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3o MBnm9tö8ter:S)eirehrliche&inde

Zock hat zehntausend Mark verloren. Von vormittags bis abends. Irgendwo auf der Straße. Mit seiner Brieftasche. Das Geld ist weg. Zock zittert zagend heim. Was hast Du denn?", fragt die Frau. Zock erzählt sein Leid. Was? Zehntausend hast Du verloren??? Das hätte mir passieren sollen! Was hättest Du mir da nicht alles erzählt! Wie kann man überhaupt etwas verlieren? Ich habe nie etwas ver- loren." Doch. Deinen Schirm." Für vier Mark vierzig! Das ist schon was. Uebrigens habe ich ihn wiederbekommen." Vielleicht bekomme ich mein Geld auch wieder." So siehst Du aus. Schön dumm wären die Leute, wenn sie es brächten. Wenn ich zehntausend Mark fände, dächte ich nicht daran." Das wäre Diebstahl." Zehntausend Mark ist kein Diebstahl mehr. Eine Wurst mausen, ist Diebstahl. Oder einen Schirm behalten. Aber soviel Geld finden?" Ich werde eine anständige Belohnung aussetzen. Tausend Mark dem ehrlichen Finder! Für tausend Mark bleibt mancher gern ehrlich." Und Zock zog zur Zeitung, um das Inserat aufzugeben. Schon am nächsten Abend klingelte das Telephon. Ist dort bei Herrn Zock?" Ja, Sie wünschen?" Ich habe das Geld gefunden." Das Geld? Sic? Mensch, edler Retter, ehrlicher Finder! Wann kommen Sie?" Wenn Sie wünschen, kann ich in einer halben Stunde bei Ihnen sein." Kommen Sie. Ich erwarte Sie. Wir machen ein schönes Abendbrot. Bringen Sie auch ihre liebe Frau mit." Sehr gern aber ich" kam es verlegen aus dem Tele. phon. Was denn?" Ich bin ein einfacher Arbeiter. Und meine Frau ist krank." Ach, das ist aber schade. Na dann kommen Sie aber trotzdem." In zwanzig Minuten bin ich bei Ihnen." Was sagst Du nun?", trat Zock strahlend zu seiner Frau. Gatt, das ist eigentlich selbstverständlich, daß man fremdes Geld nicht behält. Das gehört sich doch, daß man es abgibt." Wer weiß, wenn ich ihm nicht die hohe Belohnung versprochen hätte."

Du willst ihm wirklich die tausend Mark geben?" trat die Frau entsetzt zurück,ich denke, es ist ein einfacher Arbeiter, zu was braucht er dann tausend Mark?" Ich habe es versprochen." Unsinn. Das geschah in der ersten Ausregung. Das gilt nicht. Das ist ein leeres Versprechen. Das dürfen wir gar nicht tun. Schon dem Arbeiter zuliebe nicht. Er wird bloß liederlich mit so viel Geld. Er betrinkt sich und statt zu arbeiten, feiert er Orgien. Noch dazu, wo seine Frau jetzt krank ist. Es ist einfach unsere Pflicht, das Geld nicht zu geben." Du hast recht, ich werde ihm nur fünfhundert anbieten." Das ist auch noch zuviel. Wenn er sich betrinkt und dann von einem Auto überfahren wird, bist du sein Mörder." Vielleicht dreihundert?" Dreihundert Mark für einen Arbeiter? Soviel verdient der Mann doch sonst auch nicht. Wenn er jeden Tag dreihundert Mark bekommt, sind das im Monat neuntausend Mark. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder Arbeiter in Deutschland monatlich neun- tausend Mark verdient?" Das geht nicht. Das wäre Verrat an der Wirtschaft. Geben wir ihm hundert Mark." Du mußt Dein Geld leicht verdienen, wenn Du jedem Menschen hundert Mark nur so hinwirfst. Ich dächte, fünfzig Mark wären auch genug." Das ist ein schöner Pfennig Geld." Und ob. Ein Dutzend Seidenstrümpfe kann er seiner Frau dafür kaufen." Seidenstrllmpfe? Was braucht feine Frau Seidenstrümpfe? Und gleich ein ganzes Dutzend. Ich werde ihm zwanzig Mark geben und die Sache hat sich. Und so beschlossen sie. Vielleicht wollte er überhaupt kein Geld. Es gibt solche Leute, die sich genieren, für ihre Pflicht Geld zu nehmen. Vielleicht freut er sich auch über einen alten Mantel oder den vorjährigen Hut für seine Frau. Vielleicht ist er auch mit einem Glas Wein zufrieden. Vielleicht," meinte Zock,aber nicht etwa den blauetikettierten. Bring den Obermofeler für zwei Mark. Der tut es auch." Da klingelte es. Das ist er," sprangen sie auf. Aber es war nur das Telephon. Hier Zock, wer dort?" Ich bin es nur, der ehrliche Finder," tönte es zurück,ich habe es mir überlegt, ich werde das Geld doch lieber behalten. Tausend Mark ist ja ein sehr schönes Geld, aber zehntausend sind mehr. Und dann ist mir meine Frau soeben gestorben. Da braucht man eine ganze Masse Kleingeld, bis man wieder eine neue findet."

Adolf Cohrs:

Qrundlagen der Slandfchriftkunde

Wir leben in einer Zeit, in der das Interesse für die Lehie und die Kunst, aus den äußeren Ausdrucksmerkmalen eines Menschen auf sein inneres Wesen zu schließen, immer reger wird.Kein Mensch kann auch nur die kleinste Bewegung ausführen, ohne ihr ein Körnchen seiner Individuellen Eigenart beizumischen." Das ist der Grundsatz der Ausdruckslehre überhaupt. Von zehn Personen, die die Absicht haben, nach einem Buch zu greisen, tut das jede auf ihre eigene Art, die ihrer persönlichen Natur entspricht. Beobachten wir statt den Zweck die Art und Weise des Bcwegungsvorgangs, so ist es uns möglich, aus jedem Vorgang wichtige Momente des handelnden Charakters zu entnehmen. Eine Schwierigkeit steht der Praxis der Ausdruckslehre entgegen! Gang, Haltung, die Körperbewegung, Gestikulatur, Mimik, Redeform sind altes Funktionen, die ihrer Natur nach flüchtig sind und sich fort und fort verändern. Aber eine einzige Bewegung macht davon eine Ausnahme: die Bewegung des Schreibens. Schon im Augenblick ihres Entstehens wird sie in bleibender Form fixiert. Dr. Ludwig K l a g e s, Züricher Unioerfitätsprofefsor und be- rühmter Graphologe und Charakterologe, hat der Graphologie (Handschriftendeutung) die ersten exakt wissenschaftlichen Grundlagen gegeben und übt mit ihnen immer mehr Einfluß auf dem Gebiet der Menschenkunde und in der Medizin aus. Für die kriminelle Praxis wird die Graphologie exakter wissenschaftlicher Forschung oft ein unentbehrlicher Beirat für Richter, Kriminalisten, Anwälte und Aerzte. Das Grundgesetz der von Klages als Wissenschaft begründeten Graphologie lautet: jeder inneren Bewegung entspricht die analoge äußere. Das heißt also, ist man z. B. innerlich heftig bewegt, wie im Falle des Ergriffenseins oder einem Affekt, einer Gemütsbewegung, so neigt auch der Körper zu heftigen Be- wcgungen: ist man innerlich ruhig, so ist es auch der Körper. Dieser einfache Ausgleich ermöglicht die graphologische Unterscheidung des Stimmungsmenschen" von dem Gleichmütigen. Jener erhebliche Wechsel vieler Schrifteneigenschaften zeigt sich nicht nur mit dem Wechsel innerer und äußerer Schreibumstände, so z. B., daß einer anders am Morgen als am Abend, anders, als wenn er heiter oder betrübt ist, schreibt, sondern es zeigt sich sogar schon in jedem ein- zelnen Schriftstück. Der Grad des gewohnheitsgemäßen Schwankens der Schriftelemente bezeichnet genau den Grad persönlicher Ver- änderlich- und Reizbarkeit. Es läßt sich leicht zeigen, daß die leichte und gehobene Stim- mung zu lebhasten, schnellen, flotten, großen und zcntri f u g a l e n (vom Mittelpunkt fortstrebende) Bewegungen führt, während die gedrückte zu langsamen, zögernden, kleinen und zcntri pedalen (zum Mittelpunkt strebende) Bewegungen führt. Das ergibt zwei besonders charakteristische Typenbildcr der Handschrift, die uns klar zeigen, ob der Schrifturhcber zu denOptimisten" oder zu den Pessimisten" gehört. Ebenso leicht ist es uns möglich, die mehr oder weniger stark ausgeprägte Jndivlduatität eines Menschen aus feinen Schriftzügen klarzulegen. Je klarer die Unregelmäßigkeit des Schriftbildes, um so stärker ist die Möglichkeit für jenen Schrift- Urheber, seine einzelne Individualität ausbilden zu können. Dort läßt eine schärfere und exaktere Analyse aus das verschieden Sympto- matische eines Gefühlsmenschen mit mehr oder weniger Sensibilität aus der Unregelmäßigkeit des Schriftbildes weisen. Die Regel- Mäßigkeit der Schristzüge, ihre Gleichartigkeit im Schriftbildausdruck, läßt auf ein Herrschen des Geistes schließen. Mit gleicher Leichtigkeit stellen wir die Stärke und Ausdauer des Willens eines Menschen aus seiner Handschrift fest. Im Zustand des Wollensreißt" sich der Körper zusammen, im Zustand willenlosen Träumens und Schwärmens läßt ersich gehen". In den Handschristen typischer Tat- und Willensmenschen treten daher zahlreiche sogenannte Svannungsmerkmale auf, wie vor allem Winkel, kräftiger Reibungsdruck, Enge, Kürzungen, Betonung der Unterlängen. Die Handschrift des Gefühlsmenschen findet sich statt dessen mit wesentlich drückloser Federführung in weiche Kurven.

Das zweite der Gesetze, die die Abhängigkest de» Ausdrucks von der Seele regeln, sagt uns: die Bewegungsfarmen werden vom persönlichen Raumgefühl beein- f l u ß t. Ein ausgeprägt klarer Kopf, an begreifliches Denken, Konsequenz und Logik gewöhnt, hat eine ihm selbst unbewußte Wahlverwandtschaft zu scharf gegliederten Raumgebilden, und der neigt deshalb dazu, Wörter und Zeichen als ein Gebilde des Gesamtschriftbildes klar und voneinander getrennt auszuprägen. Die mehr sinnlich Konkretes und vielleicht künstlerisch phantasievolle- Denken besitzend« Person hebt dessen Woctkörjxr im Schriftbild weniger scharf aus der Seite ab. Das Schriftbild einer Person mit weniger geistiger Klarheit weist ein rücksichtsloses In- einandergreifen von Ober- und Unterlängen auf. Das Raumgefühl unaufrichtiger und lügenhafter Personen, sowie aus- gesprochen verschlossener Persönlichkeiten zeigen verwandte Formen, die den Eindruck des Verdeckens, Ueberwölbens, Versteckens, Zu- schließens machen: darum schreiben diese unbewußt die sogenannte Arkade mit der Bogenbindung oben(hauptsächlich bei m, n, u, i). Das Raumgefühl des typisch Offenherzigen drückt sich in den so- genannten Girlanden(Bogenbindungen hauptsächlich bei m, n, u, i unten) aus. Den Grad der persönlichen Eigenart hat die wissen- schaftliche Graphologie in ein sogenanntesFormniveau" gegliedert, dessen Bewertung durch die Reichhaltigkeit an seelischer Verschieden- heit, durch den Reichtum an Gefühl bestimmt wird. Oft wird der Einwurf gemacht, man könne seine Handschrift verstellen man kann durch beispielsweise willkürliche Annahme bestimmter Schrifteigentllmlichkeiten die graphologische Diagnose nicht täuschend beeinflussen. Neben dem ursprünglichen gibt es einen erworbenen Duktus: und die Wissenschaft kennt genau die Gesetze, nach denen sich dieser aus jenem entnyckell. Die feinen Eigentümlich­keiten der eigenen Handschrift werden vom Schrifturhcber gar nicht beachtet, bleiben ihm also unbekannt, und sein Versuch, die Hand- schrift zuverschönern" oderinteressanter" zu machen, richtet sich nur auf bestimmte gröbere Züge. Dieser durchVerschönerung" erworbeneDuktus" bietet dem Graphologen eine Reihe höchst wichtiger Aufschlüsse über das, für was der Schreiber in der Welt und nicht zuletzt von seinem eigenen Bewußtsein zu sein wünscht. Wenn nun für»en erfahrenen graphologischen Praktiker die verschiedenen Charaktereigenschaften eines Menschen zutage treten, so kann man sich vorstellen, von welch großer Bedeutung die graphologische Diagnose ist. Bei Erziehungsfragen und Berufs- wähl, wenn Zweifel über die besonderen Fähigkeiten auftauchen, kann graphologisch klar und exakt wissenschaftlich entschieden werden. In letzter Zeit erschienen aus dem Büchermarkt viele Ausgaben überHandschriftendeutung", deren Ausarbeitungen größtenteils einer exakten wissenschaftlichen Forschung entbehren: sich auf Deutungstechniken, die wissenschaftlicher Handhabe entbehren, ein- zulassen, ist eine verantwortungsvolle Sache. Nicht genug kann be- tont werden, daß eine wissenschaftliche Deutungstechnik gründ- liches Studium a u s d r u ck s t h e o r e t i s ch e r und ch a- raktcrologifcher Literatur und daraus unter Anleitung eines Könners mindestens ein Jahr lange Uebungspraxis erfordert.

Tendenz-Opern in Rußland . Nachdem die Schaffung größerer sowjet-russischer Opern- und Operettenwerke bisher noch nicht ge- lungen ist, begnügt man sich mit einer sowjetrussischen Interpretation klassischer Musikwerke. So rief neulich in einer Moskauer Opern- aufführung OsfenbachsSchöne Helena" große Begeisterung hervor. Während der musikalische Part von Ofsenbachs Werk im Original zur Aufführung gelangte, war der Text dahin abgewandelt worden, daß dieSchöne Helena" zu einem Propagandawerk der Abrüstung aller Länder geworden war. Ein ähnliches Schicksal hat auch Ofsenbachs Orpheus in der Unterwelt " erfahren. Die Comödia weiß zu be- richten, daß auchTosca " in ein kommunistisches Drama umgs- wandelt wurde.Hugenotten " verherrlichen die Dekabristen-Revo- lution und die OperLakme" hat man zu einem Stück gegen die britische Kolonisterung Indiens umgearbeitet.

öttan Steil b nl: SclbfiMlfC Zähigkeit ist eine Tugend. Es gibt aber Leute, die zu tugend- Haft find. Wenn eine Brünette sich vierundzwanzig Stunden lang ihre Haare wäscht, wird darum doch keine Blondine daraus: und wenn eine Sängerin jahrelang gegen den Kehlkopf kämpft, den die Natur ihr gegeben hat, so wird sie darum noch längst keine Nach- tigall. Solch eine Sängerin aber wohnt in unserem Hause. Wes­halb sehen Sie mich mitleidig an? Sparen Sie ihr Mitleid bis nachher, es kommt noch viel besser. Zuerst lief ein Zirkular durchs Haus, das zum Protest gegen die Waschküche aufrief, weil sie einen schlechten Duft durch das ganze Haus macht. Unten in einer Ecke des Zirkulars aber war vermerkt:.. von der Sängerin ganz zu schweigen." Alle Haus- bewohner schloffen sich dem Protest an, eingeschlossen die Sängerin. Aber sie sang ihre Tonleitern weiter. Einige Monate später kursierte ein zweiter Ausruf. Er befaßte sich diesmal nicht in der Neben-, sondern in der Hauptsache mit der Sängerin, und forderte zur Selbsthilfe auf. Es wurde angeraten, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen". Der Aufruf gc- langte im Turnus auch in die Hände der Sängerin. Sie unter- zeichnete wahrscheinlich lächelnd und gab ihn lächelnd weiter. Auch ihre Tonleitern sang sie weiter. Die Gegenmaßnahmen wurden ergriffen. Wie sehen sie aus? Parterre links: Grammophon. Parterre rechts: Papagei(macht schon die Tonleitern hervorragend nach). Erster Stock links: Radio. Erster Stock rechts: Die Sängerin selbst. Zweiter Stock links: Auto- besitzer, hupt frühmorgens und in der Nacht. Zweiter Stock rechts: Leute mit Balkaneinschlag, produzieren auch ohne Instrumente sämt- liche namhaften Geräusche. Dritter Stock links: Schreibmaschine von Morgens bis Mitternachts. Dritter Stock rechts: Schauspielerin, eigentlich Strindbergspielerin, ist nun aber vom Kammerspielstudium zum klassischen Drama übergegangen. Vierter Stock links: Kapell- meister, lädt sich Freunde zu Quartetts und Trios ein. Vierter Stock rechts: Hat einen Zwilling bekommen. So sieht unsere Mieterselbsthilfe gegen unsere Nachtigall aus. Nun haben wir Ruhe und sind zufrieden. Und wir werden nicht nachgeben. Keiner von uns. Denn Zähigkeit ist eine Tugend.

3)er JlppetH kommt beim 8ffen Wer in den letzten Jahren die Literatur über die Ernährungs- lehren verfolgt hat, der konnte leicht vor lauter Aufklärung ganz ratlos werden. Jede Lehre hatte ihre Apostel, die nachwiesen, daß sie die allein seligmachende Ernährungsform gefunden hatten und daß nur der gesund und lebensfähig bleiben konnte, der nach ihrem Rezept sich und feine Kinder und Kindeskindcr ernähren würde Da dürfte es immerhin von Interesse fein, zu erfahren, was kürzlich in einem Vortrag Professor Dr. Hans W i n t e r st e i n gewissermaßen zur Ehrenrettung der Jahre und Jahrzehnte hin- durch geschätzten Ernährungsform gesagt hat. Er weist nämlich endlich wieder einmal darauf hin, was für eine Bedeutung der Eßlust" zukommt. Und er weist nach, daß dierussische Revolution" durch den bedeutenden Ernöhrungsforscher P a w l o w auf dem Gebiete der physiologischen Medizin einem allen Herrscher wieder zu rechtlicher Anerkennung verholfen hat, nämlich dem Appetit! Durch Pawlows Methode, die auf die alle Erfahrung zurück­geht, daß uns bei Appetit das Wasser im Munde zusammenläuft, wird an Tierexperimenten nachgewiesen, daß die Sekretion der Speicheldrüsen keine gleichmäßige Menge Speichel von gleicher Be- schaffenheit absondert, sondern daß je nach der Speise, die man etwa einem Hunde vorhält, Quantität und Qualität des Speichels ver- schieden sind. Ebenso ist es auch mit der Absonderung der Magen- säft«. Speichel und Verdauungssäste des Magens zeigen eine vei- schiedene Zusammensetzung, je nachdem der Appetit groß ist, und je nach den Bestandteilen der vorgesetzten Speisen. Legt man einen: Hunde Brot und Fleisch zum Ansehen vor, so hat die Pawlowsche Untersuchung des abgesonderten Speichels nachweisen können, daß gewöhnlich der Speichelfluß sich auf den Genuß des Fleisches ein- stellt. Auch seelische Zustände beeinflussen die Verdauungssäfte. Aerger verdirbt uns den Appetit. Jeder von uns weiß aus eigener Erfahrung, daß für Eßlust und Auswertung der Nahrung viele Faktoren maßgebend sein können. Ein gut zubereitetes Essen, dem man ohne starken Hunger gegenübersitzt, wird nach einigen ge- nossenen Bissen den Appetit stärker anregen als ein unsauber scr- viertes Essen, das nicht angenehm riecht, selbst wenn wir ihm mit großem Hunger entgegensehen. Einige Bissen davon erzeugen eine unangenehme Fülle in unserem Magen: wir sind satt! Das sollte man nie vergessen, besonders in der Krankenpflege. Patienten mit geringem Appettt verweigern die nach allen Regeln ärzllicher Kunst zusammengesetzte Krankcnhauskost, sobald" sie mürrisch und unappetitlich serviert wird. Der Appetit kommt beim Essen! Das haben die Kulturvölker instinktiv schon immer gewußt, und daraus erklärt es sich auch, daß sie alle«ine eigentümliche Ucbereinslimmung zeigen bei der Zusammenstellung von Feslessen. Die Reihenfolge wird bei allen eröffnet mst einerSuppe"! Und das ist kein Zufall: denn jetzt folgt die große Ehrenrettung der Suppe, die heute vielfach verpönt wird, der Kraftbrühe ohne Kraft, ohne Vitamine, ohne Kalorien! Die Pawlowsche Forschung beweist, wie wichtig die in der Suppe enthaltenen Spaltungs. und Abbau- Produkte des Eiweißes für die Anregung der Magensekretion sind. Keine mechanischen Reize vermögen die Drüsentätigkeit des Magens anzuregen, wie man wieder am Tierexperiment nachweist, sondern allein der chemische Reiz, den die Suppe mit ihren Extraktivstoffen ausübt als wichtiger Anreger und vortrefflicher Vor- bereiter für die Verdauung des nachfolgenden Fleischgerichtes. Daß man zum Abschluß gern eine Süßspeise aus Mehl ißt(wenn sie leider auch meist fehlen muß in diesen schweren Zeiten, wie vieles andere auch noch), zeigt wieder, wie gesund der Appettt die Nahrungsauswahl trifft. Winterstein schließt seine Ausführungen mit dem Hinweis, daß die Logik oft irrt, nicht aber oder doch nur sehr sellen der Instinkt. Ein gesunder Mensch braucht keine falsche Ernährung zu befürchten, wenn er nach seinem Appetit ißt. Erst wenn er anfängt,noch- zudenken", wenn er Theorien und Vorschristen befolgt(gleichgültig, ob sie lauten: roh oder gekocht, salzlos, reizlos oder gewürzt), dann schädigt er sich, denn ein gesunder Mensch braucht eine gemischte Kost Das geht schon daraus hervor, daß niemand sein Lieblings gericht morgens, mittaps oder abends essen möchte. Wir verkennen ! keineswegs die ungeheure Bedeutung für die Diätetik, die durch die modernen Lehren auf dem Gebiete der Ernährung für die Kranken geschaffen wurde. Winterstem spricht da vom ärztlichen Koch, der dem Chirurgen das Messer aus der Hand nimmt, ja, vielleicht sogar dem Schnitter Tod die Sense. Aber er rät den Aerzten und dieser Rat dürfte wohl für eine breite Schicht unserer Bevölkerung, die Fanatiker irgendeiner Ernährungsthcorie sind, gleich große Be- deutung haben, was schon Nietzsche seinen Zarathustra sagen läßt:Wahrlich, ich sage dir, es steckt mehr Vernunft in deinem I Leibe als in deiner besten Weisheit." Or.ü.