Neuer Zivilprozeß. Entwurf des Zieichsjustijminifieriums. Der Entwurf einer neuen Zivilprozeßordnung ist soeben v e r- ö f f e n t l i ch t worden. Wie wir dem umfangreichen Werk ent- nehmen, trägt der Entwurf neueren Bestrebungen der juristischen Fachwelt in verschiedener j)insicht Rechnung, so z. B., indem er die Passivität des Zivilrichters ausheben und ihn zur Mitarbeit mit den Prozeßpartcicn, nicht zu ihrer Bevormundung, bringen will. � Der Anfang zu dieser Reform ist bereits durch die Novelle von 1324 gemacht worden. Das Gutcverfahren soll nicht mehr nur ein Vorverfahren, sondern ein Teil deschauptverfahrens sein, etwa noch dem Vorbild des arbeitsgerichtlichen Verfahrens fein. Der Entwurf will auch Wiederholungen durch Borbringen der gleichen Gründe in der Berufungsinstanz ausschalten. Die Berufung soll, sofern sie nicht neue Tatsa6)en beizubringen vermag, sofort an- geben, aus welchen Gründen das Urteil angefochten wird. Auf diese Weise will man rein sormalc Berufungsbegründungen beseitigen. Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vor dem Kollegialgericht wird erweitert, die mündliche Zeugenvernehmung soll die Regel werden, auch vor dem Einzelrichter. Diese? ober soll Vorbringungen nicht annehmen, deren richtige Würdigung die An- Wesenheit der Zeugen und ihre mündliche Vernehmung erfordert. Man hofft, die hierdurch anfänglich entstehende Mehrarbeit der Ge- richte durch bessere Ermittlung der Wahrheit und dadurch erzielte Ersparung wiederholter Vernehmungen aufgewogen zu sehen. Durch weitere Vorschriften, daß das B e w e i s m a t e r i a l vorher schriftlich bezeichnet werden muß, sollen viele Vertagungen vermieden werden. Entsprechend dem oft geäußerten Verlangen der Juristen und auch des Reichstages wird der Zwang des Richters zur V e r- eidigung der Zeugen stark gemildert. Das Eherechtsverfahren erfährt verschiedene Aenderun- gen nach dem Gutachten des Salzburger Iuristentages, jedoch werden verschiedene Fragen der weiteren Diskussion überlassen. Miß- brauchen von Schiedsgerichten gegen den wirtschaftlich Schwächeren, ebenso Beschränkungen zum Nachteil einer Partei, so durch nicht- paritätische Besetzung des Schiedsgerichts werden beseitigt, ebenso die Ausschließung der Anwaltschaft aus Miet- und Wohnstreitig- leiten. Da sich neun Zehntel aller Zivilprozesse vor dein A in t s- g e r i ch t abspielen, wird aus die volkstümliche Durch- b i l d u n g dieses Verfahrens besonderer Wert gelegt. Die meisten grundsätzlichen Aenderungen bringen die Vor- schriften über die Zwangsvollstreckung. Dieses Verfahren hat sich als ganz unzureichend erwiesen. Di« Rückkehr zum freigewähltcn Gerichtsvollzieher kommt nicht in Frage, die durchaus zutreffenden Gründe dagegen hat das Preußische Justizministerium schon 1339 zusammengefaßt. Der Entwurf will nicht mehr alles im Zwangs- vollstreckungsverfahren dem Gläubiger überlassen; er braucht daher auch den Schuldner nicht so viel« Rechtsgarantien zu geben, daß dadurch die ganze Zwangsvollstreckung fruchtlos gemocht werden kann. Die Vollstreckungsbehörden sollen vereinheitlicht, Schiebungen durch Gehaltsabltrctung und dergleichen mehr direkt faßbar gemacht und dadurch oerhindert werden. Dem gutwilligen Schuldner aber soll durch gerichtliche Förderung von Ausgleichs- verfahren geholfen werden.
polnischer Vorschlag in Moskau . Kohle Geste der Kreml -Oiplomotie. So sehr die polnische Oesfentlichkeit auch parteimäßig zerklüftet Ist— gemeinsam ist ihr doch die Sorge um die staatliche Zukunft Polens . Die Einbeziehung und Unterdrückung starker nichtpolnifcher Volksteile und Gebiet« muß ja diese Unruhe steigern. zumal der größte Teil dieser Fremdvölker im Osten Polens lebt und jenseits der Sowjetgrenze das gleiche Volk als eigene Sowiet- republik im Besitz seiner ungestörten Nationalkultur wähnt. Von jeher hat Polen den stärksten Feind seiner Selbständigkeit in Ruß- land gesehen. Das bolschewistische Regime hat nach besseren An- sängen auf diesem Gebiete seit vielen Jahren nichts getan, um eine grundsätzlich« Verschiedenheit gegen den zarischcn Imperialismus er- kennbar zu machen. Trotz aller Konferenzen und Schiedsverträge rechnen sehr viele, nicht nur in Polen , mit der Möglichkeit«ines neuen, noch fürchterlicheren Krieges. Für«inen solchen Fall aber besteht in Polen eine tiefe Angst davor, zerrieben zu werden. Die Hoffnung auf französische H i l s e. der ja 1923 die Rettung Polens vor dem russischen Gegenangriff nach der Ost'ensive Pilsudslis mit zu ver- danken war, ist stark erschüttert worden, besonders auch durch die Pariser Verhandlungen über einen französisch-russischen Nichtangrifssvertrag. Auch die Weltwirtschaftskrise mag die Augen noch mehr als sonst nach Osten gerichtet haben. Die polnische Regie- rung hat einen Nichtangriffspakt in Moskau vorgeschlagen. Die Einzelheiten dieses Vorschlages sind noch nicht bekannt. 1326 hatte Polen «inen ähnlichen Vorschlag gemacht, darin aber die Ein- bcziehung Rumäniens gefordert. Da Ruhland die Annexion Bessarabiens durch Rumänien wohl niemals an- erkennen wird, scheiterte der damalige Vorschlag schon an diesem Umstand. In Moskau fühlt man sich auch jetzt, gerade durch die Wiederanknüpfung diplomatischer Verhandlungen mit Frankreich , ziemlich stark, und man erklärt recht obenhin, daß über den polni- schen Vorschlag noch nicht verhandelt werde, und daß ihm vorläufig kein« größere Bedeutung zukomme. Der polnische Gesandt« in Moskau , P a t e k, ist zur Zeit in Warschau . Außenminister Litwinoff wird am heutigen Mitt- woch den deutschen Botschafter über das polnische Angebot unter- richten, das soll auch gegenüber der Türkei geschehen, mit der Rußland in ähnlichem Vertragsvcrhältnis steht wie mit Deutschland — aber auch Polen unterhält zur Türkei freundschaftliche Be- Ziehungen. Eine amtliche Pariser Erklärung scheint allerdings die Moskauer Diplomaten etwas weniger abweisend machen zu sollen. Da wird nämlich betont, daß im Oktober 13Z3 Rußland seinem westlichen Nachbar(den es immer als Vortrupp der„Anti- sowjetfrant" bezeichnete) einen Dau«rsri«denspakt vorgeschlagen und erst daraufhin Frankreich sich zu ebensolchen, van Rußland erbeienen Verhandlungen bereit erklärt hat, wobei es feine Ver- pflichtungen gegenüber dem Völkerbund sozusagen als Grenz- marke aufgerichtet hat._ Bon Schildwache erschossen. D«r Obermechanrker auf dem im Leningrader Hafen liegenden Dampfer �Ktngswood� wurde von einer Schildwach? vor dem Leningrader Militärmagazin erschossen. Nach amtlicher Sawjetmcldung war er in das Gebiet des Lenin - grader Militärmagazins eingedrungen, auf Anruf und Schreckschuß des Postens reagierte er nicht, sondern versuchte den Lauf des Ge- wehres zu packen. Es gelang dem Pasten nicht, sich des Eindring- lings anders zu erwehren, als durch cinen Schuß, der auf der Stelle den Tod Stevenson» herbetjührt�
Das Haberfeldtreiben von Tunienhaufen.
Held: Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am- M a i n!
Wirtschastskrise und Defizit. Ltrsachen und Hintergründe der britischen Regierungskrise.
Die englische Kabinettskrise wurzelt in finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die selbstverständlich die sozialen Spannungen vergrößern mußten. In den Frühjahrsmonaten 1931 erfuhr die englische Arbeits- l o s i g k e i t einen vorübergehenden Stillstand. Aber schon bald darauf trat eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsmarktlage ein. Das erklärt sich durch den rückläufigen Export nach den überseeischen Gebieten, wo sich die gefallenen Rohstofspreis« aus- wirken, aber auch durch die Zuspitzung der Krise in Europa , be- sonders in Deutschland . Der englische Export ging im ersten Halb- fahr 1931 gegenüber dem schon tiefen Stand des ersten Halb- jahres 1933 um mehr als 2 Milliarden Mark zurück. Die Zahl der Arbeitslosen stieg bis auf 2.7 Millionen an. Sie liegt gegenwärtig um 700 000 höher als im Vorjahr. Etwa 23 Proz. aller versicherten Arbeitnehmer find zar Zeil arbeitslos. Der Produktion�-. und Ausstihrrückgang und die wachsende Arbeitüosigkeit mußten naturgemäß auch die sorgfältigsten Budgetansätze über den Haufen werfen. Die Deckung des durch Steuerausfälle und zimshmende Zu schüsse für die Arbeitslosenversicherung entstandenen Defizits wurde um so dringlicher, als auch die englische Bankwelt mit in den Strudel der internationalen Sreditkrise hineingezogen wurde. Die englischen Banken arbeiten noch in weit höherem Um- fange als die deutschen mit kurzfristigen ausländischen, ins- besondere französischen Krediten. Di« gesamten kurzfristigen Auslandskredite der englischen Banken werden auf 11,2 Milliarden Mark beziffert. Die Bankkrise in Deutschland und anderen mittel- europäischen Ländern, erhebliche Einbuhen bei den Zinseingängen aus den überseeischen Kapitalanlagen, ferner eine gewisie Kapital- fluchtbcwegung, die sich in England mit ihrem hohen inländischen Steuerdruck auch neuerdings geltend macht, und Kreditabzie- Hungen hatten die Lage der englischen Notenbank so verschärft, daß Anfang August bereits ein Rediskontkredit von einer Milliarde Mark bei der amerikanischen und französischen Notenbank in An- spruch genommen werden mußte. Aber auch mit diesem Kredit konnte ein Fortgang der Abflüsse nicht verhindert und eine volle Stabilität des Pfandkurses nicht erreicht werden. In dieser gefahrvollen Wirtschafts- und Finanzsituation ist naturgemäß durch die Bankwelt und die englischen Unternehmer auf die Regierung der stärkste Druck ausgeübt worden, sofort ein- schneidende Sanierungsmaßnahmen zu treffen. Man kann sich in der Tat der Meinung nicht verschließen, daß angesichts der ungünstigen Wirtschaftslage Englands schleunige Not- mahnahmen erforderlich waren. Um die Art und die soziale Verteilung"dieser Sanicrungsmaßnahmen ist der Konflikt ausgebrochen. Das englische Elatdefizit, das nach den Schätzungen der zur Prüfung eingesetzten May-Kom- püssion aus fast 2'A Milliarden Mark beziffert wurde, ist in erster Linie auf den Fehlbetrag des Arbeitslosenfonds zu- rückzuführen. Die englische Arbeitslosenversicherung unterscheidet sich grundlegend in ihrer Konstruktion und in ihrer Beitragsaufbringung und Leistung von der deutschen . Die normalen Beiträge betragen etwa 1,93 Mark pro Woche für den erwachsenen Arbeiter und verteilen sich zu etwa je 14 auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat. Dieser geringe, seit 1924 unverändert gebliebene Beitragssatz von nur etwa 3)4 Proz. des Lohnes(einschließlich des Staatszuschusses) reichte naturgemäß für die Unterstützungen des Millionenheeres der Arbeitslosen bei weitem nicht aus. Insgesamt mußten daher Dar- lehen für den Arbeitsloscnsonds in Höhe von mehr als 2)4 Milliarden Mark bewilligt werden. Gegenwärtig rechnet man, daß das Schatzamt allwöchentlich etwa 23 Millionen außerordentliche Zuschüsse gewähren muß. Wie die Beitragssätze so sind auch die U n t e r st ü tz u n g s- s ä tz e der englischen Arbeitslosenversicherung als feste, von der Lohn- höhe unabhängige Beträge festgesetzt. Sie betragen für den ledigen Arbeiter 17 Mark pro Woche, für einen Arbeiter mit Frau und zwei Kindern 33 Mark pro Woche. Die Unterstützungsdauer ist zur Zeit unbegrenzt, so daß, im Gegensatz zu den deutschen Verhältnissen, nur ein sehr geringer Teil der Arbeitslosen der kommunalen Wohlfahrts- Unterstützung zur Lost fällt. Die von der Regierung eingesetzte Arbcitsloscntommission hatte eine relativ geringe Erhöhung der Beitragssätze� dagegen aber eine empfindliche« etwa 13prozen-
tige Kürzung der Unterstützungssätze vorgeschlagen, wogegen die Gewerkschaften scharf protestierten.■ Der May-Ausschuß sah serner mehrere andere Verschlechterungen in der Arbeitslosenunter- stützung vor. Auch sie wurden von den englischen Gewerkschaften abgelehnt. Die gewerkschaftlichen Organisationen machten aber zugleich Gegenvorschläge zur Deckung des Defizits. Sie empfehlen u. a. die Einführung einer Sapitolerlrogstener und Sonderzuschiögc zur Einkommensteuer. Auch der Einführung eines generellen Finanzzolles. steht man innerhalb der englischen Gewerkschaften heute weniger ablehnend als früher gegenüber. Nicht zuletzt ist die ablehnende Haltung der englischen Gewerkschaften von der von dem englischen Unternehmertum geplanten Lohnabbauaffensive bestimmt worden. Eh,, schden sich�also ausfällige.Parallelen zwischen Deutschland und England, in den Krisenauswirkungen auf die Staaisfinanzen, die Sozialpolitik, die sozialen Kämpfe und ähnlich« Leiden, die die kapitalistische Weltkrise heraufbeschworen Hot. In Deutschland ist die organisierte Arbeiterschaft in ihrem Ab- wehrkampf gegen die sozialen Verschlechterungen nicht nur dem brutalen Klassenkampf der Unternehmer ausgesetzt. Sie ist zugleich von der Gefahr des Faschismus beeinträchtigt. Da diese Gefahren und Beeinträchtigungen der Arbeiterschaft in England nicht gegeben sind, das englische Volk und alle Parteien aus dem Boden der Demokratie stehen und auch die politischen und sozialen Kämpfe nicht mit blindem Haß und Pcrnichtungswillen geführt werden, bleibt die englische Arbeiterschaft trotz d«r Krisennot in ihren Entschlüssen freie rundbeweglichcr als es zur Zeit bei der deutschen Arbeiterschaft der Fall ist.
Oer Waffentranspori nach China . Eine deutsche Regierungserklärung. Zu dem Kantoner Beschluß auf Boykottierung deut» scher Waren und dem Wassentransport der Hamburger Reederei R i ck m e r s, der di« Veranlassung dazu gegeben hat, äußert sich das Auswärtige Amt dahin, daß die Reichsregierung derartigen Unternehmungen deutscher Firmen keinerlei Schutz zuteil werden lassen kann. Allerdings besteht keine gesetzliche Möglichkeit, gegen die Durchfuhr im Ausland hergestellten Kriegsmaterials durch Deutschland und seine Wcitersendung ins Ausland vorzugehen. Ein Gesetz gegen solche Wafsenlieferungcn nach China wurde 1928 vom Reichstag beschlossen, war aber befristet, ist am 1. Mai 1929 abge- laufen und nicht erneuert worden. Die Lerhällnisse in China schienen um diese Zeit vollkommen konsolidiert zu sein, ganz China stand anscheinend unter der Schanghai -Regierung, und auch ander« europäische Regierungen haben die Ausfuhrverbote von Waffen nach China nicht aufrechterhalten. Das Auswärtige Amt erklärt als einzige Möglichkeit, den deutschen Handel vor derartig nach- seiligen Folgen zu. bewahren, daß die deutschen Firmen und Recdereien sich untereinander verpflichien, der- artigen Waffenhandel unier allen Ilmständen zu unterlassen. Aber weder die deutsche Regierung noch andere deutsche Firmen als die betreftende Reederei können für derartig schädliche Untornchmun- gen verantwortlich gemacht werden. Wie die Äeschlagnahme erfolgt ist. Hamburg , 2S. August. Die Rickmers-Linie erklärt, der Dampfer sei nicht beschlagnahmt worden, es sei auch durchaus noch nicht geklärt, ob die Nanking- Regierung die Waffenladung endgültig beschlagnahmt Hobe. Die Waffen, bei denen es sich um Transitgut handele, sollten laut Auf- trag in Hongkong gelöscht werden. Davon habe die Nanking- Regierung, die ja die von Deutschland amtlich anerkannte Zentral- regierung sei, Kenntnis erhalten. Sie habe daraufhin der Rickmers- Linie angedroht, daß sie annehmen müsse, die Reederei kon- spiriere mit den Kantonrebellen, wenn die Waffen- ladung nicht sofort an die Nanking-Regierung abgeliefert und in Schanghai gelöscht würde. Dies habe die Reederei sofort dem Auswärtigen Amt in Berlin unterbreitet und dieses habe erklärt, daß nichts anderes übrig bleibe, als der Anordnung der Nanking- Regierung Folge zu leisten und die Waffen in Schanghai auszuliefern. So fei es dazu gekommen.