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Morgenausgabe

Nr. 299

A 151

48.Jahrgang

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Der Borwärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend" Juustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme". Technit", Blid in die Büchermelt", Jugend- Borwärtsu Stadtbeilage

Vorwärts

Beeliner Boltsblatt

Dienstag

30. Juni 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpalt. Nonpareillezelle 80 1. Reflamezeile 5,- R Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Bi. ( zuläffig zwet fettgedrudte Morte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche bas erste Wort 15 Bf. jebes weitere Bort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pf. Familien. anzeigen Beile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

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Auf Mittwoch vertagt!

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Revision der Notverordnung!

Sozialdemokratie für sofortige Verhandlungen.

Von S. Aufhäuser.

Noch keine Einigung in Paris. - Neue Schwierigkeiten zwischen Mellon und Laval . deutschen Bolk nur allzu deutlich gezeigt ,, daß Berzweiflung

Paris , 29. Juni. ( Eigenbericht.)

mit ihnen vor Infrafttreten des Feierjahres eine allgemeine poli­Dic um 9,30 Uhr wieder aufgenommenen französischtische Aussprache zu führen und dabei gewisse 3usiche amerikanischen Verhandlungen dauerten bis kurz vor rungen für die französische Zustimmung zu dem Hooverschen 11 Uhr, führten aber noch nicht zu der erwarteten Vorschlag zu erhalten. Da aber die deutsche Regierung nicht beab­Einigung; denn nach einer amtlichen Mitteilung sind die schalten zu lassen, hat sie in Paris dem Wunsche Ausdrud geben sichtigt, sich in die französisch- amerikanischen Berhandlungen ein­Besprechungen auf Mittwoch vormittag vertagt laffen, daß die Reise erst nach dem 1. Juli unternommen wird.

worden.

Diese Wendung scheint auf die Beschlüsse des Mi- Da der Reichskanzler, dessen Gesundheit durch die Anstrengungen nisterrats zurückzuführen zu sein, die die Zugeständnisse, und Aufregungen der letzten Wochen erschüttert ist, eine Erholung be. die die französischen Unterhändler den Amerikanern genötigt, beabsichtigt er, am kommenden Montag einen a chttätigen macht haben, etwas eingeschränkt haben. Infolge dessen hat der amerikanische Botschafter erklärt, daß er mit seiner Regierung von neuem Fühlung nehme.

Am Spätnachmittag des Montag wurde der Stand der Berhandlungen ziemlich optimistisch beurteilt. Man erwartete sogar die endgültige Einigung zwischen den Franzosen und den Amerikanern für den späten Abend.

Die Bertagung der weiteren Verhandlungen auf Mittwoch, die statt dessen mitgeteilt worden ist, ist eine nicht gerade erfreuliche Ueberraschung. Sie deutet darauf hin, daß die Beschlüsse des französischen Ministerrates die Ameri­faner nicht befriedigt haben. Das ist nicht ver­wunderlich, wenn man das reichlich hoch trabende offiziöse Kommuniqué liest, das die Havas - Agentur nach der Abendfizung des französischen Ministerrates heraus gegeben hat

Wie uns im übrigen von sehr gut unterrichteter ameri­fanischer Seite versichert wird, ist Bräsident Hoover nach mie por fest entschlossen, den französischen Wünschen nicht nachzugeben.

Das Ergebnis des Ministerrates.

Paris , 29. Juni.

11 rlaub anzutreten. Der englische Gegenbesuch ist auf den 17. Juli und Stimsons Ankunft in Berlin wird zum 21. Juli erwartet. Daher dürften Dr. Brüning und Dr. Curtius erst Ende Juli nach Paris fahren und von dort aus direkt nach Rom .

Der Besuch bei Mussolini .

Kein Gegenbesuch in Deutschland .

Amtlich wird bestätigt, daß Mussolini den Reichskanzler und Reichsaußenminister zu einem Besuch der italienischen Regierung eingeladen habe. Reichskanzler und Reichsaußen­minister hätten die Einladung mit Dant angenommen. Der Zeit punkt des Besuches bleibe späterer Vereinbarung überlassen.

Ein Gegenbesuch Mussolinis oder eines anderen Mit gliedes der italienischen Regierung in Berlin ist von Italien nicht in Aussicht genommen.

Sozialistensieg in Spanien .

Die stärkste Partei- tein Kommunist gewählt.

Madrid , 29. Juni. ( Eigenbericht.)

Das Ergebnis der spanischen Wahlen war hier im einzelnen auch am Montagabend noch nicht be­kannt. Endgültige Ziffern sind nicht vor Dienstag zu erwarten.

Zu dem heute abend abgehaltenen Ministerrat, der sich mit dem Vorschlag Hoovers beschäftigte, berichtet die offiziöse Havas Agentur: Das Kabinett hat sich einmütig über die Notwendigkeit geeinigt, daß die französische Regierung sich nach Der Innenminister nimmt an, daß etwa 130 o der Abstimmung in der Kammer an den Tert ihrer Antwort vom 24. Juni halten müsse. Die Meinungsverschiedenheiten, die Parisialisten gewählt sind, also wesentlich mehr, als und Washington trennen, find bekannt. Frankreich schlägt vor, daß Radikalen Republikaner um Außenminister er erwartet wurde. Die zweitstärkste Partei dürften die die durch das Moratorium verfügbar werdenden Summen roug mit etwa 100 Siken werden. Dagegen sieht die liberale Rechte ihre Erwartungen nicht erfüllt. Ler roug ist siebenmal, Alcarra Camorra und Anaña sind zweimal gewählt worden. Die Kommunisten haben kein einziges Mandat errungen. In Madrid sind nur 2700 Stimmen für die kommunistische Kandidatur ab gegeben worden.

nicht nur zur Besserung des Kredits Deutschlands , sondern auch der anderen mitteleuropäischen Länder verwendet werden, bei denen die Aussehung der Young- Zahlungen finanzielle und wirt­fchaftliche Störungen hervorrufen fann. Die Bereinigten Staaten dagegen wollen ihre Bemühungen lediglich auf die Wieder­erhebung Deutschlands richten.

Frankreich fordert andererseits vor Ablauf des zwölfmonatigen Moratoriums die Prüfung von Maßnahmen, die deutscher feits im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Zahlungen ergriffen merden müssen. Hinsichtlich dieses michtigen Bunttes hat, wie es scheint, Frankreich , der Hauptgläubiger Deutschlands , weder feitens der Vereinigten Staaten noch Deutschlands die erforder= lichen beruhigenden Versicherungen erhalten. Das Angebot des Präsidenten Hoover legt Wert darauf, daß die von Deutschland 1931/32 zu bezahlende Annuität erst nach 25 Jahren geleistet werden soll. Die französische Regierung dagegen hat in ihrer Antwort erklärt, daß dieser Betrag am Ende des zwölfmonatigen provisorischen Moratoriums fällig werden müsse. Die franzöfifche Regierung hat heute abend in einem Gefühl des Entgegen tommens beschlossen, diese Frist

von einem auf fünf Jahre zu verlängern; aber das ist, wie es scheint, das einzige Zugeständnis, das der Ministerrat zu seinem anfänglichen Plan annehmen zu müssen geglaubt hat, ohne daß das geheiligte Recht Frankreichs auf Reparationen beeinträchtigt wird.

Ministerpräsident Laval und seine Kollegen werden das Ergebnis ihrer Beratungen und die Gründe ihrer Haltung im Verlaufe der heute abend stattfindenden Besprechungen mit den amerikanischen Vertretern auseinandersetzen.

Brüning Curtius' Pariser Besuch erst Ende Juli.

Paris , 29. Juni. ( Eigenbericht.)

Der deutsche Botschafter von Hoesch wurde am Montagnachmittag gegen 5 Uhr wiederum zu Briand gebeten Die Unterredung dauerte nur furze Zeit. Gegenstand der Be­sprechung dürfte der Termin des deutschen Minifter besuches in Baris gewesen sein.

Die französische Regierung hatte ursprünglich die Absicht, die deutschen Minister noch vor dem 1. Juli nach Paris einzuladen, um

Miserfolg eines radikalen Kandidaten bei der Wahl, zu In Madrid kam es am Montag, veranlaßt durch den einem Generalstreit. Zahlreiche Personen wurden verwundet. Die Regierung hat den Belagerungszustand berhängt.

Sieben Sozialisten in Madrid .

Madrid , 29. Juni.

In Madrid sollen von etwa 220 000 Wahlberechtigten 160 000 gewählt haben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß jeder Wähler 14 Kandidaten wählen fonnte, ist folgendes Ergebnis in Madrid zu ersehen: Es entfallen nachstehende Stimmenzahlen auf: Sieben Sozialis en, darunter den Arbeitsminister, zufammen 761 000; Lerroug für die radikalen Republikaner 133 000; vier un­abhängige parteilose Republikaner zusammen 472 000; Pedro Rico, den Bürgermeister von Madrid , für die Acion Republicana 124 000; einen Kandidaten für die rechtsliberalen Republifaner 114 000; Osorio Y. Gallardo für die Gruppe Apoyo de la Republica 38 000; Melquiades Alvarez( unabhängig) 35 000; Sanchez Guerra( unab­hängig) 35 000; Angel Herrera, den Direktor der fatholischen Zeitung ,, El Debate", für die Acion Nation 27 000. Außerdem wurden 7200 Stimmen für die Jaimisten und 2700 für die Kommunisten in Madrid abgegeben.

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Hinsichtlich der Provinz sind zwei Besonderheiten zu melden: 1. die Stimmenthaltung von 70 000 fonservativen Wählern in Jaen , dem Wahlbezirk des Ministerpräsidenten, und 2. die Tat fache des Wahlfieges des Generals Sanjurjo in Lugo , wo er ohne fein Wissen aufgestellt und gewählt worden ist.

Die bulgarische Regierung ist am Sonntag zurückgetreten, mit der Neubildung des Kabinetts wurde der Demokratenführer Malinom betraut. Zahlreiche Anhänger des bisherigen Regierungs urses, die an dem Staatsstreich im Jahre 1929 beteiligt waren, baben Bulgarien verlassen, um der Rache zu entgehen. Die Bauern­aartei hot dagegen ihre Anhänger zur Ruhe ermahnt und sie auf­gefordert, nou privaten" Racheatten Abstand zu nehmen.

Das Wahlergebnis vom 14. September 1930 hat dem ein schlechter politischer Ratgeber ist. Das demokratische Reichs­parlament ist seitdem in seiner Arbeitsfähigkeit gelähmt, die Wirtschaftskrise und Finanznot des Reiches haben sich dank der Wahlerfolge von Kommunisten, Faschisten und der damit weiter verschärft. Die zurückliegenden Monate haben aber beengten Bewegungsfreiheit der Sozialdemokratie immer nicht minder deutlich bewiesen, daß keine der ,, Siegerparteien" vom September in der Lage ist, den unter schwerstem seeli­schen Druck leidenden Massen auch nur irgendwie zu helfen. Die Hoffnung dieser Massen ist mehr denn je einzig und allein die Sozialdemokratie. Auf sie sind in diesen Tagen und Wochen die Blicke jener Millionen von Volksgenossen gerichtet, die als Arbeitende oder Kriegs- und Sozialrentner von den furchtbaren Lasten der letzten Notver­ordnung erfaßt zu werden drohen.

Die denkenden Arbeiter, Angestellten und Beamten wissen auch nur allzugut, daß eine mechanische Aufhebung der Not­verordnung ohne den Ersatz einer anderen sozial gehaltenen Sanierung der Reichsfinanzen neues und vermehrtes Elend über sie bringen müßte. Sie werden auch wenig Neigung empfinden, das Opfer des von den Kommunisten geplanten politischen Streits am 1. Juli sein zu wollen, der bei einem Erfolg" lediglich Wasser auf die Mühlen der Sozial= reaftion treiben müßte. Sie fordern vielmehr eine Abände­rung der unsozialen Notverordnung, die ohne sachliche Prüfung und Beratung unmöglich bleibt. Darum spielte in allen Stadien der politischen Entwicklung für die Sozialdemokratie die Erwägung, eine brauchbare Beratungsgrundlage zu schaffen, die entscheidende Rolle. Es mag bedauert werden, daß der Reichsfanzler nicht schon vor der letzten Entscheidung der fozialdemokratischen Fraktion das Ventil einer Beratung zu öffnen gewußt hat, um die so dringend nötige Entspannung in den Massen herbeizuführen. In der Politik kann jedoch Ranküne wenig helfen. Es ist zwar wertvolle Zeit für Ber­handlungen verloren gegangen, aber noch ist es nicht zu [ pät, sofortige Verhandlungen einzuleiten. Der Bundes­ausschuß des Allgemeinen Deutschen Gewert schaftsbundes hat am 20. Juni d. J. erklärt:

für ihre Abänderung in kürzester Frist." ,, Die Notverordnung... erfordert den entscheidenden Kampf

22. Juni d. I.: Der Bundesausschuß des AfA- Bundes erklärte am

,, Wenn nicht dumpje Verzweiflung die Maffen ergreifen soll, dann müssen alsbald und beschleunigt wesentliche Aenderungen an der Notverordnung vorgenommen werden."

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Reichstags­den amerikanischen Vorschlag zur Reparationsfrage am fraktion schrieb an den Reichskanzler unter Bezugnahme auf 23. Juni d. 3.:

,, Obgleich der Vorschlag noch der Zustimmung der beteiligten Mächte bedarf, halten wir es für dringend erforderlich, die zu gesagten Besprechungen über die Abänderung der Rotverordmmg sofort einzuleiten."

Der Reichstanzler hat am gleichen Tage in seiner Rundfunkrede ausgeführt:

verordnung und besonders dringende Notlage zu mildern, ,, Die Reichsregierung war und ist bereit, Härten der Not aber sie fann an dem finanziellen Ergebnis der Notverordnung nicht rütteln lassen."

Es genügt also nicht, daß einmal verhandelt werden soll, sondern es muß jetzt begonnen werden. Wir brauchen im Augenblick mit Brüning nicht zu rechten, ob es ausreichend begründet war, am 11. und 12. Juni auf der Vertagung der Verhandlung bis August oder noch später zu bestehen. Nach­dem inzwischen durch die Tat des a meritanischen Prä­sidenten und die voraufgegangene wirksame Initiative der englischen Arbeiterregierung die außen= politische Entspannung zu erwarten ist, darf die innen politische nicht länger auf sich warten lassen. Die Erleichterung der Reparationszahlungen fann heute nicht mehr gefährdet werden, wenn die Notverordnung abgeändert wird. Finanzkatastrophe, Staatskrise und Faschis= mus fönnen nicht länger als Gespenster vorgeführt werden, um die Beseitigung der sozialen Härten in der Not­verordnung auch nur noch einen Tag zu verschieben. Die ita atspolitischen Gründe, die einer Revision der Notverordnung bislang entgegengehalten wurden, sind rest= Ios in Wegfall getommen