Oer Wähler und die Volksenffcheid-Gireneu.
Oer Wähler:„Bleibt mir mit euren falschen Locktönen vom Halse. Ehe ich mich von euch fressen lasse, bleibe ich lieber heute den ganzen Tag bei Mutter Grün!" Otto Braun an das Reichsbanner. Die Kundgebung am„Deutschen Eck ".
Koblenz , 8. August. (Eigenberichts Die Stadl am deutschen Eck, wo kurz nach der Desreiung de- Rheinlandes der.Stahlhelm" zur Revanche aufrief, steht seit Sonn- abend im Zeichen der schwarzrotgoldenen Farben. Das Reichsbanner hat nach Koblenz zu einer Verfassungs- kundgebung aufgerufen, die am Sonnabendabend mit einem prächtigen Fackelzug begann und am Sonntag ihre Fortsetzung finden wird. Aus allen Teilen des Rheinlandes, aus Westfalen, . aus Eupen-Malmedy . dem Saargebiet und dem Hessenlande trafen am Sonnobendoormittag und-nachmittag Taufende und aber Tausende wm Rel chstztmnerfonterad«» zu FuH. mjs Lastautos und- mit der Eisenbahn in Koblenz ein. E» sind weit über«Z lXO Reichsbannerleute, die in schwieriger Zeit wieder einmal ihre Treu« zur Republik bekunden. Di« Kundgebung, die am Sonntag ihren Höhepunkt erreichen wird, steht unter der Devise„Völkerfrieden und Böller. Verständigung". In einer Festschrift, die da» Reichsbanner anlohlich der Verfassungsfeier am deutschen Eck herausgegeben hat. weist Mimsterpräfident Braun mit folgenden Worten auf die Be> deutung des Tages hin:„Der Aufmarsch des Reichsbanners zur
Verfassungsfeier erbringt der Umwelt' Deutschlande den Beweis, daß unser Bersassungstag keinen Anlatz gibt, anderen Völkern Fehde anzusagen oder mit Ueberschwang chauvinistischen Gefühls Drohungen über die Grenze zu rufen. Nur in der Friedens- arbeit und in dem von Vernunft und Einsicht diktierten Zu- sammengehen der Völker liegt die bessere Zukunft der Well und auch Deutschlands begründet." In diesem Sinne werden auch öi« Festreden der preuhischen Minister Hirtfiefer und Seve. ring gehalten sein. Es ist..seit langer Zeit das erstemal, daß der preußische Dohlsahrtsminister Dr. Hirtfiefer wieder in einer hssMitlich«! VniMVchMg. d»» ReichshazM-rs. da» Wort nimmt. Auch das darf man ol» ein Zeichen der Zeit werten. Vemokrotische Golidariiöi. Pari». 8. Äugust.(Eigenbericht.) 15 große republikanische Organisationen Frankreichs , die zu» sammen drei Millionen Mitglieder zählen, haben angesichts der heut« beginnenden Reichsbannerkundgebung in K o b lenz ein Telegramm an das Reichsbanner gesandt, in dem sie für die deutsch -französische Annäherung, die für den Weltfrieden unerläßlich ist, eintreten.
Die Mufik kommt! Aach bekannter Melodie zu finge«. Klingimg, dum dum und tschingdada, Schon hört man Preußens Gloria, Und um die Eck mit viel Geschrei Rückt an die volksentsckeiderei— voran die Herren Nazis. Deutschland wach aus und Hitler heil. hoch Röhm und hoch das Hinterteil, Zinsknechtschaft brecht mit Herrn von Stauß, Die Lauche rein, die Juden raus— Und dann der große ttdolf. Der Sdolf, arriviert und glatt, Im Srm das Kreuz, das haken hat. Das värtchen tanzt auf großem Maul, Mercedes -Venz, so heißt sein Jaul— Und dann die Herren Leutnants. Der hugenberg, der Mann der Tat, Der hat das Geld(von der Danat ), Der andre trägt das Holzschwert schick, wie Seldterwasser sprühts im vlick— Und dann die Kommunisten! Die Kommunisten, stramm im Schritt, Durch Dreck und Staub, sie laufen mit, Sotfront. von Hitler kommandiert, wenn Seldte spuckt, dann salutiert Devot der Teddq Thal mann! Der Magen knurrt, was macht das schon Dem Stimmvieh deutscher Reaktion, Sie trotteln nach, die Phrase kreist. In Lüften mit zieht Wilhelms Geist— vorbei ist die Mufike... vorbei das Lied vom roten Reich. Mit hugenberg auf gleich und gleich, Roch ein„Rotftont!", man hört es kaum— Ging da ein Proletariertraum — tsching, tsching, dum— um die Ecke...? Frei nach Liliencron von Isorick. Volksentscheid und Völkerfrieden. Sine devisch-französische Kundgebung. In einem gemeinsamen Aufruf der Französischen und der Deutschen Liga für Menschenrechte an oie beiden Regierungen, Par. larncnte und Volter heißt es: Schon 1922 haben wir erklärt, daß der Weltfrieden abhängig ist von der unbedingten engen und aufrichtigen Verständigung der beiden erohen Nationen und daß die beiden Ligen es als ihre erste und hauptsächliche Ausgabe betrachten, intensiv dafür zu arbeiten. Das haben wir allen Stürmen und Widerständen zum Trotz getan. Seif einem Jahr ist dag wert der franzSfische« und deutschen Annäherung zu einem gewissen Stillstand gekommen. Wieder sind die Völker auf der einen Teste ungeduldig und aggressiv, auf der anderen beunruhigt und zurückhaltend. Deutschland Hot oerzweifeste Anstrengungen gemacht, um den katastrophalen Zerfall seiner Wirtschaft und Finanzen zu verhindern und wirst nun Frank- r.'ich Mangel an Hilfsbereitschaft vor. obgleich die französischen Tre- sore von Gold überfließen. Frankreich wirft Deutschland vor. durch seine falsche Finanzpolitik selbst an seinem Ruin schuldig zu sein. Der Verfall des«inen unserer beiden Völker würde die furcht- barsten Folgen für olle anderen haben. Der Finanzzusammenbruch Deutschlands würde die politische»nd soziale Anarchie beschleunigen und dornst auch die schwerst« Gesahr für Frankreich heraus- beschwören. Daher fordert dir französische Liga ihre Regierung und ihr par- lament auf. dem deoischen Nachbarn schnellste und wirksamste Hilfe zu bringen, ohne aus dieser Not vorteile zu ziehen und ahne Ihm politische Bedingungen zu stellen, gegen die sich sein gerechtfertigter Stolz auslehaen muß. Die deutsche Liga fordert ihre Regierung auf, von allen im- nötigen Heeres- und Flottenausgoben abzusehen: sie muß dafür sdrgen. daß Europa nicht immer wieder durch Kundgebungen des Stahlhelm und der Hitlsr-Anhängcr beun- r u h i g t wird, deren einzige Wirkungen bisher waren,«ine Miß- trauens st immun g zu erzeugen, die für Deutschland verderblich gewesen ist. Eine Wiedergutmachung der Ungerechtig- kcit, deren Opfer Deutschland zu sein glaubt, kann nur von einem beruhigten und geeinigten Europa erwartet werden. Der g. August wird beweisen, ob Deutschland ans die Stimme der Vernunft hört und damit in seinem eigensten Interesse handelt, oder ob e» den weg der Isolierung gehen will. Ganz Frankreich hofft, daß die Stimme der Beinunft siegt, damit es dem ringenden Deutschland die Hilfe bringen kann, die die fran- zösische Liga va�n-ücklichst fordert.
Gekürzte Overvürgermeistergehälier. Preußen versagt die Bestätigung wegen zu hoher Bezüge. Seit Monaten hat die preußische Staatsregierung von den Gameinden den Abbau der Oberbürgermeistergehälter gefordert. Jetzt hatte die Stadt Görlitz das Gehalt des neu zu wählenden Stadtoberhauptes auf 22 000 Mark im Jahre festgesetzt. Das Staats- Ministerium hat nun einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es hat einfach die B« st ä t i g u n g d e r Wahl des auf Grund dieser Gehaltsfestsetzung nach Görlitz berufenen Stadtkommerers Duhmer aus Stettin verweigert und zugleich, wie der„Demokratische Zeitungsdienst" erfährt, die Stadt Görlitz wissen lassen, daß ein Gehalt von 12000 bis 16000 Mark für das Oberhaupt einer Stadt von einigen 80 000 Einwohnern durchaus hinreichend sei. Solange über die Höh« des Gehalts kein« Einigung erzielt ist. droht das Staatsministerwm, die Bestätigung der Wahl zu verweigern.
Schiele im Rundfunk. Reichsmimst« für Ernährung und Land- Wirtschaft Schiele wird am Montag, abend» 20 Uhr, im Rohmen der aktuellen Abteilung der Funkstunde über Fragen der Agrar- Politik, besonders über die letzten Kabinettsbeschlüssezur Erntefrnanzierung und Erntebewegung sprechen. Die Rede wirb voraussichtlich auch auf die anderen deutschen Sender über- trogen werden.
. Kein amerikanischer Naumwollkreöii! Das amerikanische Z a r m b o a r d hak in seiner Antwort an das Staatsdepartement das deutsche Angebot bezüglich de, Baum- wollkaufes abgelehnt. Dos Formboard habe da- deutsche Angebot sorgfältig geprüft, aber viele Bedingungen des Angebots seien unannehmbar. Di« erst« Anregung des Botschafters S a ck c t t habe einen Mindest» preis vorgesehen, der wesentlich zur Stabilisierung des Baum» woll-Weltprelses beitragen sollte. Inzwischen sei ein Preisrück» gang eingetreten, der die deutsche Regierung notwendigerweise veranlaßt habe, diesen Pnnkt auszuschalten(statt eines Mindest- Preises sollten monatlich Durchschnittspreise nach den No» ticrungen der Weltbörsen ermittelt werden. Die Red.)'.' Der Zweck des ganzen Boumwollgeschäfts sei die Deoisenbeschafsung füx Deutschland gewesen. Da jetzt das Schatzamt Anstrengungen mache, die Auszahlungen auf die deutschen Entschädigungsansprüche zu beschleunigen, würden der Reichsbank— wenn dies« Anstrengungen Erfolg hätten(I)— bald soviel Devisen zur Ver- siigiiitg stehen,, daß der deutsche Handel direkt vom Handel und auf dem üblichen Weg« kaufen könne. Der letzte Satz dürste für die Erklärung für den etwas überraschenden Beschluß des Formboards enthalten. Der amerika . Nische Baumwollhandel hatte gefürchtet, daß«n großer Test seine» Geschäfts.verstaatlicht" würde. Auch die amerikanische Textilindustrie soll— gleich einem Teil der europäischen Industrie— gegen da? Beumwoll-Kredtt-Projekt Sturm gelaufen sein. Noch der Ablebnnng des Baumwollgeschäft»'dürfte auch das Kreditangebot für die Einfuhr von Weizen und Kupfer erledigt sein.
Vonksachverständige tage» in Basel . ftm Deutschland «! kurzfristige Zluslandsverschuldong., Lasel . 8. August. Der Ausschuß zum Studium der Kreditfrage in Deutschland , der auf Grund einer Entschließung der Londoner Konferenz vom Juli durch die Bank für internationalen Zahlung»- ausgleich gebildet worden ist, hat am Sonnabend nachmittag 4 Uhr seine Arbeiten aufgenommen. Das aus zehn Vertretern der Länder Deutschland , Amerika , Frankreich , England, Italien . Schweiz . Holland. Belgien , Schweden und Japan bestehend« Komitee wählte zu seinem Präsidenten den Präsidenten des Verwoltungsrats der Chase Nationale Bank in New Jork, Albert H. W i g g i n, zum Generalsekretär Dr. Blessing. einen der deutschen Mitglieder der BIZ-Leitung. Die gegen 1.28 Uhr beendete Sitzung befaßt« sich ausschließlich mit der Festlegung des Arbeitsverfahrens.-- Das deutsche Mtglied des Studienausschusies, Bankier
Melchior-Hamburg, wird am Sonntagoormittag dem Komitee«in Expos« über die deutsche Finanz- und Wirtschaftslage sowie über die Voraussetzungen für die Umwandlung der kurz- fristigen in langfristige Kredite geben. Wie man hört, ist der Plan, die Arbeiten des Ausschusses nach Luzern zu verlegen, vorläufig auf- gegeben worden. Oie Ausgabe der Polizei. Oer Bürgerkrieg muß vermieden werden. Lochum, 8. August.(Eigenbericht.) In Anwesenheit des preußischen Innenministers S e v e r i n g wurde am Soünobend das neue Bochunier Polizeipräsidium seiner Bestimmung übergeben. In der Festansprache und in einer Rede an die Schutzpolizei betonte Severing, daß in diesen Togen der stärksten Friedensbemühungen der Friede im Volke gewahrt und der Bürgerkrieg oermieden werden müsi«. Es sei zu berücksichtigen, daß viele aus Not und Verzweiflung sich zu denen fänden, die den inneren und vielfach auch den äußeren Frieden nicht wollten. Gegenüber den gewerbsmäßigen Ruhe- störern aber gebe es kein Pardon! Es solle nicht ge- schössen werden, so lange Ueberredung und andere Mittel wirksam seien. Wenn aber der Gegner zur Waffe greife, müsse durchgegriffen werden. Senkung der M'eien! Jorderung der Mistervereine. Der Hauptoorftand der Reichsorganisation der deutschen Mieter, schäft, Bund Deutscher Mieteroereine e. V.(Sitz Dresden ), hat in einer Berliner Sondertagung zu den Plänen auf Umgestaltung der Hauszinssteuer Stellung genommen. Die Beratungen fanden ihren Niederschlag in einer Entschließung, der wir u. a. jplgendes entnehmen „Die durch Inflation und Answertunzzzesetzzebung eingetretene Entschuldung des Althausbesitzes muß unter laufendem Abbau des Anteils für den allgemeinen Finanzdedarf voll für die Zweck« der Wohnungswirtschaft, insbesondere de» Wohnungsneubaues und der Siedlung gesichert werden. Die Mieterschast erhebt erneut die For» derung auf Umwandlung der jetzigen Hauszins st euer in ein« Rente, die für das ganze Reich gleichmäßig erhoben wird, die volle Entschuldung abgilt und dinglich am Grundstück gc- sichert wird. Für die wirtschaftlich schwachen Bewohner und bei Leerräumen muß ein Rechtsanspruch auf Ermäßigung des Miet- zmfes oder der Rente gegeben werden. In Verbindung mit der Umgestaltung muß«ine Senkung der Alt-, Neubau- und Geschäft s r aummieten bis auf die Höhe der Borkriegsmieten erfolgen." 1