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Rr. 36948. Jahrgang

4. Beilage des Vorwärts

Fräulein Drachenglück

Aus dem Chinesischen von Axel Arheus

In der Zeit, da Ranting noch die Hauptstadt von China   war, blühte die Ming- Dynaſtie  . Es war während der Regierung des

Kaisers Hoai- Tsong.

Eines Abends trat ein junger Mann aus einem Garten heraus. Er ging eilig an den Hecken entlang, ohne darauf zu achten, daß herabhängende Zweige sein Geficht streiften. Der junge Mann hielt einen Augenblick inne.

Es war nichts außer dem Gezwitscher der Vögel in den Bäumen zu hören. Die untergehende Sonne färbte den Himmel und die Spitze des Turmes Li- ku- li leuchtete weithin. Blöglich be­wegte sich die Hede, und der schöne Kopf eines Mädchens erschien in dem Blättergemirr.

,, Bist du es, Li- Tso- Pen?" fragte sie liebevoll. ,, Lung- Fu", sagte Li- Tso- Pen rasch, gehe zu dem Grabe deiner Ahnen und ich werde dich dort treffen."

Ich laufe, so schnell es geht!" ſagte Lung- Fu, erschreckt durch den Ausdrud großer Traurigkeit auf dem Antlitz des Li- Tso- Beh. Der junge Mann ging raschen Schrittes auf den Friedhof. Kurz darauf kam auch das junge Mädchen.

Hier bin ich", sagte sie, die Angst schnürt mein Herz zusam­men, denn ich sah, daß dein Gesicht traurig ist."

,, Höre, Lung- Fu", sagte er. Mein Stiefvater will mich mit der Tochter eines großen Beamten verheiraten."

Ist es möglich?" rief Lung- Fu aus. Bergißt er, daß wir

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uns lieben, wie das Weidenblatt die Blume liebt."

,, höre mich an: noch heute Abend fliehe ich aus diesem Lande und bleibe solange ohne Nachricht fort, bis die mir Auserwählte einem anderen Gatten angehört."

Lung- Fu antwortete nichts und fing an zu weinen. Ach", sagte Li- Tso- Peh seufzend, diese Trennung ist wohl ein Unglüd, aber sie bewahrt uns vor einem größeren. Wir müssen versuchen, unsere Gefühle in unseren Herzen zu verschließen Ich werde dich also verlassen, Lung- Fu."

Wie kann ich deine Abwesenheit ertragen? Wer weiß, ab der, der fortgeht, jemals wiederfommt?" sprach Lung- Fu schluchzend, ,, und ob die, die einsam zurückbleibt, noch da sein wird?"

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,, Was rätst du mir zu tun?" sagte Li- Tso- Peh, von ihren Tränen gerührt. Sprich, ich bleibe hier, wenn du es wünscheft." Nein, nein, geh: ich werde stark bleiben. Ich schwöre dir beim Andenken meines Vaters, der hier liegt, was auch geschehen mag, nichts soll meinen Willen ändern."

Bo schieden fie voneinander.

Als das junge Mädchen über den Friedhof zurüdging, erblickte fie einen Mann, der an einem prächtigen Grabe betete. Trazdem bemerkte er fie und war im Augneblid von ihrer Schönheit verwirrt. Er erhob fich und folgte ihr. Als fie an ihrem Hause angekommen war, schrieb der Mann auf seine Tafel: Das Haus des blauen Drachen, am Plage des Turmes von Li- tu- li.

Lung- Fu war Waise. Das junge Mädchen lebte mit einigen Dienern bei seiner alten Großmutter. Lung- Fu war siebzehn Jahre

alt.***

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Die Nacht, die auf den Abend folgte, schlief Lung, nicht. Und als sie fich am nächsten Morgen in ihrem polierten Stahlspiegel, der der Scheibe des Mondes glich, betrachtete, sah sie, daß ihre Lider vom dielen Weinen geschwollen waren; fie schloß die Augen und dachte an ihren Verlobten. Da tönte plötzlich der Gong an der Eingangstür.

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,, Wer mag so früh am Morgen tommen?" sagte sie. Sie ftieg aus ihrem Zimmer hinunter.

Ein Raften aus glänzendem Lad stand da, mit einem Seiden­band zugeschnürt.

,, Was bedeutet dies?" rief die Großmutter.

Lung- Fu nahm einen Brief, der sich unter dem Seidenband befand und las laut vor: Der schönen Lung- Fu bietet ein Mächtiger diese mertlosen Gegenstände an."

,, Beim Gotte Fu", rief die Großmutter ,,, ein Mächtiger! Woher mag er dich fennen?"

Ich weiß es nicht", sagte das junge Mädchen; ,, es ist wohl ein Scherz und der Kasten wird voller Steine sein."

,, Sehen wir nach", sagte die Alte und nahm den Dedel ab.. Die beiden Frauen stießen einen Schrei der Ueberraschung aus: ein herrliches Halsband aus indischen Perlen lag, wie eine ruhende Schlange in mehreren Reihen zusammengerollt, auf dem Boden des Kastens; die Perlen, wie Erbsen groß, glichen genau eine der anderen und waren von einer Reinheit ohnegleichen. Ferner ent­hielt der Kasten mit Rubinen geschmückte Haarnadeln und einen vollkommenen Schmuck, bestehend aus Armbändern und Spangen. ,, Wie schön das alles ist!" rief die alte Frau aus. ,, Wo mag es herfommen?" fragte sich Lung- Fu ,,, es ist feines­wegs Li- Tso- Peh, der mir dieses Halsband sendet, das nur eine Königin tragen fönnte."

Der Tag verging unter Mutmaßungen. Da ertönte der Gong von neuem heftig und in demselben Augenblick erschienen eine Menge Pagen und Laternenträger im Garten und bildeten Spalier.

Die beiden Frauen fahen einen Mandarin von hohem Range in großer Hoftracht und von zwei Männern gefolgt, fich nähern, von denen der eine den Ehrensonnenschirm" und der andere, auf Seidenkissen gebettet, ein Siegel aus Kristall   trug. Der Mandarin fnicte vor dem jungen Mädchen nieder.

Bist du es, die sich Lung- Fu oder Fräulein Drachenglüd nennt?" fragte er demütig.

Ja..." stammelte Lung- Fu zitternd.

Nun, du junges Fräulein, glüdlichste unter allen Frauen des Königreiches, mit der ich nur fniend sprechen darf. wisse, daß der­jenige, von dem du heute morgen die Geschenke erhieltest, der Mann ist, vor dem alles zittert und bebt, Herr über uns alle, der Kaiser von China. Der Sohn des Himmels hat Lung- Fu auf dem Friedhof gesehen und läßt ihr sagen, daß er sie zur Frau begehre, und daß morgen ein prächtiges Gefolge fommen wird, um sie mit großem Bomp in den faiserlichen Palast zu holen."

In der Racht, als Lung- Fu allein auf ihrem Zimmer war, sagte fie zu sich: Ich muß sofort handeln. Noch bin ich frei; morgen schon, im Palast des Kaisers, werde ich eine Gefangene fein.

Lung- Fu öffnete ein Kästchen und nahm ihre Ersparnisse her aus. Durch ein offenes Fenster sprang fie in den Garten.

Mit großer Sicherheit ging Lung- Fu über den Plaz von Li- ku- li und bog in eine Straße ein. Plötzlich jah fie die Stocklaternen einer Bolizeistreife blizen..

Ach!" rief fie aus ,,, mas mird aus mir, wenn diese Soldaten mich fangen! Wie soll ich mein Herumstreifen erflären, nachdem die Trommel zur zweiten Bache geschlagen hat?"

Sie hatte sich an die Mauer eines fleinen Hauses gelehnt.

Sonntag, 9. August 1931

Tong in seinem Palast. Der Sohn des Himmels hatte seine Minister mißhandelt und ihnen gedroht, sie töpfen zu lassen, falls Lung- Fu bis zu einem bestimmten Tag nicht wiedergefunden wäre. Beloh­nungen wurden ausgesetzt, Kuriere in alle Provinzen geschickt, und bald suchte das ganze Kaiserreich nach dem schönen Fräulein Drachen­glück, die vom Kaiser zur Frau begehrt wurde.

Der Lärm von diesem Geschehnis kam zu den Ohren des Li- Tso­

Lung- Fu Klopste energisch an die Tür. Als man öffnete, trat das Beh. Er machte sich sofort auf den Weg nach Nanting.

junge Mädchen schnell ein.

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Was willst du hier?" schrie eine alte Frau, die auf einem unförmigen Berg von Lumpen und Fezzen saß.

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Ich habe an eure Türe geklopft, um mich vor der Polizei­ftreife zu verbergen", sprach Lung- Fu.

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Nun gut, warte, bis sie vorbei ist", sagte die Alte mit der Gleichgültigkeit derer, die selbst zu viel Sorgen haben, um Anteil an den Leiden anderer zu nehmen.

Damit fingen die beiden wieder an, ihre Kupfermünzen zu zählen.

Man war durch den Altwarenhändler und die Frau, die das Sam- Ban verkauft hatte, Lung- Fu bereits auf die Spur gekommen. Der Kaiser begab sich verkleidet an die Stelle des blauen Flusses, die man ihm bezeichnete.

Er trat in die Barte und Lung- Fu stand sogleich auf. Junges Mädchen, willst du mich an das andere User bringen", fragte er.

" Gewiß, mein Herr," erwiderte Lung- Fu, ist es denn nicht mein Beruf, zu jeder Stunde den Fluß zu überqueren?"

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Wozu diese Verstellung, Lung- Fu", sagte der Kaiser. Warum

Es fehlt immer noch der vierte Teil eines Kupfer- Liang", versteckt du dich seit zwei Monaten vor mir?"

sagte der Mann.

werfen."

Ja, und der Besizer des Hauses wird uns morgen hinaus­

Mädchens umtauscht."

Ich werde euch die fehlende Summe ergänzen, sagte da Lung- Fu und zog ein Silberstück aus ihrem Gürtel, aber unter der Bedingung, daß ihr mir erlaubt, die Nacht hier zu verbringen, und daß ihr mir meine seidenen Kleider gegen die eines einfachen Die alte Frau schüttelte den Kopf. Du spottest über uns." Reineswegs," erwiderte Lung- Fu, und warf das Silberſtüc zwischen die Kupfermünzen; hast du das Kleid, das ich brauche?" Du bist ein gutes Mädchen", sprach die Alte und stand auf, der Himmel hat dich uns geschickt".

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Sie nahm einige Kleider vom Haken und zeigte sie Lung- Fu; sie wählte eins davon, das aus einer weiten, braunen Hose, einem

leberwurf aus blauer Baumwolle bestand. Dazu gab es einen großen Strohhut, der ihr Gesicht leicht den Blicken anderer ver­

bergen tonnte.

Dann streckte sich das junge Mädchen auf dem einfachen Lager aus. Mit der ersten Morgenröte stand sie auf und verließ geräusch­los das Haus.

Lung- Fu setzte sich an das Ufer des blauen Fluffes und über. legte: was sollte aus ihr werden?

In diesem Augenblick glitt eine Barfe zwischen den Binsen her­vor. Es war eines jener Ruderfahrzeuge, die man Sam- Ban nennt. Lung- Fu bemerkte, daß die Führerin des Schiffes eine ältere Frau mar.

Sie hat dieselbe Kleidung mie ich", sagte sich das junge Mädchen, ich bin also als Ruderin angezogen worden. Das wäre vielleicht sogar ein Beruf für mich."

Du willst hinübersetzen?" fragte die alte Frau.

Nein", sagte Lung- Fu, ich möchte wissen, wo ich ein Boot wie das deinige taufen tann?"

Wenn mir jemand einen guten Preis zahlen würde, gäbe ich meins her. Die Feuchtigkeit taugt nicht mehr für meine alten Knochen."

Welchen Preis forderst du?"

Drei Liangs aus Gold", sagte auf gut Glück die Ruderin, " Das gebe ich bit

Die Alte riß ihre Augen weit auf, und als fie die Liangs glänzen fah, griff sie rasch danach, sprang ans Ufer und nach einigen Berbeugungen entfernte sie sich mit großer Schnelligkeit. Währenddessen mütete, unbändig vor Zorn, der Kaiser Hoai­

K.R.G.Browne:

Heiliger Buddha, du uist der Kaiser  ", rief das junge Mädchen aus und ließ die Ruder fallen.

Für alle anderen bin ich der Kaiser," sprach Hoai- Tsong: für dich bin ich nur ein Freund."

Knie.

Hab Mitleid mit mir, großer Kaiser!" Lung- Fu fiel auf die

unter meinen Frauen geben", sagte der Kaiser. Ich werde dich in meinen Palast geleiten und dir einen Platz

Ach!" murmelte Lung- Fu, ich bin verloren!" Seelen im Himmel vereinigen." Geliebter Li- Tso- Peh," rief sie aus, möge Buddha unsere

Und mit einem Saz sprang fie in den Fluß. Erst nach einer Stunde brachte man das junge Mädchen an die Oberfläche des Wassers. Ihr Leben war entflohen.

Im selben Augenblic, als man die Leiche der Lung- Fu an das Ufer legte, tam ein Krieger in Rüstung in vollem Galopp ange­ritten. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge. Als er Lung- Fu. leblos am Ufer hingestreckt liegen sah, stürzte er unter einem Wehruf neben dem jungen Mädchen nieder.

Ach! Meine Freundin," rief er aus, du hast dein Wort gea. halten und bist gestorben, um deinem Versprechen treu zu bleiben. Ich hätte dich vor dem Kaiser nicht retten fönnen, aber ich komine früh genug, um mit dir zu sterben; deine Seele, die um uns flattert, ermartet ihren Reisegefährten. Sei nicht ungeduldig, meine füße Lung- Fu, hier bin ich!"

Einen Augenblic lang sah man ein Schwert blinken, dann riefelte ein Blutstreifen auf den Boden.

Ich erbitte mur eine Gnade vom Kaiser, ich möchte neben der= jenigen begraben werden, die für mich in den Tod ging", sprach Li- Tso- Peh sterbend.

Der Kaiser blickte voll Haß auf die Leiche des Mannes, den man ihm vorgezogen hatte.

Soll man dem Wunsche dieses Toten Rechnung tragen?" fragte ein Mandarin.

Nein, ich verbiete es", sprach der Kaiser.

Einige Zeit nach diesem Ereignis fielen die Mongolen in das chinesische   Reich ein. Hoai- Tsong, entthront, tötete sich selbst. Er war der letzte Herrscher der Dynastie Ming  .

Man kann noch jetzt auf dem alten Friedhof von Nanking bie Grabstätten Lung- Fus und Li- Tso- Pehs sehen. Jedes der beiden Gräber wird von einem wundervollen Akazienbaum beschattet. Sie liegen ziemlich weit auseinander, aber die beiden Bäume haben ihre 3weige ausgebreitet und haben einander gefaßt und vereinigt.

Fremde Brieftaschen

Herr Henry Beedle saß auf der Mole von Weston und be­trachtete die vorübergehende Menge mit scheelen Blicken. Seine finanziellen Mittel beliefen sich nämlich in diesem Augenblick auf drei Schilling in Silber und zwei Pence in Bronze, und er hatte feinerlei Aussichten, diesen unstandesgemäßen Betrag in Bälde zu erhöhen.

Seine Anwesenheit auf der Mole von Weston war weniger auf die anziehenden Bergnügungen diefes Badeplazes zurückzuführen als vielmehr auf die Tatsache, daß infolge gewisser Umstände der Boden in London   für ihn zu heiß geworden war. Es spielten da verschiedene Angelegenheiten herein, über die sich die Polizei gar zu gern einmal mit ihm ausgesprochen hätte, über die sich Herr Beedle jedoch als vollendeter Gentleman äußerste Zurückhaltung auf­erlegt hatte.

Der Ueberstürztheit seiner Abreise aus den gewohnten Jagd­gründen war auch Herrn Beedles Geldmangel zuzuschreiben, und dies hatte nicht zum wenigsten zu seiner augenblicklichen Nieder­geschlagenheit beigetragen: drei Schilling und zwei Bence bleiben nämlich, so oft man sie auch zählen niag, drei Schilling und zwei Pence.

Es mar Herrn Beedle klar, daß etwas geschehen mußte, aber

um seinen Schatz zu prüfen. Und diesmal hatte es das Schicksal wirklich günstig mit ihm gemeint; denn die Brieftasche enthielt: a) eine Unmenge von Papier mit seltsamen Zeichen, die für ihn Hieroglyphen waren, b) ein halbes Dutzend Visitenkarten mit der einfachen Aufschrift: Wilbur Fentiman, und c) Banknoten im Berte Don zwanzig Pfund.

,, Alle Wetter!" sagte Herr Beedle, der seine Finger durch die Scheine gleiten ließ. Er hatte mie daran gezweifelt, daß unehrlich am längsten wäre, aber es ist immer ein Trost, wenn man einen schlagenden Beweis für die Richtigkeit seiner Grundsätze bekommt. 3wanzig Pfund! Er steckte die Banknoten wieder hinein, verstaute die Brieftasche ficher an seinem Leibe und lehnte sich, Herrn Wilbur fich, she Fentiman im Innersten dankend, zurück.

Während er einige Minuten so dasaß, dachte er beglückt an Beefsteat, Bier, Zwiebeln und einen Käse, der ihm schwer im Magen liegen sollte. Dann feufate er zufrieden, tätschelte die Brieftasche, stand auf und schickte sich an, die Mole zu verlassen und seinen tmur­renden Bauch zu beruhigen.

Er hatte vielleicht zehn Meter zurückgelegt, als etwas geschah, was ihn rauh aus seinen rosigen Träumen herausriß. In nächster Nähe entstand plötzlich Bewegung, die ihren Höhepunkt in einem über die weiteren Einzelheiten war er mit sich noch nicht im reinen, erstickten Schrei und einem Plätschern in der Ferne fand. Herr Beedle machte halt und sah sich um. da er nicht gerade eine Leuchte an Weisheit mar.

Run begab es sich, daß auf der Bank, die Herrn Beedle gastlich aufgenommen hatte, noch jemand saß, und gerade jetzt erhob sich dieser andere und schlenderte langsam davon. Herr Beedle, der bis dahin von seinen trüben Gedanken so eingenommen war, daß er nicht einmal auf seinen Nachbar geblickt hatte, sah ihm jetzt von ungefähr nach und erblickte einen starken, ansehnlichen Rüden, der von einem ansehnlichen, steifen Hute gefrönt mar.

In diesem Augenblid hatte Herr Beedle wenig für Rücken übrig, mochten sie ansehnlich sein oder nicht; er wollte gerade wieder seinen düsteren Gedanken nachgehen, als er auf der Bank, die eben noch von einer so ansehnlichen Persönlichkeit eingenommen war, einen Gegenstand bemerkte: eine Brieftasche, eine große Brieftasche, die augenscheinlich gut gespickt war.

Hier bot fich Herrn Beedle offenbar die günstige Gelegenheit, eine gute Tat auszuführen. Zweifellos hätte er schnurstrads auf springen, dem, der eben noch sein Nebenmann war, nachrennen und dem geistesabwesenden Menschen sein vergängliches Eigentum zurüc erstatten sollen.

Aber Herr Beedle hatte noch nie eine gute Tot vollführt und hatte auch nicht die Absicht, jetzt damit anzufangen. Seine, nur notgedrungen reine Hand schoß mit der Geschwindigkeit des Lichtes| los; zwei Minuten später zog sich Herr Beedle nebst der Brieftasche hastig über die Mole in der entgegengesetzten Richtung wie der frühere Besitzer der Brieftasche zurück.

In einer Ede, fern von der Menge, ließ er sich wieder nieder,

Er stand jetzt an einem Bumft der Mole, an dem Ausbesserungs­arbeiten vorgenommen wurden, und diese Arbeiten maren schon so weit gedichen, daß ein Teil des Geländers beseitigt und durch Stride und über Kreuz genagelte Bretter ersetzt worden mar; diese zeitweise Schranke wies jetzt eine Klaffende, Lücke auf und deutete an, daß sich irgend jemand zu start daran gelehnt und so den Ozean

erreicht hatte.

Bon müßiger Neugier gepadt, näherte sich, Herr Beedle der Lüde, und während er durchblickte, bemerkte er tatsächlich, daß seine Bermutung stimmte und daß jemand im Spiel der Wellen im Kanal herumftrampelte.

Herr Beedle stand am Rande der Mole und betrachtete den Mann fühl und leidenschaftslos, währenddessen die Leute in hellen Haufen herbeiftrömten. Um ihn jammelte fich die Menge; gescheite Erläuterungen und Ratschläge, die dazu dienen sollten, den Unglück­lichen zu retten, drangen durch die Sommerluft. Jemand ist reingefallen!" ,, Wo ist das Rettungsboot?" ,, Wie ist er bloß reingefallen?" ,, Werft ihm einen Rettungsring zu!" ,, Ist jemand herreingefallen?"

Die Verwirrung muchs. Man sah, wie ein baumstarter Matrose in blauer Bluse ein Boot vom Ufer stieß; vereinzelte Hochrufe ertönten.

Bas joll das heißen?" dachte Herr Beedle verächtlich. Der