Nr. 423 48. Jahrgang
Jodoies foli
21. 1. Beilage des Vorwärts
12
Berlins Kampf
Heute wieder Stadtparlament- Defizit herabgedrückt- Wann endlich Reichshilfe
Nach Beendigung der Stadtverordnetenferien tritt heute das Stadtparlament zu seiner ersten Sihung im Winterhalbjahr zusammen. Die durch die katastrophale Finanzlage Berlins bedingten Notmaßnahmen des des Magistrates, die Fragen der Beamtenbesoldung und die noch zu treffenden Maßnahmen im kommenden Notwinter werden die Stadtverordneten vor schwierige Aufgaben stellen und an das Verantwortungsbewußtsein der Fraktionen hohe Anforderungen stellen. Schon in der heutigen Situng wird es wahrscheinlich zu ausführlichen großen Debatten kommen, die allerdings in der ersten Sikung kaum zu praktischen Ergebnissen führen werden.
Die verantwortungsbewußten Vertreter der Reichshauptstadt werden sich sagen müssen, daß Berlin , wie alle anderen deutschen Gemeinden, seine Maßnahmen in einer verzweifelten Zwangslage treffen muß. Rafft sich die Reichsregierung nicht endlich zu Taten auf, wird die Katastrophe über viele deutsche Kommunen unweigerlich hereinbrechen. Bei dauernd anwachsenden Lasten für die Wohlfahrtserwerbslosen und erschreckenden Rückgang der Steuereinnahmen stehen die Stadtverwaltungen dieser Entwicklung macht los gegenüber. Die Reichsregierung wird sich darüber flar sein müssen, welche Auswirkungen eine derartige Katastrophe haben müßte, und wie verhängnisvoll insbesondere ein Zusammenbruch der Finanzkraft Berlins sich auswirken würde. Wir können nicht
glauben, daß die Regierung untätig zusehen wird, wie die Reichshauptstadt vor die Hunde geht.
Durch die rigorosen Sparmaßnahmen des Magistrats ist es gelungen, das Defizit im laufenden Haushaltsjahr, das anfangs 67 Millionen betrug, auf 30 bis 35 Millionen Mart herabzudrücken. Treten in den Wintermonaten jedoch weitere Rückgänge in den Steuereinnahmen ein, wächst das Defizit naturgemäß automatisch wieder an. Hinzu kommt, daß aus dem vorigen Etatsjahr noch ein
ungedecktes Defizit von 63 Millionen Mark besteht. Wie schwierig die Finanzlage Berlins ist, zeigte die Tatsache, daß die Heranschaffung der Gehälter, die heute den städtischen Beamten voll ausgezahlt werden, anfangs Schwierigkeiten bereitete.
Donnerstag, 10. September 1931
sind von der Balitischen Polizei des Polizeipräsidiums sofort aufgenommen worden.
Einer der Angefchoffenen, der Nazimann Hermann Zielsch, ift furze Zeit nach seiner Einlieferung an den Folgen eines Kopfund Bauchschusses gestorben.
worden.
Haustochter ermordet.
-
Der Täter ein 25 jähriger Bäder- in Berlin gesucht. In der fleinen Ortschaft Gruppendüren in Oldenburg Damit bei diesen ernsten Dingen die Harlekinade nicht wurde gestern die 18jährige Haustochter Hanna Classen ermordet fehle, hat die deutschnationale Fraktion eine Anfrage eingebracht, aufgefunden. Das junge Mädchen unterhielt mit einem 25jährigen in der man gewichtig einige Auskünfte über die Amtstätigkeit des Bädergefellen Georg Cordes ein Freundschaftsverhältnis. Cordes Stadttämmerers verlangt. Man wirst dem Berliner Kämiſt ſeit Mittwoch früh aus Gruppendüren verschwunden. Nach den merer vor, daß er mehrfach nach seinem Amtsantritt in Berlin noch bisherigen Ermittlungen der Polizei kommt nur Cordes als Täter nach Frankfurt a. M., seinem früheren Tätigkeitsgebiet, gefahren sei. in Frage. Geriffe Anzeichen deuten darauf hin, daß der Mörder Dabei ist es seit langem bekannt, daß der Stadtkämmerer dem Rufe, nach Berlin geflüchtet ist. Von der Oberstaatsanwaltschaft in möglichst schnell nach Berlin zu kommen, nur unter der Zusicherung Oldenburg find sofort umfassende Fahndungsmaßnahmen eingeleitet auch der Frankfurter Stadtverwaltung, noch mit seinem Rate für einige Zeit zur Verfügung zu stehen, folgen konnte. Des weiteren bemängelt man, daß der Kämmerer angeblich sein Dienst auto zu häufig benute. Wir hätten nicht geglaubt, daß sich eine große Fraktion, die doch immerhin Anspruch darauf macht, ernst in ihrer Arbeit genommen zu werden, dazu hergibt, derartige Banalitäten vor das Forum der Stadtverordnetenversammlung zu bringen. Wir glauben außerdem zu wissen, daß die Frager eine Antwort erhalten werden, die sie nicht erwartet haben dürften. Uns ist bekannt, daß die Stadt Berlin von den gelegentlichen Fahrten des Kämmerers nach Frankfurt feinerlei Kosten erwachsen, und daß der Kämmerer, lange bevor diese Anfrage eingebracht wurde, den Oberbürgermeister gebeten hat, diese Tage auf seinen Urlaub anzurechnen.
Wo bleibt Ortsgeseh über Dauerfleingärten?
Die sozialdemokratische Stadtverordnetenfraftion hat für die heutige Sigung einen Dringlichkeitsantrag einge bracht, der die umgehende Verkündung des Ortsgesetzes über Reichsheimstätten- Gartengebiete und Dauerfleingärten fordert. Be reits am 12. Februar d. J. hatte die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat ersucht, ein derartiges Ortsgesetz für das städtische Gelände in Kraft zu setzen. In dem Antrag wird darauf hingewiesen, daß der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung bis heute noch nicht durchgeführt ist, und daß dadurch z. B. auf dem Trep | tower Gelände unhaltbare Zustände eingetreten sind.
In dem Orte Dallas im Staate Texas explodierte das Pulvermagazin der Dupontwerke. 25000 fund Dynamit flogen unter ungeheurem Lärm, der kilometerweit zu hören war, in die Luft. Mehrere Tote und Verletzte sind zu beklagen.
In Benton im Staate Illinois explodierte das Dynamitlager eines Bergwerkes. Bisher fielen diesem Unglück sechs Tote zum Opfer.
Bis zum 13. September 3BA.
Die Internationale Büroausstellung am Funk
turm, die große Schau der Bürotechnik, wird bis zum 13. September dauern. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Sonnabends und Sonntags hält die JBA. ihre Pforten bis 21 Uhr offen, um so besonders der werktätigen Bevölkerung die Möglichkeit eines eingehenden Studiums der vielen Neuerungen im modernen Bürobetrieb, die die Ausstellung zeigt, zu geben. Der Eintrittspreis beträgt 1 Mart. Erwerbslose faufmännische Angestellte fönnen bei ihren zuständigen Vermitt lungsstellen Ausweise anfordern, die zum Besuch der Ausstellung für 30 Pfennig berechtigen.
Buttergeschäft gestürmt.
In die Butterfiliale der Firma Landau in der Putbuser Straße 15 drangen gestern etwa 20 junge Burschen ein und stahlen größere Mengen Wurstwaren. Die Beute murde zum Teil in AttenTäter ein neues Fahrrad im Stich. Einer der Burschen konnte später festgenommen werden. bil
Kommunisten gegen Nationalsozialisten Drei Schwerverletzte Ein Toterchen verstaut Bei der Verfolgung durch die Bolizei ließ einer
od as beso
190 3396
Im Südwesten Berlins fant es in den gestrigen späten| dem Lokal plöglich lauter Tumult. Es fielen zahlreiche Schüle. Abendstunden vor dem Hause Gneisenaustraße 17 zu einer blutigen Revolverschießerei, bei der vier Halen. freuzler durch Schüsse schwer verletzt wurden. Einer der Angeschossenen ist seinen Verlegungen erlegen.
Der gestrige blutige Vorfall stellt in seinem Ausmaße alle bis herigen Zusammenstöße zwischen den Links- und Rechtsradikalen in der Umgebung der Gneisenau- und Bergmannstraße, wo sich allmählich ein ständiger Straßenfrieg herausgebildet hat, weit in den Schatten. Im Hause Gneisenaustraße 17 ist ein Lokal, in dem vornehmlich Rechtsradikale verkehren. Gestern abend weilte eine größere Zahl von Nationalsozialisten in den Gasträumen, die dort offenbar eine Bersammlung abhielten. Gegen 22 Uhr ertönte vor
WENN DERKORSFAL
26]
ROMAN
VON
Fully Scherret
Erikson ist in beseligter Stimmung. Der adlige Oberregierungsrat imponiert ihm wenig. Jedenfalls flopft er ihm auf die Schulter und behandelt ihn etwas von oben herab. Die geschäftliche Unterredung muß also sehr günstig für ihn ausgefallen sein. Herr von Klotow verabschiedet sich bald. Er klappt bei der Verbeugung diskret mit den Hacken und preßt die Arme an den Oberkörper. James sieht den Zweck Dieser hübschen lebung nicht ein. Sie soll wohl nur an deuten, daß der Herr ehemals Leutnant oder etwas Aehn
liches gewesen ist.
,, Trint! Endlich sind wir unter uns schönen Pfarrerstöchtern." Eriffon schenkt Seft ein.„, Gut, daß der Schnösel weg ist. Aber was willst du, jetzt hab ich endlich den Regierungsauftrag", lacht er schallend auf. Der Idiot ist hier bei der Regierung Dezernent für Wegebau, und du kennst doch auch das Projekt von der großen Autostraße nach Begesack und Brofitten, he? Nicht? Na ja! Dieser Auftrag ist mir zugesprochen worden. Fein, was? Junge, Junge, ich fage dir bloß, daran wird verdient." Er spißt die Lippen. ,, Nee, nee, da bleibst du mit deinem Getreide und dem ollen Krempel weit hinten auf der Strede liegen. Noch' ne Pulle und ein paar Rognats!" ruft er dem Kellner zu. Und weißt du, wie ich das gemacht habe? Ganz einfach, sag ich dir. Ich stand da mit noch drei Firmen in engerer Wahl. Wir hatten alle denselben Preis berechnet und die gleiche, solide Ausführung versprochen. Na, du tennst doch das schöne Sprichwort: Wer die Wahl hat, hat die Qual", und da wollte ich den armen Leutchen da oben die Qual verkürzen und hab mir den Herrn Dezernenten persönlich vorgefnöpft. Was hat denn schon so ein armer Kerl für ein Einkommen? Die paar hundert Mark im Monat! Mit denen sind feine Sprünge zu machen, und wenn man noch ablige Rosinen so von früher im Kopf spazieren trägt, erst recht nicht. Wir haben uns ganz allmählich angefrunschelt, und am Schluß gab ich ihm' ne fleine Hypothet auf seine noch fleinere Klitsche." Er beugt fich vertraulich zu James. Die Hypothet wird natürlich den
Die Scheiben der Gastwirtschaft zersplitterten und vier Mann, jämtlich Nationalsozialisten, brachen getroffen zusammen. Es handelt sich um: Karl Seelig aus der Heimstraße 9, Hermann Zielsch aus der Friesenstraße, Gerhard Ihlenfeld aus der Mariendorfer Straße und Hermann Abholz aus der Arndtstraße. Die Verlegten, die Kopf-, Arm- und Oberschenkelschüsse erlitten haben, wurden in das Urbanfrankenhaus gebracht.
Strecker wiederholt sein Geständnis.
Der wegen Brandstiftung verhaftete Schriftsteller Karl Streder hat am Mittwoch in fünfstündiger Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter in Potsdam sein Geständnis wiederholt. lleber die Haftbeschwerde wird Donnerstag vormittag entschieden. Voraussichtlich kommt der Prozeß schon vor das nächste Schwurgericht, das Anfang Oktober tagen wird.
Ob es sich um einen vorbereiteten kommunistischen Feuerüberfall handelt oder ob der Schießerei noch andere Borgänge vorausgegangen find, fonnte gestern abend nicht mehr festgestellt werden. Das lleberfallkommando. suchte sofort die ganze Gegend ab und nahm sechs Personen fest, die im Verdacht stehen, sich an der Schießerei beteiligt zu haben. Die weiteren Nachforschungen einheimische Fischwelt vertreten. Ren ist die zur Schaustellung von Seewasser
Brüdern unter anderer Firma auf Unkostenkonto verbucht. Berstehst du?" Das findet Erikson so tomisch, daß er sich vor Lachen verschluckt. Etwas Sett ist ihm in die unrechte Rehle geraten.
James stimmt in die lärmende Fröhlichkeit nicht ein. Er starrt finster in sein Glas. Eine tiefe Falte hat sich an der Nasenwurzel gebildet.
,, Du schwimmst also im Geld?" Ein widerlicher Schleimfloß figt ihm im Halse.
,, Ob ich schwimme!" Eritson hat den Stickhusten übermunden. Soll ich dir was borgen?"
Ja. Nur 120 000 Mart." James verzieht feine Miene. So, das Schwerste wäre gesagt. Es ging besser, als er zu hoffen wagte. Manchmal machen sich die inneren Hemmungen nicht bemerkbar.
Einen Augenblick ist Erikson sprachlos; dann schlägt er sich vor Vergnügen, auf die prallen Oberschenkel. Du, das ist ein guter Wiz! Du konntest niemals gute Wige machen, aber heute bist du auf der Höhe. Fein, mein Jungchen." Eriffon trocknet sich die Augen.
,, Hör schon bitte auf mit deinem Lachen." James bändigt sich nun mühsam. Ich brauche wirklich das Geld. Kannst du es mir geben oder nicht?"
Es wird brenzlich. Eriksons Gehirn funktioniert fofort eratt. Das Schaltwert der Gedanken hat auf den Knopf ,, Ge schäft" gedrückt, und die Sektlaune iſt nicht mehr da. Sie ist fortgewischt, in alle Winde geblafen. Eriffon atmet ein paarmal tief durch den Mund und erhält dadurch das Aussehen eines sterbenden Karpfens.
Bozu brauchst du das Geld, wenn ich fragen darf?" Jetzt beginnt der Ernst des geschäftlichen Lebens. Etwa für die Aktien?"
James nickt.
Soll Erikson eine große Rede mit väterlichen Ermahnun gen halten? Sie hat doch feinen Zweck und kommt dazu noch zu spät. Das Unglück ist geschehen, daran läßt sich nichts ändern. Jemand hat einen Betriebsunfall erlitten. Ein Schiff mit schwerer Havarie wird ins Trockendock bugsiert. Auch Erikson lag öfters hilflos auf dem Strand und wagte nicht zu japfen. Jezt schwimmt er leicht und fröhlich oben, und Herr Silvester schreit verzweifelt um Hilfe.
,, Warum hast du eigentlich damals die Aktien getauft?" Weil Kurt Eriffon schon seit einem Jahre den Ort der Geld und Brieffurse gemieden hat, will er die Freude an der Spefulation nicht mehr begreifen. Dabei fühlt er feine mora
|
anstaltet der Berein Humboldtrose unter Mitwirkung der weltlichen Schule Ausstellung von Aquarien und Terrarien. Bom 6. bis 13. Eeptember verGotenburger Straße seine diesjährige große Ausstellung von Aquarien und Terrarien. Außer den farbenprächtigen, erotischen Bierfischen ist auch unsere Aquarien mit Fauna der suptropischen und tropischen Meere.
lischen Beängstigungen bei der Erwähnung der Börse. Es fehlte ihm einfach an Zeit. Er verdiente in der eigenen Branche genug. Na ja, Getreide ist kein sehr stolzes Blatt! Die Preise sinken. Die Welt produziert zu viel, und die Ernten sind unverschämt gut. Wie soll man da auf einen grünen 3weig tommen? Bielleicht könnte man einmal die ganzen Vorräte verbrennen oder eine neue, Wunder wirkende Getreidekrankheit erfinden. Ei, würden dann die Preise in die Höhe jauchzen!
James erzählt einige erbauliche Dinge über die sinkende Konjunktur und über Rettungsaktionen, die auf anderen Gebieten unternommen werden müßten, damit man ein beinahe einstürzendes Haus stüßen konnte. Das leuchtet ein, das macht einen seriösen Eindrud. Erikson braucht nichts über die wahren Motive zu erfahren, über die Auswüchse einer romantisch- findlichen Spielerei und über ein glänzendes Geschäft, das mit den Randstaaten in Ordnung ging. Man wird immer bestraft, wenn man vom alltäglichen Weg beruf
licher Pflichterfüllung abweicht.
,, Die Zeiten sind schwer. Wissen wir, ob wir morgen noch unser trockenes Brötchen haben?" Eriffon nicht ernst, so ernst, wie nur Männer niden können, die mit der Welt in Frieden leben und reichlich und gut gefrühstückt haben. ,, Bielleicht singen wir bald auf den Höfen das schöne Lied von dem wiederkehrenden, müden Wanderer. Wer kann in die Zukunft blicken? Vielleicht werfen uns die Herren Bolschewisten Pfennige herunter." Er fährt hoch.„, Ach, ist doch alles Quatsch, blühender Unsinn. Bis jetzt haben wir noch Gott sei Dant die Macht, wir sißen so fest in der Macht, mie wir nicht einmal im Kaiserreich gesessen haben. Das Gesindel fühlt die Kandare, die ihnen das loje Maul blutig reißt." Er schlägt mit der Faust auf den Tisch. Hättest sehen sollen, James, wie die Hunde bellten, als ich Lohnund Gehaltskürzungen vornahm und ein paar entließ. Und nachher tamen fie auf dem Bauch angewinfelt. Stempeln gehen ist kein Bergnügen, und jetzt schuften fie Ueberstunden und friegen zehn Prozent weniger. Wir sind die Herren und werden sie bleiben, die anderen dürfen sich dafür im Reichstag dice tun." Sein Gesicht strahlt. Er sitzt da, angefüllt mit Machtbewußtsein, Seft und Helgoländer Hummern.
,, Ich habe bisher noch nicht abgebaut. Mir erschienen Das ist tatdie Ersparnisse, die ich dabei mache, zu gering. fächlich die Meinung des Getreidekaufmanns James Silvester. ( Fortsetzung folgt.)