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BERLIN

Freitag

17. Juli

1931

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* Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr.3 Fernsprecher: Donhoff( A 7) 292-297

Spätausgabe des Vorwärts"

48. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezetle

80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Postfcheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b... Berlin Nr. 37 536. Der Verlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

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Die internationale Hilfsaktion

Verhandlungen über wirtschaftliche und politische Voraussetzungen

Paris , 17. Juli. ( Eigenbericht.)

Der Entschluß der französischen Regierung, die von den Sozia­listen schon längst verlangte Initiative zu einer Hilfsaktion für Deutschland zu ergreifen, und der Entschluß des Reichstanzlers und des Außenministers, in Paris mit der französischen Regierung zu verhandeln, werden von der französischen Presse, abgesehen von einigen nationalistischen Hezorganen wie dem Figaro", der neue Opfer Frankreichs ohne Gegenleistungen befürchtet, allgemein be= grüßt.

Die Zeitungen äußern

die Hoffnung, daß die Parijer Berhandlungen zu einem Er­gebnis gelangen, das nicht nur eine Sanierung der wirtschaft­lichen und finanziellen Cage Europas erlaubt, sondern vor allem auch eine neue Hera vertrauensvoller und friedlicher Zusammen­arbeit der Völker, verbunden mit einer moralischen und ma­teriellen Abrüffung einleiten!

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Leon Blum schreibt im Populaire":" Die Intereffen des Fries dens find die Interessen des Sozialismus. Die Intereffen der französischen Arbeiter sind die der deutschen Arbeiterflasse. Ich sage das nicht nur im Namen einer prinzipiellen Solidarität und Brüderlichkeit, sondern im Namen einer mirtlichen Gemein schaft." Leon Blum hofft, daß die französische Regierung endlich verstanden habe, was ihre Pflicht ist und wo zugleich das Inter­esse und die Ehre Frankreichs liegen; man fönne nicht handeln, felange nicht Paris die Führung der Aktion übernommen habe. In ähnlichem Sinne äußert sich die radikale ,, République", die nur be dauert, daß die Initiative so spät unter dem Druck der Ereignisse unternommen worden ist. Am Sonnabend werde am Quai d'Orsay so schreibt das Blatt

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die erste Generalversamm=

Jung der Firma Europa zusammentreten.

Keine Einberufung des Reichstags

Neue Sigung des Aeltestenrats für 23. Juli einberufen.

Der Melteftenrat des Reichstages nahm am Freitag vormittag zu den Anträgen der Kommunisten, Rationalsozialisten und Deutsch nationalen zur Einberufung des Reichstages Stellung. Der An­trag, den Reichstag am Montag, dem 20. Juli, zusammentreten zu lassen, fand nur die Unterstügung der Antragsteller. Da sich demnach nur 228 Abgeordnete von 592 Abgeordneten für die Ein­berufung des Reichstages ausgesprochen haben, ist die Einbe rufung nicht erfolgt.

Im Hinblick auf den großen Ernst der gegenwärtigen Lage, die ich nicht mehr. erst darzulegen brauche, muß ich aus vaterlan­dischem Interesse die dringende Bitte an das hohe Haus aus­sprechen, die Anträge auf Einberufung des Reichstages abzu lehnen. Der Zusammentritt des Reichstags fann in der gegen wärtigen Lage unseres Boltes nur schweren Schaden anrichten."

Die Antragsteller reichten aber gleichzeitig neue Anträge ein Heute Berordnung gegen Kapitalflucht.

für den Zusammentritt des Weltestenrates am Donnerstag, dem 23. Juli. Diese Unträge erhielten auch die Unterstügung der Bertreter der andpoltpartei und der irtschaftspartei..

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Strenge Strafeu gegen Kapitalfchieber.

Das Reichskabinetf hat heute eine Berordnung gegen die Kapitalflucht beschlossen, die noch heute abend veröffentlicht

Reichstanzler Brüning hat an den Weltestenrat des Reichstags wird. Die Berordnung fieht strengste Strafen gegen Kapital­Schieber vor. einen Brief gerichtet, in dem es heißt:

Goldschmidt, Hugenberg und Hitler

Der Matin" sagt, die französische Regierung sei, in dem sie Der Werdegang des Danat - Herrschers. Geine Arbeit für Unternehmertum

die Führung bei der Wiederaufrichtung Europas übernehme, in ihrer historischen Rolle. Was sie in Genf unter der Inspiration Briands mit der Gründung der Europa- Union begonnen habe, sege fie jest in Paris fort, indem fie versuche

eine Sataftrophe abzuwenden, die schon einen fo soliden Markt wie den Londoner erschüttert hat.

Natürlich könne sich Frankreich nicht leichtsinnig auf ein Unter nehmen rein idealistischen Edelmuts einlassen. Eine Nation, die so hart für ihren Wiederaufbau gearbeitet und ein folches Bei spiel von Umsicht bei der finanziellen Wiederaufrichtung gegeben habe, fönne von ihrer Regierung verlangen, daß die Frucht ihrer Anstrengungen nur mit gutem Gewissen verwandt werde. Die beiden vom Ministerrat aufgestellten Borsichtsmaßnahmen finanzielle Garantie und politische Beruhigungsmaßnahmen­feien ausgezeichnete Mittel. Deutschland sollten nicht Berzichte auf. gezwungen werden, sondern ein bestimmtes Programm sei aufzu­ftellen, das durch die Notwendigkeit der wirtschaftlichen und finan­ziellen Wiederaufrichtung diftiert ist. Der Petit Parifien" erklärt, daß

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diefe Maßnahmen und das ganze Hilfsprogramm nach dem Ministerrat im Einverständnis mit England und Amerika der Berliner Regierung übermittelt worden

find; man wolle als Garantie für die Verzinsung und die Tilgung der Anleihe ein System vorschlagen, das im Dawes Blan

war.

unter dem Namen der verpfändeten Einnahmen befannt Die Kontrolle für die Berwendung der Gelder soll durch ein von der BIZ eingesetztes Komitee ausgeübt werden. Die po­litischen Beruhigungsmaßnahmen sollen in der Art eines politi. fchen Waffen stillstandes bestehen, während sich die deutsche Regierung verpflichtet, fein Problem aufzuwerfen, das die Atmosphäre stören könnte und die Gläubigermächte die Aufrecht­erhaltung des status quo zusichern würden. Damit der Waffen stillstand vollkommen sei, müßte er nicht nur von der Reichsregie­rung auf offiziellem Gebiet angeordnet werden, sondern

die Reichsregierung müsse auch darüber wachen, daß er im innerpolitischen Leben des Reiches durch den Verzicht auf feind­liche Sundgebungen gegen die Verträge und gegen Frankreich zum Ausdrud fommt.

Mie das ,, Echo de Paris" hinzufügt, ist dieser Waffenstillstand für zehn Jahre, d. h. für die Dauer der Tilgung der internationalen Anleihe vorgesehen.

Der ,, Matin" glaubt, daß nach den Pariser Verhandlungen die von der englischen Regierung beabsichtigte Ministertonferenz in onbon nicht mehr notwendig ist

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und Rechtsradikalismus.

Herr Jafob Goldschmidt, der Leiter der verkrachten Danatbant, ist eine der befanntesten Erscheinung der deutschen Finanzwelt. Er wurde im Anfang der 80er Jahre in der Pro­ vinz Hannover geboren und machte nach einem Schulbesuch in Kassel die glänzende Karriere vom Bantlehrling zum Diftator der zweitgrößten Kreditbank in Deutschland . Die ersten Gelder gaben Kreise um die Hildesheimer Bant, die wohl dem Kommerzienrat Leeser nahestanden und die engste Fühlung mit der Schwer- und der Großindustrie unterhielten. Dadurch war die Gründung der Firma Schwarz Goldschmidt& Co. in Berlin möglich, von der aus Goldschmidt seinen Sprung zur Danatbant tat. Hier wurde er eben der erfolgreiche Börsenjobber. Das Börsenglück schien sich an seine Fersen geheftet zu haben. Biel­leicht war das Glüd auch nur Brutalität und Rücksichtslofigfeit bei Hauffen und Baiffen und

besonders bei den schwarzen Börjentagen vor gut zwei Jahren, wo das Bankgewerbe die deutschen Sparer nach Strich und Faden rupfte. Dabei ist Jakob Goldschmidt nicht zu kurz gefommen.

Er selbst glaubte an seinen Stern. Er traute sich alles zu und so vermischte sich bei ihm die Grenze der Kraft. Man kann heute gut sagen, daß jedem anderen Institut auch die ausländischen Kredite in einem Maße abgezogen werden konnten, wie das bei der Danat

London, 17. Juli.

Der Pariser Times"-Bertreter meldet: Die Anregung be­treffend die Anleihe von zwei Milliarden Mart soll von Finanzminister Flandin stammen. Eine solche Anleihe würde natürlich einige Rückwirkung auf die geplante österreichisch- Deutsche 3ollunion haben. Entweder würde die Anleihe an Deutschland direkt gewährt werden oder durch Vermittlung einer Zentralban? wie der Bank von England erfolgen. In letzterem Falle würde die Einberufung des französischen Parlaments umgangen werden. Was die Garantien betrifft, so wird etwas undeutlich von einem politischen Moratorium" gesprochen, das Deutschland ohne Verlegung seiner Würde unterschreiben könne. Ferner sagt der Korrespondent, die Schritte der deutschen Regierung und der Reichsbant hätten in Paris einen ausgezeichneten Eindrud gemacht und würden als Merkmal einer veränderten Haltung und als Beweis der Aufrichtigkeit betrachtet.

der Fall war. Wir müssen aber feststellen, daß sich die Danatbant unter Goldschmidt auf diesem heißen Boden in einer Weise vor­gewagt hatte, die man nur als Leichtsinn und Frivolität bezeichnen tann.

Die Natur des Inflationsgewinners hat Goldschmidt eigentlich nie verloren. Das hinderte aber nicht, daß ihn gerade die Kreise der Schwer- und der Großindustrie in ihre Aufsichtsräte wählten. Die Primadonna" des Bankgewerbes und der Star" der Börse war geradezu als Aufsichtsrat gesucht und

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er hat wohl mit rund 90 Aufsichtsratsmandaten auch hier einen Reford aufgestellt.

Gerade die leberlastung muß dazu beigetragen haben, daß er die Uebersicht verlor. Der Fall Goldschmidt unterstreicht die Forderung nach einer Reform des Attienrechte's, nach Beseitigung eines Aufsichtsratsmandatsunfugs, der ein 3errbild einer wirtlichen Kontrolle ist. Vielleicht wäre der Fall Lahusen- Ultramare, der dem größten deutschen Tertilfonzern Prestige und Vermögen gekostet hat, nicht möglich gewesen, wenn Jakob Goldschmidt keine 90 Aufsichts­ratsmandate innegehabt hätte.

Soweit der Geschäftsmann. Wie er politisch stand, geht

schon aus seinen Aufsichtsratsmandaten hervor. Wir finden Gold­schmidt nicht nur bei Hirsch Kupfer, bei den Alkohol. unternehmungen, bei der von dem ehemaligen Reichs­

Auch Mellon in London .

Paris , 17. Juli.

Havas meldet aus Washington, Präsident Hoover habe den Echazamtssekretär Mellon, der gegenwärtig in Cap Ferrat weilt, beauftragt, an der Ministerkonferenz in London teilzunehmen.

Sachverständige warten ab.

London , 17. Juli. Kurz nach 11 Uhr trat im Schazamt die internationale Sach­verständigenkonferenz zusammen, die sich mit der Ausarbeitung der technischen Einzelheiten des Hoover Planes für die einjährige Einstellung der Kriegsschildenzahlungen zu befassen hat. Die Sachverständigen werden in Erwartung der für Montag an­gesetzten Ministerkonferenz noch keine entscheidende Frage in Ano griff nehmen.