Einzelbild herunterladen
 
Sierrmstnn Qiefau:
Vagabunden- Jugend
In einer größeren Stadt Mitteldeutschlands, die vormals als Festung Bedeutung besaß, wurde ich als der älteste Sohn eines Schneidergesellen geboren. Meine Mutter starb früh. Als ich noch ein kleiner Junge war, der wegen seiner körperlichen Schwäche auf allen Vieren herumkroch, wohnten mein Vater und ich an der äußer- sten Grenze der Altstadt, hart an den Festungswällen. Dort gab es eine lange Reihe Häuser, dürftig und baufällig, mit dunklen Auf- gängen und elenden Gelassen. Ich wälzte mich im Dreck und Staub der Festungswälle, fremder Wartung anheimgegeben, die eine gries- grämige Alte, dürr und hager, mit Scheltworten und reichlichen Schlägen übernommen hatte. Die Soldaten der Garnison betrach- teten mich als einen heimatlosen Findling, und dunkel erinnere ich mich, daß ich in einer der Kasernenstuben auf dem Schöße eines fremden Artilleristen faß, der feine Mahlzeit mit mir teilte. Da der Alten meine Pflege zuviel wurde, gab mich mein Vater in die Obhut frommer Schwestern in eine Kinderbewahranstalt. Ich lernte singen und beten und wurde dergestalt von diesem Zauber besessen, daß ich bis zu meinem zwölften Lebensjahre nicht ein- zuschlafen vermochte, ehe ich mein Nachtgebet heruntergeleiert hatte. Eines Tages waren wir Kinder in einem Raum, in den mehrere Stufen wie in einen Keller führten, damit beschäftigt, unter der Aufsicht der Schwestern einen neuen Psalm zu erlernen. Da kam das Dienstmädchen des Hauses, zwei Eimer heißen Wassers schleppend, die Stufen herunter, strauchelte, fiel und goß den kochenden Inhalt der Eimer über die Kinder aus. Es war ein unglückseliger Zufall, daß ich der Treppe am nächsten saß, so daß ich erheblich davon verbrüht wurde. Als mein Bater abends kam, um mich abz» holen, lag ich mit schweren Brandwunden bedeckt im Krankenhaus. Da verlernte ich das Psalmensingen. Kurz darauf nahm mein Vater seine zweite Frau. Die Ver- größerung der Familie verursachte eine Steigerung der.Haushalts- kosten. Die Einnahmen in unserem proletarischen Haushalt waren gering: so kam Zank und Streit zwischen die Ehegatten, und die Nerven meines Vaters wurden zerrüttet. Ich entsinne mich, daß er eines Tages den Versuch unternahm, sich aus dem vierten Stockwerk unseres Hauses hinunter auf de» Hos zu stürzen. An diesem Vor- haben wurde er durch herbeieilende Nachbarn gehindert, doch floh er vor unseren Vorwürfen und blieb drei Tage lang sort, bis ihn die Polizei zurückbrachte. Von diesem Tage an wurde er immer einsilbiger und in sich gekehrter. Ein nervöses Kopfleiden hinderte ihn an der Ausübung feines Berufes. Als er fünfundvierzig Jahre alt war, starb er an der Schwindsucht. Ich weiß noch, daß ich mich elend und verlassen fühlte. Am Rande der Vorstadt, dort wo die Gemarkungen der Felder beginnen, fand ich eine neue Heimat. Meine Pflegeeltern waren ein biederes Ehepaar aus dem Kleinbürgerstand, Besitzer eines kleinen Hauses, in welchem sie eine Schankwirtschaft und einen Handel mit Lebensmitteln betrieben. Ich fand mich schnell in die veränderten Verhältnisse, gewohnt, mit dem Strom zu schwimmen und meine Segel nach dem Wind zu stellen. Ich war einer strengen Hausordnung unterworfen, die dem militärischen Drill nicht un- ähnlich war. Ich hatte mit der Uhr zu leben, und ich gestehe es offen, daß eine gewisse Pedanterie noch heute meinen Handlungen anhaftet. Dem Pflegevater wäre es recht gewesen, wenn ich nach Be-
endigung meiner Schulzeit zu einem Kaufmann in die Lehre ge- kommen wäre. Der Waisenrat der Stadt jedoch, welcher die oberste Erziehungsgewalt über mich ausübte, lehnte dieses Borhaben ab, indem er mich kurz und bündig zum Handwerker bestimmte. So kam ich zu einem Buchbinder in die Lehre. Die Buchbinderwertstatt im Hinterhause einer altersschwachen Mietbaracke glich einer Räuberhöhle, in der mein Lehrmeister, ein kleiner Mann mit schwarzem Vollbart und einer gewählten Rede- weise, seinem Lehrling die elementarsten Begriffe des Handwerks mittels derben Prügelns und der Verschrobenheiten spießbürgerlicher Erziehungsmoral einzubläuen suchte. Dieses Leben ertrug ich nicht. Ich floh und ging zum Waisenrat der Stadt. Dort erhielt ich einen gehörigen Verweis, der von salbungsvollen Floskeln strotzte. Zu allem Ueberfluß wurde das Ansinnen an mich gestellt, bei meinem Meister Abbitte zu leisten. Als ich mich entschieden weigerte, schrieb der Herr Waisenrat einen Brief, versiegelte ihn und übergab ihn mir mit dem Auftrag, ihn demHerrn Inspektor der Armen- und Arbeitsanstalt" zu überbringen. Das bartlose, fette Gesicht des Waisenrates, feine sinnlichen Lippen und teuflischen Freundlich- leiten sind mir seicher unauslöschlich in das Gedächtnis gebrannt. Nachdem ich dem Inspektor der Anstalt den Brief überreicht hatte, erteilte er einem Schreiber seines Büros einige Anweisungen im Flüsterton. Dieses geheimnisvolle Gebaren sowie der ganze Gefängnischarakter des Hauses lasteten bleischwer auf mir und erfüllten mich mit bangen Zweifeln. Ich hatte das Gefühl von etwas bevorstehendem Schrecklichen und suchte vergebens nach einem Aus- weg, um zu entfliehen. In diesem Augenblick ausgesprochener Rat- losigkeit öffnete sich eine Seitentür der Amtsstube und es erschienen zwei Beamte, welche eine Art Schlachtbank mit sich schleppten. Ein Dritter, der folgte, schwang mit wiehernder Schadenfreude eine Knute. Ich näßte vor Angst in die Hosen. Trotz allen Sträubens wurde ich von sechs rohen Männerfäusten gepackt, festgeschnallt und geschunden. Die Hiebe sausten hageldicht auf mich herab, bald hier, bald dort, wo es eben hintraf. Nicht eher glaubten diese modernen Folterknechte der Gerechtigkeit Genüge geleistet zu haben, bis ich vor Schmerz und Blutverlust ohnmächtig wurde. Dann kam ich in die Iugendabteilung der Armen- und Arbeitsanstalt. Bei magerer Gefängniskost wurde ich mit Tütenkleben beschäftigt. Dieses im Volke verrufene Institut, das ungefähr einem Zuchthause gleichkam, beherbergte in feinen Mauern Arme, Alte, Schwachsinnige, Bettler und alte Vagabunden, die man aufgegriffen und zwangsweise inter- niert hatte. Hier wurde oersucht, mit Paragraphen und staatlich sanktionierter Unlogit jede Wesenheit zu ersticken eine Erziehungs­methode durch Abschreckung und exemplarische Vergeltungstheorie, die geeignet war, verbrecherischen und antisozialen Strömungen die Wege zu ebnen, keinesfalls aber das Fundament zur Erziehung eines gefunden Menschen zu legen. Dieses Leben führte ich einige Wochen, satt bis zum Lebens- Überdruß. Ostern, am Fest der Auferstehung, stand ein obdachloser Bursche in einer der Hauptstraßen der alten Festungsstadt. Der Tag war kühl. Es hungerte ihn und er fror, denn er war nur mit einem Hemd und einer Hose bekleidet. So schlug er sich in die Felder, geladen mit einem traurigen und ätzenden Wissen, und nannte sich Vagabund.
......
SKerlhold Bteymnnn: 3)asDerlagslmus" in der möblierlen Sin SrinnerungsblaU au« den klagen der Sagend
Als in diesen Tagen der Tod des 88 Jahre alt gewordenen dänischen Philosophen Harald Höffding   von den Zeitungen gemeldet wurde, ist eine Jugenderinnerung in mir lebendig geworden. Ich ging an meinen Bücherschrank und holte aus einem versteckten Winkel ein Schriftchen hervor, das ich mit einem gewissen Gefühl der Wehmut betrachtete. Es war in meiner Sünden Maienblüte. Ich war zwar kein Jüngling mit lockigem Haar, aber ich hatte noch nicht einmal die damals vorgeschriebene Reife, um bei einer Wahl zum Reichstag abstimmen zu dürfen. Dennoch plagte mich die dringende Sorge, ob es nicht schon die allerhöchste Zeit sei, zwar weniger etwas für die Unsterblichkeit zu tun, aber doch wenigstens einen Beitrag für den geistigen Fortschritt der Menschheit zu stiften. Wie tut man das? Indem man sich der Literatur in die Arme wirft! Und das tat ich denn auch mit allem Schwung, dessen man in diesem Lebensalter fähig ist. Sogar gleich in zwiefacher Hinsicht. Das hohe Lob. das mir ob einiger Beiträge für ihre Zeit- fchriften von Karl Kautsky  , Klara Zetkin   und Adolf Braun   gespendet worden war, verleitete mich, allen Warnungen meines lieben alten Freundes und Onkels Eduard Bernstein   zum Trotz, zum Iournalis- mus überzugehen. So wurde ich, selbstverständlich ehrenamtlich, denn woher sollten kür so etwas damals die Mittel herkommen, das nach außen hin verantworllich hervortretende Mitglied der Kollektiv- redaktion des in der Gründung begriffenenSozialistischen Akademiker", des Vorläufers derSozialistischen Monatshefte", und blieb es zwei Jahre lang. Aber das allein konnte dem in mir lebendigen heißen Drange nicht genügen. Ich wollte ein geistiges Zentrum, ein Stelldichein für die erlauchtesten Geister des Zeitalters schaffen, und darum gründete ich einen Verlag. Ja, einen Buchverlag! Es war in einer engen Straße des Berliner   Zentrums, die den Spittelmarkt mit dem Hausvoigteiplatz verbindet. Vorn am Haus zeigte ein glänzender Kessel an. daß auf dem Hof ein Gelbgießer feine Kunst ausübte. Im dritten Stock des Vorderhauses lebte ich in einer überaus schmalen, einfenstrigen möblierten Bude. Dem Bett stand das Bücherregal gegenüber. Es war aus einfachstem Tannenholz und hotte nur 11 Mark gekostet, aber es war zum Bersten voll. Sonst war wirklich nur das Allernotwendigste im Raun, vorhanden, was ein Idealist zum Leben braucht. Den Spirituskocher zum Bereiten des Tees nicht zu vergessen. Denn so klein die Bude war, es fanden oft nächtelang Erörterungen der schwierigsten Probleme der Menschheit, namentlich mit Studenten aus aller Herren Länder, dort statt. Hier wohnte nicht nur ich, sondern auch derVerlag". Viel- leicht irgendwo in der Lust, denn auf dem Boden oder an den Wänden wäre kein Platz für ihn gewesen, am meisten noch in meinem Kopf. Doch war er keineswegs nur eine Irrealität, sondern etwas tatsächlich Vorhandenes: war er doch unter der Firma B. Heymanns Verlag" sogar beim Börsenverein angemeldet und an die Berliner   Bestellanstalt des deutschen Buchhandels angeschlossen. Außerdem läßt sich die Tatsache seines Vorhandengewesenseins dokumentarisch aus seinen Erzeugnissen nachweisen. Selbstverständlich hatte dieser Verlag eingroßzügiges" Pro« gramm, das inSerien" verwirklicht werden sollte. Er ist jedoch über die erste dieser Serien nie hinausgekommen. Geistig war fein Pro» gxamm umrissen durch die Worte Sozialismus, Wissenschaft, Dicht-
kunst. In der ersten Serie sollten Vertreter ausländischer Nationen in diesen drei Sparten zu Worte kommen. Und also geschah es. Durch einen mir befreundeten holländischen Chemiker war ich zu H. van Kol in Beziehungen getreten, der mir seine Schrift Ein Paradies soll unsere Erde sein!" zur Herausgabe in deutscher Sprache überließ. Sie war ein in schwungvollstem Stll gehaltenes sozialistisches Manifest, da» an seinem Schluß die Befreiung der Menschen von allen sie jetzt beengenden materiellen und geistigen Ketten oerkündete und die Aufforderung an die Leser aussprach, durch das Bekenntnis zum Sozialismus das Werk der Befreiung, die Sprengung der Ketten, zu vollbringen. Beim Erstling eines Verlags wird noch nicht, oder wenigstens nur mangelhaft gerechnet. Auch wäre es in meinem Lebensalter so» gar verzeihlich gewesen, wenn ich allen Ernstes die Hoffnung gehegt hätte, daß O-s- 0 doch einmal eine andere Summe als wieder 0 er- geben könnte. Und so warf ich das Schriftchen für 1» Pfennig(zehn Pfennig) auf den Markt. Darin sollten sich Drucker, Zwischenhändler und Sortimenter oder Kolporteur teilen. Mit der Entschädigung der geistigen Arbeit, die in der Schrift steckte, sowie des Verlegers wurde zunächst noch zugewartet. Sie waren gewissermaßen von Natur dazu verpflichtet, Idealisten zu fein und mit dem vorlieb zu nehmen, was übrig blieb. Aber es blieb nichts übrig. Es wurde vielmehr ein Minus. So- gar ein sehr bedenkliches Minus. Denn kaum war das Schriftchen erschienen, es hatte noch gar keine Zeit gefunden, die ganzen Vor- züge feines prächtigen Ich« der Welt zu offenbaren, da erschienen Beamte des unglaublich fixen Berliner   Polizeipräsidiums und be­schlagnahmten alles, was sie davon vorfanden. Und ich erhielt eine Anklage, weil ich durch die Herausgabe der Schrift den geheiligten Z 130 des Strafgesetzbuchs verletzt und horribile dietn zu Ge­walttätigkeiten aufgereizt hätte. Das war nun wirklich dos aller- letzte, was ich etwa im Sinne gehabt hätte. Aber selbst die glänzende Beredsamkeit meines Freundes Wolfgang Heine   vermochte die Justiz nicht von ihrer irrtümlichen Annahme zu bekehren, und so lautete das Urteil auf Aufrechterhaltung der Beschlagnahme und 200 Mark Geldstrafe. Da ich von meinen Abnehmern der Schrift pro Stück 4 Pfennig erhielt, wovon ich Papier  , Druckrechnung und Buchbinderarbeit zu bezahlen hatte, so läßt sich ermessen, wieviel Stück Ich hätte abgesetzt haben müssen, um aus dem mir verbleibenden, sehr problematischen Rest wenigstens die Strafe, von Gericht«- und anderen Kosten ganz abgesehen, bezahlen zu können. So viel hatte ich natürlich nicht ab- gesetzt und setzte ich auch weiterhin nicht ab. obwohl der Verkauf der Schrift durch ihre Konfiskation eine ziemliche Förderung erfahren hatte. Besonders meine buchhändlerifchen Freunde in Wien   be- stellten alle paar Wochen wieder einige Taufend. Aber es gab damals noch kein so gesichertes Urheberrecht wie beute. Als eines Tages die Bestellungen aus Wien   ausblieben, stellte es sich heraus, daß diese schändlichen Egoisten die Schrift nunmehr in eigener Regie herstellten und dadurch mehr an ihr verdienten, als wenn sie sie weiter von mir bezogen hätten. Was konnte ich dagegen machen? War doch mein Verlagsrecht in Deutschland   durch den rechts- kräftigen Spruch einer nicht nur blinden, sondern auch einsichtslosen Göttin radikal ausgelöscht worden. Also mußte ich den Mund halten! Diese« war der erste Streich- Aber sollte mau desHall» etwa kapitulieren? Nachdem der
Soziall smus versagt hatte, ging ich an Wissenschast und Dichtkunst. Hier war ich, das erwies sich auch als zutreffeich, nach menschlichem Ermessen vor solchen Zwischenfällen sicher. Durch Vermittlung des mir befreundeten jungen dänischen Literaten Erich Schlaikjer, konnte ich zwei ganz hervorragende Repräsentanten dänischen Geisteslebens als Autoren für meinen Verlag gewinnen, Harald Höffding  , den Ordinarus für Philosophie an der Unwersität Kopenhagen, der im Anschluß an Kierkegaard   neue Grundlagen für die menschliche Ethik suchte, und den Dichter Henrik Pontoppidan  . Da es mir nicht einfallen konnte, einen philosophischen Wälzer herauszugeben, der nur auf einen bejchränkten Leserkreis rechnen konnte, so begrüßte ich es dankbar, daß H ö f f d i n g mir eine Schrift überließ, die gewissermaßen ein Nebenprodukt feiner wissenschaftlichen Studien war. Er hat es einmal als einen natürlichen Trieb des Menschen bezeichnet,das Verständnis feiner felbst und der Welt zu suchen nach Gesetzen zu forschen, die alles Leben beherrschen, so- wohl das in als das außer ihm" Aus diesem Trieb heraus hatte er sich selbst mit aller Gründlichkeit, die ihn auszeichnete, in die Gedankenwelt von Kopernitus, Newton und Darwin   vertieft. Da zu jener Zeit in Deutschland   der Streit um Darwins Lehre von der natürlichen Entwicklung der Lebensformen auf seinem Höhepunkt an- gelangt war. so mußte eine aus so berufener Feder stammende Schrift hierüber ja einen Erfolg bedeuten. Sie erschien auch sehr bald unter dem TitelCharles Darwin  . Eine populäre Darstellung seines Lebens und feiner Lehre. Von Harald Höffding  , Professor an der Universität Kopenhagen  ." Es wird wenige Schriften über Darwin   geben, die in fo ge- drängter Kürze, in einer so schlichten und für jedermann verständ- lichen Sprache, zugleich aber auch mit fo starker Einfühlung das um- fangreiche wissenschaftliche Lebenswerk des großen Forschers zur Darstellung bringen. Das hat damals mein Freund Eduard David  , der mich zur Herausgabe dieser Schrift beglückwünschte, in einem be- geisterten Artikel seines Mainzer Blattes ausgeführt, und ich muh es auch selbst immer wieder anerkennen, wenn ich fetzt nach 36 Jahren die dreißig Seiten des Büchleins durchlese. Ich hatte es auch auf schönem holzfreien Papier drucken lassen, ihm ein ganz ausgezeichnetes Porträt Darwins beigegeben und den Preis des Buches auf SO Pfennige festgesetzt. Der Wiederverkäufer erhielt es für 30 Pfennige und auf zehn Stück ein Freiexemplar. Indes, trotz oller unbestreitbaren Vorzüge, war der Andrang der Käufer keines- wcgs stürmisch. Aber nur ein energischer Vormarsch kann diese stumpfe Welt mit sich fortreißen, und so wartete ich die Aufnahme des Darwin  - Buches nicht erst ab, sondern brachte in unmitteloarem Anschluß daran einen Novellenband von Henrik Pontoppidan  , be- titeltAus ländlichen Hütten", heraus� Es waren naturalistische Schilderungen aus dem ländlichen Leben, aber nicht lediglich be- schreibender Art dokuraents hurniins, wie Zola damals sagte, sondern sie waren durchzittert von dem warmen Hauch des dichterischen Mitgefühls. War doch die Darstellung des Kontrastes zwischen dem Jahrhundert der Humanitären Ideen und der tatsäch­lichen, sehr irchumanen und grausamen Wirklichkeit die Absicht, ja das treibende Motiv Pontoppidans. Ich liebte diese Kunst und stattete auch dieses Büchlein nicht nur gut aus, sondern brachte es für 1 Mark und als Leinwandband für 1,S0 Mark heraus, während belletristische Lücher dieses Umfangs sonst nicht unter 2 bis 3 Mar» zu kaufen waren. Zur Einführung eines so groß gesehenen Lerlagshauses, wie ich es in meiner engen Bude aufzubauen gedachte, gehörten aber doch woh( andere Loraussetzungen. Leicht beieinander wohnen die Gc." danken, doch hart im Räume usw., wie schon ein anderer Idealist einmal so schön wie zutreffend gesagt hat. Kurz.«» kam der Tag. da selbst meitie' gutmütigsten Gläubiger einmal zu ihrem Gelbe kommen wollten, was ich ihnen fetzt rückschauend gar nicht einmal übelzunehmen vermag. Und da dies bei mirüber die Kraft" ging. so mußte ich liquidieren, bevor weitereSerien" meines Programms verwirklicht werden tonnten. Obwohl Höffdings wie Pontoppidans Buch gar uicht schlecht xe- gangen waren, war doch noch ein ziemliches Lager davon beim Drucker vorhanden. Ich hatte eben kalkuliert, wie es eines zu- künftigen Großbetriebes würdig gewesen war, und eine sehr große Auflage herstellen lassen, um bei der Division zu einem möglichst niedrigen Preis für das einzelne Stück zu kommen. Dle Sorge, ob auch die Möglichkeit des Absatzes für eine so große Zahl vorlag. scheint mich nicht besonders geplagt zu haben. Da erbarmte sich in dieser Lage mein Freund Richard Fischer, der Chef des Vorwärts-Verlags, der mein Tun und Treiben von Anfang an mit feinen bissig-humorigen Randglossen bc gleitet hatte. Er bot mir den Ankauf der Restauflagen beider Bücher an und zahlte so viel dafür, daß ich damit wenigstens die drückendsten Rechnungen begleichen konnte. Als der Wagen mit den Schriften in den Hof des Vorwärts-Hauses in der BeutHstraße einfuhr, sah' : ich einen für mich inhaltsreichen und anregenden, wenn auch äußer- iich mißglückten Lebensabschnitt sich vollenden. Das Leben ist weiter sein- Bahn gegangen. Neues stürmte her- em, das Vergangenes im Gedächtnis untergehen ließ. Aber zuweilen wie jetzt bei Harald Höffdings Tod, stehen die alten Erlebnisse vor dem geistigen Auge wieder auf. Und wenn auch noch so viele Eni- täuschungen dabei waren, es war doch die Zeit der Jugend, der taten- ftohen, strebenden, immer hoffenden Jugend, und die war schön! Tiere mit und ohne Schlafbedürfnis. Der weitverbreitete Glaube, daß das Schlafbedürfnis der Tiere von der Größe und Entwicklung ihres Gehirns abhängt, ist in dieser Verallgemeinerung kaum zu- treffend," schreibt Direktor Boulenger   vom Londoner Aquarium in einem englischen Blatt.Dieser Annahme widerspricht vor allem der Elefant, dessen Schlafbedürfnis überhaupt ein Rätsel der Zoologischen Gärten ist. Er bedarf offenbar nur einer Rühe von wenigen Stunden. Clefantenwärter versichern auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung, daß sich die Dickhäuter, ebenso wie die Pferde, nur selten niederlegen und, wenn sie es doch tun, beim lersesten Geräusch wieder aufstehen. Auch Wale und Meerschweinchen schlafen nur sehr wenig. Man hat beobachtet, daß die im New-Yorker Aquarrum befinolichen Meerschweinchen sieben Monate lang in beständiger Bewegung blieben, wenn sich diese Bewegung auch zur Nachtzeit weniger rn- ruhig und langsamer äußerte. Am allerwenigsten aber trifft die An- nähme, daß die Größe des Gehirns mit dem Schlafbedürfnis im Zu- sammenhang stehe, für die Angehörigen der geiieberten Weit zu. Das Gehirn der Vögel ist im Durchschnitt nicht größer als das der Reptile   und zweifellos viel kleiner als das der großen Säugetiere, trotzdem sind die meisten Vögel Langschläfer und erfreuen sich eines ungewöhnlich tiefen Schlafes. Das gilt besonders für tie Tages- schläfer, eine kleine Minderheit der Vogelwelt, zu der in der Haupt- 4 fache die Eulen und Nachtschwalben gehören. Eine Spielart dieser Nachtschwalben, der in Indien   und Australien   beheimatete Pogarus schläft so tief und so lange, daß sein Schlaf todesähnlich ist. Man kann ihn. ohne daß er den geringsten Widerstand leistet, on der Stange heben: er schläft ruhig weiter, wenn seine Gefährten»eben ihm abgeschossen werden. Sein Gegenstück in der Welt der Säuqc tlere ist das Faultier. Den Schlafrekord der Welt hält aber wahr- scheinlich eine Wüstenschnecke, die. nachdem sie im Naturwissenickait- 2* �e lang geschlafen hatte, plötzlich aufwacht« und daran ging, ihre Umgebung zu erforschen."