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Morgenausgabe 196 ni Hino C
Nr. 383
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48.Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Dienstag 18. August 1931
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Die einspalt. Nonpareillezeile 80 1. Reflamezeile 5,- RM. Kleine Anzeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zulässig zwet fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien. anzeigen Beile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen. täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl
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Banfierberatung abgeschlossen.
Stillhaltung für 5 Milliarden Mark..
Der von Albert H. Wiggin präsidierte Ausschuß für die Prüfung der Kreditlage in Deutschland führte am Montagnachmittag und -abend seine Arbeiten zu Ende. Er hat den von Sir Walter Layton erstatteten Bericht samt Resolutionen durchberaten und angenommen. Die Unterzeichnung des Berichtes, der in deutscher, franzöfifcher, italienischer und englischer Sprache abgefaßt wird, erfolgt am Dienstagnachmittag 14.30 Uhr.
Nach der Unterzeichnung wird der Bericht, der, wie früher bereits erwähnt, Empfehlungen zu Händen der Regierungen erhält, der Leitung der Bank für den internationalen Zahlungsausgleich übergeben, die ihn hierauf denjenigen Regierungen übermitteln wird, die auf der Londoner Konferenz vom Juli vertreten
waren.
Der Bericht, der die verschiedenen Seiten der Kreditlage in Deutschland eingehend behandelt, empfiehlt erlängerung der kurzfristigen Kredite im Gesamtbetrage von etwa 5 Milliarden Mart um sechs Monate unter der Voraussetzung, daß die Zentralbanken von Frankreich , England und Amerika , sowie die B33. , die den 100- Millionen- Dollar- Kredit der Deutschen Reichsbant gewährte, diesen Kredit ebenfalls um sechs Monate verlängern. Die Frist für die sechs Monate beginnt mit dem Datum der Unterzeichnung, das heißt am 18. August 1931.
Der Bericht wurde abgeschlossen, ohne daß im Schoße des internationalen Stillhaltekonsortiums eine vollständige Einigung erzielt worden wäre. Umstritten ist nach wie vor die Frage der Verlängerung der ausländischen Martguthaben in Deutschland . Ueber diese Frage besteht zur Zeit ein Vermittlungsvor= schlag in dem Sinne, daß die Martguthaben bis Mitte November gesperrt bleiben sollten.
Die meisten Mitglieder des internationalen Stillhaltekonsortiums verlassen mit dem Nachtschnellzug von Montag auf Dienstag Basel . Von der deutschen Delegation bleiben noch zwei Mitglieder in Basel , welche morgen erneut telephonisch mit Berlin Fühlung nehmen werden, so daß noch eine Möglichkeit besteht, daß im letzten Augenblid noch eine Verständigung über die Frage der Martguthaben erzielt werden könnte.
Die übrigen Punkte, welche Gegenstand der Verhandlungen im Schoße des Stillhaltekonsortiums bildeten, wurden in einem Abkom= men zusammengefaßt, das dem Bericht Laytons beigegeben wird. Dieses Abkommen dient nunmehr den ver
- Keine Einigung über Markguthaben.
schiedenen Bantgruppen, welche Deutschland kurzfristige Kredite gewährt haben, als Grundlage für direkte Agrements von Banfgruppe zu Bantgruppe.
Die Verhandlungen, die bei der Bank für inter nationalen Zahlungsausgleich in Basel geführt wur. den, sind nach Gewaltigungen in den Tagen über Wochenende einem Erfolg entgegen gereift. Die Verhandlungen vollzogen sich im Schoß des sogenannten Wigginausschusses, den die deutsche Regierung bei ihrem Besuch in London vereinbart hatte. Der Bigginausschuß selbst setzt sich aus sachverständigen Vertretern der an dem deutschen Schuldenproblem interessierten Nationen zusammen. Es ist ein ganzer Komplex von Fragen, den der Ausschuß zu beraten hatte und die Beratungen konnten sich selbstverständlich nicht ohne weiteres reibungslos vollziehen, weil es nicht nur gait, erst ein mal in jedem Gläubigerland die Gläubiger unter einen Hut zu bringen, in einem Stillhaltekonsortium zusammenzufassen, sondern es war auch erforderlich, unter den einzelnen Ländern, den einzelnen Stillhaltekonsortien, eine Einigung zu erzielen. Im Vordergrund stand die Frage der Verlängerung der an Deutschland gewährten kurzfristigen Kredite. Diese Kredite dürften 5 bis 6 Mil liarden Mark ausmachen. Daß ein Abzug dieser Kredite die Katastrophe für Deutschland bedeutet, braucht wohl nicht betont zu werden. Daraus ergibt sich auch die Rechtfertigung, daß Deutschland mit der Auflockerung seines binnenländischen Zahlungsverkehrs nicht die Aufloderung des ausländischen Zahlungsverkehrs aufnahm. Nach langwierigen Verhandlungen ist Ende Juni hinsicht lich dieser kurzfristigen Kredite in Berlin schon eine Einigung erzielt morden. Sie sah u. a. vor, daß die Beteiligten für weitere se ch s Monate ihre Kredite nicht zurückforderten. An diesem Abkommen waren die Nordamerikaner und die Engländer beteiligt. Die Abmachungen wurden aber später um geworfen, und zwar verlangten die ausländischen Gruppen eine Berringerung der Still haltefrist auf 3 Monate. Weiter wurde die Forderung gestellt, daß die letzten Kreditgeber das gilt besonders für Warenkredite, sogenannte Rembourskredite neben der vermittelnden Bank garantieren. Von den Holländern wurde auch die Frage der 3ins erhöhung angeschnitten.
In Basel hat man sich jetzt abermals auf 6 Monate geeinigt. Andererseits wird den Ausländern eine gewiffe Umlagerung der Kredite, von einer deutschen Bank zur anderen, freigestellt. Dazu tritt die Garantieleistung durch den letzten Kreditnehmer.
Neben der Kreditverlängerung hat man sich mit den, besonders von Schweizer Banten' aufgeworfenen Forderungen beschäftigt, die fich auf die Abziehung von solchen Martguthaben erstrecken, die Ausländer in Deutschland unterhalten.
Einfuhrverbot für Stickstoff!
Ein neuer Streich der
Jm Reichsanzeiger" ift eine Verprdnung des stellvertretenden Reichswirtschaftsministers Dr. Trendelenburg veröffentlicht worden, die mit Wirkung vom 18. Auguft die Einfuhrgenehmigung für die wichtigsten Stidstoffprodukte vorschreibt. Es besteht also praktisch ab heute ein deutsches Stickstoffeinfuhrverbot.
Die neue Verordnung will offenbar dem Umstand Rechnung tragen, daß seit dem Scheitern des internationalen Stickstoffkartells der internationale Wettbewerb und Preisdruck sich sehr verschärft haben, und daß auch die kürzlich als Abwehrmaßnahme in Deutschland geschaffenen enormen Stickstoffzölle den ausländischen Preisdruck in Deutschland nicht verhindern fonnten. Die Anordnung der Einfuhrgenehmigung wird mit der Gefahr be gründet, daß die ausländische Konkurrenz deutsche Stickstoffanlagen zur Stillegung bringen fönnte.
Die neue Maßnahme stützt sich auf Kriegs- und Infla tionsgesetze von 1917 und 1924. Der Sinn der bisher vorgeschriebenen Einfuhrgenehmigungen war der, daß sie praftisch nicht in Anwendung gebracht wurden. Bei der Einfuhrgenehmigung für Stickstoff wird das Gegenteil der Fall sein. Dem Ansehen der deutschen Handelspolitik wird auf einem Gebiete, auf dem die deutsche Industrie wegen ihrer technischen Ueberlegenheit feinen Schuh in Anspruch nehmen dürfte, ein neuer schwerer Schlag versetzt. Der Inspirator der deutschen Stickstoffpolitik ist Herr Hein rich Schmitz von der IG.- Farben Industrie A.-G., der gegenwärtig die Reichsregierung berät. Durch seinen Einfluß wird die deutsche Handelspolitik von neuem in den Dienst spezieller JG.- Farben- Kartellinteressen gestellt. In normalen politischen Zeiten würde das jetzt verhängte praktische Stickstoffeinfuhrverbot zu den schärfsten Kämpfen im Reichstag führen. Es braucht nicht ausgeschlossen zu sein, daß die staatliche Handelspolitik auch privatmirtschaftliche Kartellinteressen berücksichtigt, dann nämlich, wenn Diele zugleich auch mirtlige volts mirtigaftlige In
nationalen Selbsthilfe".
teressen betreffen. Dafür fehlt aber bei der stark übersetzten deutschen Stickstoffindustrie der Beweis. Stillegungen, wenn sie sich aus normalen Konkurrenzfämpfen ergeben, können vorübergehend und dann nützlich sein, wenn die Konkurrenzfähigkeit später wiederhergestellt wird, nachdem unrentable Anlagen durch Rapital abschreibungen und Verringerung des Kapital dienst es wieder rentabel gemacht worden sind.
Diese Kapitalabschreibungen wären auch im Falle dieser ausländischen Stickstoffkonkurrenz das Näherliegende und Gebotene. Statt dessen erfolgt einfach eine Beschränkung oder völlige Fern haltung der Stickstoffeinfuhr. Die staatliche Handelspolitit wird also zur Verhinderung privatwirtschaftlich not wendiger und volkswirtschaftlich gebotener Kapitalabschreibungen mißbraucht.
Wir fragen die Reichsregierung, ob sie vor Erlaß ihrer Maßnahme sich von der Ueberkapazität der Welt- und der deutschen Stickstoffindustrie Rechenschaft gegeben hat, und ob sie die Forderung der Kapitalabschreibung vor Einsetzung der handelspolitischen Sparmaßnahmen stellen wird. Wenn das nicht der Fall ist, so bedeutet die Verordnung des Reichswirtschaftsministers die Einsetzung der Staatsmacht für privatwirtschaftliche Zwecke und reine private Sonderinteressen. Ein Att„ nationaler Selbsthilfe", wie er verurteilensmerler nicht gedacht werden kann. Die Folgen für die allgemeine Handelspolitik müssen unabsehbar sein; denn mit dem gleichen Recht tönnen alle Industriezweige in Deutschland aus privatwirtschaftlichen Gründen Einfuhrverbote für sich verlangen.
Neues Zeitungsverbot. Der Oberpräsident der Rheinproving hat den in Mülheim / Ruhr erscheinenden Mülheimer Generalanzeiger" megen Beröffentlichung des befannten Wahlinserats zum Bolts entscheid auf die Dauer von acht Tagen verboten.
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Abschluß der akuten Krise.
Nur negativer Staatssozialismus? Von Kurt Heinig .
Die Ministerialjuristen feiern nunmehr schon seit vier Wochen beinahe täglich neue Triumphe. Denn die Flut der von ihnen ausgearbeiteten Notverordnungen will noch immer fein Ende nehmen. So viel Notwendiges durch die Reichs regierung auch unverzüglich geschehen mußte, so wenig ist das einheitlich getan worden. Immer wieder fühlte man Störungen der klaren Linie. Sie kamen entweder von den schuldigen Großbankiers oder von politischen Phantasten. Die Auswirkungen reichen bis in die Kabinettssitzungen. Der freiwillige Arbeitsdienst, die angeblich mögliche und notwendige Beschränkung Deutschlands auf seine eigenen Hilfsquellen, die Absperrung der Grenzen mit hundert Mark Polizeistraße und die Ablehnung von Devisen für Nahrungsmitteleinfuhr sind gleicherweise Kindereien Erwachsener. Auf der anderen Seite ist die Art der Maßnahmen zur Verteilung der vom Reiche neu geschöpften Umlaufsmengen ebenso wie die Methode der Garantieerteilung und der überflüssig lärmende Zusammenbruch der Danatbant nichts anderes als außerordentlich raffinierte Geschäftspraxis von Leuten, die sich gern als harmlose Staatsfinder vorstellen.
Rechtzeitig muß erklärt werden, daß der jetzt vom Kabinett Brüning betriebene negative sogenannte Staatssozialis mus dringend der Entwicklung in die positive und fruchtbare Wirtschaftspolitik bedarf. Stellen wir nur einige der wichtigsten Punkte zusammen.
Wie ist es mit den Gehältern der jetzt vom Reiche gestüßten und mit Geldmitteln versehenen Danatbank und Dresdner Bank? Die fünf Geschäftsinhaber der Danatbant haben bisher neben ihrem festen Einkommen alljährlich 20 Proz. des Reingewinnes als Tantieme für sich in Anspruch genommen. Sie haben noch Ende 1930 mehrere Millionen Mark Tantieme bezogen. Der Aufsichtsrat der Danatbank erhielt für das Jahr 1930 240 000 Mark Tantieme. Dieser Betrag wurde nach der Generalversammlung, Ende April, also zehn Wochen vor dem Zusammenbruch, an die Herren ausgezahlt.
Bei den acht Direktoren der Dresdner Bank ist in den jüngst vergangenen Jahren die Tantieme so hoch gestiegen, daß man sie nicht mehr aus dem Statut der Gesellschaft ertennen tann. Neben den Gehältern werden die Tantiemen Der Direktoren der Dresdner Bank unter Handlungsunkosten verbucht. Der Aufsichtsrat der Dresdner Bank hat noch für 1930 für sich 162 000 Mark Tantieme in Anspruch genommen. Wir halten es für selbstverständlich, daß die leitenden Herren der Danatbank und der Dresdner Bank in Zukunft mit einfachen Ministerialgehältern zufrieden sein werden. Wenn die Herren nur nach Verdienst und nach dem Wunsch der breiten Massen bezahlt werden sollten was das beste wäre, fönnten sie ruhig der Arbeitslosenversicherung zu geführt werden. Bankdirektorengehälter in Höhe von 300 000 bis 800 000 Mark darf es nicht mehr geben.
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Das Reich hat auf dem Wege der Notverordnung und der einfachen administrativen Maßnahmen in den jüngst vergangenen Wochen in weitem Umfange mehrere hundert Millionen Mark privaten Unternehmungen zur Verfügung ge stellt bzw. in dieser Höhe Garantien übernommen. Die Notverordnungen reichen ebensowenig wie Verwaltungsmaßnahmen zur Aufhebung der Reichshaushaltsordnung aus. Sie. kann überhaupt nicht durch irgendwelche Maßnahmen irgendwie außer Kraft gesetzt werden. Deswegen ist schon jetzt mit der nötigen Klarheit zu sagen, daß die Rechnungsprüfung über die neuerdings verausgabten Reichsmittel und über die bewilligten Garantien rechtzeitig und gründlich vorgenommen werden muß, und daß im übrigen die Reichsregierung alle Borsorge zu treffen hat, damit diese Rechnungsprüfung mit ganzem Erfolg durchgeführt werden kann.
Das bedenklichste an den Hilfsmaßnahmen der Reichsregierung ist wohl, daß die neu geschöpften Geldmittel zum Teil in die Hände der gleichen Leute kommen, die den Zusammenbruch der jüngst vergangenen Wochen wesentlich durch ihre Unfähigkeit und wirtschaftliche Kurzsichtigkeit mit verursacht haben. Die Großbanken sind heute in der Industrie in weitem Umfange Aktienbesizer. Zugleich sind sie Gläubiger der ihnen zu einem Teile infolge jenes Attienbefizes gehörigen Betriebe. Sollen nun diese so vorbelasteten Finanzfapitäne jezt frei verfügen können, wohin unmittelbare oder mittelbare Reichsgelder als neuer Kredit fließen? Man darf nicht annehmen, daß ausgerechnet Bankiers ethische Athleten sind. Sie werden selbstverständlich das Kapital dorthin leiten, wo sie höchste Gefahr sehen. Nichts liegt näher, als daß sie die ihnen nahestehenden Unternehmungen und Konzerne stützen, während sie sich um andere, auch wenn sie gesünder sein sollten als die eigenen Kinder und eher berechtigt wären einen Betriebskredit zu behalten, nicht fümmern. Mit einem einfachen Bantenkommissar ist diese Schwierigkeit nicht zu beheben.
Man hat den Eindruck, als ob die Ministerialbürokratie des Deutschen Reiches in den jüngst vergangenen Wochen zu viel ruffischen Staats"-Sozialismus betrieben habe. Es fehlt nur noch, daß sie auf dem Wege der Notverordnung einen