Oer ausgespielte Außenseiter Zeugen aus dem Bekanntenkreis des Muitermörders
Einen ausgespielten Auhenseiter nannte der wickersdorser Erzieher Pilippiere den Angeklagten Ealistro Max Thielecke. Und hatte damit das Richtige getroffen. Der ausgespielte Auhenseiter hatte aber einen weit ausgebreiteten Bekanntenkreis: er verkehrte in vielen Familien, und niemand merkte eigentlich so recht, mit wem sie es zu tun hatten. Eine von vielen Bekannte» des Angeklagten war Frau Toni Appelbaum, die Frau eines Fabrikdirektors. Auch in ihrem Hause oerkehrte Ealistro. Die Zeugin erzählt: Der Angeklagte machte auf mich einen sehr nervösen, aufgeregten Eindruck und sprach davon, daß er sich mit einem Arzt in Verbindung gesetzt habe, um die Mutter in eine Ncrvenanstalt zu bringen. Seine Hände zitterten: er war zuweilen wie geistesabwesend. Vorsitzender: Hat er öfter über die Mutter geklagt?— Zeugin: Ja. Er erzählte, er wäre geknechtet und getreten. Er könne nicht von der Mutter fortziehen, sie zwinge ihn, bei ihr zu wohnen.— Vorsitzender: Sprach er mit Haß von der Mutter?— Zeugin: Einerseits war es Haß, andererseits merkte man ihm aber auch ein gewisses Verantwortungsgefühl an. Er habe für die Mutter zu sorgen, sagte er.— Vorsitzender: Hat er denn etwas verdient?— Zeugin: Ja, durch Stundengeben. Er bat auch immer wieder meinen Mann, ob dieser ihm nicht irgendeine Stellung besorgen könne. Der zweite Zeuge ist der jetzige Professor der Philosophie in Leipzig Dr. I p s e n. Er war im Jahre 1922/23 Lehrer in Wickersdorf . CKlistro lernte er in dessen Kameradschafts- gruppe kennen, später besuchte der Angeklagte zuweilen die Ka- meradschaftsgruppe des Zeugen. Mir fiel sein selbständiges Wesen auf. Für seine Klasse war er überaltert. Unter den Schülern sehr beliebt. Er besaß ein ausgesprochenes Gefühl für Rechtlichkeit und Sauberkeit und wurde nicht selten von den Mitschülern als Schiedsrichter angerufen. In den mathematischen Fächern versagte er vollkommen: dagegen hatte er ein ausgesprochenes Interesse für alles, was in irgendeinem Zusammenhange stand mit völkerkundlichen Dingen. Er besaß auch ein völlig unmittelbares Verhältnis zur primitiven Denkungsart und zum primitiven Leben der Jndianerwelt. Die Ansichten der Konferenzmitglieder über Ealistro waren gespalten. Die einen nahmen für ihn, die anderen gegen ihn Stellung. Er zwang aber unbedingt zu einer Stellungnahme. Man empfand ihn als Per- s ö n l i ch k e i t. Zweifelhaft war es, ob man ihn bei seiner ein- seitigen Begabung durch das Abiturientenexamen bringen könnte. Rechtsanwalt Dr. Mendel: Sie haben mal früher aus- gesagt, man habe den Eindruck gehobt, als walte um den' Ange» klagten irgendein Geheimnis. Die Mitschüler hätten dieses Ge- heimnis respektiert. Der Angeklagte habe sich ständig auf der Suche nach seinem Vater befunden, er habe geglaubt, von einem hohen exotischen Geschlecht abzustammen und für sich das Vorrecht in Anspruch genommen, stets mit einem Dolch b e- w a f f n e t zu sein.— Zeuge: Ja, das ftinimt.— Medizinalrat Dr. Leppmann: Ist das richtig, daß bereits im Abgangszeugnis des Angeklagten der Name Sujamanie-Thielecke steht? Der Erzieher Pilipiere hat den Angeklagten einmal einen ausgespielten Außenseiter genannt. Stimmt das? Zeuge: Ich habe den Angeklagten zu einer Zeit kennengelernt, als er sich bereits in Wickersdorf eingelebt hatte. Studienassessor Dr. Appelbaum war Calistros Mathematik- lehrer in Wickersdorf . Er hebt ganz besonders die tadellose Führung des Angeklagten in der Schulgemeinde hervor. Was seine Schul- kenntnisse angeht, so hätte ihn wohl keine andere Schule geduldet. Für Wickersdorf war aber u. a. maßgebend der Umstand, daß er aus Veranlassung von Gerharl Hauptmann eine Freistelle erhielt.. Solange der Angeklagte in Wickersdorf war, hat man ihn als wert- volles Glied der Schulgemeinschaft angesehen.— Vorsitzender: Sie haben auch in späteren Jahren freundschaftliche Beziehungen zum Angeklagten unterhalten.— Zeuge: Ich hatte Ealistro voll- ständig aus den Augen verloren. Im Jahre 1928 tauchte er dann plötzlich wieder auf. Wir freundeten uns an. Sein Charakter schien mir in dieser Zeit merkwürdig verändert. Er muß Erlebnisse ge- habt haben, über die ich nicht genauer orientiert war. Auffallend war es, daß Ealistro stundenlang über sich sprechen komüe, in der Hauptsache über seine Mutter und über seinen Namen. Er erzählte immer, wie sehr ervonderMuttergequält werde. Er lebe unter außerordentlich deprimierenden Verhältnissen.— Vorsitzender: Waren das objektive Quälereien oder mehr subjektive Vorstellungen des Angeklagten von Quälereien— Zeuge: Ich halte Ealistro für einen absolut>ehrlichen Menschen. Mag sein, daß es sich mehr um eine Verschiebung in seiner Vorstellung gehandelt. hat. Jedenfalls sagte er u. a.. daß seine Mutter. ihn daran hindere,
irgendeine Arbeit anzunehmen.— Vorsitzender: Meinte er vielleicht darunter seine Kommissionsgeschäfte mit Sowjetrußland oder die Arbeit als Kontrolleur bei der Mitropa ?— Zeuge: Das weiß ich nicht.— Vorsitzender: Was hatte er für Zu- kunftspläne?— Zeuge: Damals befand sich in Schwebe die Angelegenheit mit dem Stipendium einer amerikanischen Universitär. Ealistro hatte gute Aussichten und befand sich in Briefwechsel mit Professor Boas.— Mit dem Zeugen, dem Kunstmaler H e i in a n n, ist der Angeklagte am Todestage der Mutter von 10 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags zusammen gewesen. Es war ihm nichts anzumerken. Er wollte sich vom Zeugen, mit dem er befreundet war, einiges Material für das von ihm beabsichtigte Werk über die Wickersdorfer Schulgemeinde beschaffen. Der Kunstmaler Liese war gleichfalls jahrelang befreundet mit dem Angeklagten. Er sollte ihm behilflich sein, irgendeinen Beruf zu finden. Zuerst war von Zeichnen die Rede, dann vom Film, schließlich von der Journalistik. Fräulein Friedemann, frühere Sängerin, ist als Hilfskraft in der Nervenheilanstalt ihres � Bruders beschäftigt. Sie hatte mit dem Angeklagten auf Veranlassung der Frau Professor Hirschmann eine Unterredung. Sie sollte Klarheit darüber schaffen, aus welchen Gründen er feine Mutter in einer Anstalt internieren wolle. Der Angeklagte sprach zwar ohne Haß von der Mutter, äußerte aber furchtbare Angst wegen der Verfol- ganzen, denen er durch sie ausgesetzt sei. Sie wolle ihn er- ledigen. Er dürfe nicht von ihr fortziehen. Sie hindere ihn daran, irgendeine Stellung anzunehmen, lasse ihn auch nicht ins Ausland fort, habe zum Beispiel seinen Paß verbrannt. Mir kam plötzlich die Idee, sagt die Zeugin, daß der Angeklagte selbst nicht ganz normal sei. Daß etwas in seinen Erzählungen nicht stimmen müsse: es waren mehr Angstvorstellungcn, Wahnideen. Ich kam zum Schluß, daß sowohl die Mutter, als auch der Angeklagte selbst verrückt sein müßten. In diesem Sinne äußerte ich mich auch später Frau Professor Hirschinann gegenüber. Unter großer Spannung tritt die Frau des Angeklagten, Margarete Ihielecke, vor den Richtertisch. Sie will aussagen. Vorsitzender: Wann und wie haben Sie die Ehe ge- schlössen?— Zeugin: In Paris . Wir sind kirchlich getraut.— Vorsitzender: Es hieß, Sie hätten sich nach dem mohammc- danischen Ritus trauen lassen.— Zeugin: Darüber will ich nicht aussagen.— Vorsitzender: Also jedenfalls haben Sie sich später in Berlin standesamtlich trauen lassen Sie haben jetzt ein Kind von 1% Jahren. Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Mann? — Zeugin: Es war ein sehr gutes. Er war nie er- regt.— Vorsitzender: Und das Verhältnis zur Schwieger- mutter?— Zeugin: Um die Frau habe ich mich nicht geküm- mert.— Vorsitzender: Weshalb?— Zeugin: Weil sie mich nicht mochte. Ich habe es versucht, mit ihr auszukommen. Sie hat es aber abgelehnt.— Vorsitzender: Hat die Schwieoer- mutter Drohungen ausgesprochen?— Zeugin: Sic wollte das Kind aus dem Fenster werfen.— Vorsitzender: Hot sie Ihnen das selbst gesagt?— Zeugin: Sie hat aber stets mit sich selbst gesprochen. Und hat es auch zu meinem Mann gesagt.— Vorsitzender: Hat die Schwiegermutter einmal den Gashahn ge- öffnet?— Zeugin: Ja.— Vorsitzender: Kamen Austritte zwischen der Mutter und Ihrem Manne vor?— Zeugin: Ja, sie hat auf ihn sehr geschimpft. Er blieb immer ruhig.— Vorsitzender: Weshalb sind Sie nicht fortgegangen?— Zeugin: Erstens konnte man keine Wohnung bekommen, und dann hätte sie uns auch nicht ziehen lassen.— Vorsitzender: Erzählen Sie uns von dem Tag, an dem es passiert ist.— Zeugin: Abends kam mein Mann zu mir— ich befand mich mit dem Kinde bei meiner Mutter, und sagte, es sei im Hause wegen der Installation?- arbesten alles verschmutzt. Ich solle des nachts bei der Mutter bleiben. Gegen 1411 Uhr ging er nach 5)ause.— Vorsitzender: Und am nächsten Morgen?— Zeugin: Gegen K6 Uhr läutete es. Vor mir stand mein Mann. Er machte einen eigentümlichen Eindrück. Er erzählte, daß er seine Mutter im Badezimmer gelökel habe. Er habe die Seife ausheben wollen, und da habe die Muller nach dem Dolch gegriffen. Vorsitzender: Hat er denn nicht erzählt, wie er selbst den Dolch in die Hand bekommen hat?— Zeugin: Nein. Er sagte aber, er habe in Notwehr gehandelt.— Vorsitzender: Und was sagten Sie daraus?— Zeugin: Das wird dir nie- mand glauben.— Vorsitzender: Und was sagte er dann?— Zeugin: Er sagte dann: Ich werde erzählen, daß sie mich mit dem Revolver bedroht hat.
sckretär S t i m s o n überlassen, Berlin zu besuchen. Die beiden amerikanischen Minister würden dann Präsident Hoover b e- stimmte Anregungen über Reparationen, Kriegsschulden und Kaufkraft des Goldes unterbreiten können. Das Blatt setzt hinzu, daß man in London keine großen hossnungen aus eine baldig« Lösung des Reparalionsproblems oder aus irgendeine unmittelbare ameri kanische Znitiative in dieser Richtung setze.—„Daily Expreß " bringt ein Interview mit Mellon, in dem dieser betont, sein Besuch habe keinerlei politische Bc- d e u t u n g. Eine Erörterung der Kriegsschulden müsse vom De- partement des Staatssekretärs Stimson kommen. Der diplomatische Berichterstatter des Blattes behauptet, Mellon sei nur bereit, eine Revision der Schulden zu erörtern unter der Voraussetzung, daß Groß-Britannien sich einem internationalen Boykott der Sowjetunion anschließt und praktische Maßnahmen ergreift, um die britischen Rüstungsausgaben herabzu- fegen. Die Vereinigten Staaten seien bestrebt, ihre Landwirtschost gegen die Konkurrenz des russischen Weizens und anderer russischer Rohstosfe zu schütze»! und sie seien der Ansicht, daß dies nur durch einen internationalen Boykott erreicht werden könne. Von Hammurabi bis Hitler . Oder vom Braunhaus zum Tollhaus. „Des Lebens Unverstand mit Wehmut zu genießen, ist Tugend und Begriff", hat der alte Herr von Thümmel gesagt. Aber gerade in unsern schweren Zeiten tut es gut, die Wehmut durch ein schmunzelndes Lächeln zu versüßen. Hierzzi hat Gelegenheit, wer eine Kundgebung des Ludendorffschen Tanncnberg-Bundes besucht, in der ein Dr. Engel aus München spricht. Gestern gab es im Krieger-Vereinshaus die Möglichkeit zu solch erlesenem Feste. Zuerst machte Herr Engel zum Punkte:„Jüdische Wettherr- schast" einen wüsten Ritt durch die Weltgeschichte. Wer über die furchtbaren Pläne der Juden sich belehren will, soll die Bibel zur Hand nehmen und das 3. Buch des alten Propheten Moses nachlesen. Ein beträchtlicher Teil Schuld an dem Elend, dos wir durch dieses jüdssche Streben nach der Weltherrschaft durch- machen, trägt aber auch der alte König Hammurabi von Babylon (lebte um 2000 vor Christi Geburt, sieche Konversationslexikon). Dieser König Kochlrabi, Verzeihung Hammurabi, den übrigens Wilhelm II. in seinem bekannten Hollinann-Brief neben dem er- wähnten Moses, Abraham, Homer , Karl dem Großen, Luther , Shakespeare , Goethe, Kant und seinem eigenen Großvater eine „göttliche Ofscnbarung" genannt hat, ist nämlich einer der Väter des Zinsrechtes! Aus Wut über dieses Zinsrecht haben dann 2<X)l> Jahre später die alten Germanen unter Hennann dem Cherusker die römischen Scndlinge dieses jüdischen Zinsrechtes im Teutoburger Wald zusammengehauen. Zum Retter gegenüber Rom hätte dann, wiederum 1500 Jahre später. Dr. Martin Luther «erden können, wenn nicht sein böser Freund Melanchthon (lebhafte Pfuirufe) ein Diener Roms gewesen wäre! Wer aber ist ebenso abgrundtief schädlich und schlecht wie Moses, König Hammurabi , der Generalfeldmarfchall Quintilius Varus und Melanchthon? Nach Dr. Enget Ludendorfts Meinung: Adolf Hitler ! Er ist a u ch ein Zknecht Roms. Nach dem un- glückseligen 9. November— nicht 1918, sondern 1923, Bräukeller- putsch— hat e r sich unterworfen: Er will Frieden mit Rom , er will. sogar ein Konkordat. Er hat überhaupt das ganze alte'natiönaksoziMftffche'Programm verraten! Punkt für Punkt geht Dr. Engel die Programmpunkte durch! Ein geeintes Großdeutschland? Ein Wort genügt: Südtirol ! Beschneidung der Rechte der Juden? Hitler hat dem Vertreter der Hearst-Presse, Herrn von Wiegand, erklärt, daß er nur wolle, daß die Juden nicht mehr Rechte hätten als die Deutschen (zwei lebhafte D a m e ix brechen in gellende Pfuirufe aus). Kampf gegen die Kriegs- 'schuldlüge? Gudendorfs hat bewiesen, daß Juden, Papst und Frei- maurer die Kriegsschuldigen sind? Hitler aber hat dieses prächttge Beweismaterial nicht ausgenutzt. Aufteilung des Groß- grundbesitzes? Hitler hat dem Grasen Eulenburg erklärt, daß er gar nicht daran dächte usw. Das ist„Hitlers Verrat am deutschen Volte". Wer wird uns retten? Herr Engel sagt es:„Das Haus Ludendorfs wird uns der wahren Freiheit eittgegenführen." Die Anbeter des„Graußen Generols" lauschten andächtig. Zahlreiche jugendliche Anhänger des Hauptmanns Stennes machten mit minderer Andacht die Staftaqe. Bei der Diskussion ward ein Hitlerscher Braunhäusler mit Kniffen und Püffen an die Luft ge- fetzt, dann ging man, beruhigt über Deutschlands Zukunft, nach Hause. Auseinanderstrebende Geister. Die Tagung der agrarischen Genossenschaften. Der Reichsoerband der deutschen landwirtschaftlichen Genossen- schaften— Raiffeisen E. V.— der 36 450 agrarische Genossenschaften von insgesamt 40 759 oereinigt, hält jetzt feine Hauptversammlung in Swinemllnde ab. Neben bekannten agrarischen Genossenschastssührern sprachen Dr. Hermes und Reichsminister Schiele über neue Aufgaben der Landwirtschaft. Die Forderungen, die sie ausstellten, waren „die gleichen, die man seit Moixiten von dieser Seite hört, nämlich Anwendung der Hochschutzzölle auf landwirtschaftliche Edelprodukte, wie Molkereierzeugnisse, Gemüse usw. Es zeigte sich aber auf der Tagung, daß die Meinungen über diese Fragen auch in agrarischen Kreisen weit auseinandergehen. Während sich Hermes besonders kräftig für staatliches Eingreisen zum Schutze der Land- Wirtschaft«insetzt, vertrat der westdeutsche Genossenschaftsführer Berg- Darmstadt nachdrücklich den Standpunkt, daß in erster Linie alles auf die genossenschaftliche Selbsthilfe an- komme. Niemals dürfe die Richtung der Wirtschaftspolitik den An- schein erwecken, als ob es Aufgabe des Staates sei, jedem seine auskömmliche Existenz zu sichern. Wenn Hermes im übrigen zugestand, daß der gesamte Produktionswert der landwirt- schaftlichen Veredelungswirtschast jährlich 6 Milliarden Mark gegen nur 2 Milliarden Mark Produttions- wert der Getreidewirtschast betrage, so bekräftigte er damit nur den Irrsinn der deutschen Agrarpolitik. Bemerkenswert sind die Ausführuneen in dem Jahresbericht über wirtschaftliche Tätigkeit der Genossenschaften. So stellte sich 1930 der Bezug der Hauptgenossenschasten auf 6 5 M i l l i o n e n Doppelzentner im Werte von 525 Millionen Mark gegen 68,6 Millionen Doppelzentner im Werte von 563,8 Millionen Mark. Die M i l ch e i n l i e f e r u n g bei den Genossenschaften des Reichs- Verbandes betrug 4,5 gegen 4,4 Milliarde» Liter im Vorjahr. Auf die Kreditpolitik der Agrargenossenschaften, die nach den beispiellosen Borgängen bei der Raiffcisenbank und nach dem neuesten Zeitungs- suboevtionsskandal in Pommern von der Oeffentlichkeit besonders unter die Lupe genommen werden muß, kommen wir noch zurück.
Die Vorgänge in Scheuen. Oer Prozeß gegen den Prügeldirektor Straube. Lüneburg , Ig. 3uni. Der Prozeß gegen den früheren Direktor der Erziehungsanstall Scheuen. S l r a u b e. und die miiangeklaglen Zöglinge wurde heule fortgeseht. Die wichtigste Aussage ist die des Angeklagten Schulz, der zu den Günstlingen des Direktors, der sogenannten Topf- kratzergarde, gehörte. In der Nacht der„Revolte" seien er und andere Zöglinge schon im Bett gewesen, als der Lärm losbrach. Der Erzieher Difsel sei hereingestürzt und habe Gummi- knüppel verteilt. Wer keinen mehr erhalten konnte, habe sich in Anwesenheit dieses Erziehers mit Hacken Und Beilen aus- gerüstet. Er selbst habe eine Hacke genommen. Alles stürzte zum Gemeinschaftsraum, und als Schulz plötzlich«inen Jungen vor sich sah, habe er zugeschlagen. Der Geschlagene warLedebur, der später den Verletzungen erlag. Weiter habe er einen der revol- tierenden Jungen mit einem eisernen Stuhl niedergeschlagen. Auf „Gefangene" sei er mit Fußtritten losgegangen. Eine Haus- angestellte, Fräulein Knobloch, habe mit einer Hundepeitsche auf die Zöglinge losgeprügelt, vor ollem auf Puls, den sie als Aas betitelte, der ihr mit einem Schneeball das Küchenfenster eingeworfen habe. Am anderen Tage habe er, Schulz, die von der Polizei ein- gebrachten Flüchtlinge mit einem Gummischlouch in Empfang ge- nommen. Schulz sagt ganz ehrlich, daß er natürlich begeistert war, die anderen mal tüchtig verprügeln zu können. Der Erzieher D i t t m a n n habe den Anfang mit dem Prügeln gemacht. Direktor Straube habe sie ermuntert, die anderen mal tüchtig auf den Schwung zu bringen, was sie so auffaßten, daß sie die Jungen durch Prügel zum Laufschritt zwingen sollten. Zn Gegenwart Straubes prügelte Schulz die Flüchtlmge, wenn sie sich weigerten,
auszusagen. Dem Zögling Hoffmann wurden die Hosen herunter- gezogen, das Gesäß ward ihm wundgeprügelt. Während Schulz ihn festhielt, rieben ihn die anderen Pfeffer und Salz in die Wunden, wozu der Erzieher Manegold sagte, daß das Aas es verdient habe, aber man solle es jetzt bleiben lassen. Bevor die Stadträtin Weyl kam, hätten die Jungen von der Topfkratzergavde alle eine Mark bekommen. Sie hätten das als Auszeichnung und Belobigung aufgefaßt. Im Laufe der heutigen Verhandlung wird das Gericht über den Antrag der Verteidigung der Mitangeklagten Jungen entscheiden, die an der„Revolte" betestigt waren, den Haftbefehl gegen diese aufzuheben, da keinerlei Fluchtverdacht bestehe. Der Staatsanwalt beantragt Aussetzung der Haft, dem widerspricht die Verteidigung.
Schacht bei Hiiler? Oas Schwein für den Sturmbann. Das Berliner Organ der Strasser-Stennes-Gruppe, der„revo- lutionären Nationalsozialisten", bringt die Nachricht, daß Hja.lma r Schacht, früher Demokrat und Bankdirektor, schließlich Reichs- bankpräsident, formell seinen Eintritt in die Partei des Braunen Hauses vollzogen habe. Ob die Meldung stimmt, kann im Augenblick nicht toittrolliert werden. Aber vielleicht gibt die beigefügte Rosine einen Anhalt für ihre Güte. Da» Strasserblott weih nämlich weiter zu melden:„In- zwischen biedert sich Herr Hjalmar Schacht bei der Hitler-SA. bereits an. Eingedenk der Sprichworte Jkleine Geschenke erhalten die Freundschaft" und„Die Liebe geht durch den Magen" hat Herr� Schacht für einen am Sonnabend in Frohnau stattgefundencn SZl.- Sturmbannabend ein Schwein von seinem Gute bei Lindow in der Mark gesttstet." Wohl bekomms!