlegenheitsregierung in Belgien  .

Brüffel, 5. Juni.  ( Eigenbericht.) Die Regierung Rentin ist am Freitag gebildet worden. Sie besteht aus fieben Katholiten und fünf Liberalen. Es ist offenfundie ein Berlegenheitsministerium, denn die Mehrzahl seiner Mitglieder sind Politiker zweiten und dritten Ranges. Die bedeutenderen Parteiführer hatten ihre Teilnahme abgelehnt. Sieben der neuen Minister haben überhaupt noch kein Regierungs­amt bekleidet. Bon den früheren Kabinettsmitgliedern bleiben nur Außenminister Symans und ein oder zwei andere Minister im Amt Die neue Regierung wird froh sein, wenn es ihr gelingt, vom Barlarment die Ermächtigung zu den neuen Steuern und der Anleihe zu erhalten, die zur Dedung des Budgetdefizits notwendig sind. Darüber hinaus wird das Kabinett wohl nicht viel leisten tönnen. Ueberraschend ist die Wahl des Kriegsministers. die auf den 2nimerpener liberalen Reeber- und Zeitungsbefizer Dens gefallen ist, der auch in England starte Rapitalintereffen und Häuserbesig hat.

Ohne den Disziplinbruch der Neun und seine ungeschickte Berteidigung hätte die neue Notverordnung und das Verhältnis der Partei zur Regierung in den Debatten des Parteitags eine ganz andere Rolle gespielt. Die Opposition hat es zuwege gebracht, daß die Resolution des Parteivor­standes zur Frage der Fraktionsdisziplin in den Mittelpunkt rückte, die Berliner   Resolution( Rünstler- Aufhäuſer) zum Fraktionsbericht aber lange nicht die Beachtung fand, die sie verdiente. Vielleicht haben viele Delegierte zu­nächst gar nicht bemerkt, welchen Erfolg die Berliner   durch ihre geschickte Taktik errungen hatten. Indem sie ihrer Reso­lution zu fast einstimmiger Annahme verhalfen, übernahmen fie in der entscheidenden politischen Frage die Führung.

Die Berliner   Resolution wird nun als die vom Parteitag beschlossene Richtlinie der Reichstagsfraktion vorliegen. Die Fraktion wird zu überlegen haben, in welcher Form sie den entschiedenen Widerstand leisten will, den der Barteitag gegen jeden Abbau der Leistungen in der Arbeits­lofenversicherung angekündigt hat. Sie wird ebenso zu über­legen haben, in welcher Art sie den letzten Satz der Resolution praktisch anzuwenden gedenkt, der lautet: Die Sozialdemo fratische Partei wird in ihrer fünftigen Haltung zur Reichsregierung sich davon bestimmen lassen, daß es gelingt, die lebenswichtigsten Arbeiterintereffen zu sichern." Das ist teine unbedingt bindende Marschroute und foll auch