SeHfflgc Il0f flbfttft Dienstag. 4. August 1931 x�s � �
Nr med. Elisabeth Enke: Charakterum�tfmmimg durch körperliche Behandlung Die Abnahme der seelischen und geistigen Initiative, öfters ver->, Kunden mit Fettsucht, kann ihre Ursachen in einer Störung nicht nur der Schilddruse, sondern in der gleichzeitigen Unterfunktion einer anderen äußerst wichtigen Blutdrüse, der Hypophyse — eines drüsigen Hirnanhanges— haben. Das Bild, das diese Menschen bieten, ähnelt sehr dem unseres im vorigen Artikel geschilderten Patienten: er fühlt sich gehemmt und antriebslos, das Denken fällt ihm schwer, sein Gefühlsleben scheint gehemmt oder verarmt. Hinzu kommt aber häufig eine etwas läppische, der Situation des Kranken gar nicht angepaßte Stimmungs- läge, die sehr unangenehm auf die Umgebung wirken kann. Eine treffende Charakteristik dieses Typs fand sich kürzlich in einer Tageszeitung unter dem Titel:„Existenzen": �,Der Doktor, obgleich Doktor der Rechte, 90 Kilogramm schwer,... war von Prosession Geschehenlasser. Schwäche, Faulheit(die sitzt � im Blute wie der Fleiß), Gutmütigkeit, Hasard und die neunzig Kilogramm zogen ihn tief hinab... Sein Fall ist verzweifelt: er, seltsamerweise, ist es nicht. Trotzdem, trotz dem freundlichen Gesicht, erweckt er... nicht nur Mitleid, sondern auch Furcht... Ist es vielleicht um unserer Tugenden willen, daß wir nicht dort stehen, wo er steht?" Der Arzt beantwortet die Frage des Ber- fassers: nicht um unserer Tugenden, sondern um unserer g e- sünderen Körperanlage willen! Aber der Fall ist nicht so oerzweifelt. Auch diesen Menschen ist ost recht gut zu helfen. Wenn sie nicht gar zu spät zum Arzt kommen, kann die Folge ihrer seelischen Verkümmerung, der oben angedeutete soziale Nieder- gang, zierhindert und der Leidende dem normalen Dasein zurück- gegeben werden. Entsprechend der natürlichen Wechselwirkung der inneren Drllsensäfte wird bei dem einen Patienten, bei dem sowohl Schild- drüse wie Hypophyse erkrankt sind, besser Schilddrüsenersatz, bei dem anderen Hypophysenextrakt günstiger wirken. Niemals gehört also die Behandlung mit Drüsenpräparaten in die Hände von Laien, das heißt niemals kann sie dem Patienten selbst überlassen werden. Sorgfältigste ärztliche Untersuchungen und regelmäßige Beobachtung während der Kur sind dringend notwendig, denn es handelt sich ja um Eingriffe in die feinsten Vorgänge des Körpers, in das wunder- bare Zusammenspiel seiner empfindlichsten Organe. 4- Da ist die tlljährige Frau, bei der die Periodenblutungen un- regelmäßig werden, die„Wechseljahre" einsetzen. Sie leidet unter quälenden Stimmungsschwankungen, wird reizbar und mißtrauisch. Der gleichaltrige Gatte, in voller Lebensblüte, hat kein Verständnis mehr für seine nervöse, empfindliche, weinerliche Frau. Ehekonflikte bringen die Frau zu den schwersten Selbstvorwürfen. Endlich rafft sie sich auf und geht zum Nervenarzt, um sich„analysieren" zu lassen. Die Analyse bleibt erfolglos. Der Arzt entschließt sich A zu einer Behandlung mit Eierstockpräparaten, die die gar zu stürmisch einsetzende Funktionsumwandlung der Keimdrüsen regulieren sollen. Schon-nach verhältnismäßig kurzer Kur werden die Perioden- blutungen wieder regelmäßig, nur an Stärke nehmen sie langsam ab, wie es dem Alter der Frau entspricht. Mit der Regulierung dieser Organtätigkeit tritt eine seelische Beruhigung ein, die Frau wird wieder frisch und selbstsicher, die Ehe ist von nun an ungestört. Da ist der Mann in den fünfziger Iahren, der geistige Arbeiter zum Beispiel, bei dem sich die ersten Altersoeränderungen in einem Mangel an geistiger Spannkraft, in einer schnellen Erschöpfbarkeit und fehlenden Ausdauer kundtun. Sein Lebenswerk ist noch nicht vollendet. Zweifel an dem Wert seiner Leistung plagen ihn, die Arbeit ruht, dadurch sinkt der Mut immer mehr. In seiner tiefen Niedergeschlagenheit wird er der Frau, den Kindern entfremdet, sie glauben, er sei kalt und teilnahmslos geworden. Bei diesen und ähnlichen Erschöpfungszuständen, mögen sie nun auf dem natürlichen Altern des Körpers oder aus seelischer oder körperlicher Ueberanstrengung beruhen, sieht man gute Erfolge mit einer„Reiztherapie". Sie besteht in der Zuführung artfremden Ei- weißes, das vom Blut wie ein Fremdkörper sozusagen bekämpft und überwunden werden muß. An diesem Kampf muh sich der Körper mit all seinen Säften beteiligen, seine Organe werden also zu neuer, gesteigerter Tätigkeit gezwungen, er wird belebt und aufgefrischt, mit ihm die Funktionen der Nerven, des Gehirns, der Seele.
Ige« Blum:
Naturgemäß kann eine„Umstimmung" der körperlichen und seelischen Anlagen besonders gut beim kindlichen Organismus ge- lingen, bei dem sie ja allenthalben auf Wachstum und Entwicklung und noch nicht auf Abbau trifft. Das„schwer erziehbare", launenhafte, eigensinnige Kind, der kleine Tyrann der Familie, ist häufig durchaus nicht un- beeinflußbar„abnor m". Neben vernünftiger, zielbewußter S Erziehung kann eine körperliche Kräftigung solcher Kinder oft schein- bare Wunder in ihrem Verhalten bewirken. Wechsel des Klimas, viel Luft und Sonne— und wo diese Bedingungen nicht gegeben � sind: Höhensonnebestrahlungen und Gymnastik— befördern die Blutbildung und den Stoffwechsel, stählen den Körper und geben so der heranreifenden Seele die unerläßliche Grundlage für eine gesunde Entwicklung._ Sänglingsgymnastik Detlef Neumann-Neurodes Säuglingsgym- nastik(12. bis 13. Aufl., Berlag Quelle u. Meyer, Leipzig , Preis 1,20 Mark) ist etwas für jede Mutter. Damit hat sie es in der Hand, das Wachstum ihres Kindes zu beeinflussen. Nur 10 Minuten täglich sind nötig. Schnell lernt man an 20 guten Photos die wenigen Griffe, die nicht nur einem berufshinderndem Krüppeltum vorbeugen, sondern die Entwicklung des Säuglings überhaupt best- möglichst begünstigen. Neumann-Neurode hat keine besseren Emp- fehlungen mitzubringen als Prof. Bier und Prof. Langstein. Deshalb ist jedes weitere Wort überflüssig. Mütter, greift zu! Hein? �daw. Paraffin und Krebs Es ist bekannt, daß man bei der Maus durch Pinselung mit flüssigem Paraffin eine bösartige Geschwulst erzielen kann. Um- stritten ist aber die Frage ob reines Paraffin tatsächlich krebs- erzeugend wirkt. In Paraffinfabriken sind bisher nur bei solchen Arbeitern Hauterkrankungen vorgekommen, die mit ungereinigtem Paraffin zu tun hatten. Arbeiter, die das gereinigte Produtt ver- sorgten, blieben von Geschwülsten verschont. Prof. Tcutschländer vom Krebsinstitut Heidelberg hat diese Erkenntnis durch neue Ber - suche erhärtet. Dr. S.
Hoderner Kampf g�egpen die Hanttuberkulose
Das Krankheitsbild. Lupus ist die bei weitem häufigste Form der Hauttuberkulose. Die soziale Bedeutung und Gefahr dieser Erkrankung liegt nicht so sehr in der Häusigkeit des Vorkommens— der Lupus ist im Vergleich zu der Lugentuberkulose viel seltener— sie liegt vielmehr in dem be- sonderen Verlauf und den Folgen, die sich bei zu später oder unzu- reichender Behandlung einstellen. Der Verlauf des Lupus ist ein äußerst langsamer und langwieriger. Es gibt nur ganz wenige chronische Krankheiten, die den Menschen so entstellen, daß er vom gesellschaftlichen Leben ausgeschaltet und ost arbeitsunfähig wird. Zu diesen ganz wenigen Krankheiten gehört in Europa an erster Stelle der Lupus . Oft jahrzehntelang leidet der unglückliche, an Lupus erkrankte Mensch körperlich und seelisch, gemieden von Mit- menschen und Arbeitskollegen: Ganz langsam und allmählich ent- wickelt sich das Krankheitsbild und beginnt schon oft im frühen Lebensalter. Kleine Knötchen, die sehr langsam wachsen und wuchern, dann kleinere und größere Geschwüre; immer mehr und mehr greift der Krankheitsherd um sich: die nachfolgende oft sehr hochgradige narbige Umwandlung führt zu größten Entstellungen; dazu kommt noch, daß der Lupus sich meist an sichtbarer Stell« lokalisiert, mit Borliebe im Gesicht. Nase, Wangen, Oberlippe wer- den sehr ost befallen. An den bereits abgeheilten Stellen können von neuem Krankheitsherde austreten und so kann sich der Prozeß in ständigem Wechsel jahrzehntelang wiederholen. Eine unmittel- bare Lebensgefahr ist dabei fast nie vorhanden. Auch fehlt fast vollständig die Ansteckungsgefahr. Die Infektion er- folgt entweder von außen, so z. B. vielfach durch den Auswurf des an offener Lungentuberkulose erkrankten Menschen oder von innen aus. In letzterem Fall« hat der betreffende Mensch Tubertclbazillen bereits in seinem Körper: in den Lymphdrüsen, in der Lunge oder in einem anderen Organ; von hier aus gelangen die Bazillen meist auf dem Lymph- oder Blutwege in die Haut. Die Behandlung. Die Methoden der Behandlung und der Bekämpfung der Haut- tuberkulöse haben sich im Laufe der Zelt sehr gewandelt: Während man früher in der Behandlung die radikalen operativen Methoden bevorzugte, sind sie heutzutage fast gänzlich verlassen. Man verzichtet jetzt mit Recht auf diese Behandlung, die den kos- mctischen Enderfolg beeinträchtigt. Denn vom kosmetischen Resultat hängt es zum großen Teil ab, ob man den Patienten später in das soziale Leben und in seinem Beruf wieder einordnen kann. Und dies muß als oberste Richtlinie jeder Lupusbehandlung gelten. Die Eni- Wicklung der Heilmethoden ging von den operativen Maßnahmen über Aetzmittel zur Lichtbehandlung nach Finfen, Sonnen-, Röntgen- und. Radjunibestrahlung und schließlich zur Gerson- Diät. Die Einführung der Gerson-Diät bedeutet einen großen Fortschritt in der Bekämpfung und Behandlung der Hauttubertulose. Es erregte großes Aufsehen, als Professor Hermanns- d o r f e r aus der Sauerbruchschen Klinik über außerordent- lich günstig« Erfolge der Lupusbehandlung mit Gerson-Diät be- richtete. Seitdem wurden die Erfolge aus vielen Heil» st ä t t e n b e st ä t i g t. Worin besteht nun die neue kochsalzfreie Diät? Ihre Haupttennzeichen smd kurz folgende: 1. größtmögliche Beschränkung der Kochsalzaufnahme bis zum konsequent durchgeführten Kochsalzverbot; 2. ausgiebige Venwendung frischer pflanzlicher Nahrungsmittel (zur Vitaminüberschüttung des Körpers und Aufnahme der Mineral- stoss«): 3. starke Beschränkung der Kohlenhydratausnahm«(Mehl, Zucker, Reis u. a.); 4. Einschränkung der tierischen Eiweiße(Fleisch, Eiweiß u. a.). Die biologisch-chemifche Wirkungsweise der Gerson-Sauerbruch- Hermannsdorfer-Diät ist noch nicht ganz geklärt; sie beruht auf einer allgemeinen Umstimmung des Organismus. Diese Umstimmung wird noch schneller erreicht durch Verbindung der diätetischen Maßnahmen mit allgemeiner Freiluft- und Wasserbe-hand- lung. So befinden wir uns heute, wie es Prof. B l u m e n t h a l auf einer Sitzung der Berliner Dermatologischen Gesellschaft ausführte, im Beginn einer neuen Entwicklung der Lupusbehandlung und Lupusbekämpfung, einer Entwicklung, die die Allgemeinbehandlung in den Vordergrund stellt und lokale Therapie nur als Unterstützung heranzieht. Schon von diesem Gesichtspunkt �aus muß der Heil- st ä t t e im Kampfe gegen die Hauttuberkulose eine besondere Be- deutung zufallen. Die long« Dauer der Erkrankung macht die Be- Handlung in einem Kronkenhaus wenig geeignet. Die Heilstätte bietet große Vorteile: hier kann die hervorragende Heilwirkung von Licht und Luft zur Geltung kommen, die großzügige Anwendung der physikalischen Behandlungsmethoden(Gerson-Sauerbruch-Hermanns- dorfer-Diät) voll zur Durchführung gelangen. Gang durch eine Lupus-Heilstätte, Seit nicht langer Zeit besitzen wir in der Nähe von Berlin ein« modern ausgestattete Heilstätte für Lupuskranke. 48 Kilometer öst- lich von Berlin , auf der Strecke Berlin — Küstrin , liegt inmitten des herrlichen Kiefernwaldes die neuerbaute Lupusheilstätte Müncheberg (Krankenhaus für Hauttuberkulose). Sie ist er- richtet vom„Deutschen Komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose" mit finanzieller Unterstützung des Reichsarbeitsministeriums, des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt sowie der Landes- Versicherungsanstalten Berlin , Brandenburg , Grenzmark, Pommern , der Reichsoersicherungsanstalt für Angestellte und des Landeswohl- fahrtsamtes Pommern. Die Anstalt macht einen einzigartigen Eindruck. Ein Flachbau, bestehend aus mehreren Flügeln, die miteinander durch einen Mittel- bau in Verbindung stehen; ganz schlicht, sehr freundlich, sonnig. Die Anstalt besitzt 90 Krankenzimmer: 30 für Frauen, 30 für Männer und 30 für Kinder. Helle, sonnig« Krankenräume sind nach Geschlecht und Alter gegliedert. Es fehlen auch nicht Freilust- räume nach dem Dosquet-Systcm: hier liegen die Kranken im Sommer und im Winter in frischer Luft. Besonderer Wert wurde auf die Ausgestaltung der Speisesäle gelegt: sie sollten nicht anstaltsmäßig sein, sondern recht gemütlich und wohnlich, um bei der anfangs recht widerwillig aufgenommenen kochsalzfreien Diät ge- wissermaßen appetitanregend zu wirken. In allen Krankenräumen herrscht schlichte farbenfreudige Wohnlichkeit, alle Räume liegen nach Süden. Für ansteckende Erkrankungen, die während des Aujent-
Haltes unerwartcterweise auftreten, sind isolierte Zimmer vorhanden. Aus Sparsamkeitsgründen wurde jeder Luxus vermieden. Der ganze flache Bau, nur sehr wenig über das Gelände erhoben, geht unmerk- lich in einen großen zur Heilstätte gehörenden Park über. Durch herrlichen Wald gegen Wind und Wetter geschützt, hat der Park eine Ausdehnung von 100 000 Quadratmetern. Welches sind nun die Behandlungsmethoden? Unter den diäteti- schen Maßnahmen steht auch in der Lupusheilstätte Müncheberg die Gerson-Diät im Bordergrund: die Kranken erhalten täglich sieben Mahlzeiten, wobei auf Mannigfaltigkeit der Speise- karte besonderer Wert gelegt wird. Die physikalische Behand- lung, die neben der diätetischen durchgeführt wird, besteht aus Wechselbädern, Freiluftkuren, Gymnastik, Sonnenbädern und künst- lichen Bestrahlungen. Die Erfolge, über die der Chefarzt Dr. Funk berichtete, sind sehr gut. Die Heilstätte steht in Verbindung mit der Berliner Universitäts-Hautklinik und dient auch der wissenschaftlichen Forschung. Vorbeugen! Wenn auch der Heilstätte im Kampfe gegen die Hauttuberkulose eine besondere Bedeutung zugesprochen werden muß, so muß dem- gegenüber ausdrücklich betont werden, daß eine wirksame und erfolg- reiche Bekämpfung der Hauttuberkulose von den Heilstätten allein nicht geleistet werden kann. Der Grundsatz, daß die Borbeu» g u n g wichtiger und besser ist als die Behandlung, gilt auch ganz besonders für die Hauttuberkulose. Die Hauttubertulose stellt eine sekundäre Form der Tuberkuloseinfektion dar. Im Kampf« mit den Tuberkelbazillen erliegt der Mensch, wenn die im Körper nach der ersten Infektion gebildeten Abwehrstoffe nicht imstande sind, den Keimen genügenden Widerstand zu leisten. Und es ist einleuchtend, daß ein erschöpfter untercrnährter Körper diesem Kampf nicht ge» wachsen ist. Daher finden wir beim Lupus das überwiegende Be- fallensein der ärmsten Bevölkerungsschichten. Nach einer neuen Untersuchung über Hauttuberkulose wurde ferner festgestellt, daß bei 40,9 Proz. aller Kranken mit Lupus ein oder mehrere Familienmit- glieder an Lungentuberkulose litten. Hier heißt also die allgemeine Forderung: Kampf um gesunde Wohnung, ausreichende Ernährung, Ausbau der allgemeinen Tuberkulosefürsorge. Eine sehr wichtige Ausgabe der Lupusbekämpfung besteht serner in der frühzeitigen Erfassung der Kranken und der Ueber- wachung der bereits aus der Behandlung Entlassenen, um beim Auf- kommen eines Rezidivs die Patienten sofort wieder der Behandlung zuzuführen. Diese Aufgabe kann nur von der sozialen Für- sorge erfüllt werden. Gerade der Lupus ist eine Erkrankung, die heutzutage bei frühzeitiger Behandlung außerordentlich günstige Heilerfolge verspricht, dagegen bei Vernachlässigung und später In- anjpruchnahme der ärztlichen Hilf« zu größten Entstellungen führt und den Kranken oft gesellschafts- und arbeitsunfähig macht. Ein wirksamer und erfolgreicher Kampf gegen die Hauttuberkulose muß von den Heilstätten und anderen Behandlungsstellen in enger Zu- sammenarbeit mit den Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge ge- führt werden. Körper ks st alt und Psyche Es bedeutet heute keine haltlose Spekulation mehr, wenn man wisienschaftlich begründet, daß eine geseAnäßige biologische Ver- wandtschaft zwischen körperlicher und geistiger Veranlagung besteht. Jahrhundertelang ist die Frage nach der Beziehung zwischen Körper und Seele gefühlsmäßig bejaht worden; teils ist sie auch schon wissen- schaftlich behandelt worden, wie von Lavater , Galt und C a r u s. Aber erst der Psychiater Dr. Ernst Kretschmer hat durch anerkannte Forschungen auf diesem Gebiete eine selbständige Disziplin geschaffen. Seine Forschungsergebnisse sind der Ausgangs- punkt für Dr. med. et pliil. Gerhard Venzmers„Körpergestalt und Seelenanlage". Dieses Werk ist als Fortsetzung und Ausbau der Kretschmerschen Untersuchungen zu werten, die auch in den ersten Kapiteln eingehend behandelt werden. Kretschmer hat das Problem nach der Beziehung zwischen Körpergestalt und Seelenanlage bei Geisteskranken positiv gelöst. Durch Beobachtungen, Messungen und Statistiken hat er festgestellt. daß die beiden Arten von Geisteskrankheiten: Spaltungsirresein oder Schizophrenie und kreisförmiges oder zirkuläres Irresein(die seit Kraepelin anerkannten begrifflichen Bezeichnungen für geistige Er- krantungen) sich gesetzmäßig auf verschiedene Körpertypen verteilen. Die zartgliedrig oder leptosom Gebauten und die Patienten von athletisch-muskulärem Körperbau wiesen fast durchweg eine zerrissene Persönlichkeit und Zerfahrenheit auf, sind also spaltungsirre. Da- gegen wurde der zirkuläre Irrsinn, der sich im steten Wechsel von Hochgefühl und Niedergedrücktheit äußert, nur bei dem zur Fett- leibigkeit neigenden, dem breit-rundwüchsigen oder pyknischen Typ beobachtet. Venzmer führt den Zusammenhang der Körpergestaltung mit der seelischen Eigenart auf innersekretorische Einflüsse zurück. Wenn er sagt, daß innere Drüsen den Körperbau direkt beeinflussen, so ist es auch für den Laien verständlich, daß dadurch eine indirekte Beeinflussung der Psyche gegeben ist. Er behauptet, daß Schizo- phrenie und zirkuläres Irresein lediglich Gipfelungcn normaler see- lischer Eigenschaften sind. Aus seinen Ergebnissen kristallisieren sich drei Typen: Die Leptosomen, die Athletisch-Muskulären, die Rund- wüchsigen oder Pykniker. Der breitgebaute, pyknische Typ verleugnet auch in seiner geistigen Veranlagung nicht die Tendenz zur Ab- rundung. Venzmer bezeichnet diese Seelenanlage kreismütig oder zyklothym. Das Temperament des Pyknikers ist ausgeglichen. Das Gegenteilige läßt sich von dem leptosom oder athletisch-muskulär Gestalteten behaupten. Dieser Typ präsentiert sich, sei es als Ge- danken- oder Tatmensch, oft maßlos, dissonant und als Mensch der Extreme. So sieht Venzmer die Typen in Reinkultur. Don Quichote und Sancho Pansa sind für ihn Schulbeispiele. Es ist nicht zu verkennen, daß der menschliche Erbgang Misch- formen, Uebertreuzungen und Uebergänge in der körperlichen Gestalt geschaffen hat, daß andererseits Erziehung, konventionelle Einstellung und Mode den eigentlichen seelischen Typ auch sehr verdecken. Venz- mer will mit seiner schematischen Einstellung einen Maßstab und damit seiner theoretischen Arbeit praktischen Wert geben. An sich ist das Werk Venzmers außerordentlich wertvoll. Denn, wissenschaftlich sehr exakt, ist es dabei doch für den Laien in einer klaren, logischen und sogar fesselnden Form geschrieben. Eunze.