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BERLIN  Donnerstag 9. Juli

1931

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW68, Lindenstr.3 Fernsprecher: Dönhoff( A 7) 292-297

Spalausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 316

B 158 48. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillegeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Postscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H.. Berlin   Nr. 37 536. Der Verlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

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Arbeiternot durch Nordwollepleite

16- Stunden- Woche im Leipziger   Konzernbetrieb eingeführt

Leipzig  , 9. Juli.  ( Eigenbericht.)

Die zum Nordwolle   Konzern gehörige Säch= sische Wollgarnfabrik G. m. b. H., vorm. Tittel u. Krüger in Leipzig   hat sich veranlaßt gesehen, ab 13 Juli die Arbeitszeit auf 16 Stunden pro Woche herabzusehen.

Das Wirtschaftsverbrechen Nordwolle hat seine verhäng­nisvollen Konsequenzen. Es hat nicht nur zu schwersten Er­schütterungen des deutschen   Kredits geführt und hat die Banken, die bei dem Wollekonzern engagiert sind, in größte Schwierigkeiten gebracht es führt vielmehr direkt auch zur Verschärfung der Krise auf dem Arbeitsmarkt und zur Verschlechterung der Lage der Arbeiter.

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Die Firma Sächsische Wollgarnfabrik G. m. b. H. vorm. Tittel u. Krüger in Leipzig   ist seit 1927 dem Nordwolle  - Konzern angegliedert. Die Lage und der Auftragsbestand des Unternehmens war verhältnismäßig günstig, es beschäftigt etwa 500 Angestellte und 2200 Arbeiter.

Nun hat die Firma, ohne Befragen des Betriebs­rats für einen sehr erheblichen Teil der Belegschaft die 16- Stunden- Woche angeordnet.

Diese Anordnung ist eine Folge der Nordwollepleite. Kurzarbeit von 16 Stunden ist natürlich Lohnkürzung auf ein Minimum! Die Tertilarbeiter müssen die Verbrechen unfähiger Wirtschaftsführer am eigenen Leibe verspüren.

Angesichts dieser verhängnisvollen Rückwirkungen for­dern wir, daß die Nordwollepleite gründlich durchleuchtet wird. Wir fordern, daß sich die zuständige Staatsanwaltschaft mit diesem Zusammenbruch beschäftigt. Das Geständnis der Verwaltung, daß die innerhalb des Konzerns angewandten Buchungsmethoden die Verluste verschleiert haben, ist Hin­weis genug dafür, wo die Strafjustiz einzusehen hat!

Prolongation des BVG. Kredites. Bevorstehende Einigung.  - 20 Prozent werden sofort zurückgezahlt.

Die Berhandlungen, die der Magistrat zur Zeit mit dem unter Führung der Danat- Bank   stehenden Bankenkonsortium wegen der Prolongation des bereits in diesem Monat fällig werdenden BBG.- kredits in Höhe von 140 millionen Mark führt, sind noch zu feinem Abschluß gekommen. Wie wir erfahren, werden jedoch die Aussichten für eine Prolongation im Rathause als günstig bezeichnet. Die Stadt wird voraussichtlich eine Quote von 20 Pro 3., die aus einem Tilgungsfonds fofort zahlbar wäre, fofort zurüdzahlen. Für die restlichen 80 Pro3. des kredits hofft man eine Prolongation zu erzielen. Auf dieser Grundlage dürfte es zu einer Einigung fommen.

Affordlohn im Donezgebiet.

Gegen die schädliche Schädlingsbekämpfung.

Moskau  , 9. Juli.

Molotoff, Stalin   und der Vorsitzende des Obersten Volkswirt­schaftsrates, Ordichonifidje, haben einen Aufruf an die Partei- und die Wirtschafts- und Gewerkschaftsorganisationen des Donezbeckens  über die Aufgaben der Kohlenindustrie im Donezbeden gerichtet. Im Laufe von zwei Monaten soll mit der Nivellierung der Arbeitslöhne aufgeräumt und spätestens am 1. September 85 bis 90 Proz. der Untertagearbeiter sowie mindestens 70 Proz. der übrigen Arbeiter auf Affordlohnsystem umgestellt werden.

" Herrenhaus Hohehorst"

Der märchenhafte Luxus im Schloß des Bremer Wollfönigs

Schloß

Hohehorst

bei Bremen  

garnspinnerei, fuhr auf sein Luftschloß hohehorst, den in famen Hohn des Herrn Dr. Schacht auf Millionen armer deutscher  Rentenempfänger noch im Gehör.

Man schrieb den 14. Februar 1930. An diesem Abend saßen fönig G. Carl Lahusen  , Herr über den jetzt zusammens die millionenschweren Pfeffersäcke der Hansestadt Bremen   zum| gebrochenen Konzern der Norddeutschen Wollkämmerei und Kamm­385. Male an der filbergedeckten Tafel der sogenannten Schaffer mahlzeit. Unter den Gästen dieser illustren Gesellschaft befand sich auch der damalige Reichsbankpräsident Dr. Hjalmar Schacht  . Als die Zecherei ihren Höhepunkt erreichte, erhob sich Herr Dr. Schacht zu einer Rede, deren zynische Schlußsäge lauteten: ,, Unser Ideal in Deutschland   ist das Ideal des Sozialrentners, der mit dem Augenblid, wo er in die Wiege gelegt wird, sämtliche Versorgungsscheine, einschließlich der Sterbekasse mitbekommt. Wir fühlen uns nicht als Bürger des Staates, sondern wir fühlen uns als Wohltatsempfänger eines uns fremden staatlichen Organismus, der irgendwo in der Luft schwebt."

Diese Worte waren Musik in den Ohren der Millionäre und der stürmische Beifall wollte fein Ende nehmen. Dann verlöschte der Lichterglanz und der Mächtigste an jener Tafel, der Bremer   Woll­

Die Schuld der Privatwirtschaft

Der Reichsarbeitsminister flagt an. afbond Reichsarbeitsminister Stegerwald hat in Hamm  über die Fehler der Privatwirtschaft gesprochen. Die Deutsche Tageszeitung" hat ihn deswegen angegriffen. Stegerwald antwortet darauf in der Germania  ": Staats- und Privatwirtschaft zusammengesetzt und ge­In den Vereinigten Staaten   von Amerika   haben sich meinschaftlich überlegt, welche Folgerungen aus den Fehlern der Vergangenheit zu ziehen seien. Die öffent. liche Wirtschaft in Deutschland   ist dabei, für sich ein Gleiches zu tun. Die deutsche Privatwirtschaft dagegen hat, von Ausnahmen abgesehen, bis in die jüngste Zeit immer alle Schuld an der gegenwärtigen deutschen   Wirtschaftsmisere auf den Staat ab: gewälzt, um die eigenen Hände in Unschuld zu waschen. Gegen diese Methode, die zudem falsch ist, ist in Hamm  

Der Verlag Ernst Wasmuth A.-G. in Berlin   hat unter dem Titel Herrenhaus Hohehorst bei Bremen  " ein prachtvolles Werk über das Königsschloß der Familie Lahusen   herausgegeben. Fast zwei lange Jahre hindurch, von 1928 bis 1929, ist eine ganze Armee erlefenster Baufünstler damit beschäftigt gewesen, den prunkenden Bau zu errichten.

Sieben Architekten und ein Gartenarchitekt, acht Bildhauer und vier Kunstmaler, sechs Meister des Kunstgewerbes und 47 Industrie- und Handwerkerfirmen aus allen Gauen Deutschlands   schufen das Schloß.

,, Die gestreckte und dennoch kubisch wirkende Masse des weißen Hauses von Hohehorst, seine sichere Verbindung mit dem grünen Boden, die wie Spiel nerviger Muskeln wirkende Gliederung des Baukörpers durch die Fenster und die grauen Läden und durch die Lichter und durch die Schatten der Vorbauten und ihrer Bronze= geländer, die Versammlung der elf Achsen gegen die Mitte des Baues, ihre behäbige Flantierung durch glatte, nur an den Ecken gestreckte Pyramide des mit schwarzen Pfannen gedeckten Wohndachs im weißgrauen Sandstein gequaderte breite Mauerstreifen, die ruhig mit dem unaufdringlichen, aber sicher sitzenden Dachreiter aus Kupfer, dies und der gewählte bildhauerische Schmuck in Stein und Bronze find Eigenschaften von beinahe zeitloser Gediegenheit und selbstverständlich wirkender und darum gewinnender Einfachheit." In dieser Sprache beschreibt Werner Hegemann   den Bau, dessen gewinnende Einfachheit" immerhin so provozierend auf die bettel­armen Arbeiter und Arbeiterinnen des Nordwolle  - Konzerns wirft, daß die Familie Lahusen   vorsorglich das Herrenhaus Hohehorst mit nicht weniger als 3 600 000 Mark gegen Aufruhr versichern ließ. Aber auch ansonsten hat es eine eigene Bewandtnis mit dieser gewinnenden Einfachheit".

Da gleicht zum Beispiel an dem wuchtigen Treppengeländer kein einziger Pfeiler dem anderen, wie der Hamburger Bildhauer Kunffmann weiter nichts zu tun hatte, als diese einzigartige holzgeschnitzte Treppe zu schaffen,

Der Aufruf fordert pünktliche Belieferung der Arbeiter, der Ingenieure und des technischen Personals mit Industriewaren, sowie Berbesserung der öffentlichen Speiseanstalten und der Wohnungs­verhältnisse. Indem der Kampf gegen offenfundige Schädlings­elemente fortgesetzt wird", so schließt der Aufruf, müffen die Partei-. Wirtschafts- und Beziehungen zu den gewissenhaft arbeitenden Ingenieuren und auch deswegen Stellung genommen worden, weil damit auf der den Gast Jäger, Bauern, Schäfer, Säemänner, Hirschkühe,

Technikern in die Wege leiten und den hingebungsvoll arbeitenden Ingenieuren und Technifern allseitige Unterstützung zuteil werden laffen."

der Weg zu einer wirklichen deutschen   Wirt schaftsgesundung anstatt freigemacht immer wieder neu versperrt wird."

Wappen, Rüstungen und Elfen auf dem Weg hinan begleiten. Das Oberlicht der Haustür und die Füllungen schuf wieder ein anderer Bildhauer, was man an Sandstein zum Hause brauchte, wurde