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BERLIN Freitag 19. Juni 1931

Der Abend

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Nr. 282

B 141 48. Jahrgang

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Spälausgabe des Vorwärts"

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Braunhäusler als Raufbolde

Der Lehrer" an der Spitze

Weimar , 19. Juni. ( Eigenbericht.)

In der heutigen Vormittagssigung des Landtags fam es furz nach der Eröffnung der Sigung zu einem 3wischenfall. Als der sozialdemokratische Abgeordnete Gründler während einer Rede des Abgeordneten Saudel einen fachlichen Zwischenruf machte, verließ Saudel das Rednerpult und stürzte sich auf Gründler. Eine Auseinandersetzung wurde durch das Da­zwischentreten des Abgeordneten Frölich vermieden. Im gleichen Augenblid aber traftierte der nationalsozialistische Abgeordnete

Seipel fehrt wieder

Nächtliche Verhandlungen des österreichischen Bundespräsidenten

Wien , 19. Juni. Der Bundespräsident hat den Abgeordneten Bundes­Papenbrook, Lehrer von Beruf, den sozialdemokratischen Abgeord- kanzler a. D. Dr. Seipel mit der Bildung der Regie:

neten Gründler. Es tam zu einer schweren Auseinandersetzung, in deren Verlauf sich die Sozialdemokraten gegen die nationalsozia­listischen Rowdys mit aller Schärfe wehrten. Der Präsident verließ seinen Sitz und berief sofort eine Besprechung des Aeltestenrats ein. Der Weltestenrat hat den Abgeordneten Papenbrod( Nsoz.) auf 20 Tage und den Abg. Sautel auf drei Tage von den Land­tagsfizungen ausgeschlossen. Die Nationalsozialisten wurden auch im Aeltestenrat wieder gegen die sozialdemokratischen Ver­treter frech. Als der Präsident das rügte, verließen sie das Sigungszimmer.

Die Vertreter der Landvolkpartei erklärten, das, was sich heute zwischen den Nationalsozialisten und den Sozialdemokraten abgespielt habe, tönnte sich jeden Tag auch zwischen den Nationalsozialisten und den Landvolksabge ordneten abspielen. Die Nationalsozialisten beschimpften die Landvolksabgeordneten während der Sigung fortgesetzt in der gemeinsten Weise. Wenn es zwischen den Abgeordneten der Natio= nalsozialisten und der Landvolkpartei noch nicht zu Tätlichkeiten ge­

fommen ist, so läge das an der Zurückhaltung der Landvolk­abgeordneten.

Die Rommunisten enthielten sich bei der Abstim­mung im Aeltestenrat der Stimme, während der Ausschluß mit allen übrigen Stimmen erfolgte.

Der fommunistische Antrag auf Landtagsauflösung verfiel der Ablehnung. Für ihn stimmten. außer den Kommunisten die Natio­nalsozialisten und die Deutschnationalen. Dagegen stimmten die übrigen bürgerlichen Parteien. Die Sozialdemokraten enthielten

sich der Stimme.

rung betraut. Dr. Seipel hat die Betrauung ange­nommen und wird sofort die Verhandlungen mit allen Parteien aufnehmen. Die Bildung der neuen Regierung wird heute abend erfolgen.

Bundespräsident Mitlas hat bis Mitternacht Besprechungen zur Beilegung der Regierungskrise geführt, darunter auch mit- Seipel, aber auch mit dem eigens aus Graz berufenen Dr. Gürt­Ier. Dieser war Bräsident des vorigen Nationalrates. Wegen feiner Gegnerschaft gegen den Heimwehrfaschismus haben die- Christ: lichsozialen Gürtler um das Mandat gebracht; die Baugoin Seipelsche Parteileitung ließ ihn fallen und die steirischen Partei führer und Heimwehrfreunde Rintelen, Pfriemer, Strafella usw. verhinderten Gürtlers Wiederaufstellung.

Franzöfifche Nötigung und britische Hilfe.

Frankfurt ( Main ), 19. Juni.

Die Frankfurter Zeitung " berichtet: Am 16. Juni besuchte der französische Gesandte in Wien den Außenminister und überreichte ein Schriftstück, das die Pariser Bedingungen für die Beschaffung der Kredithilfe enthielt. Um den Desterreichern keine Zeit zum Entwischen zu lassen, wurde

ein Ultimatum gestellt: Antwort bis zum Abend und zwar völlige Aufgabe der politischen und wirtschaftlichen Selb­ftändigkeit.

Im einzelnen dachten sich die Franzosen die Sache folgendermaßen: Desterreich beantragt beim Bölkerbund die Einsegung einer Kom­

Gerüsteinsturz in Zehlendorf . Eine Milliarde Devisenverlust

Ein Arbeiter schwer verletzt.

Auf einem Zehlendorfer Neubau, an der Ecke Seehof- und Mühlenstraße, ereignete sich heute mittag ein folgenschwerer Gerüsteinsturz. Gegen 11% Uhr brach ein Teil des Gerüftes, das den Bau umgibt, unter großem Getöse zusammen, der Arbeiter Richard Hanecke wurde unter den Trümmern begraben und schwer verletzt. Der Verunglückte fand im Hindenburg- Krankenhaus in Behindorf Aufnahme. Der Einsturz, der glücklicherweise noch ver­hältnismäßig glimpflich abgelaufen ist, ist auf den gestrigen starten Regen zurückzuführen, der die Stüßbohlen unterspült hat.

Blitzschlag in Arbeitergruppe.

Zahlreiche Landarbeiter getötet.

Osterode ( Ostpreußen ), 19. Juni. Ueber dem& reis Osterode ging gestern nachmittag ein äußerst heftiges Gewitter nieder, das bis in die späten Abend­ftunden anhielt und von heftigen Regenböen und startem Sturm begleitet war. In eine Arbeitergruppe, die beim Wrudenpflanzen beschäftigt war, schlug der Blitz ein, durch den alle Anwesenden förmlich auseinandergeschleudert wurden. Eine Arbeiterfrau blieb vollkommen verbrannt liegen und ein Arbeifer brach tödlich getroffen zufammen. drifter Arbeiter ist durch den Blitzschlag völlig gelähmt und scheint, auch Gehör und Sprache verloren zu haben.

Ein

Zwei Arbeiter wurden bei dem Gute Groß- Grieben vom Blik getötet. Der Blitz schlug auch in der Nähe von Willenberg in eine Begräbnisfeier und tötete eine Befihersfrau und ihren Sohn. Alle anderen anwesenden Personen wurden mehr oder weniger schwer verbrannt. Im Kreise Heiligenbeil tötete der Blih einen Sohn und eine Tochter eines Besizers. Die Mutter wurde betäubt. Im Kreis Insterburg wurde ebenfalls ein Besitzer tödlich getroffen.

Ausnahmegefeh in Persien . Ein persischer Parlamentsausschuß befürwortet ein Gesetz, wonach selbst die passive und formale Ru­gehörigkeit zur Kommunistischen Partei mit Gefängnis bis zu zehn Jahren bedroht ist, Beteiligung an der kommunistischen Bewegung mit 10 Jahren Zuchthaus, Aufruf zum Widerstand mit dem Lode.

SCHWEIZ

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Luther

Erst etwas spät entschloß sich der Reichsbantpräsident zur rettenden Tat

mission zur Prüfung und Ordnung der österreichischen Ver= hältnisse. Desterreich verpflichtet sich, die Vorschläge dieser biger, der nicht mehr Geld bringt als 150 Millionen Schilling, ist Rommission bedingungslos anzunehmen. Für einen Gläu­noch schlimmer. Die österreichische Regierung wurde aufgefordert, das schon eine reichlich überspannte Forderung. Aber es fommt nach Baris einen in säuberlichem Französisch entworfenen Brief zu schreiben, in dem sich Desterreich die Ehre gibt, feierlich zu er­flären, sich fünftig jeglicher Kombinationen politischer und wirtschaftlicher Art zu enthalten, die den internationalen Sta­tus Desterreichs ändern könnten. Auf diese Weise versuchte man dem Patienten ein für allemal den Hals umzudrehen, politisch und wirtschaftlich. Das ist der Beitrag Frankreichs zum Thema Dester­reich, das ist die Forderung einer Regierung, die sich richt genug aufregen fonnte, weil jene Wiener Tattit, bie die Zollunion ins Auge faßte, die Unabhängigkeit Defterreichs gefährde!

Der Außenminister gab die einzig mögliche Aufwort: Nie­mals! Er hat wohl auch den übrigen Mächten, die sich für das Schicksal Desterreichs intereffieren, von diesem Ultimatum kennt­nis gegeben.

Bevor irgend sonst jemand Zeit fand, auch nur ein Wort der Ent­rüstung zu sagen, schoß die Bant von England Desterreich das Geld vor. Das Kreditarrangement ist nur vorläufig und furz­fristig. Die französische Regierung wird sich bemühen, sich in ge­eigneter Form und mit unverändertem 3wed dazwischen zu schalten. Sollte sie auch fernerhin ihren 3wed nicht erreichen, so wird sie vermutlich versuchen, den Hebel an anderer Stelle anzusehen: an Deutschland , und dies ist auch der Grund, warum es verkehrt wäre, diesen ganzen Vorgang nicht so hell zu beleuchten wie nur möglich.

Großfeuer im Bergwerf.

Förderanlage zerstört.- 300 Mann arbeitslos. Miesbach , 19. Juni.

Am Donnerstag abend brach im Fördermaschinenhaus der Ge­wertschaft Marienstein ein Brand aus, durch den die Förderanlage des Bergwerks zum Teil zerstört wurde. Der Betrieb mußte eingestellt werden. Mehr als 300 Leute sind dadurch arbeits­los geworden.

Die Gewerkschaft Marienstein gehört zum Bayerischen Portlandzementwert. Durch das Feuer wurde das Förderhaus zerstört, auch die Förderseile, die zum Förder­forb führen, sind abgebrannt. Die zur Zeit des Ausbruches des Brandes unter Tage beschäftigten Arbeiter der Gewerkschaften konnten sich nur durch einen zweiten Schacht in Siche r= heit bringen. Dagegen konnten die Kompressoranlagen, das Kessel­haus und die Transformatorenstation gerettet werden. Die an das Förderhaus angebauten fünf Arbeiterwohnungen sind größtenteils ausgebrannt. Fünf Familien sind obdachlos ge= worden. Das Portlandzementwert selbst wurde durch den Brand nicht in Mitleidenschaft gezogen. Bei den Aufräumungsarbeiten hofft man einen Teil der zum Feiern gezwungenen Arbeiter ver­wenden zu können.

Mellon in London .

Nur Stimson zuständig

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aber Boykottwerbung gegen Rußland .

London , 19. Juni.

Der nordamerikanische Schatzsekretär Mellon hat gestern mit Macdonald( zweimal), Henderson und Montagu Nor= man verhandelt. Ueber den Inhalt der Unterredungen Mellons mit Macdonald berichtet Daily Telegraph ".

Mellon habe durch die Darlegungen des britischen Premiers über die Weltwirtschaftskrise und die Reparationsfrage sicherlich einen flareren Eindruck von den Umständen erhalten, die zu dem Meinungsaustausch in Chequers geführt haben. Seine Eindrücke würden vervollständigt werden durch Reichskanzler Dr. Brüning und andere deutsche Staatsmänner; aber Mellon werde vielleicht Staats­