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(Beilage Mittwoch, 9. September 1931 iwWmt SniiaaXgaBaA****&* Spaziergang durdi unsere Gesellsdiaft Klassenunterschiede am Meeresstrand/ von Felix stößinser Wenn man nach den Bädern der Ostsee an der Insel Usedom kommt, 4 Stunden Eisenbahn vom Freibad W a n n s e e zum Frei- bad A h l b e ck, dann Hot man wohl der Natur nach, nicht der Um- welt nach, Berlin verlassen. Wenn erst jeden Sonnabend die Pro- pellerbahn eine halbe Million Berliner an die Ostsee bringen wird, dann werden diese Bäder das Wannseebad Berlin sein. Heute ist diese Entwicklung vorauszusehen. Wer Orte... Vier Orte sind es vor allem, die eine künftige Großgemeinde bilden werden. So wie es uns heute als gute alte Zeit erscheint, als Charlottenburg , Wilmersdorf, Schöneberg noch selbständige Städte waren, so wird man auch einmal von einer Vergangenheit sprechen, in der Swinemünde , Ahlbeck , Heringsdorf und Bansin eine Selbständigkeit betonten, die nicht auf räum- licher Entfernung, sondern auf der Klassenscheidung der Badegäste beruht. Von Swinemünde bis Bansin erstreckt sich im Grunde ein einziger Badeort an einem einzigen Strande, in 2 Stunden kann man an der immer wieder herrlichen Promenade von Bansin bis Swinemünde an allen Schichten der Gesellschaft vorübergehen. Wenn man auf diesem Spaziergang nicht bloß das Meer sieht, kann man einen Spaziergang durch unsere Gesell- s ch a f t machen, horizontal durch alle Klassen durch, vom Prole- tariat über das sogenannte gute, aber verarmte Bürgertum bis ganz hinunter zu den Nazis, die mit großspurigen oder kindischen Hakenkreuzfahnen den Strand von Bansin bewachen, aus Ai�st , daß sich das Meer teilt und die jüdischen Badegäste von H e- r i n g s d o r f oder die proletarisierten von Ahlbeck das Land be- treten, auf dem die Sandburgen des Volksentscheides mit Haken- kreuzen aus Muscheln und Steinchen tätowiert sind. Während in Ahlbeck und Heringsdorf von Politik wenig zu spüren ist und man nur der Erholung lebt, hält Bansin die Fahne des Dritten Reiches hoch. Die Gemütlichkeit des Badelebens ist nazirevolutionär durch- seßt. Mit freundlichem Heil Hitler danke, nein trennen sich die Gäste zum Abendbrot. Die Hakenkreuzler in Bansin und noch mehr Zinnowitz , das westlichste dieser Bäder mit den in Badetrikots verkleideten Sturmtruppschützen, könnten ihren Aufenthalt an dieser Küste dazu benutzen, um festzustellen, daß es auch in der Wirklichkeit eins Trennung der Gesellschaftsklasien gibt, von der sie glauben, daß sie der schwülen hebräischen Phantasie von Karl Mardechei(bekannter unter dem Namen Marx) entsprungen ist. Was trennt eigentlich diese vier Bäder? Das Meer ist dasselbe, der Strand ist derselbe, der Weg hinter dem Strand ist allerdings nicht ganz derselbe, aber die Wälder dahinter sind die- selben, und der Himmel über dem Ganzen auch. Gewiß gibt es auch Verschiedenheiten der Natur. Bansin hat Langenberg, von dem es die nächst Hiddensee schönste Ostseeaussicht gibt, Herings- darf und Ahlbeck haben die geschützte Bucht mit der Sichel der blauen Berge von Mtsdroy, Swinemünde hat einen Strand von der Breite Norderneys, den Hafen, die Wälder von Misdroy und den Betrieb eines zwar nicht internationalen, aber doch ganz re- spektablen Schev«iingen; aber nicht das sind die Unterschiede, die eindringlich wirken. Das sind vielmehr die Unterschiede der Häuser, der Menschen, der Straßen, der Geschäfte. Gärten und aller Anlagen gesellschaftlichen Charatlers. Haar- scharf liegt eine Klasientrennungslinie zwischen Bansin und He- ringsdors, zwischen Heringsdorf und Ahlbeck , zwischen Ahlbeck und Swinemünde . Zwar machte noch bei Goethe die Natur keine Sprünge, ober wir, im Zeitalter der Ouantenlehre, wissen, daß nicht nur in der Natur, sondern auch in der Gesellschaft ein Ruck- sprung die Erscheinung trennt. Nicht die Wellen, aber die Menschen, die sie bespülen, sind verschieden wie die Klassen der industrialisierten Gesellschaft. Und so sind es auch ihre Häuser, ihre Wohnverhältnisse, ihre Gewohnheiten, ja, selbst ihre Art spazierenzugehen, sich zu erholen, auszuruhen. Di« Arbeit, die Not, der Wohlstand modelliert nicht nur den r p e r, sondern alle Funktionen des Menschen überhaupt. Auf den Punkt genau kann man feststellen, wo He- ringsdors aufhört und wo Ahlbeck beginnt, wo das Bürgerbad in ein Vorortbad übergeht, wo das Vorortbad zum Zillebad wird. Wo Swinemünde aufhört, beginnt der Ahlbeck gehörige Weg schlechter zu werden, wo Ahlbeck aushört, verwandelt sich der Weg in eine teuer« Promenade, wo Bansin beginnt, wird es, das läßt sich geradezu photographisch nachweisen, provinziell und ungepflegt. In Ahlbeck wohnt«in proletarisierter Mittelstand, in Heringsdorf ein Bürgertum, das es sich nicht mehr leisten kann, weiter als 3 Stunden weg von Berlin zu fahren, in Bansin eine Menschheit, die zwar den Stahlhelm nicht als Badekappe aber als Badeabzeichen benutzt. Wenn man von Heringsdorf nach Bansin kommt, kommt man zu anderen Gesichtern, Typen, Kleidern, Inter - essen. Gesprächen, Blicken. KörperllchheK und politische Gesinnung Es wäre nicht nur primitiv, sondern sogar falsch, zu sagen, wie es die Deutschnationalen sicher lieben, daß Heringsdorf eben verjudet ist und Bansin das Bad der Nichtjuden. Ist ja gar nicht wahr. Man sehe sich die nichtjüdischen Besucher Heringsdorfs und die Bansins an. Eine Welt liegt dazwischen. In diesem na- tionalsozialistischen Bad die Typen eines verbohrten Kleinjunker- tums, soziologischer Absull der alten Militärkaste mit den typisch verlogenen Schlitzaugen, mit verdächtig heruntergezogenen Augen- lidern, kurzum jener Typ, desien Physiognomie noch viel zu wenig beschrieben wird und eigentlich nur in den Vorkriegskarika- turen desHimplicissimus" festgelegt ist. Selbstoer- ständlich ist auch eine entwurzelte, unruhige Jugend da, die ganz verschwommenen, im Grunde verlogen dummen Spekulationen nach- läuft, und unter Revolution etwas rein Körperliches, etwas Rasie- physisches versteht. Wie überhaupt doch das Körperlich« die politische Gesinnung ausdrückt. Zeige mir, wie deine Haare geschnitten sind, und ich werde dir sagen, wer du bist. Es Ist sa bekannt, daß es einen deutschnationolen Herrenschnitt gibt, an dem man im Ausland den Deutschen auf der gegenüberliegenden Straßen- scite unter Tausenden erkennt: alles kahl mit der Maschine ge- scharen und oben ein gescheitelter Zipfel. Was ist im Ausland schon über diesen Haarschnitt geschrieben worden! Er ist übrigens auch streng logisch als deutschnational zu erklären, denn es ist der Ueberrest des vorgeschriebenen oder üblichen Haarschnitts der Garde. Aber welch ein Unterschied zwischen diesen vorrevolutio- nären und den nachrevolutionären völkischen Kreisen. Bor dem Kriege gab es in solchen Badeorten Hausschilder mit dem Vermerk Christliche Gäste bevorzugt". Das gehört der guten alten Zeit an. Heute werden in Bansin auch christliche Gäste nicht mehr be- vorzugt, sondern nur noch w o t a n l i ch e. Die guten christlichen Antisemiten von ehemals gehen wahrscheinlich auch schon nach He- ringsdors. Die Gartenpromenade von Heringsdorf nach Ahlbeck ist in ver- schwenderischcr Breite angelegt. Links das Meer, rechts tiefe Gärten, in weiten Abständen die Villen der Reichen, seien wir vorsichtig, der einstmals Reichen. An den meisten Häusern wird das Publikum, das sich hier einmal respektvoll vor dem Reichtum vorüberdrückte, durch das SchildZimmer zu oermieten" zum Ein- tritt eingeladen. Auch mit dem Reichtum Heringsdorfs ist es vorbei, der Gipfel des Luxus ist der Kempinski-Betrieb eines Hotels, und es ist nur eine Frage von Jahren, wann Heringsdorf auch äußerlich zu Ahlbeck gehören wird. ein Aufstieg Kommt man allerdings von Swinemünde nach Ahlbeck , dann sieht man, daß das proletarische Seebad nicht verfällt, sondern auf- Der Notabituricnt Fritz Kruinm hatte eine tollkühne Reiter- Patrouille vor Kowno mit fünf Jahren russischer Kriegsgesongenschoft bezahlen müssen. Als irgendwo in Sibirien , hinter Stahldrahthecken auf graugrüner Steppe, Kamerad Erich vor Sehn- und Schwindsucht zu sterben sich anschickte, drückte er Fritz ein Büchlein in die Hand: Der Fechter von Ravenna ", Drama von Friedrich Halm . Dos Vermächtnis Erichs wurde Fritzens Schicksal. In der Mwotonie des verdammten Landes wuchs der geistige Fetzen zur geistigen Welt. Halm übertünchte den Hunger nach Brot, Freiheit und Frauen. Er verdeckte mit seinem Wortgeklimper das schmerzlich summende Bohren entmannender Käfighaft in verwanzten Baracken: das psychologische Feuerwerk dieser raffinierten Szenen peitschte seine Raketen über Stachcldrahtgrenzen hinaus und ersetzte olles, alles, alles. Fritz las das Stück täglich. Er besaß es innerlich und sprach seine Dialoge mit der Inbrunst eines Paternoster. Jede Woche war Fcstvorstellung: Fritz, Repräsentant aller Rollen, trompetete aus dem Gedächtnis und, wie gesagt, aus dem Herzen dem Publikum, welches aus freudlosen Kameraden und verwunderten Kalmücken sich for- mierte, die vergilbten Satzfugen in den sibirischen Himmel und wähnte sich glücklich. Halm und Fritz: vermählt für das Leben. Mit diesem Besitz betrat Fritz Krumm, in den eisigen, jammervollen, vertierenden Maschen russischer Verbannungsnetze, vom Knaben zum Manne gereift, sein Vaterland. -» Fritz stürzte in das dramaturgische Büro des Theaters seiner Heimatstadt.Weshalb spielen Sie nicht denFechter von Ravenna " von Friedrich Halm ?" Der also angegriffene Herr versteckte hinter seiner Brille eine keimende Lache.Bitte?" fragte er höflich, aber defensiv. Fritz, im Angesichte der ausgestapelten Manuskripte, die erdrückend den Schreibtisch belagerten, stampfte eine forensische Offenbarung aus dem ehrlichen Acker seiner in sibirischen Zonen genährten Meinung: Halm, der Cäsar fünf langer Jahre, wurde Klient. Fritz wob am freilich etwas aus dem natürlichen Mechanis- mus geratenen Webstuhl seiner Gedanken ein bezwingendes Bekennt- nis zu Halm. Die keimende Lache hinter der Brille des angegriffenen Herrn erstickte in mitleidsvoller Skepsis. Er stand auf und sagte: Wir wollen sehen." Fritz hörte: wird gemacht.(Der Herr sagte drei Minuten später:Sie glauben nicht, Herr Intendant, mit welch fabelhafter ileberlegenheit der Geisteskranke seine Sache anbrachte. Wirklich fabelhaft, das kommt in mein Stück.) Fritz ging auf die Universität. Germanistische Seminare schienen der geeignete Resonanzboden seiner Liebe. Er setzte sich schnell dar- über hinweg, daß Friedrich Halm weder Friedrich noch Halm, sondern Jgilius und Münch-Bellinghausen hieß. Freilich war es ihm anfangs schwer. Der einsilbige Klang des Pseudonyms übertönte doch die österreichisch -römische Figur des eigentlichen Namens. Immerhin: daran sollte es nicht scheitern. Das Thema der Dissertation hieß: HalmsFechter von Ravenna ", «ine dramentechnisch« Untersuchung auf Grund der Kuroenthcorie Freytags. Fritz, der, gottlob, noch nicht begriffen hatte, wie die Fabrikate der akademischen Industrie auszusehen haben, schrieb sich in beglückenden Stunden seine Liebe vom Herzen. Stolz gab er das glühend« Fazit dem Professor zu treuen Händen. Nach acht Tagen gaben die treuen Hände des Professors das immer noch glühende Fazit in Fritzens Hände zurück.Ein schönes Feuilleton", sagte er.ober, mein Lieber, wo ist der Textapparat, wo sind die Grillparzer-Parallelen, wo ist die technische Darstellung der Aktionskurve. wo bleiben die spanischen Einflüsse, wo sind die Literatur-Zitote, wo sind die Plogiat-Symtone?" Das WortPlagiat" stach in Fritzens Seele. Der heilige Zorn überwand olle Hochachtung, die er gebrauchs- und gefühlsmäßig vor Professoren hatte. Der ehrliche Ansturm seiner großen Liebe schlidderte aus in glatten Honig, der, wie eine beißende Salbe, aus dem professoral«m Munde floß: Aber wisien Sie nicht, mein Lieber, daß das Stück wahrscheinlich steigt. In dem Wald, nahe Swinemünde zu, liegen Kinder- erholungsheime mit modernen farbigen Holzhäusern im Walde und dem geschmackvollen Komfort moderner sozialer Für- sorge. Am Nachmittag ist freilich der Ort eine echt Berliner Vor- stadt mit knalligen kleinen Geschäften, billigem Straßenhandel und einem Zillekobussell mit Hunde- und Affentheater im Hintergrund. Von dort geht es rechts zur F r i e d r i ch- E b e r t- S tr e, die Ahlbeck und Heringsdorf auf der verkürzten Waldlinie zusammen- schließt, und deren Name anzeigt, daß auch hier Sozialdemokraten zu bestimmen haben. So kurz aber auch dieser Weg ist, die De- markationslinie der heute noch getrennten Klassenbäder ist unver- kennbar. Uebcr das Meer flitzen die kleinen Motorboote, die in 7 Minuten für 30 Pf. die Landungsbrllcke verbinden. Das Meer liegt wie eine gewaltige Scheibe vor dem Lande, bespült es in be- ruhigendem Gleichmaß und frißt vom Strande Heringsdorfs Streifen um Streifen weg. Von beiden Seiten wird dos Bürger- bad verkleinert, und es hat keine andere Aussicht, wieder groß zu werden, als durch die engere Verbindung mit Berlin und durch die Aufnahme der hunderttausende Großstädter, die einmal, nach Ueber- Windung des Raumes, jeden Sonntag hierherkommen werden. Inzwischen verspielen die Menschen ihre letzten Ruhetage an der See, die keinen Unterschied macht zwischen Gerechten und Un- gerechten. Armen und Reichen. Dem Menschen ist es aber gegeben, diese Unterschiede zu sehen, zu erkennen, und aus der Schönheit und Größe der Natur empfängt er immer von neuem den Auf- trag, eine Menschheit zu gestalten, die der Gottheit und der Natur endlich würdig ist. gar nicht von Halm ist, sondern vom braven Schulmeister Bacherl?" Fritz oersank mit seiner versinkenden Welt. Auf den Trümmern wuchs Haß. * Eine Zitrone naturelle", bestellte Fritz dem Ober. Der Ober brachte sie. Eine halbe Minute später drang der Ober devot in Fritzens Bezirk:Verzeihen Si«: ich hatte den Halm vergessen." Fritz sprang auf, trommelte dem armen Ober einen beleidigenden Wortwirbel ins erschreckte Geficht, stürzte zur Tür und versetzte noch von dort aus dem Lokal einen hämmernden Schlag:Das habe ich nicht nötig: Halm kann mich, Sie auch, verstehen Sie?" Er rannte auf die befreiende Straße. Die Leute im Lokal lachten. Der Ober sagte:Netter Kerl, aber verrückt. Schade." Fritz sah am Wege. Er schaute aus dos stumme Wellenspiel des AeHrenmeeres. Der Herr Pastor wandelte des Wegs, sah Fritz und sprach:Sehen Sie, lieber Freund, so wie der Halm im---*. Fritz griff an des Seelenhirten Kehle. Nach einer Pause ließ er lächelnd los:Was kann der arme Mann dazu." Der Pastor transportierte seine zwei Zentner zitternd weiter und ließ seine innere Stimme sprechen:Selig sind, die da arm sind im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich." » Fritz floh nach Wien . Aufatmend grüßte er die herrliche Stadt. Im Taumel einer Premiere hatte er den Künstler in sich entdeckt. Er wurde Schauspieleleve am Burgtheater. Der novizenfreundliche Inspizent führte ihn eines Morgens durch die erlauchten, musealen Räume. In der dämmerigen Ecke eines Zimmers standen die Büsten bedeutender, dem Hause verwandter Männer.Wer ist das?" fragte der begeisterte Fritz.Dös is der Herr General- direktor Friedrich Halm ." Fritz schaute zuerst auf den Gipskopf, dann auf den Inspizienten; der Wechsel dieser Blicke wiederholte sich ruckhast zwei geschlagene Minuten. Dem Inspizienten - wurde das zu dumm und er wiederholte herzhaft und etwas lauter:Halm, der, wo denFechter von Ravenna " g'schrieben Hot." In Fritzens Seele stieg gelb und häßlich der Haß. Sibirien . Theaterbüro, Universität, Cafehaus, Pfarrer: die Szenen verknoteten sich zu einem fürchter- lichen Gesamtbild. Fritz sagte spitz:Lassen Sie mich bitte ein« Minute allein." Der Inspizient verkroch sich. Fritz drückte seinen Kopf nahe an die Plastik heran:Halm, du Schweinehund. Du hast den armen Schulmeister Bacherl bestohlen und mich betrogen: ich habe dich geliebt: jetzt hasse ich dich: nimm dies zur Strafe." Der Knauf des Spazierstockes pfiff durch die modrige Luft und traf zunächst Nase, Kinn und einige Lockenornamcnte des.gipsernen Opfers. Schließlich aber, bevor der herbeigeeilte, entsetzte Inspizient den sinnlos prügelnden Fritz überwältigt hatte, war Halms Büste schmählich geköpft. Fritz wurde im Parterre des Hauses, auf der Feuerwache, bis zur Ankunft der Polizei festgehalten. In einem Sanatorium des Wiener Waldes wurde Halm end- gültig aus Fritzens Revier vertrieben. Zunächst schickte er Erichs Mutter das Büchlein zum Gedenken an den fern verstorbenen Sohn: dann schrieb er einige Anti-Halm-Gedichte, die aber immer schlechter und spärlicher wurden. Als er begann, Liebesgedichte zu schreiben. war er geheilt. -» Heute ist Fritz Buchhändler. Dieser Beruf schließt von vorn- herein jede Berührung mit Halm aus. Der froh« Tatbestand ver- gewissert uns über die geschmackliche Gesundheit der Leserschaft hinaus der geistigen Gesundheit Fritzens , der sich in Sibirien vom Knaben in einen Mann verwandelte, ohne jemals ein Jüngling gewesen zu sein. Hieraus erklärt sich die leidenschaftliche und leid- volle Begegnung mit Halm in ihren trostlosen Voraussetzungen, ihren im Augenblick beglückenden Zuständen und ihren bösen Folgerungen, die weniger grotesk sind als sie erscheinen, die aber trauriger sind, als es bescheidene Worte fühlbor machen können. Halm / Von Heinrich Heining