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Nr. 285 48. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

In der großen Wirtschaftskrise.

Der Fabritarbeiterverband trotzt allen Stürmen.

Gewerkschaften find freiwillige Vereinigungen. Nur das Ber­trauen der Mitglieder hält sie zusammen. Sie können feinen 3wang auf ihre Mitglieder ausüben, wie Zwangsinnungen und andere ,, berufsständische" Organisationen, denen der Polizei: büttel die Mitglieder zutreibt. Krisenzeiten, wie die gegenwärtige, find Prüfsteine des Vertrauens. Der Verband der Fabrik arbeiter Deutschlands , dessen Gesamtbericht in Form des Jahrbuches 1930 eben erschienen ist, hat die Vertrauens­prüfung im Krisenjahre 1930 glänzend bestanden. Wohl fonnten die Krisenwirkungen nicht spurios an ihm vorübergehen. Im Jahresdurchschnitt waren 35 Proz. der Mitglieder arbeitslos oder Kurzarbeiter, die Betriebsstillegungen jagen fich, die Betriebskon­zentration und Rationalisierung haben die Zahl der Arbeits­pläge ungeheuer vermindert.

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In den Betrieben der J.-G. Farben Industrie A.-G. wurden im Laufe des Jahres 1930 etwa 15 000 Arbeiter entlassen. Ende 1930 waren in dem größten Unternehmen der deutschen chemischen Indurstie nicht mehr Arbeiter und Angestellte beschäftigt wie Anfang 1925. Von Anfang 1929 bis Anfang 1931 ist

die Zahl der in den Betrieben der 3. G. Farben- Industrie A.-G. beschäftigten Arbeiter um etwa 31 000, die Zahl der Angestellten um etwa 4000, also insgesamt um 35 000 zurückgegangen.

In anderen Betrieben der chemischen Industrie vollzog sich eine ähnliche Entwicklung. In 11 chemischen Betrieben des Wirtschafts­bezirks Ludwigshafen a. Rh. waren Ende 1930 etwa 7000 Arbeiter weniger beschäftigt als zu Anfang des Jahres, in der Gummi- Industrie Mannheims etwa 600 Beschäftigte. Im Bezirk Frantfurt a. M. wurden in der chemischen Industrie etwa 5000 Beschäftigte abgebaut, davon allein in einer Kunstseiden­fabrit etwa 1300, in der Gummi- Industrie 900.

In den Continentalen Gummi- Werten A.= G., Hannover , ging die Zahl der Beschäftigten 1930 von 17 000 auf 13 000 zurüd. Am Ende 1924 beschäftigte die gleiche Gesellschaft laut Geschäftsbericht allein 14 483 Arbeiter und Angestellte. Seit­dem hat die Conti ein halbes Dugend Unternehmen, darunter einige der bedeutendsten deutschen Gummi- Fabriken, aufgenommen, die insgesamt annähernd 8000 bis 9000 Arbeiter und Angestellte be­schäftigen. Ende 1930 waren annähernd 9000 bis 10 000 Arbeiter und Angestellte in den Betrieben der Continentalen Gummi- Werke weniger beschäftigt als 1924.

Die internationale Betriebsfonzentration in der Linoleum­Industrie hat dazu geführt, daß 1930 zwei große Betriebe, das Wert Hanja" in Delmenhorst und das Werk Köpenic still gelegt worden sind. Außerdem sind auch noch in den arbeitenden Werken die Belegschaften erheblich verringert, allein in dem Wert Bietigheim um etwa 450. In dem größten deutschen Papier - und Zellulose- Konzern, in der Feldmühle A.-G., fant die Zahl der Arbeiter im Jahre 1930 um etwa 1200.

Stillegungen und Entlaffungen

auch in der Zündholz- Industrie infolge der Einführung des Zündholzmonopols. In der Ziegel- Industrie arbeitete nur ein Bruchteil der sonst beschäftigten Arbeiter. In der Zement­und Kalk Industrie waren im Vorjahre 7000 bis 8000 Ar­beitsträfte meniger beschäftigt. In Mitteldeutschland wurde die Zementfabrit Göschwitz als Folge der Fusionierung mit der Schlesischen Portland - Zement­Industrie A.-G. stillgelegt; 350 Arbeiter wurden entlassen. Auch die Mitglieder des gelben Werkvereins haben diese Art ,, Volksgemein­schaft zu spüren bekommen. Nicht besser war die Beschäftigungs­lage in der Feinkeramischen und in der Glas- Industrie. Allein im Bezirk Niedersachsen wurden 5 Betriebe der Glas­industrie mit 1400 Arbeitern stillgelegt, hauptsächlich als Folge der Gründung des Flaschenfynditats. In der feinkera­mischen Industrie Nordbayerns war die Zahl der Beschäftigten um 5000 geringer als im Vorjahre.

Unter diesen Umständen, die hunderttausenden Verbandsmif­gliedern den Arbeitsplatz raubte, ist es kein Wunder, wenn die Mit­gliederbewegung einen Rückschlag aufweist, den zu verhindern auch der lebhaftesten Werbearbeit nicht möglich war. Immerhin ist der Rückschlag, gemessen an der Schwere der Wirtschaftskrise, nicht groß. Dem Mitgliederdurchschnitt von 474 000 des Vorjahres steht

eine durchschnittliche Mitgliederzahl von 456 000

im Jahre 1930 gegenüber bei einer durchschnittlichen Beitrags­leistung von 48,6 Beiträgen im Jahr. Ein Teil des Mitglieder­rüdganges ist auch auf die Auswirkung der abgeschlossenen Kar­tellverträge zurückzuführen. Einige Zahlstellen, wie Köln , Hildesheim , Celle , Eßlingen usw. meisen auch trotz der Krise Mitgliederzunahme auf.

Auch in der Wirtschaftsfrije hat der Fabritarbeiterverband die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen der Arbeiterschaft mit Erfolg verteidigt. Für einen Teil der Mitglieder konnten im Krijenjahr 1930 noch Lohnerhöhungen durchgeführt werden. Wenn der Lohnabbau im Bereich des Fabrifarbeiterverbandes bis zum Jahresende fast überall per­hindert, die Tariflöhne gehalten werden konnten, so ist das als

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ein nicht geringer Erfolg zu werten. Nur in einigen fleinen Bezirken der wirtschaftlich schwer daniederliegenden Ziegelindustrie und in der Glasindustrie, auch dort begünstigt von der schlechten Wirtschaftslage, fonnten die Unternehmer einen geringen Lohnabbau durchführen. In allen übrigen Industriegruppen setzte der Abbau der Tariflöhne erst im Frühjahr 1931 ein. Als ersten größeren Erfolg der gewerkschaftlichen Bestrebungen auf Arbeitszeitverkürzung zur Milderung der Krisennot gelang ihm die Einführung der Sechs- Stunden- Schicht in der Delindustrie in Har­ burg und auch in anderen Orten.

Sonntag, 21. Juni 1931

über ein lebhaftes Auf und Ab in den Bewegungen der letzten drei Jahre berichten. Große Bewegungen, teilweise zur Abwehr van Verschlechterungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen, nahmen die Kräfte des Verbandes voll in Anspruch.

Wenn man die Organisation der Hilfsarbeiter im graphischen Gewerbe betrachtet, dann muß man dabei berücksichtigen, daß diese

zu 62,3 Proz. aus weiblichen Mitgliedern und zu 37,7 Proz. aus männlichen Mitgliedern be steht. Die große Arise im Buch- und Steindruckgewerbe war auf den Verband nicht ohne Einfluß. Eine hohe Arbeitslosigkeit besteht und für Unterstützungenn müssen namhafte Geldsummen aufgewandt werden. Im Jahre 1930 wurden

580 110 Mart für Unterffüßungen

ausgegeben. Bon dieser Summe erfordern die sozialen Unter­ftügungen 98 Proz. Die Arbeitslosenunterstützung allein belastet die Verbandskasse im Jahre 1930 mit 337 269 m. gegen 234 256 1929 und 139 215 1928. Ende 1930 waren 24 Proz. der Mitglieder arbeitslos. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit erhöht fich von 50 Tage im ersten Vierteljahr 1930 auf 79 Tage im vierten Bierteljahr.

Die Verbandsfinanzen blieben von den Krisenwirkungen nicht verschont. Die Gesamteinnahmen der Haupt- und Lokal­tasse betrugen 22 109 832 M., davon an Beiträgen 20 139 638 m.; gegen das Vorjahr mit 21 988 750 M. ein Rückgang von etwa 8 Prozent. Dieser Rückgang ist lediglich eine Folge der großen Erwerbslosigkeit. Der Durchschnittsbeitrag der in Arbeit stehenden Mitglieder hat sogar eine fleine Steigerung erfahren. Die Ge= samtausgaben haben sich stark erhöht, jedoch waren Eingriffe in den Vermögensbestand nicht notwendig. Außer dem Erwerb des Bürohauses in Hannover ist die Steigerung der Ausgaben ausschließlich auf die Erhöhung der Unterstützungsausschließlich auf die weiblichen Mitglieder. Die Rassenverhält gaben zurückzuführen. Im Krisenjahr 1930 hat der Fabrikarbeiter­verband insgesamt

11 052 003 Mart Verbandsunterstützung

aus der Haupt- und Lotalkasse geleistet, davon Erwerbslosen und Ausgesteuerten Unterstützung 9086 410 m. Die Invalidenunterstützung, die am 1. Januar 1930 in Kraft trat, erforderte 1184 751 M. Unterstützt wurden am Schlusse des Jahres etwa 13 184 invalide Mitglieder.

55 Proz. der Gesamteinnahmen an Beiträgen oder 79 Proz. der Einnahmen der Hauptkasse aus Beiträgen flossen den Mit­gliedern wieder als Unterstützung zu.

Das 1. Quartal 1931 brachte mit über Millionen Mart Unterstützungen noch größere Anforderungen. Seit Beendigung der Inflation bis zum Frühjahr 1931 hat der Fabrikarbeiterverband insgesamt

über 48 Millionen Mark Verbandsunterstützung

an seine Mitglieder geleistet. Auch der Sturm der Wirtschaftskrise tann die gewerkschaftliche Kraft des Verbandes nicht erschüttern.

G. R.

Der Verband der Maler. Mitgliederzunahme troh größter Arbeitslosigkeit.

Die 22. Generalversammlung des Verbandes der Maler, Ladierer, Anstreicher, Lüncher und Weißbinder Deutschlands findet rom 22. bis 26. Juni im Breslauer Gewertschaftshaus statt. Seit der letzten Generalversammlung vor drei Jahren hat der Verband trotz des schlechten Lage des Maler- und Lackierer­gewerbes eine günstige Entwidlung aufzuweisen. Die durchschnittliche Arbeitslosenziffer betrug im ver­flossenen Jahre nahezu 40 Pro 3. und Ende Mai 1931 noch über 55 Pro 3. der Bollmitglieder. Troß dieser schlimmen Ber­hältnisse war es möglich, die Mitgliederzahl um rund 2000 zu erhöhen.

Auch die Kassenverhältnisse des Verbandes weisen eine günstige Entwicklung auf. So wurde im Jahre 1930 eine mehr einnahme von 153 000 m. erzielt. Das Gesamtvermögen beträgt zur Zeit über 4 Millionen Mart. Dieser günstige Abschluß wurde erreicht, trotzdem an Unterstützungen im letzten Jahre 1129 027 m. ausgegeben wurden. Für Sozialunter fcüßungen mußten 108 500 m. aufgewendet werden. Wenn trotzdem ein Ueberschuß in der Verbandskasse erzielt wurde, so ist dies ein Teweis einer sparsamen Geschäftsführung.

Auf der Tagesordnung der Generalversammlung des Verbandes steht u. a. ein Referat des Genossen Eggert vom ADGB . über die Krise des fapitalistischen Witt schaftssystems und ein Referat des Genossen Sachs vom ADGB . über die Unfall und Gesundheitsgefahren im Malergewerbe. Die Lohn und Tarifbewegungen werden als besonderer Punkt behandelt. Zur Generalversammlung find nicht weniger als 263 Anträge gestellt, die sich im wesentlichen mit der Beitrags- und Unterstützungsfrage beschäftigen.

Die graphischen Hilfsarbeiter. Zu ihrem Stuttgarter Verbandstag.

Der Berbandstag des Verbandes der graphischen Hilfsarbeiter und-arbeiterinnen Deutschlands wird in der Woche vom 22. bis 27. Juni in Stuttgart abgehalten. Der Verband ist eine jener Ge­werkschaftsorganisationen, die über ein gutes Organisations verhältnis, eine stabile Mitgliedschaft und einen ausreichenden Kaffenbestand verfügen. Der Verband soll Rückschau auf die letzten brei Jahre halten und Wegweiser sein in der immerhin sehr trüben Zukunft. Wie bei anderen Gewerkschaften kann auch dieser Verband

Lohnpolitik bei Villiger

In seinen Fabriken zahlt Villiger in allen Lohnpositionen höhere ais die Tariflöhne. Dadurch arbeitet die Belegschaft mit Freude und leistet ihr Bestes. Die Sorgfalt, mit der ein Stumpen hergestellt wird, ist für dessen Qualität von größter Bedeutung. Villiger- Arbeiter sind Qualitätsarbeiter, die sich nicht als Unter­gebene, sondern als Glieder einer großen Familie fühlen, deren Wohl und Wehe von der guten Leistung abhängt. Der Villiger- Stumpen, in welcher Preislage Sie ihn auch wählen, ist ein beredter Zeuge des Qualitätsgedankens, der Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Villiger verbindet.

Das Buchdruckgewerbe befindet sich in einer Strukturwandlung. Das Gewerbe als ganzes ist übersetzt. Die Zusammenlegung der Produktionsstätten ist im Gange. So ist es verständlich, daß die Bahl der Mitglieder im Durchschnitt von 41 185 1929 auf 40 173 Mit­glieder im Jahre 1930 zurüdging. Der Rückgang fällt fast aus­nisse des Verbandes müssen als günstig bezeichnet werden. Dies geht aus dem Vermögensbestand hervor. Im Jahre 1930 betrug das Verbandsvermögen je Kopf und Mitglied 102,04 Mart,

1918 maren es 66,78 M., im Jahre 1929 83 m. Der Verband iſt also für alle Fälle gerüstet. Der Verbandstag hat eine reichhaltige Tagesordnung zu erledigen. Neben den Berichten des Vorstandes mird der Punkt Tarif- und Lohnbewegungen einen breiten Raum einnehmen. Auf Abänderung der Statuten liegen zahlreiche Anträge vor. Meistens wird die Erhöhung der Unter­stüßungssäge in der Arbeitslosen und Invalidenunterstüßung ver­langt. Der Verbandstag dürfte dazu kaum bereit sein, um die Ber­Borträge über die Strukturwandlungen der Wirtschaft, über bandsfinanzen nicht in Unordnung zu bringen. Außerdem werden Gewerkschaften in Staat und Wirtschaft und über die Bedeutung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit gehalten.

Unternehmerwillkür.

Bobachs Zeitschriftenvertrieb fordert 25 Proz. Abbau.

Bei der Buch- und Zeitschriftenhandlung von Franz D. Schroe­der G. m. v. H. in der Dresdener Straße 35 ist ein ernster Konflikt ausgebrochen. Die Firma ist eine Niederlage des bekannten Zeit­schriften- Bersicherungsunternehmens von Boba ch in Leipzig . bei dem das Abonnement auf eine ihrer Versicherungszeitschriften zugleich mit der Abschluß einer Versicherung bei ihr verbunden ist. Die Firma beschäftigte bis jept 54 Boten, die die Kundschaft mit den verschiedensten Versicherungszeitschriften belieferten und durch eine 16 prozentige Beteiligung an dem Inkasso ent­lohnt wurden. Obwohl der Abonnementspreis der Zeitschriften trotz der verringerten Herstellungskosten infolge der Senfung der Buch­druckerlöhne usw. nicht ermäßigt worden ist, verlangte die Firma von ihren Boten, daß sie in einen etwa 25prozentigen Abbau ihrer Verdienste einwilligen sollten.

Den Boten, die diesem rigorosen Lohnabbau nicht zustimmen wollten, und das waren alle mit Ausnahme eines einzigen, fündigte sie mit achttägiger Frist ihr Arbeitsverhältnis zum 24. Juni. Die Boten wurden aber sofort aus dem Betriebe verwiesen und ihnen feine Tour mehr zugeteilt. Die Berhandlungen, die der Ge­samtverband zur Beilegung des Konflikts mit der Firma anbahnte, blieben erfolglos. Der Geschäftsführer erklärte, daß die 2n­weisung zum Lohnabbau von der Geschäftslei. tung in Leipzig ( Bobach) ergangen jei und er demzufolge teine Vollmacht zu Zugeständnissen habe.

Die Boten, die im Gesamtverband organisiert sind, betrachten sich mit Recht nicht als entlassen, sondern als ausgesperrt. Sie erwarten, daß die kaufmännischen Angestellten des Betriebes, die sich zur Belieferung der Kundschaft an Stelle der entlassenen Boten bereit gefunden haben, von diesem unsolidarischen Tun ablassen und ihnen den Abwehrkampf gegen diese Willkür der Geschäftsleitung nicht erschweren. Der Gesamtverband hat den Schlichtungsausschuß angerufen.

Der Ruhrbergbau- Schiedsspruch.

Das Lohnabkommen bis 30. September verlängert. Bochum , 20. Juni. ( Eigenbericht.)

Im Lohntarisstreit des Ruhrbergbaues wurde am Sonnabend unter dem Borsiz von Prof. Brahn ein Schiedsspruch gefällt, der die bestehende Lohnordnung bis zum 30. September verlängert. Kündigung kann erstmalig am 1. September erfolgen. Die Er­flärungsfrist läuft bis zum 24. Juni. Die Zechenbefizer lehnen den Schiedsspruch ab, die Gewerkschaften werden ihn annehmen.

In den Verhandlungen brachten die 3echenvertreter zum Ausdruck, daß ein Lohnabbau von 10 Proz. die unterste

Villiger hat Berlin erobert

VILLIGER SÖHNE, DEUTSCHLANDS GRÖSSTE STUMPENFABRIKEN Generalvertretung und Fabriklager: Brüder Blau , Berlin SW 61/ Telephon : Dönhoff 1202