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Nr. 363 48. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Das neue Gesicht des Alex.

Abbruch und Aufbau

unter

diesem Motto geht es schon seit Jahren rings um den Alegan derplag bewegt und regsam zu. Langsam beginnt sich das neue Gesicht des Plazes zu formen. Schon steht das neue Bürohaus Berolina" in strahlender Helligkeit neben der verräucherten Bahnhofshalle. In fürchterlicher Enge rollt der zu­sammengepferchte Verkehr unter der Bahnüberführung durch, um sich geradeaus in die Neue König- und rechts und links in die Alexander­straße zu ergießen. In der Lands­berger Straße triumphiert die Spitz­hacke: Weißliche Schwaden DON Mörtelstaub treiben über den Haus­ruinen, die in wenigen Wochen vom Erdboden verschwunden sein werden und die bis zum letzten Augenblick mit Reklameaufschriften und Ueber­fiedlungshinweisen die vorübergehen­den Passanten bearbeiten müssen. Vom Haus Nr. 78, einem graugrünen einstöckigen Bau, beginnt man eben die Dachziegel abzunehmen. Weiter. fortgeschritten ist die Zerstörung bei den alten Häuschen Nr. 68 und 70, an der Ecke der Kurze Straße. Die ausgebrochenen alten Ziegel stehen fauber aufgeschichtet am Straßenrand.

Bürohausfundamente vor der Georgenkirche

Der breite Durchbruch zur Frankfurter Straße ist nun bis ir Georgenkirche gedichen. Wie ein im Großen aus: geführtes ,, Ankersteinbaukastenmodell" steht sie mit ihren roten Bad­steinen inmitten der Zerstörung; auf der einen Seite werden über der Betondecke der U- Bahnlinie nach Lichtenberg die letzten Keller­refte fortgeräumt. Hier soll sich das Gemeindehaus erheben. Vor der Kirche lagern in stufenförmigem Aufbau die mächtigen Beton­fundamente für das fommende mit etwa 15 Stockwerfen pro­jettierte och ha us. Kein Zweifel, daß sich die Georgenkirche in der neuen Umgebung reichlich sonderbar ausnehmen wird. Schon steht an ihrer nördlichen Flanke, an der Neuen Königstraße, das eben fertiggestellte Geschäfts- und Bürohaus Aleg", zwar nur

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Wieder vier Personen ertrunken.

Im Laufe des Dienstags waren es, wie berichtet, fünf Aus­flügler, die beim Baden außerhalb der Bade­anstalten den Tod im Wasser fanden. Auch gestern hat der Badebetrieb wieder vier Todes opfer gefordert. In allen vier Fällen find die Berunglückten beim Baden an verbotener Stelle ums Leben gekommen.

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Im Teufelsse e im Grunewald ging beim Schwimmen der 50jährige Schmied Paul. Schmidt aus der Oberlandstraße in Tempelhof plötzlich unter. Der Unfall wurde erst sehr spät bemerkt und die Feuerwehr konnte nur noch die Leiche des Verunglückten bergen. In Grünau zwischen der Bammelecke und der Rohr wallinsel ertrank der 25jährige Schriftsezer Theodor Grzala chowski aus der Falkensteinstraße 20. Alle Rettungsversuche blieben erfolglos. Auf eigenartige Weise kam im Teltowkanal der 23jährige Schornsteinfegergeselle Friz Damerow aus der Grunerstraße 10 ums Leben. D. hatte sich an einen Ruderkahn

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VON

1. ILF UND F. PETROW

Die Tische des Restaurants standen auf dem nackten Rasen. Das kaukasische Orchester vollführte eine eintönige Musik. Zwischen den Tischen konnte man ein kleines Mädchen sehen, das unter den Augen der beglückten Eltern spontan die Lezginka tanzte.

"

Bestellen Sie etwas!" sagte Bender. Der erfahrene Kisljarski bestellte und es wurde Wein, Gemüse und salziger grusinischer Käse serviert.

Auch etwas zum Effen, wenn ich bitten darf", sagte Ostap. Wenn Sie wüßten, mein teurer Herr Kisljarski, was ich und Herr Worobjew heute überstanden haben, würden Sie unseren Mut bewundern."

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Wieder dachte Kisljarsti- wieder beginnt meine Qual. Warum bin ich nicht in die Krim gefahren?

Er bestellte aber ohne Widerspruch drei Portionen ge­bratenes Schöpfenfleisch und wandte Ostap ein dienstbereites Gesicht zu.

Also", sagte Ostap, sah sich um und sprach dann mit leiserer Stimme ,,, in wenigen Worten. Wir werden bereits feit zwei Monaten bewacht und es ist sehr wahrscheinlich, daß wir morgen schon von Agenten der G. P. U. in unserem Ver­schwörernest ausgehoben werden. Und wir werden wohl ge­zwungen sein, mit Waffengewalt vorzugehen."

Risljarsti erbleichte. ., Um so erfreuter sind wir", setzte Ostap fort, in dieser beunruhigenden Situation einem verläßlichen Kämpfer fürs Vaterland zu begegnen." ,, Hm: ja!" stieß Worobjem stolz zwischen den Zähnen hervor, der hungrigen Glut gedenkend, mit der er, unweit von Sioni, die Lezginfa getanzt hatte.

Er stopfte seinen Mund mit Käse und Gemüse voll. Dabei Delektierte er sich am Aufstoßen, wodurch der Genuß des Weins verlängert wurde. Ostap warf ihm einen bösen Blid zu und ein grünes Zwiebelchen blieb in Worobjems Kehle stecken.

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5 Geschosse hoch, aber in modernster Aufmachung. Im Erdgeschoß die Apotheke zum schwarzen Adler", während alle übrigen Büro­räume noch die Mieter suchen. Schreitet man den schmalen Plaz um die Georgenkirche ab, so fann man außer der Rückerschen Etiftung mur veraltete, auch viele verwahrlofte Häuser feststellen, die der breite Bau der Kirche gegen Sicht vom Alexanderplatz aus schüßt. Nach wenigen Schritten begegnet man in der Neuen Königstraße einer ungeheuerlichen Fensterfront, die mit ihren 175 Meter die ganze Nachbarschaft erschlägt: das neue Karstadtbürohaus, mit dem achtstödigen überhöhten Mittelbau, vorläufig nur ein Glied in der Kette neuzeitlicher Bauten, die mit der Zeit um den Alexander­plat emporschießen werden.

gehängt und wollte unter das Boot hinweg tauchen. Als er wieder an die Oberfläche tam, schlug er mit dem Kopf so heftig gegen die Seitenwand des Kahnes, daß er lautlos unterging. Obgleich D. bald geborgen werden konnte, waren die Wiederbelebungsversuche ohne Erfolg. Im Landwehrfanal, gegenüber dem Hause Plan­ufer 36, ertrank in den gestrigen Nachmittagsstunden beim Baden ein etwa 8 bis 9jähriger Schüler Die Ermittelungen der Polizei nach den Personalien des Kindes waren bisher ohne Erfolg.

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Die Schule fängt wieder an!

Berlins Bahnhöfe standen gestern unter dem Zeichen, daß die großen Ferien" zu Ende sind. Heute beginnt wieder der Ernst des Lebens, unsere Jungen und Jüngsten müssen auf die Schulbank zurück. Am stärksten war der Andrang auf dem Stettiner Bahnhof, da sah man ganze Rudel von Kindern, die wie die Indianersprößlinge aussahen und mit Rucksäcken, Koffern und Handtaschen bepackt waren. Lehrer und Aufsichtspersonen

,, Ja", flüsterte Ostap ,,, wir hoffen mit Ihrer Hilfe den Feind unschädlich zu machen. Ich werde Ihnen einen Para­bellumrevolver übergeben."

,, Ich brauche ihn nicht", sagte Kisljarsti entschlossen. Im nächsten Augenblick kam es heraus, daß es ihm nicht möglich sein werde, morgen an dem bevorstehenden Kampfe teilzunehmen. Es täte ihm sehr leid, er würde aber nicht fommen. Er fenne sich in militärischen Dingen nicht aus. Deshalb habe man ihn auch zum Borsigenden des Börsenrates gewählt. Er jei buchstäblich verzweifelt, persönlich nichts tun zu können, den Vater der russischen Demokratie nicht mit seinem Leben schüßen zu können, dabei halte er unbedingt an der Konstitution fest, aber wie gesagt, dagegen sei er eventuell bereit, wenn es nötig wäre, finanzielle Hilfe zu leisten.

,, Sie sind ein treuer Vaterlandsfreund!" sagte Ostap feierlich und trank zu dem duftenden Schöpfenfleisch den füßen Kipianiwein. Fünfhundert Rubel könnten den Riesen des Gedankens retten?"

,, Sagen Sie", fragte Kisljarski mit meinerlicher Stimme, könnten nicht auch zweihundert Rubel den Riesen des Ge­dankens retten?"

Ostap konnte sich nicht mehr zurückhalten, unter dem Tisch stieß er Worobjem entzückt mit dem Fuß. Ich glaube", fagte Worobjem, daß Feilschen hier nicht am Blaze ist."

Er bekam gleich wieder einen Stoß in den Schenkel, was bedeuten sollte:- Bravo , Kissa, bravo, das ist Schule!-

Risljarfti hatte zum ersten Male die Stimme des Vaters der russischen Demokratie vernommen. Dieser Umstand machte ihn so paff, daß er Ostap ohne Zögern fünfhundert Rubel übergab. Dann bezahlte er die Zeche, ließ die Freunde allein am Tisch zurück, flagte über Kopfschmerzen und entfernte sich. Eine halbe Stunde später sandte er an seine Frau nach Star­gorod ein Telegramm: Deinem Rate folgend fahre ich in die Krim .

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Das Leben voll Entbehrungen, das Ostap die ganze Zeit über geführt hatte, verlangte eine Entschädigung. So war es nur logisch, daß sich der große Kombinator noch an demselben Abend im Bergrestaurant derart betrank, daß er auf der Rückfahrt beinahe aus dem Wagen der Drahtseilbahn ge­fallen wäre. Am anderen Tage wandelte sich sein langjähriger Traum in Wirklichkeit. Er faufte sich einen wunderbaren grau gestreiften Anzug. Eigentlich war der Anzug für die Hitze viel zu schwer, trotzdem trug er ihn, ging herum und der Schweiß

Donnerstag, 6. August 1931

hatten alle Hände voll zu tun, um die ihnen anvertrauten Jungen und Mädel durch den Wirrsal des Großstadtverkehrs sicher hin­durchzusteuern. Die Reichsbahndirektion hatte vorsorglich Sonderzüge eingeschoben, so daß im wesentlichen Ueberfüllungen und Stockungen vermieden wurden.

Mitläufer und Berhetzte.

Der letzte Kommunistenkrach vor dem Schnellgericht.

Es ist immer dasselbe: Keiner von den Angeklagten gehört der KPD. an, niemand will an der Demonstration teilgenommen haben, fämtliche Polizeibeamte sagen unter ihrem Eide die Unwahrheit". Vor dem Schnellgericht hatten sich gestern sechs solcher Teil­nehmer an der Antifriegsdemonstration in der Turmstraße und auf dem Alexanderplatz zu verantworten.

Die Menge kam der Aufforderung, die Straße zu räumen, nicht nach, die Beamten wurden mit Steinen beworfen, die Gummitnüppel traten in Aktion, auch die Pistolen mußten ge­zogen werden. Eine Don den heutigen Angeklagten, eine 30jährige Frau, wußte z. B. nichts Besseres zu tun, als sich mit ihrem 10jährigen Jungen unter die Demonstranten zu mischen. Sie rief den Beamten zu: Ihr seid ja auch Proleten, Bluthunde, schlagt sie nieder." Trotz der Ermahnung durch den Polizeileutnant, ihres Weges zu gehen, fonnte sie sich durchaus nicht beruhigen und wurde schließlich festgenommen. Sie erhielt wegen Beamten­beleidigung 25 Mart Geldstrafe, auf die die Polizeihaft an­gerechnet wurde. Interessant war übrigens die Aussage der Frau selbst. Obgleich ihr 10jähriger Junge sie aufforderte: Mama komm, sagte sie zu ihm: ,, Sehen wir noch, was die Beamten machen."

Ein Rohrleger kam der Aufforderung eines Beamten, weiter­zugehen, nicht nach. Als dieser ihn fortschieben wollte, nahm der Mann einen Gegenstand in die Hand, stellte sich in Wurfstellung, lief gleich darauf davon und wäre unter die Elektrische geraten, wenn Beamten ihn nicht zurückgerissen hätten; nun schlug er mit den Ellenbogen um sich und sprang, bereits auf dem Polizeiwagen, wieder auf die Straße hinunter. Wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt bekam er zwei Wochen Haft.

Ein junger Kutscher glaubte sich herausnehmen zu dürfen, dem Beamten, der dem Befehl seines Vorgesetzten Folge leistend mit der Pistole in der Hand am Polizeiwagen stand, zuzurufen: Du hast wohl' nen Vogel? Auch hier lautete die Strafe wegen Beamten­beleidigung auf 25 Mark.

Am Alexanderplat lief ein junger Mitfahrer im vollem Galopp davon, obgleich der Beamte, der ihn zwangsstellen wollte, hinter ihm herrief: Stehenbleiben! Der Bursche lief einen anderen Be­amten an und schlug auf ihn mit den Fäusten ein. Die Sache mußte zwecks weiterer Feststellungen vertagt werden. Gleichfalls am Alexanderplatz versuchte ein Handlungsgehilfe in der Nähe von Tietz die Polizeifette zu durchbrechen und leistete der wiederholten Aufforderung, meiterzugehen, feine Folge. Wegen Nichtbefolgung und Widerstandes gegen die. Staatsgewalt gab es in diesem Falle 10 Tage Gefängnis. Sämtliche Angeklagten wurden aus der Haft entlassen.

Alles in allem: unbedeutende Fälle. Die eigentlichen Ruhe­störer, die Rädelsführer und Heßer, verstanden es stets, sich beizeiten zurückzuziehen

Do X nach New Horf gestartet.

New Yorf, 5. August.

Das deutsche Flugschiff Do X startete am heutigen Mittwoch, um 10% Uhr mitteleuropäischer Zeit, in Rio de Janeiro zum Fluge nach New York . Die Flugstrecke führt über Caravellas. An Bord befinden sich 11 Fahrgäst e, darunter 2 Frauen. Die Wetter­verhältnisse sind ausgezeichnet. Für die Nacht ist eine Zwischen­Iandung in Bahia geplant.

perife ihm vom Gesicht. Für Worobjem wurde in einem Konfektionsgeschäft ein weißer Piquéanzug angeschafft, sowie eine Seemannsmüße mit dem goldenen Abzeichen irgend eines imaginären Jachtklubs. Worobjem glich in diesem Anzug einem Admiral der Handelsflotte. Seine Gestalt streckte sich, sein Gang wurde fest und sicher.

,, Ach!" sagte Bender ,, Hohe Klasse! Wäre ich eine Frau, so würde ich einem so schönen Mann, wie Sie es sind, sicher­lich acht Prozent Rabatt vom üblichen Preis gewähren." ,, Genosse Bender", erinnerte ihn Worobjew. Wie wird es mit dem Stuhl werden? Wir müssen in Erfahrung bringen, was mit dem Theater los ist!"

,, Ho- ho!" erwiderte Ostap und tanzte dabei mit einem Stuhl in der Hand in dem großen, im maurischen Stil möblierten Zimmer des Hotels Orient " herum. Lehren Sie mich nicht leben, Kissa. Sonst werde ich böse. Ich habe viel Geld. Aber ich bin großmütig. Hier gebe ich Ihnen zwanzig Rubel und drei Tage Zeit, die Sie zum Ausrauben der Stadt benüßen fönnen. Ich bin wie Sumarom Rauben Sie die Stadt aus, Kissa! Amüsieren Sie sich!"

Die Freunde betranten sich eine ganze Woche, lang. ,, Habe die Ehre!" sagte Ostap am Morgen des achten Tages; ihm war zufällig die Zeitung ,, Das Licht des Orients" in die Hand gekommen. Hören Sie zu, Sie Trunkenbold, was die gescheiten Menschen in den Zeitungen schreiben, hören Sie! Theater- Chronit. Gestern, den 3. September, hat das Kolumbus- Theater sein Gastspiel in Tiflis beendet und sich sodann nach Jalta , in der Krim begeben, wo es gastieren wird. Das Theater beabsichtigt bis zu Beginn der Moskauer Wintersaison in der Krim zu bleiben."

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,, Aha! Was habe ich Ihnen gesagt?" rief Worobjew. ,, Was haben Sie mir gesagt?" sagte Ostap ärgerlich). Im Grunde war er beschämt. Sein sträflicher Leichtsinn rächte sich. Die Chance, den Kurs der Brillantenjagd in Tiflis dem Ende zuzusteuern, war vorbei, man mußte nun wieder in die Krim fahren. Ostap nahm die Angelegenheit gleich praktisch in Angriff. Man nahm Fahrkarten nach Batum und bestellte zwei Bläge auf dem Dampfer Pestel", der am 7. September um 23 Uhr Moskauer Zeit von Batum nach Odessa ging.

In Jalta kam man an einem windstillen, heißen sonnigen Morgen an. Worobjem, von seiner Seefrankheit erholt, stand auf dem Vordersteven, neben der Signalglode.

( Fortsetzung folgt.)