Fran?ois Poncet ernannt. Frankreichs neuer Äotschaster ernannt. Paris , 20. Zlugusl.< Eigenbericht.) llalerflaatssekretär Fraaxoi s Poncet ifl hente vom Ali- nisterrat zum Botschafter in Berlin ernannt worden. * Fran<:oisPoncet, der kommende Nachfolger de Margertes zum französischen Botschafter in Berlin , ist ein guter Kenner Deutsch ' lands und beherrscht die deutsche Sprache fast ebenso vollkommen wie seine Muttersprache: er hat nach dem Besuch der Ecole Normale Supirieure. einer der Pariser Universität angeschlossenen Schule, die hauptsächlich der Ausbildung von Professoren dient, das Staats- examen in Deutsch bestanden. Poncet ist 1887 in Provinz(östlich von Paris ) geboren. Nach dem Besuch der Universität war er literarischer Mitarbeiter der Zeit- schrift„Opinion ". Eine Artikelserie veröffentlichte er später als Buch unter dem Titel„Was die deutsche Jugend denkt". Diese Artikel machten großes Aufsehen. Im Krieg erhielt er als Reserveoffizier das Kreuz der Ehrenlegion und das Militärkreuz. 1917 beauftragt« ihn die Regierung mit einer Mission in der Schweiz , wo er die Wirtschaftsblockade Deutschlands zu studieren hotte. Nach dem Kriege gründete er in Paris die Gesellschaft für wirtschaftliche Studien und Informationen, die bald ein wichtiges Jnformations- zentrum wurde. Nach zwei neuen Missionen in Amerika und in der Schweiz nahm er als wirtschaftlicher Mitarbeiter der französischen Delegation an der Konferenz von Genua teil. Während der Ruhr- besetzunng war er Pressechef der Besatzungstruppen, . nachher Chefredakteur des nationalistischen„Aoenir". Am 11. Mai 1924 wurde er zum Abgeordneten von Paris I gewählt, 1928 wurde er wiedergewählt. Er schloß sich der Gruppe der„Demokratischen und Sozialen Aktion" an, die man gewöhnlich nach einem ihrer Führer Fraktion M a g i n o t nennt. In der Kammer zeichnete er sich durch zwar nationalistisch angehauchte, aber maßvolle und gut dokumentierte Reden und als Berichterstatter des Luftschiffahrtsbudgets aus. Im November 1928 berief ihn Poincare als Unterstaotssekretär für schöne Künste in sein Kabinett. Diesen Posten behielt er auch in dem nachfolgenden Kabinett B r i a n d und in dem ersten Kabinett Tardieu. Im zweiten Kabinett Tardieu wurde er Unterstaats- fekretär für nationale Wirtschaft, welches Amt er auch im Kabinett Laval bekleidet. Während seiner Ministertätigkeit veröffentlichte er ein interessantes Buch,„Betrachtungen eines modernen Republikaners", in dem er auf die Notwendigkeit für Frank- reich hinwies, die politischen Probleme mit einem vonallenDor- urteilen und vorgefaßten Meinungen befreiten Geist« zu behandeln. In der internationalen Politik ist Fran�ois Poncet erst seit einem Jahre hervorgetreten, als er neben Briand Bölkerbundsdelegierter Frankreichs wurde. Er nahm auch an ollen Beratungen der Europa- Union teil und vertrat Frankreich auf den verschiedenen Getreide- konferenzen. Bei den außenpolitischen Interpellationsdebatten in der Kammer sah er sich mehrmals veranlaßt, die Politik B r i a n d s zu verteidigen. Schließlich nahm er an den Beratungen über die Durch- führung des Hoover-Plans und den internationalen Konferenzen in Paris und London über die deutsche Wirtschafts- und Finanzkris« teil. Verzicht auf Amt und Mandat. Paris , 20. August.(Eigenbericht.) Fran<:ois Poncet hat heut« abend dem Ministerpräsidenten seine Defttission als Unter st aatssekretär überreicht, die an- genommen wurde. Das Erkennungsdekret, das morgen erst ver» ö ff entlicht werden wird, erwähnt, daß die Ernennung von Franizois Poncet zum Botschafter in Berlin eine zeitlich befri st«te ist, denn nach der französischen Verfassung können Abgeordnete nur für die Dauer von sechs Monaten mit einer auswärtigen Mission betraut werden. Man glaubt jedoch, daß Poncet sich e n d» gültig der diplomatischen Laufbahn widmen wird und daher binnen kurzem sein Abgeordnetenmandat niederlegen wird.
Das briiische(Sparprogramm. Noch ohne iO prozentigen Zoll. London , 29. August.(Eigenbericht») Die Arbeiterregierung unterrichtet« die Fraktionen des Unter- Hauses über das nach langen Veratungen zustandegekommene Sparprogramm: zunächst die Vertreter der Liberalen, dann die Konservativen und schließlich den Vorstand der Arbeiterpartei und den Generalrat der Gewerkschaften. In dem Sparprogramm, über dessen Inhalt zuverlässig« Einzel- heiten immer noch nicht voliegen, ist der vielbesprochene z e h n p r o- z e n t i g e Z o l l aus die gesamte Einfuhr nach England nicht e n t- halten. Innerhalb der Regierung war«in« Einigung darüber, ob dieser Zoll in das Programm aufgenommen werden soll, nicht zu erzielen. Immerhin bedeutet dieser Zoll sowohl sür die Kon» servativen wie für die Gewerkschaften das kleinere Uebel, so- weit man dadurch um eine Erhöhung der direkten Steuern oder um«ine Lohnsenkung herumkommt. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß der Zoll während der Beratungen über das Sparprogramm in den Vordergrund tritt. Am Freitag- vormittag werden die Führer der Konservativen von der Regierung nochmals empfangen. Die Vorschläge enthalten, soweit bisher bekannt, folgende chaupt- punkte: 1. K e i n A b b a u der Vergünstigungen der Arbeitslosen- Versicherung, jedoch möglicherweise Erhöhung der Beiträge. 8. Vorschläge, um die Finanzen der Arbeitslosenversicherung aus eine gesunde Basis zu stellen, eventuell durch Einbeziehung weiterer Berufsklassen in die Pflichtversicherung. 3. Gehaltsabbau für Käbinettsminister, Richter, gewisse Beamtenklassen. Lehrer und Polizei. 4. Sondersteuer auf gewisse festverzinsliche Staats- und Jndustriepapiere._ Bulgarischer Parlamentsbeginn. Kommunistenvorspiel zur Thronrede. Sofia , 29. August. Das neugewählt« bulgarische Parlament ist durch König Boris eröffnet worden. Die 32 Kommunisten brachten Rufe gegen die faschistisch« Regierung und für Sowjetrußland aus. Dann zogen si« ab, worauf die Thronrede verlesen wurde. Sie betont die schlechte Finanzlage, die Notwendigkeit energischer Unterstützung der Land- Wirtschaft, des Gleichgewichts des Haushalts und der Sparsamkeit. Man plane zum Ausgleichder Klassengegensätze soziale Reformen, Aufrechtechaltung von Ruhe und Ordnung, Pflege guter Beziehungen zu den Nachbarn und Freundschaft mit den Groß- möchten.
Hugenberg spart ein.
Huqenberq
«-Den Hering können wir wirklich einsparen."
„Der steuerliche Ausfall, den Länder und Semeinden durch eine Reform der Hauszinssteuer erleiden, würde durch die Senkung der Beträge, die heute sür die ilnierstühung der Arbeiislosen aufgebracht werden, mehr als ausgeglichen werden." tD-utschnatio-al- Pw-ssest-ll«.,
Hoover und Baseler Bericht. Er laßt sich reichlich viel Zeit.
Washington , 29. August. Im Staatsdepartement neigt man gegenüber den Emp- fehlungen des Wiggin-Ansfchufses zu der Ansicht, daß der gesamte Fragenkomplex einer sorgfältigen Prüfung von taktisch- politischen Gesichtspunkten aus bedüif« und man gegenwärtig nicht in der Lage sei, irgendeinen formellen Schritt anzukündigen. Man glaubt, daß es sich empfehle, dem am 29. Juni proklainierten Hoover-Plan, der ja sowohl die Kriegsschulden wie die Reparationen umfaßte und erstmalig in der Geschichte der amerikanischen Nach- kriegspolitik die beiden Konten in Verbindung miteinander brachte, Zeit zur ruhigen Auswirkung zu geben. Hierzu kommt, daß Staatssekretär Stimson , der sich über die europäische Log« aus erster Hand informiert«, nicht vor dem.Labovday", also nicht vor dem 8. September zurückerwartet wird, und kein« defini- tiven Pläne gefaßt werden dürften, bis er im Weihen Haus einen mündlichen Bericht erstattet hat. Aus diesen Gründen werden europäische Mrtdungen über«ine neue internationale Konferenz hier al» verfrüht bezeichnet. Insbesondere erklärt man im Staatsdepartement, daß ein angeblicher Plan, die Kriegsschulden durch Herabsetzung des Zinsfußes zu ver- ringern, hier nie erwogen worden sei. Zu der angeblichen Meldung der Londoner Zeitung„Daily Herald", daß Präsident Hoover bereits einen neuen Plan für die Lösung der internationalen Finanzprobleme ausgearbeitet habe, wurde erklärt, daß der„Daily Herald" nicht„das Sprachrohr der amerikanischen Regie- rung" sei. Vor ah sagt: Keine Schuldenstreichung ohne � Abrüstung. Voise(Idaho ), 29. August. Senator Bor ah führt« zum Schulden- und Abrüstungspro- blem über die Voraussetzungen aus, unter denen er einer Streichung der Kriegsschulden zustimmen werde: Solange die Friedensverträge nicht revidiert seien, werde Europa sich weiter bis
, an die Zähne bewaffnen. Solange aber die Rüstungen fort- dauerten, sei eine Erholung der Wirtschaft nicht möglich. Sobald Europa bereit sei, seinen Völkern diese Fessel abzustreifen und ihnen die Möglichkeit zur Erholung zu geben, werde es sich lohnen, die Neuregelung der Schuldensrage als Teil eines Programms in Er- wägung zu ziehen. Man habe sieben Milliarden Dollar europäischer Schulden gestrichen aus die Versicherung der Bankiers und Finanzv sachverständigen hin, daß Europas Erholung sofort einsetzen werde. Seitdem habe sich die Lage verschlimmert und wenn man weitere sieben Milliarden streichen, so werde dies Europa nicht retten, falls nicht die anderen Voraussetzungen erfüllt seien. Wenn das nächste Jahr lediglich an Erörterungen von Moratorien und Schulden vergeudet werden solle, würde man damit nur seine U n- f ä h i g k c i t angesichts der drohenden Katastrophe zeigen. Man wisse genau, wo die w a h? e Ursache für die jetzigen Schwierigkeiten liege, ebenso wissen dieses der Sachoerständigen-Ausschuß. Es sei daher Zeitverschwendung,«unter den gegenwärtigen europäischen Verhältnissen den Vorschlag einer Schuldenstreichtlng zu machen. Amerika vor den Wahlen. ..... Washington , 29. August. Im Staatsdepartement wunde die Baseler Resolution des ü Bonkierausschusscs mit großem Interesse studiert. Da der Bolltext nicht vorlag, lehnte man eine amtliche Aeußerung ab. Dagegen wurde in Kreisen der Republikaner der Vermutung Ausdruck gegeben, daß die Empfehlungen dieses Ausschusses hier sehr ernsthaft beachtet usd nicht mehr wie in früheren Jahren als ganz undiskutabel abgelehnt werden dürften. Allerdings sei die hiesige innerpolitische Lage wegen der wirtschaftlichen Depression und besonders wegen der kommenden Wahlkampagne so delikat, daß die Regierung es kaum wagen könne, sich vor den Wahlen im nächsten November noch weiter zu exponieren, wie sie es durch den Hoooer-Plan bereits getan habe. Insbesondere besteh« die Be- fürchtung, daß, wie von demokratischer Seite bereits gestern angekündigt wurde, die Opposition gegen eine zu enge Berknüpfung mit europäischen Finanzsragen künftig von der demokratischen Partei anstatt von konservativer repub�jkanischer Seite kommen werde, da die Demokraten es vermeiden wollen, daß die Republikaner Hoooers Mitarbeit an der W«ltsanierung als Verdienst der republi- kanischen Partei ausschlachteten.
Schlichtung ober Konflikt? Die Verhandlungen im I�eichsarbeitsministerium.
Heute vormittag wird im Reichsarbeitsministerium nochmals| über den Konflikt verhandelt werden, der dadurch entstanden ist, daß die Notverordnung den Gemeinden eine Herabsetzung der Löhne ihrer Arbeiter um 2S bis 39 Prozent vorschreibt. Es kann wohl heute als sicher angenommen werden, daß die Bestimmungen der Notverordnung, die diesen Konflikt hervorrufen, anders lauten würden, wenn man sich von vornherein über ihre Tragweite klar geworden wäre. Wenn dem aber so ist, dann muß auch der Weg gefunden werden, um diesen nutzlosen, aber gefährlichen Konflikt aus der Welt zu schaffen. Die Regierung ist sich darüber klar, daß diese Bestimmungen der Notverordnung„unsinnig" sind. Sie darf also nicht ver- langen und zulassen, daß dieser Unsinn unabsehbares Unheil hervor- ruft. Di« Oejsentlichkest erwartet, daß die Reichsregierung im Be- wuhtsein ihrer Verantwortung den Gemeinden und den Gemeinde- arbeitern eine Verständigung auf einer für alle erträglichen Basis ermöglicht. Wenn man z. B. weiß, daß durch die Lohnregelung der Reichsarbeiter, die im unmittelbaren Reichsdienst beschäftigten Ar- beiter in M a r b a ch a. N. dieselben Löhne beziehen wie in Frankfurt a. M., so liegt es auf der Hand, daß eins derartige .Lohnregelung" unmöglich als Muster dienen kann. In den Kreisen der Gemeindearbeiter ist man jedoch nach wie vor äußerst pessimistisch. Infolge der bisherigen Haltung der Reichs- regierung glaubt man nicht mehr an die Möglichkeit einer gütlichen Einigung. Innerhalb der Reichstarifkommission der Gemeinde- arbeiter sind deshalb alle Eventualitäten erwogen, und die Maß- nahmen ins Auge gefaßt worden, die sich aus der Durchführung der unsinnigen Bestimmungen der Notoerordnung ergeben würden. Wir wolle» annehmen, daft der Reichsarbestsminister die Par-
j teien nicht nochmals zu Verhandlungen geladen hat, um ihnen mit- zuteilen, daß die Reichsregierung keinen Ausweg aus dem Konflikt zu finden weiß. Die Gemeinden und Gemeindeverbände haben den Konflikt nicht gewollt. Die Gemeindearbeiter verkennen nicht die schwierige Situation, in die die Gemeinden dadurch ge- kommen sind, daß das Reich die Lasten der Arbeitslosigkeit zum wesentlichen Teil auf die Gemeinden abgewälzt hat. Es würde die Verkehrung des S ch l i ch t u n g s g e d a n k e n s in sein Gegenteil sein, wenn der Reichsarbeitsminister die Bereit« Willigkeit der Parteien, sich auf einer mittleren Linie zusammen- zufinden, verhindern wollte. Krankreich stürzie Bethlen. Die Bedingungen der Anleihe. Budapest , 29. August.(Eigenbericht.) Zu dem Eingreisen Frankreichs , das den Sturz der Regierung Bethlen herbeigeführt hat, stellt das Blatt der kleinen Landwirte, deren Fraktion bisher an der Regierung beteiligt war, fest, daß der Vertrag über die sranzosssche Anleihe geheime Klauseln enthält. Danach werde die ungarische Regierung gezwungen, der Tschechoslowakei handelspolitische Konzessionen zu gewähren und die Verwaltung der ungarischen Eisenbahn einer fran- zöslschen Finanzgrupp« zu übergeben. Der Schwerpunkt der Kabinettsbildung liegl in der Wahl des neuen Finanzministers. Graf K a r o l y i erklärte Journalisten, daß er die Regierung auf der Basis des zurückgetretenen Kabinetts bilden werde. Dos bedeute jedoch nicht, daß er Personen, die weder der Einheitspartei, noch der Christllchsozialen Wtrtschasts- Partei angehörten, n i.cht in die Verhandlungen einbeziehe» werde.