Xr. 323* 45. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Dienstag, 14. Juli 1931
Guter Abschluß der Volksfürsorge. Trotz aller Rückwirkungen der Wirischastskrise.
Die Volksfürsorge, gewerkschaftlich-genossenschaftliche Versiche- rungs A.-G., Hamburg , kann mit einem Gesamtüberschuß von 13,09 Millionen Mark einen befriedigenden Abschluß für das Jahr 1930 vorlegen. Nach Zuwendung an die einzelnen Fonds können an die mit Gewinnanteil Versicherten der Voltsversicherung 10,65 Mit- lionen Mark 30 Proz. der gewinnberechtigten Jahresprämie von rund 36 Millionen Mark verteilt werden. Auf die Versicherten der Lebensversicherung entfallen rund 938 000 M. Außerdem werden den Versicherten der Volksoersicherung, die im Jahre 1923 ihre Versicherungen auf die neue Währung umstellten und somit wesentlich zur neuen Fundierung der Gesellschaft beitrugen, dagegen aus dem Ueberschuß aus dem Jahre 1924 nur einen Gewinnanteil von 10 Proz. der Johresprämie erhalten konnten, aus Gründen der Billigkeit weitere 10 Proz. ihrer Jahresprämie gleich 268 638 Ä. zugewiesen. Bei der Lebensversicherung beträgt diese Zuweisung 11124 M. Vorgetragen wird die Summe von rund 156 000 M. Die Prämieneinnahmen betrugen insgesamt 50,53 Millionen Mark, und zwar entfallen auf die Volksversicherung 47,22 Mil- lionen Mark und auf die Lebensversicherung 3,21 Millionen Mark. An Zinsen und Mieten ergaben sich Einnahmen in Höhe von 8,91 Millionen Mark. Die Versicherungsleistungen bei Sterbe- fällen beliefen sich auf 3,51 Millionen Mark(Dolksversicherung 3,15 Millionen und Lebensversicherung 357 000 M.). Zur Regulie- rung der Sterbefälle standen rechnungsmäßig bei der Bolksversiche- rung 6,69 Millionen Mark und bei der Lebensversicherung 596 000 Mark zur Verfügung. Auf Grund der eingetretenen Todesfälle waren bei der Volksversicherung 3,16 Millionen und bei der Lebens- Versicherung 357 000 M. zu zahlen, womit ein Sterblichkeitsgewinn für die Bolksversicherung von 3,54 Millionen und für die Lebens- Versicherung von 239 000 M. verbleibt. Die Bolksversiche-
rung ergibt einen Ueberschuß von 12,038 Millionen Mark und die Lebensversicherung von 1,051 Millionen Mark. Angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Jahre 1930 muß der Verlauf des Geschäfts bei der Volksfürsorge als günstig bezeichnet werden. In der Bolksversicherung gingen die abgeschlossenen Versicherungen von etwa 574 000 aus 517 000 zurück. Die Zahl der Rückgängigmachungen usw.(Storno) steigerte sich von 127 000 auf 149 000. Bei der Lebensversicherung ist ein Rückgang der abgeschlossenen Versicherungen von 6829 auf 6500 festzustellen. Die Rückgängigmachung usw.(Storno) steigerte sich hier von 1346 auf 2066. Sie machen bei der Lebensversicherung 12,07 Proz. des Ncuzuganges aus, während sie in der Bolksversiche- rung 13,66 Proz. betragen. Das Storno, das im Vergleich zum Neugeschäft hoch erscheint, aber durchaus erträglich ist, wenn man den Gesamtbestand an Versicherungen berücksichtigt, hat den Ge- danken nahe gelegt, durch eine planmäßig angelegte Ak- t i o n zu versuchen, die Wiederinkraftsetzung erloschener Versicherung zu erreichen. Bei zäher Arbeit verspricht man sich von dieser Aktion befriedigende Ergebnisse. Die Leitung der Gesellschaft hat beschlossen, zum ersten Male für dos Jahr 1931 die Schreibgebühr von 20 Pf. für jede Prämienkarte fallen zu lassen. Bei dem jetzigen Versichcrungs- bestand von über 2,15 Millionen Versicherten bedeutet das für die Gesellschaft einen Einnahmeausfall von jährlich mehr als 400 000 M. In der Bolksversicherung wurden im abgelaufenen Jahre 417 389 Versicherungen mit über 182,944 Millionen Mark abgeschlossen, in der Lebensversicherung 6500 Versicherun- gen mit. 14,65 Millionen Mark. Der Versicherungsstand betrug Ende 1930 in der Volksversicherung 2 150 723 Versicherungen mit 815,429 Millionen Mark Versicherungssumme und in der Lebensversicherung 35 964 Bersichenmgen mit einer Versicherungssumme von 75,364 Mil- lionen Mark.
Leistungssteigerung bei Braunkohle Die Braunkohle Hai die Steinkohle in der Siromerzeugung geschlagen.
Im �''fchäftsbericht des Deutschen Braun- kahler �adustrie-Vereins Halle wird das Geschäfts- jähr IWitf/Sl als eins der schwersten Krisenjahre des Jahrzehnts bezeichnet. Der Braunkohlenbergbau hatte besonders unter Produttions- und Absahschwierigkeilen zu leiden. Die Rohkohlenförderung betrug in diesem Geschäfts- jähr 92,6 Millionen Tonnen gegenüber 112,4 Millionen Tonnen im Borjahre. Es ist mithin ein Rückgang um 17,6 Proz. eingetreten�. An dem Förderrückgang war der Tagebau mit 18 Proz., der Tiefbau mit 15,3 Proz. beteiligt. Die Briketther st ellung war in noch stärkerem Maße rückläufig als die Rohkohlenförderung. Sie betrug im Geschäftsjahr 22,22 Millionen Tonnen gegenüber 28,24 Millionen Tonnen. Am größten war der Ausfall in der Nieder- lausitz mit 23,1 Proz. Eine Zunahm« ist nur in der K o k s e r z e u- gung festzustellen, die sich von 602 000 Tonnen im Vorjahr auf 642000 Tonnen oder um 5,5 Proz. in diesem Jahre erhöhte. Die Absatzverhältnisse waren stark rückläufig. Trotz des gewaltigen Produktionsausfalls betrug die Stapelmenge an Briketts fast während des ganzen Geschäftsjahres über 1% Millionen. Sie verringerte sich erst am Ende des Geschäftsjahres auf rund 0,9 Millionen Tonnen. Für die Arbeilerschafl machte sich die wirtschaftliche Entwicklung in einer erheblichen V e r- Minderung der Belegschaft bemerkbar. Während im April 1930 im Bereich des Deutschen Brauntohlenindustrievereins noch rund 66 000 Arbeiter beschäftigt wurden, waren es im Marz 1931 nur noch 5480 0. Der Rückgang bemißt sich auf 16,9 Proz. Hier wurde am stärksten das Revier Bitterfeld mit 22,1 Proz. be- troffen. Bemerkenswert ist, daß die jugendlichen Arbeiter am meisten von diesem Abbau betroffen wurden. Aus Grund einer Verordnung des Reichsarbeitsministers vom März 1930— betr. Beschäftigung jugendlicher Arbeiter im Bergbau nicht über 8 Stunden einschl. Pausen täglich— rburde seitens der Bergbehörde beim Braunkohlen-Jndustrie-Verein angeregt, daß diese Verordnung auch für den Braunkohlenbergbau durchgeführt werden solle. Wie nicht anders zu erwarten, hat sich der Braunkohlen-Jndustrie- Verein ganz entschieden gege.n eine solch« Verkürzung der Schichtzeit der Jugendlichen von 14—16 Jahren gewandt. Trotz des Belegfchaftsabbaus sowie der gedrosselten Produk- tion ist eine weitere Leistungssteigerung je Mann und Schicht festzustellen. Der Förderanteil je Mann und Schicht st i e g
von 5,05 Tonnen im Vorjahr auf 5,13 Tonnen in diesem Jahre. Außer den beträchtlichen Entlastungen, von denen die Arbeiter be- troffen wurden, hatten sie während des Geschäftsjahres eine g c- waltige Zahl von Feierschichten zu verfahren. Wegen Absatzmangel wurden im Berichtsjahr 1 237 769 Feierschichten ein- gelegt. Ueber die Lohnentwicklung sagt der Bericht, daß im Braunkohlenbergbau im Dezember 1929 eine Erhöhung des Durchschnittslohnes um 0,25 Mk. und im Dezember 1930 um 0,15 Mk. eingetreten sei. Im gleichen Atemzuge wird aber berichtet, daß der tatsächlich verdiente Lohn während der letzten zwei Jahre ungefähr gleich geblieben ist. Damit bestätigt der Braunkohlen-Jndustrie-Verein, daß auch im Braunkohlenbergbau trotz bestehender Tarifverträge ein ganz enormer Lohn- abbau eingetreten ist. Dieser Lohnabbau beträgt in der Berichtszeit, wenn man die erfolgten Lohnerhöhungen einbezieht, im Durchschnitt 0,54 Mk. pro Schicht. Der Bericht gibt an, daß der Uebertariflohn von 26 Proz. auf 17,8 Proz. zurück- gegangen sei. Aenderungen der Arbeitszeit wurden während des Ge- schäftsjahres nicht vorgenommen. Am Ende des Berichtsjahres wurde durch eine Vereinbarung der Tarifparteien die Arbeitszeit in den Tagesbetrieben auf 8 Stunden und in den Tiesbaubetrieben auf 7% bzw. 8)4 Stunden herabgesetzt. Technische Verbesserungen sind trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch im vergangenen Geschäftsbericht fortgeführt worden. Insbesondere wurden in der Abraumgewinnung durch Einführung neuer Großraum- wagen, Absetzapparate, Bagger und Abraumförderbrücken neue Kapitalinvestitionen vorgenommen. Insgesamt wurden im Vereins- gebiet 10 Abraumbagger , 5 Absetzapparate und 2 Förderbrücken neu im Betrieb eingeführt. Drei weitere Förderbrücken befinden sich im Bau. Allein in den letzten 1% Jahren sind 7 Abraum- förderbrücken gebaut, von denen jede mehrer« Millionen kostet. In der Kohlengewinnung sind außer einer Vermehrung der Großraumkohlenwagen technische Verbesserungen nur durch die Bandanlogen zum Transport der Kohle aus dem Tagebau zu verzeichnen. Auf dem Gebiet der Feuerungstechnik ist eine Steige- rung der Kesselleistung erzielt worden. Die Einführung der Braun- kohlenstaubfeuer.ung auf Lokomotiven hat Fortschritte gemacht; von diesen Lokomotiven sind allein in Halle mit Erfolg 10 in Betrieb. Eine günstige Entwicklung zeigt auch die auf Braunkohle auf- gebaute E l e k tr o w i r t s ch a f t. An der Gesamtstromerzeugung
ist die Braunkohle mit 39 Proz., die Steinkohle mit 36,7 Proz. beteiligt. Die Braunkohle hat damit zum er st en mal die Steinkohle in der Gesamt st romerzeugung überholt. Fusionen in Amerika . In?iockefeller6 und Sinciairs Oeltrusts und der Stahl- industrie. Nachdem die Standard Oil Co. os New Port sich endgültig mit der Vacuum Oil Co. zusammengeschlossen hat, folgen weitere Mel- düngen über Fusionen großer Unternehmungen. Daß innerhalb der Standard-Oil-Gesellschaften weitere Fusionspläne er- wogen werden, haben wir bereits berichtet. In diesem Zusammen- hang sei auch darauf verwiesen, daß John D. Rockeseller in den letzten Jahren seinen Besitz an Aktien der großen Standard-Oil-Ge- sellschaften(Standard Oil of New Port, Standard Oil of New Jersey, Standard Oil os Indiana usw.) stark vermehrt und seinen Einfluß auf diese Gesellschaften befestigt hat, während er Aktienpakete kleinerer Standard-Oil-Gesellschasten verkauft haben soll. Man kann hieraus schließen, daß nicht die Absicht besteht, sämt- liche 33 Standard-Oil-Gesellschaften, die im Jahre 1911 auf Grund der Antitrustgesetze aus dem damaligen Standard-Oil-Konzern ent- standen, wieder zusammenzuschließen, sondern daß die Absicht be- steht, sich auf die Wiedervereinigung der größten dieser Gesellschaf» ten zu beschränken. Eine andere wichtige Fusion wird gleichfalls auf dem Gebiet der Petroleumindustrie vorbereitet. Der Sinclair-Konzern. der schon vor längerer Zeit mit zwei anderen Oelkonzernen, näm- lich der Prairie-Oil und der Prairi-Pipe Line fusionieren wollte, diese Fusion aber dann nicht durchgeführt hat, kündet jetzt von neuem den Zusammenschluß mit diesen beiden Gesellschaften an. Die Bethlehem Steel Company , Amerikas zweit- größter Eisen- und Stahlkonzern, schließt sich mit der P o u n g s» t o w n Sheet and R«public Steel zusammen, dem viert- größten Stahlkonzern. Die Bethlehem Steel Corporation (Aktien- kapital ungefähr 240 Millionen Dollar, das heißt rund 1 Milliarde Mark) besitzt 33 Hochöfen, 1500 Koksöfen und zahlreiche Stahlhütten, außerdem umfangreiche Bergwerksanlagen, Eisenbahnen, eigene Ozeandampfer und beschäftigte in den letzten Iahren 60 000— 65000 Arbeiter und Angestellte. Die Poungstown-Gesellschaft(Aktienkapi- tal knapp 90 Millionen Dollar, das heißt rund 400 Millionen Mark) beschäftigt zur Zeit etwa 20 000 Mann.
Bautätigkeit im Mai. Zunahme gegen April, starker Rückgang gegen Vorjahr. Das Statistische Reichsamt veröffentticht in Heft 13 von„Wirt- schaft und Statistik" die Ziffern über die Bautätigkeit im Mai. Gegenüber April ist die Zahl der Bauvollendungen zurück- gegangen, während die der Bauerlaubnisse und Baubeginne zu- genommen hat. Diese Entwicklung zeigt, wie stark die Bau- tätigkeit von der Saison beeinflußt wird. Die konjunkwrelle Ver- schlechterung ünd die Kürzung der Hauszinssteuermittel kommt im Rückgang aller Zahlen im Vergleich zum Vorjahr zum Ausdruck. In sämtlichen deuffchen Gemeinden mit mehr als 10 000 Ein- wohnern wurden in den ersten 5 Monaten dieses Jahres (Januar bis Mai) 50 000 Wohnungen(gegen 77 000 in der gleichen Zeit des Vorjahres) fertiggestellt— Rückgang 35 Proz. Di« Zahl der Bauerlaubnisse ging von 52 000 auf 37 000 Wohnungen — um 29 Prozent—, die der B a u b e g i n n e von 50 000 auf 31 000 Wohnungen— um 40 Prozent— zurück. Aber nicht auf Wohngebäude allein beschränkt sich der Rückgang der Bautätigkeit. Für Groß- und Mittel st ädte(mehr als 25 000 Einwohner) gibt die Stattstik folgende Zahlen: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden 2192 Nichtwohngebäude mit 5 Mill. Kubikmeter umbauten Raumes fertiggestellt, das sind nach Zahl und Umfang etwa 40 Prozent weniger als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Infolge der F i n a n z n o t der öffentlichen Körperschaften beträgt der Rückgang bei öffentlichen Gebäuden 52 Prozent; bei gewerblichen Bauten waren es 35 Prozent. Nach der Größe des umbauten Raumes blieben in der Zeit von Januar bis Mai 1931 die B a u e r la u b n i s s e für Nichtwohngebäude um 50 Prozent, die B a u b e g i n n e um 53 Prozent hinter der gleichen Zeit des Vorjahres zurück. Westfalens Krastwirischast. Absatzsteigerung bei VEW . Die Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen A.- G.(VE W.), Dortmund , legt den Bericht für ihr erstes Geschäftsjahr 1930 vor. Diese Aktiengesellschaft wurde im vorigen Jahre gegründet, als die V E W.- G. m. b. H. in Schwierigkeiten geriet, die dann ihre Firma in Wesffälische Elektrizitätswirtschaft G. m. b. H.(W E W- G. m. b. H.) änderte. Die Antelle der WEW.-G. m. b. H. befinden sich in Händen der Kommunen Westfalens ; die WEW.-G.m.b.H. besitzt die 60 Millionen Mark Stammaktien der VEW. Di« Vorzugsaktien der VEW.(ebenfalls 60 Millionen Mark) sollten zu 25 Prozent eingezahlt sein; wie aus der Bilanz hervorgeht, haben die Kommunen bei ihrer finanziellen Notlage diese Einzahlung