Är. 389* 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Freitag, 24. August 4934
Wo sich Stadt und Land begegnen
Dort, wo sich bei der Ber- UnerStra-ßeinSteglitz nodi Kornfelder breiten, steht unmittelbar an der Grenze zwischen Feldern und Miet- kasernen eine alte W in d- mühle. Sie ist nicht aus Holz, sondern solide aus Badesteinen gebaut. Wer mit dem Omnibus porbeifähri und überrascht ist oon dem Anblick der Mühle, denkt, es wäre eine Ruine, die man aus Pietät stehen gelassen hätte. Tatsächlich ist die Mühle aber heute ebenso in Betrieb, wie sie es vor 60 Jahren war, als sie erbaut wurde. Nur wird sie mit Dampf getrieben. Für den Windantrieb steht sie nidit mehr frei genug, Häuser und Bäume nehmen dem Wind die Kraft. Die Bauern aus der Umgegend fahren bis an den Rand der Großstadt, um ihr Korn in der altgewohnten Mühle mahlen zu lassen, und so hat der Müller trotz der vielen Großbetriebe, die die kleinen Müller vielfach, arbeitslos gemacht haben, nodi vollauf zu tun.
Windmühle mit Dampfbetrieb an der Grenze von Steglitz
Funk und Ton. Heute Eröffnung der Funkaussiellung.— Zahlreiche Sonderschauen.
Die Große Deutsche 5uukau»sielluug und phouoschau Berlin 19 3 1. die heute vormittag er- öffnet wird, wurde gestern von Vertretern der m- und aus- lüudischen Tage», und Fachpresse besichtigt. Wiederum stehen die gesamten sechs Hallen rund um den Funk- türm mit 23 000 Quadratmeter Ausstellungssläche für diese, alljährlich in der Reichzhauptstadt stattfindende Veranstaltung zur Verfügung. Ein neuer, junger Industriezweig, die Tonsilm- industrie, ist erstmalig in größerem Umfange als Aussteller vertreten. Durch die Beteiligung oon mehr als 325 Ausstellern der Funk-, Phono- und Tonfilmindustrie wird die Veranstaltung zu Europas größter Fachausstellung der elektro-akustischen In- dustrien, ergänzt durch zahlreiche hochinteressante Sonderveranstaltungen, deren Bestimmung es ist, die technischen Zu- sammenhänge einem breiteren Publikum in leicht faßlicher Weise verständlich zu machen. Die Begrüßung der Gäste erfolgte durch den Direktor des Aus- stellungs-, Messe- und Fremdenverkehrsamtes der Stadt Verlin , Dr. Adolf Schick, der in seiner Ansprache auf den seit der letzten Funkausstellung vollendeten Ausbau des Berliner Funk- Zentrums hinwies. Dieser diene über seine ausstellungspolitische
Bedeutung hinaus der Ueberwindung von Zeit und Raum und da- mit der Vorwärts- und Höherentwicklung der Menschheit. Die weiteren Redner erschienen— ganz im Stile dieser Ausstellung— nicht persönlich, sondern im Tonlichtbild. Den Reden schloß sich die Vorführung einer Film schau im Tobis-Klangfilm-Theater, der Spitzenorganisationen der deutschen Filmindustrie, an, die während der ganzen Dauer der Ausstellung lausen wird. Sie bringt eine Revue der Wochenschauen des ver- gangcnen Jahres und eine Zusammenstellung der Ufa im Verein mit dem Institut für Kultursorschung unter der Bezeichnung: Tönender Kulturfilm. Als Hauptteil der Schau werden Ausschnitte aus noch nicht aufgeführten Filmen der Spielfilm- Produktion 1931/32 vorgeführt. Den Schluß dieser Filmschau bildet ein Rückblick auf alte, natürlich swmme Filme aus der Kinder- zeit des Films. Die heutige Eröffnungsfeier der Funkausstellung, für die eine außerordentlich große Zahl von Zusagen aus Kreisen der Diplomatie. Behörden, Wissenschaft. Wirtschaft und Presse eingegangen ist, findet bei ungünstigem Wetter in der zur Konzerthalle für Tausende umgewan-
dclten Reuen AutoHalle II statt. Diese Halle steht auch den Aus» stellungsbesuchern während der nachmittags und abends stattfindeu» den Sendedarbietungen der Funk stunde bei schlechter Witterung zur Verfügung. Damit ist eine allseitig begrüßte p r a t» tische Neuerung geschaffen. Vierzig Menschen ertrunken. Dampfer im Taifun untergegangen. London , 20. August. Der englische Zerstörer„S e p o y" meldet aus der Nähe von Hongkong , daß verschiedene Ausrüstungsgegensiände des englischen Dampfers»Swongsang" an Land gespült worden seien. Der Dampfer war seit dem 10. August nach einem T a i s u n im Chinesi- scheu Meer verschollen, wie weiter gemeldet wird, sind auf einer kleineu llnsel in der Fnining-Bucht 4 0 Leichen der Besatzung und der Passagiere des Dampfers an Land gespült worden. Die Suche nach einem Europäer und zwei Ehineseu, die möglicherweise noch am Leben sind, wird sortgesetzt. Aliwohnungen werden geieilt. Die nötigen Mittel jetzt vorhanden. Nach einer Mitteilung des Zentralwohnungsamtes sind für di« Unterteilung von großen Altwohnungen und von Einfamilienhäusern nunmehr die Mittel vorhanden. Der H ö ch st b e t r a g der in Form von„verlorenen Zuschüssen� gewährten Beihilfe beträgt für Berlin für jede durch die Teilung gewonnene Wohnung 800 M. Die Beihilfe darf jedoch SO v. H. der Umbaukosten nicht übersteigen: sie darf nach dem Erlaß des prcußi» schen Ministers für Volkswohlfahrt nur gewährt werden, wenn die durch die Teilung gewonnenen Wohnungen„in sich, also auch nach dem Treppenhaus hin, abgeschlossen und baupolizeilich genehmigt sind'. Die Beihilfeanträge sind unter Beifügung von Zeichnungen und prüfungsfähigen Kostenberechnungen dem Wohnungsamt, iu dessen Bezirk die zu teilende Wohnung liegt, vor Durchführung des Umbaues einzureichen. Die Zahlung der Bechilfe erfolgt erst nach baupolizeilicher Abnahme der gewonnenen Wohnungen, jedoch kann dem Eigentümer schon bei der Zusage einer Bechilfe eine be- leihungsfähige schriftliche Beihilfezusicherung erteilt werden. Für be- reits durchgeführte Teilungen wird eine Beihilfe nicht gewährt. Im brennenden Fahrstuhl eingeschlossen. Am Surfürstendamm 231 kam es gestern zu einem seltsamen Brand. Zwei Personen befanden sich in dem Fahrstuhl, der plötzlich in Brand geriet. Sie mußten ans der Lebensgefahr von der Feuerwehr befreit werden. Sittlichkeitsverbreche» an einem Vierzehujährigen. Das Potsdamer Schöffengericht verurteille heute nach mehr» stündiger Verhandlung, die unter Ausschluß der Qeffentlichkeit statt- fand, den 40jährigen Magistcatsangestcllten Lauritz Theisen aus Potsdam wegen Ssttlichkestsoerbrechen zu neun Monaten Gefäng- nts. Der Angeklagte, seinerzeit in der Iugendabteilung des Stahlhelm tätig, war vor drei Jahren zum Vormund über den vierzehnjährigen unehelichen Sohn seiner verstorbenen Schwester ernannt worden. Von 1927 bis 1930 hat sich der Angeklagte an seinem Mündel unsittlich vergangen. Wieder eine Schuljungenprügelei. Gestern kam es mn Wedding an der Ecke Böttger» Puttbuffer Straße wieder einmal zu einer Straßenschlacht zwischen Schulkindern. Die Jungen schlugen mit Knüppeln und Eisenstangen aufeinander ein. Als dann die Polizei kam, ergriffen beide Parteien die Flucht. Der Tumult, der durch die Prügelei her- vorgerufen wurde, hatte zahlreiche Neugierige herbeigelockt.
James Silvester schaut hinein, sagt„ach so" und ver- schwindet. Gerade als Fräulein Hinzelmann einen bedeutungsvollen Blick zu Frau Cafpari hinüberschicken will, öffnet James Sil-
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vester die Tür zum zweitenmal. '»at Fräulein Rosolf angerufen, meine Damen?" lein, bis jetzt noch nicht, Herr Silvester", beeilt sich Fräulein Hinzelmann zu erwidern. Sie ist vor Spannung und Diensteifer heiser. „So." James steht etwas hilflos da. Dann gibt er sich einm Ruck..Lommen Sie bitte gleich zum Diktat!" „Jawohl, Herr Siloester." Fräulein Hinzelmann nimmt ihren Stenogrammblock. In diesem Augenblick erscheint Bilma Rosolf. „Guten Tag", sagt sie sehr kühl und oon oben herab. Sie ist sich der neugierigen Blicke bewußt, die Fräulein Hinsel- mann und Frau Caspar! auf sie werfen, und sie ist über diese Dinge erhaben. James studiert inzwischen den Telephon- schrank. Bilma Rosolf genießt die Situation. Mit einem reizenden und damenhaften Lächeln wendet sie sich an James. „Pardon, Herr Silvester. Ich habe mich verspätet. Eine eilige Familienangelegenheit. Ich glaubte, eher fertig zu werden." James nickt wortlos und verläßt das Schreibmaschinen- zimmer.. „Bitte, Frau Caspari, wollen Sie mir die spzzisierte Aus- stellung der„Schlesischen" heraussuchen. Und Paul muß sofort das Pferdefleisch für King holen. Fräulein Hinzel- mann, wenn Sie nachher frei sind... Also kommen Sie, Paul!" Die alles wissende, sich um olles kümmernde und alles beherrschende Privatsekretärin rast in Tätigkeitsdrang- Ge- folgt von dem Laufburschen Paul, rauscht sie in ihr Zimmer. Halb wütend, halb bewundernd, blickt ihr Fräulein Hinzelmann nach. Sie schärft den Bleistift haardünn an der kleinen Maschine. Sie weiß allerdings genau, daß die Spitze josort abbricht. Dann manEert sie zum befohlenen Diktat,
James sitzt an dem schweren, geschnitzten Diplomaten- schreibtisch, der aus Urväter Hausrat stammt. Auf dem Teppich liegt King und hebt bei chrem Eintritt den Kopf. Fräulein Hinzelmann hat immer uneingeftandene Angst vor der riesigen, gefleckten Dogge mit den blutunterlaufenen Augen, trotzdem sie gern damit renommiert, der Hund hätte gerade sie in sein treues Herz geschlossen. Sie geht in vorsichtigem Bogen um das Tier herum. Ein ungeschickter Tritt, und die Dogge springt ihr an den Hals. Sie hat aber auch gehört, daß man einem Hund keine Furcht zeigen darf, und so be- mübt sie sich, tapfer zu blicken. Im Innersten ist sie über die Rücksichtslosigkeit des Chefs empört, der die bissige Dogge ständig um sich hat und von den kleinen Aengsten seiner An- gestellten nichts weiß. „Setzen Sie sich." James sieht nicht von dem Brief auf, der ihn kaum zu erbauen scheint. „Also schreiben Sie bitte.. „Störe ich...?" Bilma Rosolf hat unhörbar an die Tür geklopft. „King... King...!" ruft sie und sagt beiläufig mit flüchtiger Bewegung zu James hin:„Das Fleisch für den Hund ist da." „Bitte, kommen Sie in einer halben Stunde wieder, Fräulein Hinzelmann. Ich muß sowieso noch ein paar Telephongespräche erledigen." James ist immer dabei, wenn King seine tägliche Fleischration verschlingt. Auch jetzt blickt «r gespannt auf das Tier, das auf den Fliesen des Ganges. der zur Garderobe führt, seine Mahlzeit serviert erhält. Reben James steht Bilma . und neben Bilma steht der Laufbursche Paul, dem Kings Speisung außerordentliches Ver- gnügen bereitet. „Ich habe meine Zigaretten vergessen, gehen Sie mir eine Packung holen, Paul." Bilma lächelt, aber sie sieht James nicht an. James legt seinen Arm um Bilmas Schultern. Beide blicken stumm auf King, der soeben die Knochen zerknockt. „Komm zu mir herein! Ich muß dir erklären.. be- ginnt James suchend. „Wozu?" Es klingt müde.„Eine Geliebte kann man halt warten lassen. Das ist nun mal so." James horcht auf. Resignation ist bei Vilms neu, und dieser Ton wirkt drohender als ein ungehemmter Wut- ausbruch. Letzt hebt Vilm « den Kopf und sieht James gerode iu die Augen. Gar nicht vorwurfsvoll, aber sehr ernst.
James vermag den Blick nicht auszuhalten. Er fühlt sich schuldbewußt. Er fühlt sich Bilma gegenüber stets schuld- bewußt, so als ob er ihr etwas abzubitten hätte. Bei Fränze kommt ihm nie dieses Gefühl, obgleich Fränze mehr Anspruch darauf erheben könnte. King hät feine Mahlzeit beendet. Er reißt einmal weit seinen rosigen Rachen mit den scharfen Zähnen-auf und klappt ihn dann entschieden zu. Bilma setzt sich James gegenüber an den Schreibtisch. Sie legt einen Notizblock vor sich hin, denn es kann jeden Augenblick einer der Angestellten kommen, und der Unter- Haltung muß der Schein des Geschäftlichen gegeben werden. was zwar überflüssig ist, weil man in diesem Büro über die Beziehungen des Chefs zu seiner Sekretärin eingehend orientiert' ist. „Du bist mir böse, und du hast Grund dazu", beginnt James feine Verteidigung nicht glücklich.„Aber sieh mal, es handelte sich um eine wichtige, geschäftliche Unterredung mit Direktor Marx." Eingehend mit allen Details erzählt er der Freundin von seinen Plänen. Er weiß, hier wird er verstanden, hier redet er nicht wie bei Fränze ins Blaue hinein, hier kann er sogar einen Rat erhalten, denn Bilma kennt sich genau in geschäft- lichen Dingen aus. James gerät in Eifer. Einmal wird er vom Bürochef Ziege gestört, der den Chef devot um ein paar Minuten Gehör bittet. James fertigt ihn kurz ab. Er geht im Zimmer umher und bleibt schließlich vor Bilma stehen. „Und was meinst du?" „Ich bin überrascht..." Bilma bemerkt, daß James un- geduldig die Stirn in Falten zieht. Es scheint ihr ratsam, ihm aus vollem 5)crzen zuzustimmen.„Ausreden lassen". lacht sie fröhlich.„Ich bin überrascht, daß du sofort den rich- tigen Weg eingeschlagen hast." „Ja?" fragt James ungläubig und stolz.„Ja?" wieder- holt er noch einmal. „Du wirst so reich werden, daß du dich über das russische Dumping nicht länger zu ärgern brauchst", schwärmt Bilma . „und wir werden immer zusammen arbeiten. Ich bringe dir Glück, ich und King." „Wenn ich euch beide nicht hätte!" James vergräbt feine» Mund in Bilmas blondem Haar. Plötzlich fährt er auf.„Du wirst dann endlich annehmen, was iä) dir nur im kleinen bieten kann." Bilma entzieht sich feinen Händen.„Laß mich! Fühlst du denn nicht, wie mich das kränkt? Ich liebe dich! Ich will Vichts von dir..Gar uichis! Außer.,(Forts, folgt.)