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BERLIN  Mittwoch 10. Juni

1931

Der Abend

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48. Jahrgang

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Neues Unglück in Neurode  

Wieder ein Kohlensäureeinbruch.- Bisher 7 Tote und 5 Schwerverletzte

Breslau  , 10. Juni.

Auf der vierten Sohle der Kohlen- und Ton= werke in Kohlendorf bei Neurode   im Eulen­gebirge ereignete sich gestern abend gegen 11 Uhr beim Schichtwechsel ein Kohlensäureausbruch, der sieben Berglente tötete; sechs Leichen konnten bereits geborgen werden. Vier Bergleute haben Ver­legungen davongetragen. Die Rettungsmannschaften sind eifrig an der Arbeit, um weitere Unglücksfälle zu verhüten. Zur Zeit gilt die Gefahr als beseitigt. Man

Der Unglücksfchacht nimmt an, daß sich noch mehr Verunglückte in der Grube befinden. Die Untersuchung über die Ursache des Kohlen­säureausbruches ist im Gange. Das Unglück ruft die Erinnerung wach an die furchtbare Grubenkatastrophe, die sich vor etwa einem Jahr gleichfalls in Neurode  , und zivar auf der Wenzeslausgrube ereignete, wobei mehrere hundert Todesopfer zu beklagen waren.

Der Ausbruchsherd liegt etwa 500 Meter unter der Erdober­fläche in einem im Abteufen begriffenen Gesent. Der Ausbruch er­folgte nach dem planmäßigen Erschütterungsschießen, und zwar gleich, nachdem man nach Ablauf der vorgeschriebenen Wartezeit die Schießtüren wieder geöffnet hatte. Die ums Leben Gekommenen sind die Arbeiter gewesen, die den Auftrag hatten, die Baue auf durch das Schießen etwa ausgebreitete Kohlensäure zu untersuchen. Das Unglüd hat, wie berichtet, sieben Mann das Leben ge­foftet, vier sind schwer verletzt.

Die getöteten Bergleute sind bis auf zwei verheiratet gewesen, die Berheirateten waren fast alle Väter mehrerer Rinder. In dem gefährdeten Gebiet arbeiten gewöhnlich 100 bis 140 Leute, die aber wegen des Schießens hinter die Schießtüren zurückgezogen waren. Die Rettungs- und Bergungsarbeiten haben eigene Leute der Grube durchgeführt, die mit Gasschußmasten ausgerüstet waren.

Das Grubenunglück hatte in der Nacht den kleinen Ort Kohlen­dorf alarmiert, und in furzer Zeit hatte sich eine größere Menschen­menge eingefunden, die mit Bangen meitere Unglücksnachrichten befürchtete. Erst nachdem die Belegschaft vollzählig geborgen war und sich niemand mehr im Schacht befand, trat eine langsame Be­ruhigung ein. Im Knappschafts  - Lazarett liegen die Toten und die Berlegten. Den Berlegten geht es den Umständen entsprechend gut, so daß mit einer weiteren Erhöhung der Totenziffer nicht zu rechnen ist; sie werden mit Sauerstoff behandelt. Die Toten weisen nicht die geringsten Berlegungen auf.

Lebendig verbrannt.

Brandunglüd im Zentrum.- Ein Mädchen umgekommen.

Die Feuerwehr wurde gegen 42 Uhr mittags zu einem Wohnungsbrand nach der Klosterstr. 92 alarmiert. Ein Mädchen, dem der Weg ins Freie durch die Flammen abgeschnitten war, fam hilflos um. Die unglückliche wurde in völlig verkohltem Zustande geborgen.

Die Revisionsdebatte Die

Wortlaut der Erklärung Briands- Ein amerikanischer Plan

Die Aeußerung Briands in der gestrigen Kammerdebatte war ausführlicher als die erste, knappe Telegrammfaffung scheinen ließ. Der aus Paris   übermittelte genaue Wortlaut ist:

Was die Reparationen angeht, so fann Deutschland   darüber feine eigenen Ideen haben. Der neue Plan enthält möglichkeiten für Deutschland  , die ihm bekannt sind. Wir aber haben unser Recht und man kann die feierlich unterzeichneten Berträge nicht aufheben, ohne daß wir zustimmen. Der Young- Plan fann nicht geändert werden, denn er hat einen definitiven Charakter. Er ist noch ganz frisch und man darf ihn nicht wieder in Frage stellen. Reden wir daher nicht von neuen Revisionen, von neuen Repa­rationsfonferenzen. Der franzöfifche Außenminiffer ist jedenfalls in dieser Richtung nicht befragt worden. Wäre dies geschehen, jo hätte er sich nicht engagiert, ohne vorher das Parlament ju Rate gezogen zu haben."

Nachdem die Vertagung der außenpolitischen Interpellations­debatte auf unbestimmte Zeit beschlossen war, bedauerte Ministerpräsident Laval die Zwischenfälle bei der Rückkehr Briands aus Genf  , deckte aber die Polizei in jeder Beziehung. Sie habe durchaus ihre Pflicht getan. Die Besprechung der Interpellation Franklin- Bouillons über die Unmöglichfeit, Briand  länger als Außenminister sein zu lassen, wurde auf Verlangen des Ministerpräsidenten und mit 314 gegen 252 Stimmen abgelehnt.

*

In dieser Form ist die Aeußerung Briands zwar weniger fate­gorisch als in der ursprünglich übermittelten Fassung, sie bleibt dennoch ziemlich widerspruchsvoll und jedenfalls wenig erfreulich.

wollen, hat nun Briand   geglaubt, die Fittion Dom endgültigen Charakter des Young- Plan aufrechterhalten zu müssen. Er hat freilich damit nur erreicht, daß er den deutschen   Nationalisten einen neuen Anlaß geboten hat, Frankreich   als das unbarmherzige Land hinzustellen, das starrsinnig auf seinem Schein besteht, während

Fraktionsvorstand tagt.

Besprechung der politischen Lage.

Der Borstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion iff heute vormittag im Reichstag unter dem Vorsitz des Abge­ordneten Breitscheid   zu einer Sihung zusammengetreten. Der Borstand hat sich mit der durch den Erlaß der neuen Notverordnung geschaffenen politischen Lage beschäftigt. Er erkennt die Notwendigkeit an, die Finanzen des Reichs, der Länder und der Gemeinden auf eine sichere Grundlage zu stellen. Der Vorstand ist aber der Auffassung, daß die zu diesem Zwed erlassene Notverordnung in einzelnen Teilen so harte Maß­ihre Abänderung dringend erforderlich erscheint. Der. nahmen für die breiten Massen der Bevölkerung enthält, daß Fraktionsvorstand wird zunächst mit dem Reichskanzler in Ber bindung treten, um festzustellen, inwieweit durch Verhandlungen die für notwendig gehaltenen Abänderungen erreicht werden können. Da die Sozialdemokratische Fraktion, sowie die Fraktionen an derer Parteien erst in den nächsten Tagen zusammentreten, dürfte in der heutigen Sigung des Aeltestenausschusses eine Entscheidung über die Einberufung des Reichstags noch nicht gefällt am Freitag werden. Die Sozialdemokratische Fraktion tritt zusammen.

Daß der Young- Plan nicht ohne Zustimmung Frankreichs   ge­ändert, geschweige denn aufgehoben" werden darf, ist selbstver­ständlich. Richtig ist auch, daß er in seiner Präambel davon spricht, daß der darin aufgestellte Zahlungsplan endgültigen Charafter" trage. Bozu hätte man sich sonst die Mühe gegeben, die einzelnen Was Annuitäten bis zum Jahre 1988 genau vorzuschreiben? damit praktisch gemeint war, darüber waren sich im Haag die Auguren einig. Nur durften sie es damals nicht laut fagen, son- Form nicht mehr aufrechtzuerhalten sei. dern so tun, als ob sie auf 60 Jahre hinaus alles genau geregelt hätten.

Um den Nationalisten im eigenen Lande wirffam ent­gegentreten zu können, die ihm aus Chequers   einen Strick drehen

Geteilter Schmerz...

HILFE

DEUTSCHE VOLKSP INDUSTRIELLER

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NOTVER ORDNUNG

Arbeiter: Merkwürdig

R

mich trifft es, und er schreit"

in England, in Italien   und selbst in Amerika   die Erkenntnis an Boden gewinne, daß der Young- Plan in seiner ursprünglichen

Damit hat der französische   Außenminister weder seinem Lande, noch dem Frieden einen Dienst erwiesen. Wenn die ganze Welt ein­sieht, daß infolge der Wirtschaftskrise und des Steigens des Gold­wertes die Vorausseßungen, unter denen der Young- Plan aufgestellt worden ist, sich geändert haben, warum soll sich Frankreich   als einziges Land bis zuletzt dieser Erkenntnis verschließen und schließ lich nur widerwillig zu einer neuen internationalen Konferenz förm lich schleifen lassen, die doch einmal kommen wird?

Es ist der alte psychologische Fehler, den Frankreich   seit zwölf Jahren Deutschland   gegenüber begeht, zuletzt in der Räumungs­frage. Und dann wundert man sich in Frankreich  , daß das deutsche   Volk die französischen   Zugeständnisse nicht dankbar genug würdigt!

Meinungswandel in Washington  .

Washington  , 10. Juni.

Die außenpolitischen Korrespondenten Dulahan von ,, Nem York Times" und Pearson von Baltimore Sun", behaupten, daß hier ein Plan ausgearbeitet werde, durch den die Weltdepression gemildert werden könnte, und zwar offenbar durch

gleichzeitige Herabsehung von Rüftungen, Reparationen und alliierten Kriegsschulden.

Pearson glaubt, daß eine amtliche Bestätigung vorläufig nicht zu erwarten sei, da Präsident Ho o per noch feine festen Ent­schlüsse gefaßt habe, sondern die Ergebnisse von Stimsons Europa Reise und die dadurch erhoffie Einwirkung auf den Kongreß und die öffentliche Meinung abwarten wolle. Hoover hoffe, daß die deutsche Regierung bis dahin feinen formeilen. Schritt tun werde, der, so lange nicht die Vereinigten Staaten auf die obenerwähnte Umstellung und Verknüpfung der drei Punkte hinreichend vorbereitet seien, die hier im Bildungsprozeß begriffene internationale Hilfsaktion erheblich erschweren, wenn nicht stören würde. Außer Borah hat sich inzwischen

auch Senator Bingham, der Hoover nahesteht, zu einer liberalen Stellung in der Frage der Schulden der Alliierten bekehrt