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48.Jahrgang

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nolen

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

10. Juni 1931

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Die einspalt. Nonpareillezelle 80 31. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An­zeigen das fettgebrudte Wort 25 Pf. Guläffig zwei fettgebrudte Worte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jebes weitere Wort 10 Bf. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Bf. Familien. anzeigen Zeile 40 f. Anzeigenannahme Im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen. täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich bas Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Politische Hochspannung.

Heute Beginn entscheidender Beratungen.

Heute vormittag tritt der Vorstand der sozialdemokra tischen Reichstagsfraktion zusammen. Am Nachmittag ver­sammelt sich der Weltestenratdes Reichstags.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion tagt am Frei­tag. Auch andere Fraktionen werden in den nächsten Tagen Sigungen abhalten.

Der Reichstanzler und der Reichsaußenminister werden heute nachmittag aus England zurüderwartet. Am Freitag will der Reichskanzler zum Reichspräsidenten nach Neuded fahren, um ihn über die Unterhaltungen von Chequers zu unterrichten.

Noch vor der Reise Brünings nach Neuded will die Reichs regierung mit den Führern der Reichstagsfraktionen, mit Ausnahme der extremen Gruppen, die innen- und außenpoli­tische Lage erörtern. Wie es heißt, ist die Reichsregierung in dem Wunsche, eine Einberufung des Reichstags zur Zeit zu vermeiden, einig. Daß der Arbeitsminister Stegerwald in diesem Punkte anderer Meinung sei als seine Kollegen, wird entschieden bestritten. Ob die Regierung bereit ist, ihre Ber­ordnung abzu ändern, um dadurch eine Einberufung des Reichstags vielleicht überflüssig zu machen, ist nicht bekannt.

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gruppe 1) hatte bisher bei der 48- Stunden- Woche einen Lohn von 40,80 mt., er würde nach Herabsetzung der Arbeitszeit und nach erfolgter Kürzung der Löhne bei 40 Stunden pro Woche einen Lohn von 33,20 Mt. beziehen! Außerdem tommt eventuell noch der Ber­lust der Kinderzulage für das erste Kind hinzu.

Wir haben festgestellt, daß in zahlreichen Fällen der Gesamt­lohnverlust pro Woche über 10 mr. beträgt.

Zwischen den Entscheidungen.

Ein Nachwort zum Parteitag.

Von Paul Löbe .

Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Der Partei­tag in Leipzig hat das bisherige Berhalten der Reichs­tagsfraktion mit großer Mehrheit gebilligt, hat zur all­gemeinen Tendenz unserer Politit seine Zustimmung geäußert, die Entscheidung über die kommende Taktik hat er wohl oder übel der Fraktion überlassen müssen.

Noch lag der Wortlaut der Notverordnung nicht vor, noch waren etwaige Ergebnisse der Reise nach Chequers nicht zu übersehen. Auch entspricht es allen Gepflogenheiten der Partei, parlamentarische Entscheidungen den Vertrauensmännern im Parlament zu überlassen. Die wirkliche Entscheidung steht also noch vor uns. Sie ist durch die Debatten, wie auch die Ab­ftimmungen ausgefallen sind, nicht leichter geworden. Es bleibt nach wie vor fraglich, ob die Partei aus Gründen der kann, die die Notverordnung bringen wird. Abwehr des Faschismus die schwere Belastung weiter dulden

Will man damit die deutsche Wirtschaft anfurbelit? Bei den Gemeinde- und Staatsarbeitern wird sich jedenfalls dieser Lohnabbau ganz besonders fatastrophal gestalten, weil das Lohnniveau der Reichs- und Staatsarbeiter sehr tief steht. haltstürzung der Beamten. Alle diese Maßnahmen aber stehen in Wechselwirkung mit der Gestimmungen Bekanntlich war bereits

Aber ein Irrtum muß vorher ausgeräumt werden, der uns von den Tribünen des Parteitages entgegentlang und dem auch manche Delegierte zu unterliegen schienen, ein Irrtum, dem neue Enttäuschungen folgen müßten, nämlich die Illusion, als ob dem deutschen Bolte und der Arbeiter­klasse weitere Belastungen erspart bleiben, wenn die Sozialdemokratie der Regierung Brüning die Gefolgschaft versagt.

besonders die unteren und mittleren Beamtenschichten am schwersten eine erhebliche Rürzung am 1. Februar 1931 vorgenommen, bei der betroffen wurden. Nun soll erneut am 1. Juli 1931 ein gestaf­felter Abzug durchgeführt werden, der zum Beispiel bei einem Ge­halt von 220 M. unter Berücksichtigung der verminderten Kinder­zulage 8,2 Proz., bei einem Gehalt von 1000 m. aber nur 6,2 Broz. beträgt. Es bedarf feines Kommentars, um die Ungerechtigkeit dieser Maßnahmen zu dokumentieren. Die Gehaltsfürzung wird nach§ 2 Abs. 3 von dem Bruttogehalt vor der ersten Gehaltstürzung Der Heftestenrat wird über die Einberufung des Reichs- porgenommen. Sämtliche Bezüge der Pensionäre und Versorgungs. Reichsberechtigten, also der Arbeiter, Angestellfen und Beamten, werden tags heute faum schon zu einer Entscheidung fommen können. ebenfalls gefürzt. Für jeden, dem die Grenzen der Tolerierungspolitik ge= Er wird wahrscheinlich die Entscheidung vertagen, bis die Diese tatastrophale Verminderung der Einkommen von zwei fommen zu sein scheinen, ist es gebieterische Pflicht, zu er­Fraktionen gesprochen haben. Millionen Arbeitnehmern bedeutet nicht nur volfswirtschaftlich eine fennen, was jenseits dieser Grenzen steht. Jeder muß wissen: dnen perhebliche Minderung der Produftion, hat alfo neue vermehrte bei der Verteilung der politischen Machtverhältnisse im Reich Arbeitslosigkeit im Gefolge, sondern sie bedeutet auch einen Ansteht jenseits dieser Grenze teine arbeiterfreundliche, griff auf den gesamten Lebensstandard fomie auf die teine sozialistische Regierung, auch keine Regierung mit tariflichen Rechte der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und sozialistischer Beteiligung. Es fann ein rechts gerichtetes Verwaltungen. Dagegen wendet sich der Gesamtverband; denn diese Beamtentabinett unter dem Schuhe Hindenburgs kommen, Bestimmungen find für seine Mitglieder unerträglich. Er sieht ein parlamentarisches Kabinett Schiele Hergt, ein darin gleichzeitig die große und unmittelbare Gefahr einer zweiten Notverordnungsfabinett Hugenberg Frid, ein Dikta­Lohnabbaumelle, die sich automatisch auf die Privatindustrie austurfabinett unter dem Schutz militärischer Gewalten. Ganz

Die unmögliche Verordnung.

Scharfer Proteft des Gesamtverbandes.

Bom Borstand des Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Verkehrs wird uns geschrieben:

Obgleich die Deffentlichkeit über manche Einzelheiten der neuen

Notverordnung schon informiert war, werden doch durch ihre Ver. öffentlichung alle Befürchtungen weit übertroffen. Der gesamten Arbeitnehmerschaft sollen enorme Lasten auferlegt werden. Darüber hinaus wird aber die Arbeitnehmerschaft der öffentlichen Betriebe besonders hart betroffen. Es tommen dabei nahezu zwei Drittel der 700 000 Mitglieder des Gesamtverbandes in Betracht. Die§§ 6, 7 und 8 bedeuten einen unerhörten

Eingriff in das Tarifrecht der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe,

mirten muß.

Der Gefamiverband wird alle geeigneten Schriffe unternehmen, um die Abwehraffion erfolgreich zu gestalten.

Beamte und Notverordnung.

Der Deutsche Beamtenbund fordert Einberufung des Reichstags.

Die Bundesleitung des Deutschen Beamtenbundes

nahm in der Sigung vom 9. Juni zu der neuen Notverordnung mit ihren fatastrophalen Folgen für die Beamtenschaft Stellung. An ordnung und ihrer verhängnisvollen Wirkungen fordert die Bundesleitung den baldigen Zusammentritt des Reichstages.

wie er in der Geschichte des Arbeitsrechts noch nicht dagewesen ist. Trotz der in den letzten Wochen erst durchgeführten Lohnfentung, die ohnehin auch heute noch beunruhigesichts der grundsäßlichen Bedeutung der Rotver. gend auf die weitesten Kreise der Arbeitnehmerschaft wirkt, ist der neue frontale Angriff sowohl gegen die tariflich festgelegten Löhne als auch gegen die sozialen Errungenschaften in der neuen Not­Derordnung erfolgt. Es wird im§ 6 eine weitere Sentung der Löhne zwangsläufig vorgesehen für die Reichs- und Staatsarbeiter einschließlich der Reichspost. Dazu ist schon ein Fort­fall des Frauenzuschlags bei dem legten Gehalts- und Lohnabbau sowohl der Beamten als auch der Reichs- und Staatsarbeiter herbei­geführt, so daß jezt ein noch schärferer Angriff auf die sozialen Rechte dieser Gruppen durch Verkürzung des Kinderzuschlags für die Beamten sowie den gänzlichen Fortfall des ersten Kinderzuschlags bei den Lohnempfängern erfolgt.

Der§ 7 verpflichtet die Länder, Gemeinden und Gemeindever­bände, für die Beamten und Angestellten neben der bereits im § 1 vorgesehenen Kürzung die Dienstbezüge so weit zu kürzen, als fie die der Reichsbeamten übersteigen.

Im gleichen§ 7 werden im Abja 4 Länder und Gemeinden verpflichtet, mit Wirkung vom 1. Oftober 1931 die Löhne der unter Tarifvertrag beschäftigten Angestellten und Arbeiter zu senken, soweit fie die Löhne der Reichsarbeiter übersteigen. Nach dem§ 8 der Notverordnung wird diese Bestimmung auf alle werbenden Be­triebe( gemischtwirtschaftliche Betriebe mit mehr als 50 Proz. Be­teiligung der öffentlichen Hand) ausgedehnt. Das bedeutet für mei­tere Zehntausende von Mitgliedern des Gesamtverbandes einen unerhörten Eingriff in das Tarifrecht. Auch die Reichsbant und die Reichsbahn sind ermächtigt, nach gleichen Grund­Jägen zu verfahren.

Unbegreiflich ist auch, wie man im§ 12 dazu übergehen kann,

die Borschriften der Notverordnung gleich bis zum 31. Januar 1934

auszudehnen.

Zu diesem ungeheuerlichen Attentat auf die Rechte der Arbei nehmer tommt nun noch die Ermächtigung, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich bis zu 40 Stunden zu ſenten, so daß damit eine weitere erhebliche Schmälerung des Einkommens verbunden ist. Wenn wir diese Paragraphen auf den einzelnen Fall anwenden, So entsteht folgendes Bild: Ein Reichsarbeiter in Berlin ( Lohn­

Noch kein Moratorium. Brüning will nicht voreilig handeln. Offiziös wird verlautbart: Gegenüber Meldungen, nach denen die Reichsregierung in den nächsten Tagen bereits Beschlüsse bezüglich der An­fündigung eines Transfermoratoriums treffen würde, wird von zuständiger Stelle festgestellt, daß diese Mitteilungen jeglicher Be­gründung entbehren. Die Reichsregierung hat feinerlei Beschlüsse gefaßt. Sie wird sich auch durch derartige Fehlmeldungen nicht 3u Doreiligen handlungen drängen lassen. Es tann allerdings nicht verschwiegen werden, daß Informationen solcher Art geeignet sind, die Reichsregierung in ihrer Handlungsfreiheit

zu beeinträchtigen und Schaben anzurichten.

Faschistische Kirchenschändung.

Bericht des Batifanblattes.

Rom , 9. Juni.

Der Offervatore Romano" berichtet von einer Verwüstung der bischöflichen Kanzlei in Privorno bei Rom in der Nacht zum 1. Juni. Die Tür zum Gebäude ist eingedrückt und die kleine Tür der Kanzlei völlig persplittert, bie Atten teils auf dem Fuß­boden, teils auf der Straße in unbeschreiblicher Unordnung durch­einandergeworfen. Die Schränke, vor allem der des Geheimarchivs, erbrochen, ein Tischkruzifig zerstückelt und eine Photo: graphie Papst Pius XI. geschändet, ein mit dem päpstlichen Siegel versehener geheimer Umschlag erbrochen, das Wappen der bischöflichen Kurie abgeschlagen und in einer öffentlichen Bedürf­nisanstalt mit einer obszönen Aufschrift gefunden worden.

gleich, was davon eintritt, auch wenn es nur die mildeste Form wäre, weil die deutsche Arbeiterklasse nicht überrannt werden fann wie die italienische: vor jeder neuen Regierung stehen die 1500 Millionen Fehlbetrag, steht die Misere der Gemeinden, drohen die weiteren Defizite. Niemand darf glauben, daß am Ende unserer Tolerierung weitere Schädi­gungen der Arbeiterklasse nicht eintreten würden.

Gerade wer in der Regierung das Bollzugsorgan der fapitalistischen Klasse erblickt, weiß, daß keine der oben an­geführten Möglichkeiten dem Arbeitslosen mehr geben, den Rentner weniger schädigen wird, daß feine neue Regierung die Unternehmer an weiterem Lohnabbau zu hindern gewillt ist! Nein, bei allem Widerstand, den wir leisten werden, die nächste Regierung wird diesen Weg mit doppelter Eile gehen als Brüning. Das ergibt sich naturgemäß aus ihrer weiter rechts gerichteten Einstellung. Die Genossen, welche mit Un­geduld die Aenderung unserer Taftit verlangen, müssen wissen, daß es zunächst noch schlimmer fommen fann, und etwaige Anhänger, die da glauben, daß ihnen unsere eine höhere Arbeitslosenunter­Oppofition ftüßung, eine Berbesserung ihrer Lage bringen fann, würden zunächst eine schwere Enttäuschung erleben.

Geht die Entwicklung den schärfsten Weg, versucht man Brutalitäten gegen die Arbeiterbewegung, so müssen diese Folgen noch härter werden. Wer den Bürgerkrieg ristiert, wird erst recht nicht die 2 Milliarden Kredite bekommen, die Genosse Ströbel zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft für nötig helt. Er wird die Wirtschaft in Katastrophen treiben, er reduziert nicht nur die Arbeitslosenunterstützung und alle Renten, er ristiert ihren völligen Zusammenbruch.

So zeigt der Parteitag einen Rampf zwischen den Besten, die die eigene Partei nicht länger belasten wollen, die für ihren Bestand fürchten, die dem Funktionär in der Fabrit seine Stellung gegenüber den Gegnern er­leichtern wollen und den anderen, vielleicht Bedenklicheren, die die Arbeiterklasse im ganzen vor Gefahren bewahren wollen, deren Ausmaße wir heute noch nicht ermessen können.

Aber auch jene unter uns, denen dieser Sachverhalt flar vor Augen liegt, muß die Frage aufsteigen: ist diese Bendung zu verhindern? Zeigen die Wahlreful­Wendung zu verhindern? Zeigen die Wahlreful­tate nicht, daß die bürgerliche Mitte zertrümmert wird, daß die Waagschale sich zur Rechten neigt, fündigen die Reden Dingeldens, die. Forderungen des Land­bundes nicht 3umutungen an, die fast wie eine Lösung