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Morgenausgabe

Nr. 273 A 138

48.3abrgang 10 190rame

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag

14. Juni 1931

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernspr.: Dönhoff( A 7) 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

2Prozent Diskonterhöhung

Noch 900 Millionen Devisenabgaben. Die Reichsbant hat mit Wirkung vom 13. Juni den Wechsel­distantfah um 2 von 5 auf 7 Prozent und den Lombardzinsfuß von 6 auf 8 Prozent erhöht.

In der Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbanf be­gründete der Borsitzende, Reichsbantpräsident Dr. Suther, die vom Reichsbankdirektorium beschlossene Erhöhung des Diskont­fazes von 5 auf 7 Prozent und des Lombardfazes von 6 auf 8 Prozent wie folgt:

Seit Ultimo Mai hat die Reichsbank in erheblichem Maße Gold und Devisen abgeben müssen. Zunächst zwar hielten fich die Abziehungen in verhältnismäßig engen Grenzen, die an­gesichts des Gold- und Devisenbestandes der Reichsbant und an­gesichts der Tatsache, daß der Notenumlauf sich entsprechend ver= minderte, ein weiteres Abwarten als unbedenklich und an­gezeigt erscheinen ließen. In den letzten Tagen sind jedoch die Anforderungen außerordentlich gestiegen. Hinzu kommt, daß auch eine stärkere Inanspruchnahme des Wechselkredits der Reichsbank eingesetzt hat, so daß die Reichsbank nunmehr gezwungen ist, deutliche Abwehrmaßnahmen zu ergreifen.

Die umfangreichen Kreditkündigungen und Wertpapier verläufe, die seitens des Auslandes stattgefunden haben, gehen nicht auf wirtschaftliche Veränderungen inner halb Deutschlands , sondern auf Ereignisse anderer Art gurid, unter denen die Borgänge bei der Defterreichischen Crédit­Anstalt ihre besondere Rolle spielen. Das Reichsbankdirektorium betont, daß ungeachtet der Fortdauer der allgemeinen wirtschaft­

lichen Schwierigkeiten die Lage der deutschen Wirtschaft und die deutschen Kreditverhältnisse feine Veranlassung für den eingetretenen

Umschwung geben.

Gegenüber der tatsächlichen Entwicklung des Devisenmarktes hält bas Reichsbankdirektorium eine Erhöhung des Distontfages

um 2 Prozent für geboten.

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- Allmähliche Beruhigung.

auf die Bernünftigkeit der Deutschen Volkspartei vertraut. Er durfte nicht nur statistisch verfahren. Seit dem 1. Juni war die Mißtrauenslamine des Auslands im Rollen, wesentlich gefördert von feinen engeren und weiteren politischen Freunden. Die Reichsbank hat in 13 Tagen rund 900 Millionen Devisen beschaffen müssen; davon entfielen über 400 Millionen allein 3weifel, daß es in diesen Tagen auch politische Devisen auf die Zeit von Donnerstag bis Sonnabend. Wir haben feinen anforderungen in Deutschland gegeben hat zu politischen 3weden. Solche Möglichkeiten rechtzeitig zu beachten gehört auch zu den Pflichten der Reichsbankpolitik.

Wir haben schon gesagt, daß die Wirksamkeit der Dis= fontoerhöhung gegenüber dem Ausland darum problematisch ist, weil vorhandenes Mißtrauen durch einen größeren Zinsanreiz allein nicht beseitigt werden kann. Also werden die Katastrophen politiker in Deutschland ihre Ziele zurück steden und Ber­nunft annehmen müssen. Da die Notverordnung mit ihren die Klaffengegenfäße verschärfenden Ungerechtigkeiten den sozialen Frieden bedroht, muß durch ihre Abänderung die zweite Quelle des ausländischen Mißtrauens verstopft werden. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sein werden, darf die Reichsbant hoffen, ihr Ziel, die Vermeidung von Kreditrestriktionen und die baldmöglichste Wiederherabsetzung des Diskonts, erreichen zu können..

Noch fein Ausweg!

Einberufung des Haushaltsausschusses?

Der Reichskanzler führte am Sonnabend nach feiner Rückkehr von Neuded zunächst eine Besprechung mit dem Zentrumsführer Kaas. Er empfing dann in Gegen­wart des Reichsarbeitsministers, und des Abgeordneten Kaas die Führer der sozialdemokratischen Reichs­tagsfraktion. Anschließend weilten der preußische Minister­präsident, der Reichsbankpräsident, Bertreter der Staats­partei und der Boltsfonservativen bei Dr. Brüning.

Die Reichsbant hat sich zu starten und zugleich sehr demonstrativen Maßnahmen entschlossen. Seit 1925 hat schmierigen Situation bisher nicht ergeben. Im Ver­Die Besprechungen haben einen Ausweg aus der es in einem Zuge noch feine 2prozentige Diskonterhöhung in Deutschlauf der Besprechungen mit den Vertretern der Sozialdemo­land gegeben. Dem Ausland wird demonstriert, daß die Reichsbant fratie wurde zwecks Ueberprüfung der Notverordnung u. a. die Zügel nicht schleifen läßt. Politisch unbedent­liche Rapitalisten in Deutschland , denen gefeßliche und demo- auch die Möglichkeit einer Einberufung des Haushaltsaus fratische Verhältnisse ein Dorn im Auge find, werden durch die schusses diskutiert. Eine entscheidende Stellungnahme dar­Kreditverteuerung an ihrem Geldbeutel spüren, daß po- über wurde jedoch nicht herbeigeführt. Nach 1½stündiger litische Katastrophenpolitit, die die Hauptursache des ausländischen Disfuffion tam man schließlich überein, zunächst die Tagung Mißtrauens ist, auch eine wirtschaftliche Rehrseite hat. Die Mög des Parteivorstandes des Zentrums und der Zentrums­lichkeit, der kredit restriktion hält die Reichsbank in Refraktion des Reichstags in Hildesheim abzuwarten und die ferve. im Zentralausschuß vertretenen Privatbanten Die fämpften für eine Diskonterhöhung um nur 1 Prozent. Sie fürchteten für die Sicherheit gewährter Krebite, sie wissen nicht, ob fie in allen Fällen die 2 Prozent werden aufschlagen fönnen, sie wollten den Rückgriff auf die Reichsbank nicht zu sehr verteuert miffen. Das Reichsbankdirektorium blieb nach nochmaliger Bes ratung bei seinem Entschluß. Das fann auch für die Banken in manchen Fällen schmerzliche Wirkungen haben, die Berechtigung der starten Erhöhung ist, da eine Restriktion noch unterlassen wird, nicht zu bestreiten. Dr. Luther glaubt, nicht zu lange gewartet zu haben. Erst am Freitag sei der abnorme Ansturm gekommen, bis Freitag feien Strebite für die Devisenbezahlung von der Reichsbank nicht verlangt, sondern es fei in bar ausgezahlt worden. Dr. Luther dürfte nicht ganz recht haben. Er hat wahrscheinlich zu lange

Maffenverhaftungen in Köln .

200 Personen bei den nächtlichen Krawallen festgenommen. Köln , 13. Juni.

Besprechungen am Montag nachmittag um 6 Uhr fortzusetzen. Ob die Lage bis dahin eine gewisse Klärung im Sinne einer Ob die Lage bis dahin eine gewisse Klärung im Sinne einer Berständigung zwischen der Reichsregierung und der Sozial demokratie erfahren wird, ist sehr zweifelhaft.

Postscheckkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt.B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.

Reichstag und was dann?

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Eine Warnung vor Illusionen.

Von Paul Löbe .

Die Entscheidung über die Einberufung des Reichstags ist nahe herangerückt. Nach den Ereignissen der letzten Tage hängt es nicht von den Beschlüssen der sozialdemokratischen Fraktion allein ab, ob diese Einberufung erfolgt. Es ist in­zwischen bekannt geworden, daß Parteien der Mitte diese Ein­berufung wünschen, weil ihnen die Notverordnung gegenüber den breiten Massen noch nicht weit genug geht. Die Volks partei hofft zu erreichen, daß die Lasten noch einseitiger zu­partei wünscht stärkere Berücksichtigung des Mittelstandes, das ungunsten der Besitlosen verteilt werden, die Wirtschafts­Landvolk wünscht noch höhere Zollmauern, andere verlangen raschere Maßnahmen zur Einleitung neuer Reparationsver­handlungen.

Wenn die Einberufung des Parlaments wirklich erfolgen sollte, dann muß sich die Arbeiterschaft von vornherein flar sein, mit welchen Erwartungen sie dessen Entscheidungen ent­gegensehen kann. Zweifellos wird der Reichstag eine Mehr­heit für die Aufhebung der Notverordnung aufweisen- aber wie eine Mehrheit für einen Ersag zusam= mengefügt werden soll, ist nicht erkennbar. Die eineinhalb Milliarden Defizit müssen aber gedeckt wer­den, wenn das Reich und die Länder ihre Verpflichtungen er­füllen und nicht viel stärkere Ausfälle bei zukünftigen Zah­lungen eintreten sollen. Es gibt Leute, die an die ,, sozialistische" Einstellung der Nationalsozialisten glauben und sich eine Dedungsvorlage von den drei sozial eingestellten Parteien vor­stellen können. Diese Hoffnungen dürften nach den ersten Ber­suchen scheitern. Aber auch, wenn wir annehmen, daß sie ge­lingen fönnten, fehlt bei der jetzigen Machtverteilung eine parlamentarische Regierung, um dieſe Gesetze durchzuführen. Sowohl die Nationalsozialisten wie Kommunisten erklären, daß sie sich an einer solchen parlamentarischen Regierung sondern das Barlament und sein System abschaffen würden. obendrein mit den Sozialdemokraten nicht beteiligen, Der Erlaß und die Durchführung einer neuen Notverordnung oder das gleiche bezweckender Gesetze ist also schwer durch­führbar.

Regierung Brüning vor der Aufhebung der Notverordnung In Befürchtung dieser Zusammenhänge wird also die zurücktreten oder den Reichstag auflösen. Ob die Auflösung des Reichstags im gegenwärtigen Moment eine Behebung der lich, daß aber in der Frist bis zum Zusammentritt des nächsten parteipolitischen Schwierigkeiten bringt, ist nicht wahrschein­Reichstags die finanziellen Schwierigkeiten nicht behoben wer­den können, ist sicher. Welcher Beg also auch gewählt wird, in der Zwischenzeit wird eine andere Regierung in irgend­einer Form die Deckung des Defizits versuchen müssen und diese Regierung wird eine sein, die sich von der Sozialdemokratie piel stärker distan ziert, als es die Regierung Brüning bisher

getan hat.

Am Sonnabend nachmittag hat sich der Reichs fan3ler nach Hildesheim begeben. Auf dem Pots­damer Bahnhof wurde er von dem Vorsitzenden der Deutschen arbeiterfreundlicher ausfallen als die gegenwärtige Die Maßnahmen dieser Regierung dürften taum Volkspartei, Herrn Dingelden, in Empfang genommen. Dingelden hatte den Reichskanzler vorher um eine Unter- Anhänger immer wieder hinweisen. Die Unmöglichkeit, im Unter- otverordnung. Auf diesen Umstand müssen wir alle unsere rebung gebeten, die jedoch nicht stattfinden konnte, weil der Reichstag eine Mehrheit zu finden, kann die Bildung Reichskanzler bis zum Abgang des Zuges, nach Hildesheim einer außerparlamentarischen Regierung eine Besprechung nach der anderen hatte. Dingelden nahm zur Folge haben und unseren Kampf in das Land statt ins deshalb Gelegenheit, dem Reichskanzler auf der Fahrt nach Parlament verlegen. Wir werden ihn auch dort zu führen Hildesheim seine Wünsche vorzutragen. wissen, aber jeder Sozialdemokrat muß sich darüber klar sein, daß dieser Kampf dann geführt wird gegen eine geschlossene Front des Bürgertums und seiner Gefolgschaft aus allent Lagern, daß dieser Kampf geführt werden muß bei einer noch weiteren Verschlechterung feiner Le= benslage und der Gefährdung seiner politi­schen Rechte.

nistischen Stoßtrupps, die sich in Köln aufhielten, auch zahlreiche auswärtige Kommunist en festgestellt wurden.

Hakenkreuzler mit Polizeigewalt. 3m fleinen Lande des Wahrheit- Franzen. Braunschweig , 13. Juni. ( Eigenbericht.)

Bei den nächtlichen Krawallen in Köln tam es in fast sämtlichen Stadtteilen zu größeren Ansammlungen, In Köln - Kalf,-Mülheim , -Ehrenfeld , und mehreren anderen Stadtteilen wurde geschossen, dabei wurden einige Personen verlegt und zahlreiche Fensterscheiben Bei einem in provokatorischer Absicht erfolgenden Aufmarsch zertrümmert. Auch das Rathaus in Ehrenfeld wurde be- der Nazis in den Arbeitervierteln tam es heute abend fchoffen zu schweren Zusammenstößen. Die mit Gummifnüppeln Die Polizei war überall Herr der Lage und trieb die Zusammen- und anderen Schlagwerkzeugen ausgestatteten hat entre uzler rottungen auseinander. Eine große Anzahl Personen, schätzungsmaßten fich wieder einmal Polizeigewalt an und weise 200, wurden festgenommen. Die Polizeireviere der Außenstadt hieben auf die Straßenpaffanten brutal ein. Es gab zahlreiche Ber­haben Berstärkungsmannschaften erhalten, um entwaigen Wieder- lehte und Verhaftungen. holungen in voller Alarmbereitschaft zu begegnen.

Bie noch befannt wird, sind in den späten Abendstunden des Freitag auch im Innern der City an einem Konfektionshause und dem großen Warenhaus Tie mehrere Scheiben von Kommu­nisten eingeschlagen worden. Vier Täter fonnten festgenommen werden. Bemerkenswert ist die Feststellung, daß bei den kommu.

Der italienische Multimillionär und Großipefulannt Gialdini, der in den Londoner Hatry- Krach verwickelt ist und auf Veranlassung der englischen Behörden in Italien verhaftet wurde, ist vom Mai länder Gericht zu fünf Jahren zehn Monaten Gefängnis und 10 000 Lire Geldstrafe und lebenslänglichem Ausschluß von öffentlichen Aemtern verurteilt worden,

Es wäre eine Illusion, die zu schweren Enttäuschungen führen müßte, wenn sich der Glaube festsetzte, die Sozialdemo­fraten seien in diesem Reichstag stark genug, den Anschlag auf die Lebenshaltung der breiten Massen abzuwehren. Das haben die Wahlen des 14. September vereitelt, die uns auf ein Viertel des neugewählten Parlaments herabdrückten. Dieses Viertel wird den Kampf führen, aber es kann feine Mehrheit bilden. Die Hoffnungen auf die Nationalsozialisten find eitel. Sie haben, wie jedermann weiß, ihre erste und höchste Parole: Nieder mit dem Young- Plan" durch Stimm­enthaltung zu Fall gebracht. Sie werden erst recht ihre so­zialen Parolen verleugnen, aber ihren erreichten Einfluß be­nutzen, um wie sie offen bekennen die politischen Rechte zu beseitigen und den Einfluß der Massen auf die Gesezgebung endgültig zu brechen.

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