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Nr. 295 48. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Das 25- Pfennig- Wochenende

Am Rand des Teltow : Von Mühle zu Mühle

Wir wollen heute den Rand der Teltower Hochebene| 2% Kilometern haben wir die Mühle von Bohnsdorf er­aufsuchen. Zweifellos bildet die Fläche des Teltow nicht so viele Ab­wechselungen wie die Havel oder die Oberspree, aber trotzdem sollte der Berliner diese Landschaft nicht verachten. Wenn über weite Acker­felder die sonnenbeglänzten Wolken am Himmel ziehen, dann ist auch dieses Stückchen Erde von geheimnisvollem Zauber umgeben, dem Zauber der Ebene, die zu immer neuen Zielen lodt.

Am Rande der Hochfläche stehen heute noch wie einst Wind­mühlen, die mit markanten Schattenrissen sich vom Horizont abheben und ihre Flügel im Winde drehen. Wer denkt bei diesem Anblick nicht an Dehmels ergreifendes Gedicht: Es steht ein goldenes Gartenfeld, das geht bis an den Rand der Welt. Mahle, Mühle, mahle! Es stockt der Wind im weiten Land, viel Mühlen stehen am Himmelsrand. Mahle, Mühle, mahle!" Wir wollen heute von Mühle zu Mühle wandern und der Technik von gestern, weiten Feldern und ziehenden Wolfen unsere Aufmerksamkeit schenken.

Wir fahren mit der Straßenbahnlinie 47 bis zur End­haltestelle in Rudow , die am Südausgang des Ortes liegt. Auf dem Wege dorthin fahren wir an der Siedlung Briz vorüber, die allein schon wert ist, eingehend besichtigt zu werden. Die ganze An­lage hebt sich aus dem Häusergewirr der Weltstadt wohltuend her­aus. Bald darauf grüßt rechts der turmartige Schornstein des Neu­föllner Krankenhauses. Hier draußen verliert die Weltstadt bereits ihren Zusammenhalt, fie löst sich auf in Einzeigehöfte und fleinere Siedlungen. Kurz hinter dem Krankenhaus, gegenüber der von der Königsheide kommenden mit prächtigen, dicht belaubten Bäumen be­standenen Johannisthaler Allee steht die erste Windmühle, die wir auf unserer Reise entdecken, die Rudower Mühle, die wuchtig ihre Flügel schwingt. Es ist eine Holländer Mühle mit breitem steinernen Unterbau. Bei ihr wird nur die Haube, die auch die Flügel trägt, gedreht, wenn es sich darum handelt, den geeigneten Wind richtig auszunuzen. Diese Mühlenart soll um 1550 ein Holländer erfunden haben. Aber in den Skizzenbüchern des großen Leo­ nardo da Vinci finden wir die holländische Mühle" bereits mit allen bezeichneten Einzelheiten wiedergegeben. Der größte Ingenieur des Mittelalters gab auch bereits die Bremsvorrichtung an, die für diese Mühle so charakteristisch ist.

Unsere Straßenbahn ist längst an der alten Mühle vorüberge­glitten. Wer etwa hier schon aussteigt, um die Mühle genauer zu be­trachten hat bis zur Endhaltestelle noch etwa 3 Kilometer zurückzu­legen. Kurz hinter der Endhaltestelle zweigen vier Chausseen ab. Wir wählen die am meisten links liegende, die über Waltersdorf nach Königswusterhausen führt nach etwa 2 Kilometern steht links ein runder fonusartiger Meilenstein: II Meilen bis Berlin ! fündet er dem Wandersmann. Und einen Kilometer hinter ihm stehen wir, gleich hinter der Chauffee, die links nach Alt- Glienice führt, vor der Mühle von Schönefeld , deren ganzer Bau gedreht werden muß, wenn die Flügel in den Wind gestellt werden sollen. Der piereckige Bau ist aus Holz gezimmert und ruht auf einem steinernen Jun­dament. Links von der Mühle steht das bescheidene Müllerhaus und um sie herum dehnen sich die meiten Aderfelder.

Wir fehren zu der nach At- Glienicke führenden Chaussee zurück und wandern jetzt in nordöstlicher Richtung. Nach etwa 2 Kilometern passieren wir dinks den Friedhof und nach weiteren zehn Minuten stehen wir vor der alten Bockmühle, die zu den romantischsten Vertreterinnen ihrer Art gehört. In ihrer Nähe finden wir auch den Bock, eine Winde, um deren Welle sich eine Kette schlingt, mit deren Hilfe die Mühle um ihre Achse gedreht wird. Diese Mühlenart heißt im allgemeinen die deutsche". Die Alt- Glienicker Mühle hat ein spitzgiebeliges Dach wie ein altes Bauernhaus. Wir wandern weiter bis zur Chaussee, die rechts nach Bohnsdorf abzweigt. Nach etwa

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üble

1. ILF UND F. PETROW

6. Schlimm.. Beispielsweise anläßlich einer Begegnung mit einer guten Bekannten ,,, eine schlimme Begegnung" 7. Kindchen. Ansprache an alle bekannten Männer, ungeachtet ihres Alters und ihrer sozialen Stellung. 8. Belehren Sie mich nicht.

9. Wie ein Kind. Ich schlage ihn wie ein Kind." Bird, auch beim Kartenspielen verwendet. 10. Wunder- r- r- bar!

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11. Did und schön. Wird als Charakteristik der belebten und unbelebten Dinge angewendet. 12. Fahren wir mit der Droschke. gefagt.

13. Fahren wir mit dem Tari.

Herren gesagt.

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Wird dem Gatten Wird den bekannten 14. Ihr Rüden ist ganz weiß. Ein Scherz. 15. Und wenn schon! 16. Ulja . Zärtliche Endung der Vornamen, zum Bei­spiel Mischulja, Sinulja. 17. Oho! Ironie, Staunen, Entzücken, Haß, Freude, Berachtung und Befriedigung. Die weiteren Worte, die nur noch sehr spärlich existierten, waren die Berständigungsbrücke zwischen Elly und den Ver fäufern der Parfümerie- und Modengeschäfte.

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Wenn man Ellys Photographie betrachtet, sie hängt über dem Bett ihres Mannes, des Ingenieurs Ernst Pawlowitsch Schtufin, so muß man sie reizend finden. Hohe konvere Stirn, große Augen, die lieblichste Nase im Moskauer Umfreis, auf dem Kinn ein kleines, mit Tusche afzentuiertes Fleckchen.

Ellys Wuchs zog die Männer an. Sie mar klein und die unansehnlichsten Männer sahen neben ihr groß und mächtig aus.

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Was besondere Kennzeichen anlangt, so waren feine vor­handen. Elly bedurfte ihrer auch nicht sie war schön. Die zweihundert Rubel, die ihr Mann monatlich in der Fabrit für elettrische Luster verdiente, waren für Elly eine

reicht. Wenige Schritte hinter ihr fommen wir zur Hauptchauffee des Ortes. Wir biegen links ein, gehen an der alten Kirche vorüber und erreichen nach 2 Kilometern den Bahnhof von Grünau . Bohnsdorf gehört zum 16. Berliner Verwaltungsbezirk. dem alten Ortskern haben sich die Siedelungen Faltenberg und Falten horst angeschlossen, so daß Bohnsdorf und Alt- Glienicke baulich zu­sammengewachsen sind. Im Vorwärts" ist oft über das Falken­

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Schönefelder Windmühle

berger Fest berichtet worden, das durch seine eigenartige Aufmachung und dem dabei entwickelten Humor wirklich verdient, hervorgehoben zu werden. Die Autobuslinie A 36 verbindet Bohnsdorf - Kirche und die im Süden der Kolonie Falkenhorst gelegene Endhaltestelle Schulzendorfer Straße mit dem Bahnhof Grimau. In Grünau hat man Anschluß an die Börortbahn oder fann mit der Linie 186 der Straßenbahn über Köpenid nach Berlin zurückkehren. Gesamte Weg­länge ab Rudow - Endhaltestelle bis Bahnhof Grünau etwa 11 Kilo­

meter.

Weitere Windmühlen, die nahe bei oder in Berlin am Ende des Teltow liegen, finden wir an der Chaussee Briz- Buckow, etwa Kilometer südlich von Brig ( mit Straßenbahnlinie 29 zu er­reichen), ferner südlich der Mariendorfer Rennbahn( Straßenbahn 25 und 99) und schließlich etwa Kilometer vom Rathaus Zehlendorf entfernt in der Nähe der Berliner Straße( Straßenbahn 40, Auto­bus A 7 und 20, Wannseebahn bis Zehlendorf- Mitte).

beleidigende Lächerlichkeit. Sie konnten ihr feinesfalls in dem schweren Kampf helfen, den Elly bereits seit vier Jahren führte. Seit jenem Tag, da sie begann die soziale Stellung einer Hausfrau und Gattin des Ingenieurs Schtutin einzu­nehmen. Der Kampf wurde mit aller Anspannung ihrer Kräfte geführt. Er verschlang alle Mittel. Ernst Pawlowitsch arbeitete Ueberstunden , entließ das Dienstmädchen, zündete den Pe­troleumtocher an und tochte selbst. Alles vergebens. Der ge­fährliche Feind zerrüttete von Jahr zu Jahr mehr den Haus­halt. Bor vier Jahren nämlich, ungefähr zur selben Zeit als sie heiratete, hatte Elly bemerkt, daß sie jenseits des Ozeans eine gefährliche Konkurrentin besaß. Das Unglüd traf Elly an einem besonders glücklichen Abend, als sie gerade eine sehr hübsche Crepe- de- Chine- Bluse probierte. Sie glich einer Göttin.

Ho- ho!" rief sie und konzentrierte in diesem Menschen­fresserschrei die besonders komplizierten Gefühle, die ihre Seele erfüllten. Etwas vereinfacht tonnte man diese Gefühle etwa folgendermaßen ausdrücken: Wenn mich die Männer so sehen werden, die werden sich aufregen. Sie werden zittern. Sie werden hinter mir herlaufen bis ans Ende der Welt und stammelnd vor Liebe vergehen. Ist aber auch nur einer von ihnen meiner wert? Ich bin die Schönste. Und eine so ele­gante Bluse hat niemand auf der Welt.

Da aber ihr Sprachschaz nur dreißig Worte beinhaltete, so wählte sie den ausdrucksvollen Ruf: Ho- ho.

In dieser bedeutsamen Stunde fam Fima Sobad zu Besuch bei ihr. Sie brachte den kalten Januaratem von draußen mit, und außerdem eine Modezeitschrift. Elly hielt gleich auf der ersten Seite inne. Hier befand sich die glanz­volle Photographie der Tochter des Milliardärs Vanderbilt im Abendkleid. Da gab es Pelz und Federn, eine graziöse Fasson und eine ganz aparte wundervolle Frisur. Dies alles war entscheidend.

,, Oho!" sprach Elly zu sich. Das bedeutete: Entweder ich oder sie!

Der Morgen des nächsten Tages fand Elly beim Friseur. Hier fiel Frau Schtukins schöner schwarzer 3opf und sie ließ fich ihr Haar rot färben. Hierauf flomm sie noch eine Stufe höher auf der Treppe empor, die zu dem leuchtenden Paradies führte, in der sich die Töchter der Milliardäre befanden. Sie faufte auf Kredit ein Hundefell, das ein Bisamfell vorstellen sollte. Dieses Fell wurde zur Verbrämung einer Abendtoilette verwendet.

Herr Shtufin, der schon lange von einem neuen Zeichen­brett träumte, wurde traurig.

Sonnabend, 27. Juni 1931

Gefälschte Telegramme.

Lichterfelder Verlagsbuchhändler unter Anklage.

Um die Aufklärung

mysteriöser Tele­gramme bemühte sich das Schöffengericht Lichter­ felde .

In einem Ehescheidungsprozeß zwischen dem Ver= lagsbuchhändler S. und seiner Frau wurden beide Parteien durch Telegramme beunruhigt, die unter falschen Telephon nummern aufgegeben waren und in denen der Tod oder die

schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen mitgeteilt wurde. Auf zahlreiche Beschwerden machte die Post diesem Spuk ein Ende und leitete das Strafverfahren ein. Angeklagt war nun der Verlags­buchhändler S. wegen Urkundenfälschung und Betruges, da er die Eltern seiner Frau, gegen die er in bitterster Weise fämpfte, durch solche Nachrichten, die unter fremdem Namen gingen, beunruhigt haben soll. Jedoch behauptete der Angeklagte, daß sein Schwager auf die Anklagebant gehöre, der im Ehe­scheidungskampf auf seiten seiner Frau mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln gegen ihn vorgegangen sei und diese gefälschten Telegramme selbst abgeschickt hätte, um ihn dann als Absender zu denunzieren. Der Schwager hätte ihm dauernd Briefe unflätigen Inhalts geschrieben. Um festzustellen, ob es möglich sei, unter einem gbeliebigen Telephonanruf und einer gbeliebigen Adresse Tele. gramme abzuschicken, habe er im Januar d. 3. unter dem Namen des Geliebten seiner Frau an sich selbst ein Telegramm aufgegeben und es auch prompt erhalten. Eigentümlicherweise datieren fast alle gefälschten Telegramme vom 21. Februar. So liegt der Berdacht nahe, daß jenes Telegramm vom Angeklagten nicht zwecks Kontrolle der Post abgesendet war, sondern nur, um festzustellen, daß Telegramme unter fremden Telephonnummern aufgegeben wer­den können. Um den Inhalt dieser gefälschten Telegramme mur einigermaßen zu charakterisieren, einige wenige Beispiele. Da heißt es z. B.:,,Wo bleibt das Geld fürs Krankenhaus. Else( das ist die Frau des Angeklagten) in Lebensgefahr. Hohes Fieber, mur Ope­ration fann retten." In einem anderen Telegramm: Else nach Operation an Herzschwäche gestorben. Sendet Begräbniskosten." In einem dritten Telegramm: ,, Drücke herzliches Beileid aus." Ein alarmierendes Telegramm erhielt übrigens auch der Angeklagte selbst; es wurde ihm darin der Tod seiner Mutter angezeigt. Die Mutter war aber ebensowenig tot wie seine Frau. Sollte ich mir etwa selbst das Telegramm mit der Todesanzeige meiner Mutter gefchickt haben? fragte der Angeklagte.

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Als die Absender der Telegramme

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im ganzen waren es etwa 17 sich weigerten, die Gebühren zu zahlen, da wurde die Post­behörde stuhig, sie erstattete Strafanzeige, man forschte nach und der Verdacht verdichtete sich gegen den Angeklagten.

Die Verhandlung mußte vertagt werden. Das Gericht beschloß, die Ehescheidungsaften heranzuziehen, in denen nach Behauptung des Angeklagten eine große Zahl ähnlicher, von seinem Schwager gefälschter Telegramme beiliegen sollen. Die Postbehörde wird sich aber darüber äußern müssen, ob es wirklich möglich ist, unter fremden Telephonanrufen Telegramme aufzugeben.

Die dänischen Ozeanflieger in Kopenhagen .

das ist Kopenhagen , 26. Juni

Die dänischen Ozeanflieger landeten um 14,10 thr auf dem Flugplatz Kopenhagen- Kastrup . Zur Begrüßung der beiden Dänemarkflieger hatte sich auf dem Flugplatz in Kopenhagen eine Menge von 50 000 Personen eingefunden, die den Fliegern einen be­geisterten Empfang bereitete. Das Flugzeug zeigte die dänische und amerikanische Flagge. Hoiriis wurde zunächst von seiner Mutter be­grüßt, die ihn mehrfach unter Tränen umarmte. Dann richtete der Borsitzende des Empfangsausschusses herzliche Begrüßungsworte an die Flieger. Er huldigte hoiriis als den ersten Dänen, der den Flug über den Ozean erfolgreich durchgeführt, und begrüßte Hillig als den ersten Deutsch- Amerikaner, der den Ozeanflug

Das mit dem Hundefell verbrämte Kleid hatte der stolzen Vanderbilttochter den ersten Schlag versetzt. Hierauf bekam die Amerikanerin drei weitere Schläge knapp hintereinander. Elly erwarb bei der Pelzfirma Soschkin einen Chinchillaschal -russischer, im Tulsti- Bezirk getöteter Hase, schaffte sich einen Hut aus Argentinefilz an und ließ einen neuen Roc ihres Mannes auf ein modernes Damenjäckchen umarbeiten. Die Milliardärin wankte, wurde aber immerhin noch von ihrem liebevollen Vater gestützt.

der

Die nächste Nummer jener Zeitschrift enthielt vier Bilder verfluchten Feindin in verschiedenen Variationen: 1. Mit schwarzen Füchsen,

2. ein Brillantdiadem auf der Stirn,

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3. in Aviatikerdreß hohe Lackstiefel, grüne Jacke, die Handschuhe mit mittelgroßen Brillanten ausgelegt, und 4. in Balltoilette eine Flut von Schmuck und ganz wenig Seide.

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Elly mobilisierte alles. Schtukin nahm ein Darlehen auf. Mehr als dreißig Rubel borgte man ihm aber nicht. Dieser neue mächtige Kräfteaufwand vernichtete den Haushalt von Grund aus. Man hatte nach allen Richtungen zu fämpfen. Und unlängst hatte es wieder neue Photoaufnahmen der Miß gegeben in ihrem neuen Schloß in Florida . So blieb nichts anderes übrig, als daß sich auch Elly neue Möbel an­schaffte. Sie fåufte zwei weiche Stühle in der Auktion. Ohne ihren Mann zu fragen, entnahm sie den Betrag dem Geld für den Haushalt. Bis zum fünfzehnten waren noch zehn Tage und sie besaßen nur noch vier Rubel.

Elly tam mit ihren Stühlen elegant in der Warsonofi­gasse angefahren. Ihr Mann war nicht zu Hause. Er kam übrigens bald und schleppte seine Aktentasche, koffergroß,

unterm Arm.

,, Der düstere Gatte ist gekommen", sagte Elln sehr ver­nehmlich. Sie sprach immer vernehmlich und die Borte sprangen ihr wie Erbsen aus dem Mund.

,, Guten Tag, Helenchen, und was ist denn das? Wo kommen diese Stühle her?" Ho- ho!"

,, Nein, wirklich?" ,, Wunder- r- bar!"

Ja. Die Stühle sind hübsch." ,, S- e- ehr gut!"

,, Hat dir sie jemand geschenkt?" " Oho!"

( Fortsetzung folgt.)