Einzelbild herunterladen
 

Beilage

Montag, 10. August 1931

Problopsiq? mi

Pasb fopsiq Der Abend

Der Tag des Gerichts

Shalausgabe des Vorwärts

G

Die Berliner   Wähler rechnen mit den Volksfeinden ab

am

Die Reichshauptstadt hat manchen Wahltag erlebt.| Sie hat Entscheidungen gesehen, die von nahezu der Gesamtbevölkerung mit Leidenschaft ausgetragen wur­den. Sie erlebte 1928 den Sieg des Aufbaus und der Staatsbejahung und am 14. September 1930 einen Triumph der Unvernunft. Aber Berlin   hat noch nic= mals eine Wahlentscheidung mitgemacht wie gestrigen Tage. So etwas von stillschweigender So etwas von stillschweigender Ablehnung ist noch nicht dagewesen. Der Polizei präsident konnte wahrhaftig in seiner Rede zum Ver­fassungstag im Lunapark mit Recht darauf hinweisen, daß sich das Straßenbild Berlins   gestern gegenüber jedem anderen Sonntag in keiner Weise ver. ändert hatte.

Einfame Fahnen im Zentrum.

=

Wer in der Nähe des Leffing Theaters wohnt, fonnte geſtern früh gegen 11 Uhr einen dicken pruftenden Herrn auf einem Ballon am Reichstagsufer sehen, der mit viel Eifer und wenig Geschick eine schwarzweißrote Fahne hißte. Ein deutschnationaler Nachbar folgte, aber alle anderen Anwohner sagten sich, daß schlechte Beispiele nicht gute Sitten zu verderben brauchen, und enthielten sich. Das wäre der ganze Flaggenschmud in diesem Teile der Stadt geblieben, wenn nicht das Haus der Ingenieure sich schwarz­meißrot betätigt hätte. Die Karl, Luisen, Albrecht- und Invalidenstraße fein Fähnchen weit und breit. Selbst die verbündeten Sowjets verzichteten hier auf Propaganda. Ab und an ein bescheidenes Moskauer   Fähnchen, aber auf der Straße alles tot, nüchtern, ohne Schwung. Keine Werbung, feine Radfahr­folonnen, nichts, nichts, nichts. In der Palisadenstraße war unser Berichterstatter eine halbe Stunde lang in einem Wahllokal. In dieser Zeit hat die Zelle nicht ein einziger Boltsentscheidler be­treten. Es war die Ruhe eines Friedhofs, wenn nicht einige Gäste an der Theke ihre Molle Bier getrunken hätten. Im Geschäfts. viertel natürlich vollkommene Stille; hier war von dem Wahlaft überhaupt nichts zu bemerken. Am Morigplatz zeigte ein Lokal eine Hafenkreuzfahne. So fonnte man, wenn man sich große Mühe gab, in diesem Bereich der Stadt alle drei Abzeichen der unnatür­lichen Verbündeten entdecken. Aber, wie gesagt, die Mühe war groß.

Neukölln fagt Nein.

In Neukölln, das überschwengliche Kommunisten neben Wedding   und Friedrichshain   gern ihre Hochburg nennen, fah man gestern nachmittag den entschlossenen Willen auch der fommunistischen Arbeiter, den Verrat der Parteileitung nicht mitzumachen. Um den Hermannplatz herum zum Rottbusser Damm herüber war die absolute stillschweigende Ablehnung einwandfrei fefizustellen. Aber auch wenn man zur Hermannstraße herumfuyi, merkte man das gleiche. Gewiß waren in den er um die Handjery= straße herum etliche rote Fahnen zu sehen, gewiß war auch der Besuch der Wahllofale tiefer als anderswo. Aber man spürte eine Unlust, einen Zweife: am eigenen Tan und Handeln, die sich nicht megleugnex luffen. Hier, wo tatsächlich die deutschen   Sowjetisten sehr großen Anhang haben, sagten sich die Denkenden, selbst wenn sie zur Urne gingen: Was machen wir eigentlich, begehen mir nicht Klajsen­verrat? Die Neuköllner Arbetter haben sich gestern hervor ragend geschlagen, indem sie den fommunistischen Berrätern emen Denkzettel verabfolgten, der ihnen die Schamröte ins Gesicht treiben müßte.

Auch der Friedrichshain   lehnt ab.

Der kommunistische Berichterstatter, der gestern nach Begeisterung für den roten Volfsentscheid hätte suchen wollen, wäre auch im Osten von Berlin   um seine Mühe betrogen worden. Hier gilt der Stadtteil um den Schlesischen Bahnhof   herum als besonders ficherer fommunistischer Stützpunkt. Hier sind tatsächlich Elends­quartiere, auf deren Bewohner die radikale Phrase Einfluß ausüben fönnte. Der gesunde Sinn des Berliners hat auch hier geantwortet: Rein, wir sind nicht im Dienste einer verräterischen Zentrale Hand­langer des Faschismus. Langestraße, Frucht, Stoppen, Weberstraße, der ganze Bezirk um den Andreasplak herum feinerlei Bewegung, feinerlet Wahl­freude, feinerlei Kampfesstimmung. Wieder nur die vereinzelten schüchternen Fähnchen, immer dasselbe Bild. Man sah gestern in den proletarischen Vierteln fast feine Diskutierflubs wie an anderen Wahltagen. Selbst die parteileitungstreuen Kommu­nisten haben gestern Schweigen für den besseren Teil der Tapferfeit gehalten.

Der Tag verlief ruhig, erst beim Dunkelwerden wagten fich fommunistische Mordbrüder wieder aus der Verborgenheit

hervor.

Ich haue ab!"

Kommunisten haben genug von der Blamage.

aus Tempelhof  ,

Aus verschiedenen Stadtgegenden, fp Friedenau   und anderen Bororten wird uns gemeldet, daß mehrfach fommunistische Plafatträger vor den Wahllokalen, aus But und Scham darüber, daß sie für das parfümierte Stahlhelm. publifum Blafatstehen mußten, ihre Schilder hinsegten und unter Protest davongingen. Einige wagten faum die Augen aufzuschlagen, als sich neben ihnen uniformierte Stahlhelmer aufbauten. Mehrere Blafatträger erflärten: Es ift eine Schande, daß wir hier stehen müssen. Aber wir werden mit unferer Parteileifung noch abrechnen,"

Vielfach nahmen unsere Genossen die Gelegenheit wahr, die vor Erbitterung und But innerlich knirschenden, mißbrauchten fom­munistischen Parteimitglieder über den Berrat der KBD. auf­zuklären. Gerade in den westlichen Vororten, mo fast ausschließ lich bürgerliches Publitum zur Wahl fam, mirfte dies als vorzüglicher Anschauungsunterricht über Thälmanns ,, Roten

Bolfsentscheid". Ein kommunistischer Blafatträger erklärte im Ges spräch: Ich stehe nun schon zwei Stunden, aber ein Arbeiter ist bisher noch nicht gekommen, nur Bürgertum und Rap1= talisten. Ich haue ab!"

Vom Westen nach dem Prenzlauer Berg  .

Ein Gang von den westlichen Gebieten bis nach dem Brenz­lauer Berg illustrierte den tollen Wahnsinn der skommunisten. Bor den westlichen Wahllokalen standen die kommunistischen  Platatträger gemeinsam mit Nazis und Stahl­helmern, ohne daß ihnen die Schamröte ins Gesicht stieg. Kom­munistische Ja- Sager wurden mit Heil Hitler!" begrüßt. Etliche Arbeiter verließen wieder schamvoll die westlichen Wahllokale, ohne gewählt zu haben, wenn sie das Aufgebot der Stahlhelmer und Nazis sahen. In der feinen" Gegend flatterten hier und da schwarz­weißrote und Nazifahnen. Die Seitenstraßen der Landsberger Allee   und Elbinger Straße trugen roten Flaggenschmud, doch der Andrang zu den Wahllokalen, der im Westen verarmtes Klein­bürgertum, Fabrikanten, Hausbesitzer durcheinander sah, entsprach hier nicht den verbrecherischen Erwartungen der Kommunisten. Troz geschändeter roter Flaggen, trok fommunistischem Tamtam und vor

| allem troß der Verbitterung und Not der proletarischen Volksfreise siegte der gesunde Klasseninstinkt bei dem Großteil fommunistischer Arbeiter über diese neue verbrecherische Moskauer   Parole. Der Teil der Arbeiterschaft, der sich von ihr einfangen ließ, wird später dem besonnen gebliebenen, in harten Gewerkschafts- und Parteikämpfen geschulten Teil der Arbeiterschaft dafür Dank wissen. Der kommu nistischen Führung, die in den Arbeitervierteln den roten" Volks= entscheid allein für die Stahlhelmer und Nazis durchführte, gelang es nicht, die Arbeitermassen zu mobilisieren. Viele Arbeiter gingen verächtlich die Achseln zuckend an den einladenden Plakatträgern

vorbei. ,, Das war ein SPD.  - Mann", riefen sie sich einander zu. Wenn es noch keiner war, so muß es einer werden, denn die chmählich e Rolle, die die Kommunisten bei diesem aberfeldtreiben gegen Republik   und soziale Gefeßgebung gespielt haben, wird und darf ihnen nicht vergessen werden. Für diese Politik hat ein Kommunist, der wie damals das alte Weiblein ein Holzscheit zur Verbrennung von Hus herbeitrug, zum Sturz der Preußenregierung sein Teil beitragen wollte, den rechten Ausdruck gefunden. Von seinem Balkon in der Elbinger Straße flatterte eine rote Fahne, die auf beiden Seiten weißleuchtend ia schrie.

Das Ergebnis von Berlin  .

Geordnet nach den 20 Kreifen.

Wir geben im folgenden das Ergebnis des Volks. entscheids, geordnet nach den 20 Kreisen. Die lette Ziffer gibt jeweils an, um wieviel die Zahl der Ja­Stimmen hinter der Stimmenzahl zurückgeblieben ist, die die Volksentscheidsparteien bei der Reichstags­wahl vom 14. September aufgebracht haben. 1. Kreis Mitte:

Stimmberechtigte

Ja Nein Ungültig

Th

Berluft gegen Reichstagswahl.. 2. Kreis Tiergarten: Stimmberechtigte

Ja Nein. Ungültig

1

Berlust gegen Reichstagswahl.. 3. Kreis Wedding  : Stimmberechtigte

Ja Nein Ungültig

.

Berlust gegen Reichstagswahl.

4. Kreis Prenzlauer Berg  : Stimmberechtigte

Ja

Nein.

Berlust gegen Reichstagswahl.

5. Kreis Friedrichshain  : Stimmberechtigte

256 147

72 899

Ungültig

Verlust gegen Reichstagswahl.

За

ö

345 4526

11. Kreis Schöneberg  :

Stimmberechtigte

Nein.

Ungültig

b

194 105 60 699

1.632

806

30 860

Verlust gegen Reichstagswahl.

Hochburg der Nazi und Deutschnationalen

12. Kreis Steglitz:

Nein

Nein.

Ungültig

Berlust gegen Reichstagswahl.

Nein

lngültig.

233 331 67 329

2 289

1225

46 021

2010

Stimmberechtigte

143 646

Ja

58 863

rto

1571

Üngültig

748

217 574

Berlust gegen Reichstagswahl

21 225

65 785

2210

1151

13. Kreis Tempelhof  : Stimmberechtigte

78 441

40 513

Ja

23 941

687

340

279 218

11 044

89 986

3 290

2014

14. Kreis Neukölln: Stimmberechtigte

243 203

60 566

Ja

71500

2513

1 661

Verlust gegen Reichstagswahl

50 196

2400

15. Kreis Treptow  :

52 214

Stimmberechtigte

92 561

Ja

27 995

842

258 718

538

77 051

Verlust gegen Reichstagswahl.

5 781

2770

1580

55 299

0

16. Kreis Köpenick  : Stimmberechtigte

60 776

6. Kreis Kreuzberg  : Stimmberechtigte

Ja

23 757

707

289 956

410

Ja

88 352

Verlust gegen Reichstagswahl.

12 538

1 268

61 093

17. Kreis Lichtenberg  : Stimmberechtigte

156 555

За

46 392

1.597

283 685

Ungültig

894

79 657

Berlust gegen Reichstagswahl

43 571

2056

1877

18. Kreis Weißensee: Stimmberechtigte

57 078

Ja

98 138

.

Ungültig

29 096

Verlust gegen Reichstagswahl

243 10 149

1549

18 833

19. Kreis Panfow: Stimmberechtigte

Ja..

За

Nein Ungültig

Berlust gegen Reichstagswahl.

Nein

Ungültig

Berlust gegen Reichstagswahl.

7. Kreis Charlottenburg  :

Stimmberechtigte

Ja

Nein

Ungültig

Verlust gegen Reichstagswahl.

8. Kreis Spandau  : Stimmberechtigte

За Nein

Verlust gegen Reichstagswahl

9. Kreis Wilmersdorf: Stimmberechtigte

Ja

Nein.

Ungültig

6

Verlust gegen Reichstagswahl.

2911

47 211

Nein Ungültig

Nein.

lngültig

Nein

Nein

Rein.

Ungültig

18 741 518

96 516

31 436

963

591

16 445

Berlust gegen Reichstagswahl.

20. Kreis Reinickendorf  : Stimmberechtigte

151 738 47266

1543

744

21 439

10. Kreis Zehlendorf  : Stimmberechtigte

За

45 650

Nein

Ja

16 932

llngültig

Nein

500

9

Verlust gegen Reichstagswahl

104 664

33 150

1 155

591

24264