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BERLIN Sonnabend 11. Juli

1931

Der Abend

Erfcheint tåglich außer Sonntags.

"

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48. Jahrgang

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Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Luther zurück- ohne Geld

Aber keine Kreditkündigung mehr und Bereitwilligkeit in Amerika

Paris , 11. Juli. Reichsbankpräsident Dr. Luther ist heute vormittag um 10.40 Uhr mit dem planmäßigen Flugzeug der Deut­schen Lufthansa von Le Bourget abgeflogen. Das drei motorige Großflugzeug, das in Köln eine Zwischen landung vornimmt, trifft um 17,10 Uhr in Berlin­Tempelhof ein.

*

Der Reichsbankpräsident wird sofort nach seiner Rückkehr nach Berlin dem Reichstanzler über den Gang und das Ergebnis feiner Besprechungen eingehend Bericht erstatten., Die Reichs­regierung wird sich dann über weitere Maßnahmen schlüffig werden. Boraussichtlich wird der Reichskanzler im Laufe des heutigen Tages die am Freitag aufgenommenen Besprechungen mit dem amerika­ nischen Botschafter in Berlin fortsetzen.

Die Lage ist außerordentlich ernst und kritisch.

Frankreichs Garantieforderungen.

Paris , 11. Juli. ( Eigenbericht.)

Die Pariser Morgenzeitungen beschäftigen sich eingehend mit den gestrigen Unterredungen Dr. Luthers und veröffentlichen einige Einzelheiten. Danach hat der Reichsbantpräsident auch eine Unter­redung mit den führenden Pariser Bankiers gehabt, die während und nach dem Effen stattfand, das der Gouverneur der Bank von Frankreich zu Ehren Luthers im Hotel Crillon gab. Anwesend waren der frühere Gouverneur der Bank von Frankreich und jezige Gouverneur der Banqué de Paris, der Präsident des Credit Lyonel, der Präsident der Union Parifienne und der Präsident des fran zösischen Landbundes und der Suez- Kanal- Gesellschaft.

Nach dem Matin" hat besonders der Gouverneur der Bant von Frankreich dem Reichsbankpräsidenten eine offene Darlegung der Stimmung in Frankreich gegeben. Er hat Dr. Luther aus­einandergesetzt, daß Frankreich sehr gerne bereit sei, seine Kapitalien für eine allgemeine Sanierung Europas und besonders für die Wiederaufrichtung Deutschlands zur Verfügung zu stellen, aber nur wenn sich Deutschland aufrichtig zu einer demokratischen und

pazififtischen Politik entschließe.

Die französischen Bankiers haben, wie der ,, Matin" hinzufügt, nicht die Absicht, von Deutschland unmögliche Verpflichtungen zu ver­langen, aber fie haben darauf hingewiesen, daß in einem Augen­blic, in dem Deutschland etwa 1,6 Milliarden Mark von den Emissionsbanken zur Stüßung seiner Währung und einen fast gleich hohen Kredit von den Privatbanken zur Stüßung seiner Wirtschaft verlange, es nicht angebracht erscheine, daß Deutschland Panzer­freuzer baut, friegshegerische Kundgebungen zu­läßt und ein 30llbündnis mit Desterreich abschließen wolle. Die Unterredung sei auf diese Weise auf das politische Gebiet geleitet worden, so daß Dr. Luther es für notwendig erachtet habe, mit einem verantwortlichen Minister zu sprechen. Er habe sich daher mit dem Gouverneur der Bank von Frankreich zu dem Finanzminister Flandin begeben, der vorher bereits eine Unter­redung mit Moreau gehabt habe. Flandin hat, nach dem ,, Echo de Paris", ohne in das Ressort Briands einzugreifen, dem Reichs­bankpräsidenten zu verstehen gegeben, daß Deutschland , um das Ver­trauen im Auslande zu stärken, vor allem eine Geste tun müsse, die geeignet sei, die Situation zu entspannen. Flandin habe dann das Ergebnis seiner fast zweistündigen Aussprache mit Luther in einem Bericht niedergelegt, den er am Abend dem Ministerpräsi­

denten Laval unterbreitet habe.

Das ,, Echo de Paris" erklärt zusammenfassend, daß Frankreich , obgleich es die ernste Lage Deutschlands anerkenne, zur Zeit nicht im Stande sei, Deutschland eine langfristige Anleihe zu gewähren. Selbst wenn sich die Reichsregierung zu einer aufrichtigen, die Beziehungen zu Frankreich entspannenden Handlung entschließe, würde dies kaum genügen, um die französischen Banken zu veran­lassen. Deutschland mit einer Anleihe von etwa 3 Milliarden Franken beizuspringen. Die französische Regierung, die bereits auf die diesjährigen Reparationszahlungen verzichtet habe, könne nicht darin einwilligen, daß

die franzöfifchen Kapitalien die amerikanischen, englischen und die ins Ausland flüchtenden deutschen Kapitalien ersehe. Etwas optimistischer drückt sich der ,, Matin" aus, der erklärt, daß Frankreich durch Vermittlung seiner Notenbank und der Privat­banken zur Wiederaufrichtung Deutschlands beitragen fönne, daß es aber dazu finanzielle und politische Garantien brauche. Es handle sich dabei nicht nur um Versprechungen, sondern um Re­fultate und daher sei es jetzt dringender als je, daß die deutschen

Minister ohne Rücksicht auf andere Verpflichtungen sofort nach Paris tommen, um sich mit den französischen Ministern zu unterhalten. Der hohe Devisenbedarf der Reichsbank hat auch einen Rüd­schlag auf den Pariser Devisenmarkt zur Folge gehabt. Da sich in den letzten Tagen die Rückzahlungen von französischen Krediten ver­stärkt haben, ist die Reichsbank, die nicht genügend Frankenbeträge zur Verfügung hatte, gezwungen worden, Dollars und Pfunde auf dem Pariser Markt zu verkaufen. Infolgedessen ist das Pfund an der Pariser Börse von 124,25 am Montag auf 123,95 am Freitag und der Dollar von 25,53% auf 24,47% gefallen. Die Reichsmart hat in gleicher Weise von 6,06% auf 6,04% nachgegeben.

Amerika gibt über 800 Millionen Kredit.

New York , 11. Juli. Die anfänglichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Federal Reserve Bank und den Mitgliedsbanken über die Beteiligung an dem der Reichsbank zu gewährenden Kredit sind, wie es scheint, durch ein Kompromiß beigelegt worden. Das Journal of Com­merce" erfährt aus gut unterrichteter Quelle, daß die Federal Re­ serve Bank New York sich mit einem Betrag von mehr als 200 Millionen Dollar( über 840 Millionen Mark) an einem internationalen Sechs monatstredit beteiligen will. Die Mitgliedsbanken haben sich, von wenigen Ausnahmen abge­fehen, verpflichtet, für die Dauer diefes kredits keine kün­digung vorzunehmen. Die Banken waren die gleiche Verpflich­tung eingegangen, als die Reichsbank den Hundertmillionen- Dollar­tredit erhielt. Die gestrigen Besprechungen der führenden New­Borker Banfiers, an denen auch Owen young teilnahm, fanden in den Räumen der Morgan- Bant staff.

Keine Kreditfündigungen mehr aus London .

London , 11. Juli. Wie ,, Financial News" berichtet, hat gestern eine Sigung Lon­ doner Bankhäuser stattgefunden, in der Mittel und Wege besprochen

| worden seien, der 3 urüdziehung von Krediten aus Deutschland Einhalt zu tun. Man glaubt, daß diese Sizung eine unmittelbare Folge des Besuches des Reichsbankpräsidenten Dr. Luther in London sei. In dieser Sigung wurde beschlossen, ein Uebereinkommen zwischen den Banken herbeizuführen, weitere Kreditkündigungen nicht vorzunehmen.

Börse am Wochenende.

Gedrückte Stimmung.- Weitere Devisennachfrage.

Die Börse stand heute unter dem Eindruck der ergebnislofen Berhandlungen des Reichsbankpräsidenten in Paris und weiterer Hiobsbotschaften aus Bremen .

Dementsprechend brödelten die Kurse weifer ab, wobei be fonders auffallend schwere Verluste bei Schiffahrtss attien waren. Diese Einbrüche am Schiffahrtsmarkt hängen mit Nachrichten zusammen, daß der Zusammenbruch des Nordwolle fonzerns in Bremen weitere Kreise der hanseatischen Wirtschaft in mitleidenschaft zieht.

Es verloren Norddeutscher, Lloyd 5 Punkte und der Kurs, der gestern mit 45 Pro3. notierte, sant zeitweilig fogar bis unter 40 Proz Auch die Hamburg - Amerita- Linie ging im Kurs von 42% auf 39 Proz. zurück. Auf den anderen Aktienmärkten traten gleichfalls mehr oder weniger erhebliche Kursa rückschläge ein. So wurden Kaliwerte Salzdetfurth von 184 bis auf 179 Broz. gedrückt, J. G. Farben santen auf 124 nach stärkeren Verlust wiesen auch polyphon auf, die von 114 bis auf 126 Proz. und Siemens von 145% bis auf 142. 109 Proz. fielen.

Einen

Die Stimmung fonnte durch eine New- Yorker Meldung, wonach die Federale Reservebant bereit sei, einen sechsmonatlichen Kredit Don 200 mill. Dollar zu gewähren, nur furze Zeit belebt werden. Im weiteren Verlauf traten bei weiterer star fer Devisennach fra ge wieder Rückschläge ein.

Minister Franzen vor Gericht

Anklage wegen Begünstigung

Ungeachtet der verschiedentlichen Verschleppungsmanöver begann heute vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte im großen Schwur­gerichtssaal des neuen Kriminalgerichts der Prozeß gegen den braunschweigischen Staatsminister Dr. Franzen wegen Be­günftigung. Die Anklage wird von Oberstaatsanwalt& öhler vertreten, dem Angeklagten steht Rechtsanwalt Dr. Sad zur Seite. Der Andrang des Publikums und der Presse zur Verhandlung ist sehr groß.

Zur heutigen Sihung sind nur die Zeugen geladen, die mit den Vorgängen auf dem Polizeirevier selbst zu tun haben; die Zeugen über die Glaubwürdigkeit des Majors Heinrich sind erst am Montag geladen.

Rechtsanwalt Dr. Sachs eröffnet die Verhandlung mit einem Vorspruch gegen den Polizeimajor Heinrich. Er bittet den Vor­fizenden, den Zeugen darauf aufmerksam zu machen, daß er sich mit den übrigen Zeugen nicht unterhalten dürfe. Gewisse Vorgänge in früheren Verhandlunger. machten eine derartige Belehrung des 3eugen notwendig.

Oberstaatsanwalt Köhler hält diesen Antrag des Verteidigers für unangebracht, er beswede nur das eine. gegen den Major Heinrich Stimmung zu machen. Rechtsanwalt Dr. Sachs teilt dem Gericht mit, daß ei, angesichts der Ladung der jegigen Borgesetzten des Majors Heinrich seinerzeit auch die Frankfurter Vorgesetzten des Majors geladen habe. Er beantragt außerdem die Ladung des Ministerialdirektors Klausener vom preußischen Innenministerium, der über ein Gespräch aussagen soll, das zwischen ihm und dem Polizeipräsidenten Zörgiebel unmittelbar nach dem Vorfall auf der Polizeiwache Potsdamer Bahnhof statt­gefunden habe. Dem Ministerialdirektor Klausener sei damals münd. lich ein Bericht erstattet worden, der nicht richtig gewesen sei. Der Ministerialdirektor habe vom Minister die Aussagegenehmi­gung erhalten.

Der Borsigende verliest den Eröffnungsbeschluß:

Dem Staatsminister Dr. Franzen wird vorgeworfen, er habe dem Landwirt Guth Beistand geleistet, um ihn der Bestrafung zu entziehen.

Die Tatsachen zur Person werden vom Vorsitzenden selbst mitgeteilts Der Werdegang bis zum Amtsgerichtsrat wird wohl der übliche gewesen sein.

Oberstaatsanwalt Köhler: Der Angeklagte ist jetzt aus dem preußischen Staatsdienst bereits entlassen.

zu

Dr. Franzen: Wenn ich darauf eingehen wollte, würde es weit führen, die Rechtslage ist nicht ganz flar. Bors: Wollen Sie sich bitte zur Sache selbst äußern. Dr. Franzen: Am 13. Oftober, am Tage der Reichstags eröffnung, begab ich mich nach der Sigung in mein Hotel, zog mich hier um und ging gegen 9 Uhr nach dem Hotel Bayernhof in der Potsdamer Straße , weil da gewöhnlich verschiedene Parteifreunde verkehrten. Im hinteren Raume des Bayernhofs speiste ich u. a. mit den Abgeordneten Lohse und Thormel zum Abendbrot. Ein Fräulein trat zu uns an unseren Tisch heran und sagte, daß Abg. Dr. Franzen am Telephon verlangt werde. Mir kam das merkwürdig vor, daß jemand wissen sollte, daß ich mich im Bayern hof befinde. Am Telephon sagte eine Stimme, daß ein gewisser Lohse sich auf mich berufe, ob ich nicht persönlich zur Wache kommen fönne. Ich ging zu meinem Parteifreund zurück, berichtete über das Telephongespräch und begab mich zur Polizeiwache. Der Abg. Lohse

fam mit.

Bors. Haben Sie sich unterwegs denn gar nicht mit Lohse weiter über die Aufforderung, zur Polizeiwache zu kommen, unters halten?.

Dr. Franzen: Nein.

Bors. Kennen Sie den Landwirt Guth?

:

Dr. Franzen: Ja, ich habe einmal bei seinen Eltern ge

legentlich einer Versammlung, die ich abgehalten habe, gewohnt. Als ich in der Polizeiwache angekommen war, wurde, soviel ich mich erinnere, Guth aus dem Nebenzimmer hereingeführt, ich legte