Nr. 321 48. Jahrgang
-
1917
1. Beilage des Vorwärts
wx banaler
Funkturm
Flughafen
Auf Urlaub in
Wer es nicht glauben will, dem sagt es eindeutig die Fremdenverkehrsstatistik: In jedem Sommermonat wählen über 100000 Deutsche die Reichshauptstadt als ihr Urlaubsziel. Da hat eine kleine Kontoristin aus Cottbus einen Onkel in Berlin , bei dem bleibt sie vierzehn Tage, oder ein junger Techniker aus Rostock kommt für kurze acht Tage zu seinem Vetter nach Berlin . Und das ist redit so. Berlin freut sich über seine Gäste. Zumal wir wissen, wie stolz ein hinterpommerscher Bauernbub zeitlebens darauf ist, nur ein einziges Mal in Stettin geresen zu sein. Und nun erst Berlin ! Eine Sorge werden wir allerdings nicht los, diese Sorge ist gewiß nicht groß, aber sie besteht doch-, daß unsere fremden Gäste auch den richtigen Eindruck von Berlin erhalten. Wer, um wieder das typische Beispiel heranzuziehen, bei einem Vermandlen auf dem Gesundbrunnen Quartier bezieht, der läuft Gefahr, dreißig-, vierzigmal die Badstraße zu durchqueren und zwei- oder dreimal in die Stadt" gefahren zu sein. Die ,, Stadt", das roar dann der Potsdamer Platz , die Kranzlerecke Unter den Linden und wenn es hoch kommt der Zoologische Garten. Es wäre dasselbe, wie wenn ein Berliner , der nach Leipzig fährt, acht Tage lang in Sellerhausen oder Schönefeld hockt, einmal schnell aufs Völkerschlachtdenkmal klettert und im übrigen nicht mehr von Leipzig mitnimmt, als daß es einen großen Hauptbahnhof hat und die Leipziger alle miteinander cine ulkige Sprache reden. Aehnlich wird es dem Gesundbrunner Gast in Berlin gehen. Nach zehn Tagen ist er Berlins überdrüssig und sagt, es wäre ja doch nur ein alter Steinbaukasten. Das ist es, mas mir verhindern wollen. Denn Berlin ist eine schöne, einmalige Stadt.
Dabei brauchen ja Reisen durch Berlin gar nicht groß Geld zu kosten. Nehmt doch den Gast, geht mit ihm zum nächsten Ringbahnhof, fauft eine Fahrkarte für zwanzig Pfennige und setzt ihn auf die Bahn. Dann hat er die billigste Rundreise um Berlin . Damit ist dieser Zwed verfolgt: alle Menschen aus der Provinz möchten gern wissen, wo denn eigentlich Berlin zu Ende ist. Für Eisleben oder Küstrin ist das schnell gesagt, eine knappe halbe Stunde quer durch die Stadt, dann beginnen die Felder. Aber Berlin ! Wer diesen Kelch bis zur Neige lehren wollte, der müßte in Rauch - fangsmerder starten, sich für drei Tage verproviantieren und am Montag früh anfangen, dann wäre er Mittwoch abend an der Glie nider Havelbrüde und könnte bei sinfender Sonne in Potsdam einmarschieren. Dann hätte er in Berlin gewissermaßen ,, Maß genommen", sein erstes Mal wird auch sein letztes sein. Deshalb wollen wir dem Gast die Frage nach dem Ende von Berlin lieber während der Ringbahnfahrt zu beantworten suchen. Und wir müssen ihm bei der Abfahrt immer einschärfen, daß wir jetzt ständig außen herum fahren. Dann soll der Zug draußen, auf dem Bahnhof Wedding halten. Und wir müßten antworten:„ Ja doch, lieber Freund, wir find weit weg vom Potsdamer Platz, aber ehe Berlin zu Ende ist, lommt erst noch die ganze Müllerstraße mit zweihundert Häusern, dann Reinickendorf , Wittenau , Tegel , Tegelort, Jörsfelde, Conrads= höhe, Sandhausen und in Heiligensee , da fangen dann wohl die Kornfelder an. Aber erst jenseits Hennigsdorf ist Provinz Branden burg ." Der arme Gast kann einem leid tun. Es geht weiter. Wir sehen den Westhafen, die Siemensstadt , den Funkturm, rattern durch Schmargendorf und Wilmersdorf , sind immer weit draußen, und ebenso weit noch drinnen. Nun höre mal," sagt da der arme Mann aus Liegnig ,,, hier heißt doch schon alles, Dorf', ist dort drüben Ber lin zu Ende? Wir können nur betrübt den Kopf schütteln und überlegen: Sollte man nicht eigentlich aussteigen und das Experiment doch machen, zwei Stunden lang durch Stegliz , Lichterfelde und Zehlendorf walzen, bis zur Teltower Feldmark, um endlich sagen zu fönnen: ,, Also Gustav, hier ist Berlin zu Ende." Dann würden wir einen verschwizten und erschöpften Mann haben, der nächste Woche in Kolberg verkündet: ,, Nee, Kinders, haben die mich durch die Stra Ben geschleppt! Erst sind wir zwei Stunden gefahren, dann sind wir zwei Stunden gelaufen, dann sagte mein Onkel, jezt ist Berlin zu Ende, bloß die Fabrikschornsteine in Hennigsdorf und in Teltow , die waren noch größer als die in Berlin ." Darum fahren wir lieber meiter, am Flughafen vorbei, über die Spree, fünf Minuten braucht der Zug allein, um am Zentralvichhof vorbeizukommen, mir find immer weit draußen und können es getrost auf der Karte bemeisen, daß fein Berliner , der irgendwie 25 Pfennige auftreiben fann, auf den Gedanken kommt, vom Halleschen Tor zum Bahnhof Weißensee zu laufen, aber dieser Bahnhof Weißensee , die Greiswalder Straße und die Bözomsiedlung, ist das nicht noch mitten in Berlin ? Und unser Gast meint:„ Das glaubt mir ja tein Mensch zu Hause, zwei Stunden lang mit der Eisenbahn um Berlin herum zu fahren und nirgends war Berlin zu Ende."
Das Wunder unter der Erde.
Es folgt der zweite Wunsch aller Bielefelder, Chemnitzer und Meininger: sich einmal satt zu fahren auf der U- Bahn. Denn wenn wir mit einem Provinzler nach Rummelsburg hinausfahren,
PERISTAN- TEPPICHE GESCH
reine Wolle m. Franse, getreue Copien von PerserTeppichen
ca
150
260
Wannsee
um uns Klingenberg anzusehen oder wir schlendern durch die Siemensstadt , immer wird er fragen: Können wir nicht mit der Untergrundbahn nach Hause fahren?" Wir fönnen uns das nicht mehr so recht vorstellen, aber es muß doch zu schön sein, Untergrundbahn zu fahren. Dann wollen wir doch unseren Gäste diesen 25- Pfennig- Spaß nach Herzenslust gönnen, umsteigen am Wittenbergplay, am Kottbusser Tor , so oft es geht, die Aermsten immer durch den Schlauch unter dem Bahnhof Friedrichstadt hindurchschleppen, aber bitte, nicht die Hamburger , denn die haben selbst eine U- Bahn und den Elbtunnel dazu, wovor wir Berliner Maul und Nase aufsperren, aber alle anderen, damit fie die ununterbrochene Demonstration des werftätigen Berlin durch diesen Tunnel erleben, damit sie sich satt fahren an dieser Wunderbahn und dann auf zum Alexanderplatz . Hier müßten wir etwas boshaft sein und zu unseren Gästen sagen:„ Geht doch schon vor zum Gesundbrummer Zug, ich hole mir nur noch ein paar Zigaretten." Da hätten wir etwas Schönes angerichtet in diesem dreiſtödigen Labyrinth, wo oben, mitten und unten die Züge durch die Hallen donnern, einer über dem anderen, wo zwischen den einzelnen Bahnsteigen ganze Straßen hergerichtet sind mit blendenden Schaufernstern voller Gardinen, Schinken, Möbel und Torten, wo die Menschen sich wie Wachspuppen auf die Treppen stellen und hinauf und hinunterfahren, ohne ein Bein zu rühren, wo eine Halle ist, größer als ein Tanzsaal, in deren Mitte steht das Notwendigste dieses Bahnhofs: der Auskunftskiosk. Und diese hellgrün aus gefachelte Stadt erwacht um 5 Uhr morgens und schläft erst um 2 Uhr nachts ein. Wir gehen erst gar nicht nach oben, steigen in irgendeinen Zug, da kommt gerade einer nach Krumme Lanke, wenn unsere Gäste jezt fragen, was die Krumme Lante ist, dann müßten wir erzählen von Wäldern und Seen, wohin die U- Bahn fährt; für heute wollen wir zum Flughafen.
Der Traum vom Fliegen.
Die Eintrittskarte für den Flughafen kostet 20 Pf. Dafür weht dort draußen die internationale Luft Berlins , noch an den Toiletten steht: Men- Männer Hommes, und daß der letzte Mann" seinen Fünfer haben will, hat er auch in drei Sprachen angeschrieben. Wir haben auf diesem einstigen Paradefeld der kaiserlichen Armee zum letzten Male an einem regennassen Novemberfonntag gestanden, das war die große Totenparade des werftätigen Berlin vor den Särgen der Novembergefallenen und die letzte zugleich, dann fuhren Loren und Wagen auf, ebneten die Gräben und Bodenwellen ein auf dem 1 500 000 Quadratmeter großen Gelände, beklebten den ganzen Sand mit Lehm und säten Gras darauf. 1924 war der Zentralflughafen Berlin fertig. Jezt können wir uns einen Stuhl nehmen und staunen. Wir Berliner leiden alle ein
I
|
Klingenberg
wenig an Fernweh, hier draußen, am Flughafen aber, wird es ganz schlimm, wenn wir da so am Zaun vor dem betonierten Rollfeld stehen und D 1087" fährt langjam vor; 13.25 Uhr fliegt die Maschine ab nach London . Wie auf einem Bahnhof geht es zu, drinnen, in der Zollhalle, hängt ja der Fahrplan. 23 internationale Strecken mit Personenbeförderung und 5 Linien des Spezialpost- und Frachtdienstes werden täglich befahren, im vergangenen Jahr sind rund 50 000 Passagiere befördert worden. Nach Einbruch der Dunkelheit gewährt der Flughafen einen unvergleich lichen Anblick, wenn die sieben Beseg- Sonnen das Rollfeld in das milde Licht des Vollmonds tauchen, der Flugplatz selbst ist durch einen Kranz roter Neon- Lampen eingefaßt und alle Kirchtürme, Schornsteine und hohen Dächer der Umgebung tragen ebenfalls ein rotes Licht. Und über allem der Scheinwerfer mit seinen 250 Millionen Kerzenstärke, wenn die Flieger in Leipzig starten, sehen sie ihn schon. Es gibt Menschen, die gehen in den Zoologischen Garten und stehen bis Toresschluß, bis 7 Uhr abends, versunken vor den Adlerhorsten, anderen geht es mit dem Flughafen genau so. Heute ist der Flughafen ein richtiggehendes Ausflugsziel geworden und es verlohnt sich schon, mit unseren Gästen dort ein paar Stunden zu verträumen.
Aufstieg zum Funkturm.
Wenn man auf der Bau- Ausstellung nur Mauersteine feilhalten würde oder Säcke voll Zement und es ständen dann noch ein paar Krane da, dann wäre das wohl interessant für Architekten und Maurergesellen, aber die Kindergärtnerin aus Bremen oder den Handlungsgehilfen aus Halberstadt , die brauchten wir deswegen nicht nach Wigleben zu schicken. Nun ist die große Revue der internationalen Bauwelt am Kaiserdamin aber eine Ausstellung, feine Messe mit systemtos, rein marttmäßig aneinandergereihten Industrieprodukten, in dieser Bau- Ausstellung überwiegt auf der ganzen Linie der Charakter einer Lehrschau. Und deshalb wollen wir uns von unseren Tagen einen für die Bau- Ausstellung reservieren. Wir werden am Schluß reichlich müde sein, weniger an den Beinen, als im Kopfe, weil der Eindrücke zu viele sind, und wenn wir Freunde aus Leipzig bei uns haben, dann werden die sich schief lachen über das Wiedersehen mit ihrer Liliputbahn aus dem Leipziger Lunapark. Ja, das ist jetzt der neueste Sport Berlins , mit der Liliputbahn spazieren fahren. Dann kommt das schönste Vergnügen in Berlin : der Aufstieg zum Funkturm. Bedauerlicherweise hat man den Funkturm auf dem Ausstellungsgelände eingesperrt, und wer jetzt Berlin von oben sehen will, muß sich erst eine Eintrittskarte für die Ausstellung laufen, und die ist selbst schon teuer genug mit 1,50 M. In Hamburg schimpft mit Recht jeder Fremde über den Taler, den er für eine Hafenrund
Im Wald der Radfahrer
Forsthaus Saubucht im Grunewald.
,, Privatweg. Betreten nur Fußgängern, auf eigene Gefahr, widerruflich gestattet!" So liest man auf den Schildern, die nicht zu knapp die Bäume an den Grunewaldwegen zieren. Die Notiz auf eigene Gefahr" erweckt ein angenehmes Gruseln, besonders wenn sich der harmlose Spaziergänger auf abgelegenen Wegen zur Stunde der Dämmerung bewegt. Daß aber das Betreten nur Fußgängern gestattet sein soll, ist eine These, die sich in der Praxis nicht mehr aufrechterhalten läßt. Heute wird der verborgenste Grunewaldweg vom Radfahrer
WOLLPLUSCH KISSEN GARNITUREN reine Kammgarn zweiteilig, indanthren, wolle, gute Qualität mit Halbwollfüllung Stilmuster
45-72-9139.50
Verkaul
1.35
Gamitur nur Spandauer Str.32
beherrscht. Es scheint so, als ob der Radfahrer die Nase voll hat von den autodurchrasten Ausfallstraßen und die Fahrt in der staubfreien Waldluft, auch auf Kosten eines langsameren Vorwärtskommens, dem lärmenden Betrieb auf den großen Straßen vorzieht. Dazu kommt die Badegelegenheit; dem im Westen Wohnenden sind Grunewaldsee und Krumme Lanke, vor allem aber die Havel im Sommer ein lockendes Badeziel, gerade mit dem Rad auf dem kürzesten Wege zu erreichen. Man erspart sich das Fahrgeld, und da man natürlich nur dort badet, wo es nichts kostet, auch sonst jede Ausgabe. Hin- und Rückfahrt durch den Wald sind auch als Erholung zu werten. Der Berliner als Fußgänger pflegt ja nur die Ränder des Grunewalds mit Stullen papieren zu dekorieren. Sehr viel weiter ins Innere magt er sich ja nicht. Da hat ihm längst schon der Radfahrer den Rang abgelaufen. Mancher hat erst auf diese Weise die Schönheit des vielgelästerten Grunewalds kennen gelernt. In den mestlichen Teilen gibt es an Wochentagen noch richtige ,, Waldeinsamkeit". Man kann Rehe überraschen, die auf einer Lichtung in statuenhafter Ruhe verharren. Zu einer Idylle eigener Art, gleichzeitig wichtiger Knotenpunkt für die Radfahrerwege, hat sich„ Forsthaus Saubucht" entwickelt. Tief eingebettet zwischen üppigen Bäumen und Strauchwerk liegt es versteckt im Grünen. Vom Weg aus sieht man ein paar Kühe im Stall, und der Druck auf eine Klingel zaubert ein Glas Milch herbei. Etmas abseits steht die schmale, hohe Scheuer, ein ansprechender Holzbau, umgeben von zahlreichen Holzstapeln. Auch ein großer Kutschierschlitten dörrt hier in der Sonne.
GARDINENSTOFFE BOUCLE') indanthren, modeme
Muster ca130 cm brt
indanthren modeme 65-8 Jacquard, mod. PERISTAN- TEPPICHE GESC
Bursch 38
ca
reine Wolle m.Franse, getreue Copien von Perser Teppichen
ca
AUF Wunsch 255 Zahlungs
eneicherung
360
108-144-180