Die Verantwortung der Partei. Hans Vogel spricht auf dem niederbayerischen Parteitag. Regensburz, 29. Juni. (Eigenbericht) Auf dem in Regensburg abgehaltenen Parteitag des Bezirkes Obcrpfalz- Niederbayern sprach der Partei- Vorsitzende Hans Vogel über den Kampf der deutschen Sozialdemokratie mit der Gegenrevolution. Mit überzeugender Logik legte Vogel die tieferen Ursachen der gegenwärtigen Not dar und begründete die zwingende Folgerichtigkeit der aus dieser Not heraus geborenen Taktik der sozialdemokratischen Reichstagssraktion und ihre Haltung zum Brüning-Kurs. Noch nie habe eine Gesetzgebung eine so starke berechtigte Verbitterung bei den breiten Massen ausgelöst wie die letzte Notverordnung. In ihr spiegele sich der Wille des konsolidierten und konzentrierten Kopita- lismus, die 1918 im Zustand der Schwäche gemachten sozialen Zugeständnisse mit aller Macht wieder zurückzuerobern, wieder. Für die Sozialdemokratie stehe auch heute noch im Vordergrund der K a m p f um die Erhaltung der Demokratie und der Re- publik. Die Sozialdemokratie könne das va-bauquo-Spiel der Diktatur nicht dulden, wollte sie nicht die sozialen Errungenschaften opfern. Wer die von der sozialdemokratischen Fraktion eingehaltene Taktik grundsätzlich ablehne, der müßt« sich klar darüber sein, daß dann als der andere Ausweg nur der eines be- waffneten Aufstandes, der Bürgerkrieg bliebe. Niemand vermöge gegenwärtig zu sagen, ob der deutschen Arbeiterklasse dieser Weg erspart bleibe, ob wir uns nicht eines Tages mit den Waffen der Gewalt zur Wehr setzen müssen, wenn der Kapita- lismus sich offen dem Faschismus in die Arme wirft und an die Gewalt appelliert. Kein Wort der Kritik sei zu scharf gegenüber der Notverordnung, diesem Triumpf der sozialen Reaktion. Die Sozialdemokratie habe darum volles Verständnis für die ungeheure Erbitterung in den Arbeiterkreisen. Man schäme sich ja, immer wieder sagen zu müsien, daß die Sozialdemokratie unter normalen Verhältnissen diese Un- geheuerlichkeiten der Notoerordnung nicht hätte passieren lassen. Das Ziel der Notverordnung, nämlich die Sanierung der öffentlichen Finanzen, erkenne selbstverständlich auch die Sozialdemokratie an. Auch sie sei an geortmeten Finanzen sehr stark interessiert. In dieser Richtung gehe ihr die Notverordnung nicht einmal weit genug. Sie wende sich aber dagegen, daß die geplante Finanzsanierung fast aus- schließlich auf Kosten der breiten Massen, der Armen und der Aermsten gehe. Die Einberufung des Reichstages hätte aber unter den gegebenen Umständen nicht eine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Notverordnung gebracht. Vogel schilderte dann im einzetnen die Vorgänge im Reichstag und zeigte die möglichen Folgen des zeitweilig drohenden Rücktritts Brünings auf, darunter die der Einsetzung eines Direk- t o r i u m s, in dem einer der größten Verderber Deutschlands , Dr. Schacht, die Hauptrolle hätte spielen müssen. Die Folge wäre eine neue Vertrauenskrise des Auslandes gewesen, äußerste Steige- rung der Not, weitere Stillegungen und Anschwellen der Arbeits- losigkeit. Die Leidtragenden wären wiederum ausschließlich die Arbeitermaffen gewesen. Die ganze Tolerierungspolitik der Sozial- demokratie laufe schließlich nur darauf hinaus, ihr ein gewisses Maß von Einfluß auf die soziale» Entscheidungen der Reichsregierung zu sichern. Bezüglich der jugendlichen Arbeitslosen bis 21 Jahren und der Gemeinde- und Staatsbearbeiter habe sich Brüning schon bereit erklärt, Aenderungcn in dem gewünschten Sinne vorzunehmen. Unter dem Druck der Sozialdemokratie hat sich Brüning auch bereit erklärt, früher als am 1Z Oktober in weitere Verhandlungen ein- zutreten. Wenn man zehnmal der Ueberzeugung fein könne, daß die Reichstagsfraktion unrichtig gehandelt habe, so genüge die Ent- Wicklung, vor allem das Angebot des amerikanischen Präsidenten Hoover, daß sie richtig entschieden habe. Die Sozialdemokratie nehme den neuen Plan nicht zum Anlaß, neue Forderungen an die Regierung zu stellen, sie erinnere aber an ihre Forderungen, die sie gestellt habe, als von den finanziellen Er- leichterungen noch nichts zu sehen gewesen sei. Die Sozialdemokratie sei sich ihrer großen Verantwortung bewußt. Sie wisse, daß ihre Taktik— aus heißer Liebe für die Arbeiterklosse geboren— schwerste Anforderungen an die wirtschaftliche Vernunft, an die politische Ein- ficht und an die proletarische Disziplin der Partei stelle. Schlecht fei der Klassenkämpser, der es nur in den politischen Gutzeiten sei, ober wankend werde, wenn die Zeiten bewegt und schwierig werden. Vogels Ausführungen wurden mit begeistertem Beifall aufgenommen.
Kommumstische Niederlage. Schwere Schlappe bei Konsumwahlen. Braunschweig . 29. Juni.(Eigenbericht.) Die Braunschweiger K o m m u n i st e n haben bei den Vertreter- mahlen zum Allgemeinen Konsumverein ein« vernichtende Niederlage erlitten. Die Sozialoemokraten erhielten 3414, die Kommuwftcn 824 und die kommunistische Opposition 153 Stimmen.
Das Braunschweiger Volksbegehren. Votwendige Stimmenzahl erreicht. Brauuschweig, 29. Juni. (Eigenbericht.) Das kommunistische Bol k s b c ge h ren auf Auflösung des Brouuschweigischen Landtags Hot die erforderliche Zahl von «nem Zehntel aller Wahlberechtigten, das sind 35 000 Stimmen, erreicht. Der Landtag wird sich nunmehr mit dem Gesetz auf Aus- lösung beschäftigen müssen. Lehnt er das Gefetz ab, dann muß Oco Volk durch Volksentscheid befragt werden.
Gtrasaniräge im Llralzeff- Prozeß. Vier Jahre Gefängnis für den Hauptangeklagten. Dresden , 29. Juni. Im Prozeß llralzeff wurde am Montagnachmittag vom Staats- anmalt für den Hauptangeklagten llralzeff wegen fort- gesetzten Betruges und Urkundenfälschung eine Strafe von vier Jahren Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft sowie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf drei Jahre beantragt. Für Dr. Steinmetz wurden sechs Rionate Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft und Aufhebung des Haftbefehls, für den Angeklagten Bedenk zwei Jahre Gefängnis und zwei Jahre Ehrverlust beantragt. Für den Angeklagten S ch r a d e bean- trogt« der Staatsanwalt eine Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren bei Anrechnung der Untersuchungshast und für den AngeNogten liiifczes eine Strafe von acht Monaten Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt gelten soll.
Unbegreiflicher Freispruch. Oer Prozeß gegen die„Welt am Abend".— Die Kommunisten geben ihre Lügen zu.
Bor dem Amtsgerichtsrat v. P l a t e n fand heut« morgen der Beleidigungsprozeß des Genossen Abramowitfch gegen den Redakteur der„Welt am Abend", Hurtig, statt. Der Rechts- beistand des Genossen Abramowitfch, RA. Otto Landsberg , legte dar, die Ausdrücke„niederträchtige und verleumderisch« Aus- rede in bezug auf die Gründe, die den Kläger veranlaßten, nicht als Zeuge noch Rußland zu gehen, feien unbedingt beleidi- gend. Wenn der Kläger auf der Pressebefprechung erklärt habe, er könnte in Rußland unter Umständen„Opfer eines Eisenbahnunglücks" oder eines Banditenüberfalles werden, denn dies feien ja in Sowjetrußland die beliebten Methoden, Gegner zu beseitigen, so dürfe das nicht als„nieder- trächtige und verleumderische Ausrede" bezeichnet werden. Der Nebenkläger ist aber nachweislich im Juli und im August nicht in Rußland gewesen, er brauche also gar keine Ausflüchte zu machen. Die Behauptung des Artikels, daß der Nebenkläger durch seine Weigerung, sich vor dem Obersten Gerichtshof mit dem Angeklagten konfrontieren zu lassen, die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen als zutreffend anerkannt habe, enthalte den Vorwurf des Landesverrats gegen das Land, dessen Bürger er auf Grund seines P ass e s auch heute noch ist. Es sollte damit ge- sagt wenden, daß er im Interesse der Imperialisten«in« interventio- nistischs Tätigkeit entfaltet und zu diesem Zweck unter anderem auch französisches Geld bekommen hob». Daß diese Behauptung eine üble Nachrede darstelle, liege aus der Hand. Rechtsanwalt Dr. Fritz L ö w e n t h a l erwiderte darauf namens der Beklagten , es fei von den Angeklagten im Moskauer Prozeß niemals behauptet worden, daß der Nebenkläger gerade in den Monaten Juli und August in Moskau gewesen sei. Er könne sich ja dort zu einer anderen Zeit aufgehalten haben: daß die Partei des Nebenklägers wie auch die zweite Internationale im ganzen mit dem Gedanken der Intervention spiele, könne da- gegen mit einer Unzahl von Beweisen belegt werden. Rechtsanwalt Landsbcrg entgegnete darauf, daß es dem Kläger schwer fallen dürste, selbst nur einen einzigen derartigen Beweis zu erbringen. Das Gegenteil fei richtig. Abramowitfch bezeichnete die Behauptung des Klägers,
es fei nicht die Rede vom Juli und August gewesen, als feigen Zurückzieher und erbrachte durch Zitate aus den Gestand- nissen der Moskauer Angeklagten den Beweis dafür, daß stets von Juli und A u g u st die Rede gewesen sei. Aus dem Verhalten des Richters zu den Erklärungen der Par- tei war von vornherein ersichtlich, daß er die schwierige Materie nicht beherrscht und gewillt sei, sich auf das rein Formale zu be- schränken. Er bestimmte auch gar nicht, wie das in ähnlichen Be- leidigungsprozeffen stets geschieht, einen Verkündigungstermin, fon- dern war mit seinem Urteil nach etwa fünf Minuten langen Vera- tungen mit sich selbst fertig. Das Urteil lautete: Der Angeklagte wird frcigc- sprachen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger . In der Urteilsbegründung führte der Amtsgerichtsrat von Plate» unter anderem aus: Der Artikel der„Welt am Abend" stellte bloß einen Bericht über die Pressekonferenz dar, in der Kläger über die angeb- liche Rolle, die er im Moskauer Prozeß gespielt haben soll, Jnfor- mationen gab. Dieser Bericht entspricht den Tatsachen. Der zweit« Teil des Artikels der„Welt am Abend" enthält Schlußfolgerungen. Für diese Schlußfolgerung steht dem Beklagten der§ 193 zur Seite. Wenn von einer„niederträchtigen und verleumderischen Ausrede" gesprochen wird, fo wird hierdurch nur die subjektive Met- nung des Beklagten zum- Ausdruck gebracht, daß so was wie „Eisenbahnunglück" und„Banditenüberfall" in Sowjetrußland nicht möglich wäre. Die Klage des Genossen Abramowitfch gegen die„Welt am Abend" ist vor einem Amtsrichter verhandelt worden, dessen offenbares Bestreben es war, die Sache ohne Ber- tiefung loszuwerden. Der beklagte Kommunist und sein Verteidiger sind im entscheidenden Punkte topfer zurückgewichen: sie haben die Behauptung fallen lassen, daß Abramowiffch im Juli oder August in Moskau gewesen sei, obgleich Krylenko diese Be- hauptung für bewiesen erklärt hat! Gegen das gänzlich unverständliche Urteil ist Berufung eingelegt worden. Sie wird sicherlich Erfolg haben— was bei Urteilen dieses Amtsrichters nicht selten ist.
Die spanische Wahl.
Das kommt unserm Hugenberg spanisch vor!
Die sozialistische Hochschulgemeinschast. Gründung in Braunschweig . Am Sonntag vormittag fand im„Haus der geistigen Arbeit" in Braunschwcig im Anschluß an den„5. Sozialistischen Studententag" die Konstituicrung der vom Leipziger Parteitag eingerichteten S o z i a l i st i s ch e n H o ch s ch u l g c m c i n s ch a f t statt. Nach den vom Parteitag beschlossenen Richtlinien soll die sozialistische Hoch- schule�meinschaft die Hochschulpolitik der Sozialdemokratischen Partei fördern und ihre studierende Jugend geistig, gesellschaftlich und wirtschaftlich stützen. Im Auftrage des Porteivorstandes tonnte Genosse Staatssekretär a. D. Heinrich Schulz eine große Zahl von Gästen, vor ollem Hochschullehrer und Vertreter der inter - essiertcn Organisationen, außerdem alle Teilnehmer des Sozialistischen Studententages, begrüßen und zahlreiche Zuschriften und Glückwünsche bekanntgeben. Genosse Schulz entwickelte vom Ausgangspunkt den Kampf um die Hochschulen, der in großen Linien Ziel und Aufgaben der Hochschulgemeinschaft, in die neben den Hochschullehrern und Studenten alle Vereinigungen angegliedert werden sollen, die der wissenschaftlichen Zusammen- arbeit mit der sozialistischen Praxis und der Förde- rung der sozialistischen Studenten dienen sollen. Auf einer ver- breiterten Basis soll nunmehr mit verstärkter Krast die bisher vor allem von der Studentenschaft betriebene Hochschularbeit ge- fördert und ausgebaut werden. Neuorientierung der. Wissenschaft und Vertiefung der geistigen Grundlagen der Be- wegung aus der einen, Förderung und Heranziehung der jungen Generation auf der anderen Seite sollen dem Kampf um die Durchdringung der Hochschule mit der Gedankenwelt des Sozialismus das Gepräge geben. In diesem Sinne hatte sich bereits in der voraufgegangenen öffentlichen Kundgebung des Studententages Genosse Prof. Hermann Heller für die Hochschul- lehrer ausgesprochen. In der schlichten Eröffnungsfeier der Hoch- schulgemeinschast am Sonntag vormittag brachte eine Reihe von Ovganssationen ihxe Bereitschaft zur Mitarbeft zum Ausdruck. Für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschastsbund sprach Genosse Lothar Erdmann , der zugleich den Dank des Vorsitzenden de» ADGB. , Theodor Leipart , für dessen Berufung in dos Präsidium der Hoch- schulgemeinschast überbrachte, s�ür den AsA-Bund übermittelte Genosse Dr. K r e y s s i g, für den ADB. Genosse K o tz u r freund- liche Wünsche. Mit großem Beifall wurden die Wort« der Vor-
sitzenden des Bundes der Freunde sozialdemokratischer©tudierender, Genossin Dr. Wegschcider, aufgenommen, die sich um die wirtschaftliche Förderung der Studenten sehr verdient- gemacht hat. Für die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer fand Ge- nasse Dr. Loewcnstcin besonders herzliche Worte, ferner sprachen für' die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Aerzte Genosse Dr. K o r a ch, für die Vereinigung sozialdemokratischer Juristen Genosse Landgerichtsdircktor Rüben, für den In- tellektuellcnbund versicherte Genosse Dr. Zopf die Mitarbeit für die neue Organisation. Zum Schluß sprach noch der Tagungsleitcr des Studcntentagcs Genosse B o h m o n n- Wien den Dank der jungen Generation für die verständnisvolle Würdigung ihrer Arbeit auf dem steinigen Boden der Hochschulen aus. Genosse Schulz gab dann bekannt, daß der Parteivorftond bisher zum Eintritt in das vom Parteivofftand zu bestellende Präsidium der sozialistischen Hochschulgemeinschaft die Genossen Prof. Gustav R a d b r u ch- Heidelberg, Prof. Julius T a n d l e r- Wien, Prof. Hermann Heller - Berlin , Theodor Leipart, Arthur C r i s p i e n. Heinrich Schulz , Dr. Hildegard Wegfcheider und den Vorsitzenden der sozialistischen Studenten- schaft Deutschkrnds und Oesterreichs Kurt B e r l o w i tz aufgefordert habe. Der zur Durchführung der eigentlichen Arbeit zu bildende Arbeitsausschuß wird sich gleichsalls demnächst konstituieren. In seiner Schlußansprache wandte sich Genosse Schulz mit sehr warmen Worten an die junge Generation der sozialistischen Be- wegung, die der Jugend immer verbleibende volle Bcwegungs» freiheit zum verdoppelten Einsatz ihrer Krast für die Erringung der großen Ziel« der Sozialdemokratie zu nutzen. Nach der kurzen Feier wurden'die Beratungen des Sozialistischen Studcntentagcs fortgesetzt.
„Das Landvolk" verbalen. Die in Itzehoe erscheinende Tages- zeitung„Das Landvolk" ist bis zum 14. August einschließlich ver- boten worden. Eine näher« Begründung des Verbotes steht noch aus. Die Wochenschrift„Das kämpfende Landvolt" wurde ebenfalls auf drei Monate verboten. Der evangelische kirchenverlrag nnlerzeichne». Im preußischen Stoatsministerinm sind am Montag die Ratifikationsurkunden zu dem Vertrage Preußens mit den Evangelischen Landeskirchen zwischen dem Präses D. Friedrich W i n ck l e r und dem preußischen Miuisterpräsidenten Dr. Braun ausgetauscht worden.