(Beilage Sonnabend, 12. September 1931
SprjUmiö Stui/auifa/Ze Atl lbu>aS&
Die Geschichte der Woche:
Von einem, der bauen half
Im Hof des Hauses Dorckstr. 85 in Berlin wurde kürzlich die Fassade renovier!. Beim Abbau des Gerüstes bcschiisligtc man u. a. einen Erwerbslosen, der, wie sich erst später heraus- stellte, die Arbeit in der Höhe nicht gewöhnt war. Er erlitt einen Schwindelanfall und stürzte ab. Der Mann hiest Emil Herzog und war 28 Jahre alt. Seine Adresse konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Wenn im alten Griechenland ein Hausherr Gäste lud in sein Haus, welches das feste Sinnbild seines erreichten Zieles war: dann wurde, ehe der erste frohe Trintfpruch auf den Gastgeber er- folgte, schweigend ein Glas gelehrt zum schweigenden Gedächtnis derer, die zusammengebrochen waren, ehe sie ans Ziel gelangten. Vielleicht wird es auch in Deutschland wieder eine Zukunft geben, die Gäste lädt und Feste feiert; vielleicht wird man dann auch derer ernst und dankbar gedenken, die an dieser Zukunft in bitterer Gegenwart bauen halfen und daran starben; vielleicht... Zu ihnen gehört auch jener Arbeitslose Emil Herzog, der 28 Jahre alt war, und dessen Adresse nicht festgestellt werden konnte. Seine simple und traurige Geschichte soll hier erzählt werden. Grau, kühl und verregnet ist dieser Sommer. Diejenigen, die aus der Stadt in eine karge Erholung fahren konnten, schimpfen viel und meinen, dies fei gar kein Sommer, dies sei ein Herbst. Diejenigen, die in der Stadt blieben, weil sie Löcher in den Schuhen haben und schon ausgesteuert sind, schimpfen längst nicht mehr. Sie hören in den Arbeitsämtern den Stempel dumpf und hart auf die abgegriffene Karte hämmern, und dann gehen sie durch die teilnahmslosen Straßen mit den müde schlendernden Schritten der zu Reichen und der zu Armen: der Ziellosen. Manchmal schlagen sie dumpfe Augen zum Himmel auf, der viel zu trübe ist, als daß das ersehnte Geschenk von ihm herunterfallen könnte: das Geschenk Arbeit. -So geht auch Emil Herzog. In den Löchern seiner Jacken- taschen läßt er seine Finger spielen, weil sie nicht schassen dürfen. Aus einem Torweg tragen Arbeiter Leitern heraus; er bleibt stehen und sieht stumpf zu; mein Gott, warum soll er hasten, wohin soll er hasten? Er hat ja Zeit, von der ein dummes Wort sagt, daß sie Geld sei— ein fürchterlich dumm gewordenes Wort... Einer ruft ihn an:„He, Sie da! Woll'n Se Arbcet haben?" Er lächelt verzeihend. Der Mann hat einen Witz machen wollen, für ihn ist es ein Schmerz geworden. Run ja, lassen wir dem Mann den Witz; was steht man hier auch und hält Maul- äffen feil. Er will weitergehen. „Sin Se valeicht taubstumm, hö?I Ob Se Arbeet woll'n!" Nun bleibt Emil Herzog stehen und sieht den Rufer böse an. Da begreift der erst:„Nee, is ernst! Woll'n Se nu oder nich?" Ach... ach: Arbeit...? Richtige Arbeit, wo man die Hände aus den Taschen nehmen und was anfassen kann, was Hartes, Schweres, Eisen oder Holz oder Ziegelstein? Herrgott: das gibt's? das gibt's heute noch? Daß man so die Straße lang kommt, und in den löcherigen Schuhen quatscht das Wasser, und einer bietet einem Arbeit an, unaufgefordert? „Und ob ich will!" sagt Emil Herzog und begreift nun erst. daß der Mann da der Maurerpolier ist, der zu den Leitern gehört. „Na jut. Denn komm'n Se ma hier durch, hier uff'n Hos. Sehn Se, det Jerüst hier, det muß nu wieda runta von de Fassade. Ick habe mit die meisten von die Leute jleich wo anders zu tun. Zwee bleiben hier, drei« brauchen wir. Woll'n Se inspringcn? Sechzig Fenns« de Stunde!" „gemacht!" sagte Emil Herzog, schnell, hell— schon ganz Arbeiter, schon gar nicht mehr Ausgesteuerter,»ind spuckt in die Hände. „Sie ham doch schon mal uff'n Bau jcarbeet...? stellt der Polier seine letzte Frage. Emil Herzog lächelt überlegen. Nein, er hat natürlich noch nicht auf dem Bau gearbeitet, aber das wird er dem guten Mann gerade aufs Maul schmieren, wo er endlich mal Arbeit hat...! Sechzig Pfennige die Stunde...! Nee, nich zu machen!„Un ob!" sagt er.„Bin ja jroß jeworden uff'n Bau!" „Nu, nu!" lacht der Polier— und die Sache ist perfekt.„Wenn Se't jut machen", fügt er hinzu,„könn Se morjen valeicht wo anders widder ussau'n helfen! Mahlzeit!" Und er verschwindet. Ja— nu müßte man ja eigentlich erst mal'ne halbe Stunde staunen, staunen über so viel Schwein— was heißt Schwein? Diel mehr: sagen wir schon Dusel, sagen wir schon: Glück. Aber man hat keine Zeit zu staunen, nachher wird man sich eine Bockwurst kauscn, mit Salat, denn der Magen knurrt nicht schlecht— nachher, jetzt ruft schon einer von oben nach ihm. Und Emil Herzog klettert die Leiter hinauf, gewandt wie ein Hochtourist, und denkt lächelnd daran, wie er als Kind schon auf dem kleinsten Aussichtsturm schwindlig wurde. Vorbei am ersten Stock, am zweiten Stock, es riecht verdammt gut aus den Küchen, vorbei am dritten, am vierten Stock, hübsche Krabbe sah da eben aus dem Fenster— er ist oben, wo nur schräges Dach noch ist und tiefer, grauer Himmel. Da ist auch schon der neue Kollege und der Lehrling, und da der Flaschenzug. da stellen sie ihn dran: er läßt Balken, Bretter, Kübel hinunter auf den Hof. Er findet, daß er es ausgezeichnet macht, so elegant, so leicht, dabei paßt er eigentlich gar nicht auf; seine Gedanken sind wo anders. zum Beispiel bei der neu geputzten Fassade, die schnieke aussieht. bei dem Geruch nach Mörtel , der etwas fade und grau und doch ganz herrlich ist, denn so riecht Arbeit, bei den Aussichten für die nächste Zeit, die plötzlich über alles Erwarten gut geworden sind. Wie gut das größte Glück sich trägt— ihm ist ganz leicht. Die Balken schwanken im Hinuntersinken wie Federn, dieselben Balken, die so hart auf den Schultern liegen. Genau so ist's mit den Küchendünften. die zu ihm heraufwehen: er schnuppert sie ein, obwohl in der Stirn der Hunger singt wie eine hohe Sirene; Fleisch riechen ist wunderschön, wenn man weiß, daß man nachher Fleisch essen kann. Wie weh aber taten diese Dünste vor einer Stunde noch... Seltsam, seltsam: daß man mit einem Mal so gar keinen Zorn mehr im Bauch hat, Zorn aus die Leute alle, an deren Wohnungen tf im Augenblick vorbeigekommen ijt, die Betten zum Schlafen
Von Gerhard Hermann Moftar haben und Töpfe zum Drinkochen und Frauen zum Küssen. Wie weggeblasen, die Wut, mit einem Mal. Was für ein friedlicher Mensch ist man doch im Grunde... Die oberste Plattform ist abgetragen. Es geht eine Nummer tiefer. Er blickt nicht hinunter, wie er absteigt, er tut, als ginge er teppichbelegte Treppen, dabei sieht er wieder genießerisch die glatte Fassade an. Mag schlimm genug ausgesehen haben vorher, schmuddlig, zerrissen, der Hof ist sowieso eng genug, ein Schlauch, ein Schornstein— wenn aber das Gerüst weg ist, muß es direkt freundlich aussehen. Er steht schon wieder am Flaschenzug. Er freut sich tief mit alle den Leuten, die hier wohnen, und die von nun an aus ihren Fenstern gegen reine Wände schauen werden. Reine Wände, das find schon halbe Wiesen. Und mit den Kindern freut er sich, die morgen hier spielen und nach oben gucken werden:„Au fein, wie in't Kino!!" Eigentlich ne feine, ne schöne Sache, so beim Bau zu sein. Vielleicht— gewiß wird er nun dabei bleiben können. Er stellt sich ja nicht dumm an, gewiß nicht. Wie schön so was ist, das kann nur einer begreifen, der zwei Jahre arbeitslos war; die anderen schuften ja bloß und verstehen das nicht. Leuten, denen man Häuser baut zum Drinwohnen und Dringlücklichsein, die kann man doch eigentlich gar nicht mißverstehen, denen kann man doch eigentlich gar nicht böse sein. Und umgekehrt die Leute auch denen nicht, die bauen. Is doch klar, nich wahr? Er ruft einem Mädchen, das ihm aus dem Fenster zusieht, ein Scherzwort zu. Sie antwortet freundlich. Na also! Können sich doch verstehen, die Menschen, wenn sie bloß wollen! Es fällt ihm ein, daß er neulich in eine Versammlung frommer Leute geriet, Bibelforscher oder so was. Da hat einer vom Turmbau zu Babel erzählt, sehr eindringlich, wirklich, mußte man sagen. Wie die ganze Welt, wie auch Deutschland jetzt ein Turmbau zu Babel wäre, keiner oersteht die Sprache des anderen, keiner mag den anderen, und der Bau wird niemals fertig. Er hat ja gelacht damals, gewiß— aber jetzt muß er dran denken. Jetzt, wo er arbeitet, am Bau arbeitet. Muß bloß jeder Mensch ne Arbeit haben, die einen Sinn hat— dann geht's schon! „Hö!" ruft ihn der Kollege von der anderen Seite des Hofes her an.„Komm ma en bißken hier rllber! Wa schaffen'? nich alleene!" Also schön, wird er rüber laufen. Ist zwar nur noch ein schmales Brett da als Verbindung, macht ja aber nichts. Man wird noch öfter so schmale Bretter laufen, ab morgen wird man ja nicht bloß abreißen, sondern auch aufbauen. Nur die Grüfte, na ja— ist aber auch schon was! Er ist plötzlich wieder in der Wirklichkeit. Spürt den rasenden Hunger, spürt aber auch das beseligende Wisien, daß er ihn wird stillen können. Nur bald, recht bald, er wird zu arg... Und Arbeit, Arbeit!! Zwar aus'm Bau, was er nie gemacht hat, er, der doch früher so leicht schwindlig wurde... macht ja aber nichts, ist vor- bei, gut, daß er gelogen hat vorhin! Und an was für Bauten wird er vielleicht, wird er sicher noch mithelfen, an Bauten bis in den Himmel rein— es ist ein merkwürdiges Gefühl, so da rauf zu blicken, do ist nun auch ein blauer Fetzen, als ob man fliegt, so ist das, schwindlig, nu ja, aber wunderschön schwindlig—— nu mal runter gucken, Bauten tief in die Erde rein gibt's ja auch, was schreit der Affe da drüben...? Vorsicht. Mensch, Vorsicht? Unsinn, nur tapfer runtergucken, und dabei laufen und machen, daß man rüber kommt, der wartet schon... wo is denn das Brett, das schmale Brett, warum kommt denn das Pflaster unten auf einen zu, rasend, schrei um Hilfe, Mensch, schrei!! Vorbei. In seinen dürftigen Papieren fand man seinen Namen, sein Alter, Emil Herzog. 28 Jahre alt— die Adresie stimmte nicht. — Vielleicht wird es auch in Deutschland wieder eine Zukunft geben, die Gäste lädt und Feste feiert; vielleicht wird man dann auch, wie die alten Griechen, der Namenlosen gedenken, die sie bauen halfen und von ihren Gerüsten stürzten, ehe sie vollendet war... vielleicht— ktrsula kriegt Besuch Von Kurt Schmelzer Sie kamen zwar aus verschiedenen Richtungen, aber zufällig zu gleicher Zeit angesegelt wie zwei Fregatten bei hohem Seegang und trafen genau an Ursulas Wagen aufeinander, die beiden Groß- mütier. Von dem fröhlichen Lärm, den sie dabei verursachten, er- wachte Ursula, die friedlich in dem warmen Sonnenschein ge- schlafen hatte, erschrak vor den beiden alten bubikopsgekrönten Ge- sichtern, die sie dicht über sich schweben sah, und erhob ein mörde- risches Geschrei. Großmutter I beschuldigte höflich Großmutter II, sie sei zu laut. Großmutter II gab die Vorwürfe zurück und Brigitte, die jetzt aus der Haustür trat, vom ungewohnten Lärm angelockt, hatte zunächst eine ganze Weile zu tun, die aufgeregten Gemüter zu beschwichtigen, bis sie an die Begrüßung denken konnte. Di« beiden Großväter hatten sich, mit Paketen und Taschen beladen, vorläufig im Hintergrund gehalten und den weiblichen Temperamentsergüssen freie Bahn gelassen; sie wußten aus lang- jähriger Erfahrung, daß man Naturereignisse nicht verhindern kann. Jetzt erschien auch Eberhard und seiner ruhigen Ueberredungs- kunst gelang«z leicht, sämtliche Ankömmlinge ins Haus zu bugsieren. nur Großmutter I benutzte das allgemeine Durcheinander schnell noch einmal, auszubrechen, Ursula aus dem Wagen zu heben und sie mit Küssen zu versehen, wo immer sich Küsse anbringen ließen.- '„Duzi duzi buh buh," redete sie die junge Dame an,„schämst du dich denn gar nicht, du kleiner Nackedei?" Denn Ursula war zu ihrer Freude nur mit«inem winzigen Kittelchen bekleidet, das ihrer Stram-peliust freiefte Bahn ließ.— Ursula siel es gar nicht ein, sich zu schämen. Brigitte kam, nabn,
das kleine Wesen der Großmutter wieder ab, brachte es im Wogen unter und die begeisterte alte Dame ins Haus zu den übrigen, wo sie von Großmutter II mit scheelem Gesicht ob ihre- Uebergriffs «mpsangen wurde. „Deckst du sie denn gar nicht zu, sie mutz sich doch erkälten, wenn sie so halb nackt liegt?" fragte Großmutter I ängstlich. „Merkst du was von Erkältung? So liegt sie alle Tage, wenn die Sonne scheint," lachte Brigitte. „Ja, warum hat denn aber Urselchen keins von den schönen Hängekleidchen an, die ich ihr voriges Mal mitgebracht habe?" fragte Großmutter II die glückliche junge Mutter. „Ach, denk mal, Mama," antwortete Brigitte unbefangen,„aus jedem von den langen Dingern habe ich zwei von den netten kurzen Kittelchen machen können, wie sie jetzt eins an hat." „Du hast die schönen Kleidchen zerschnitten?" sagte Groß- mutier II entsetzt.„Na, da muß ich aber sagen..." Aber nun fand Großmutter I natürlich, daß kurz« Kleidchen doch viel bester für so kleine Mädchen seien.— Es drohte wieder eine Krise einzutreten, da konnte man sich aber an den Kasfeetisch setzen, die Großmütter packten die Pakete mit Kuchen aus, die die Großväter hatten schleppen müssen, und das Gespräch glitt auf neu- tralere Gebiete, Kuchenbacken und so, denn der mitgebrachte war natürlich eigenes Produkt, während Brigitte nur mit Bäckerkuchen aufwarten konnte. Da fiel es Großmutter I ein, man könne doch das unglückliche kleine Wesen nicht so vernachlässigen und es allein und hungrig im Garkn lasten, während man sich hier gütlich tue. Und sie sprang schon auf, es zu holen, als Eberhard ein Machtwort sprach, wie nur er als Vater es wagen durfte:„Ursula bleibt, wo sie ist! Sie ist satt und zufrieden und wünscht nichts weiter, als in Ruhe gelösten zu werden." Großmutter II triumphierte über die Niederlage ihrer Gegne- rin, in deren Augen Eberhard ein Rabenvater war. Aber als dann das Kaffeetrinken beendet war, die Herren sich die Zigarren angezündet hatten und sich zu einem gemütlichen Männerschwatz zusammentaten, waren die Großmütter doch nicht mehr zu halten. Um so mehr, als Ursula, was ja jungen Damen in jo zartem Alter zu begegnen pflegt, etwas Menschliches passiert war. Am liebsten hätte natürlich jede von ihnen das Unglück per- sönlich beseitigt, aber davon wollte Brigitte nichts wissen. Sie Surf- ten aber wenigstens nach Wasser und frischen Windeln rennen und fanden schießlich auch dabei schon erhebliches Genüge. „Viel gerader sind die Beinchen schon geworden," bemerkt« Großmutter II befriedigt.„Hast du ihr sie morgens und abends immer hübsch lang gezogen, wie ich dir gesagt habe, Brigitte? Krumme Beine sind doch beinahe das schlimmste, wa- einer jungen Dame heute zustoßen kann." „Krumme Beine haben nur rachitische Kinder," antwortete Brigitte,„und von Rachitis ist bei dem dicken Strampel, das immer noch di« Brust kriegt, doch wohl keine Rede. Die Beine haben sich natürlich von selber gestreckt." Großmutter II schwieg etwas gekränkt. „Uebrigens wird Urfolchen jetzt ihrem Voter von Tag zu Tag ähnlicher," sagte jetzt Großmutter I. „Außer an den großen Ohren und dem dünnen Haar finde ich eigentlich keine Aehnlichkeit mit Eberhard," meinte Brigitte.„Es kann aber noch kommen." „Ja, die Ohren!" seufzte jetzt Großmutter II.„Ich habe Eber» hard damals immer ein Häubchen aufgesetzt, damit sie bester an- liegen sollten. Das solltest du bei Urselchen auch tun." Brigitte lachte. „Na, der Erfolg ist ja nicht gerade überwältigend, Mama. Ich finde, wir wollen dem kleinen Ding heute noch keine Unbequem- �ichkeiten machen. Wenn sie später Wert darauf legt, kann sie meinetwegen das Haar darüber tun oder Kappen tragen oder sich meinetwegen operieren lasten." Die Großmütter fanden Brigitte roh und wollten an Eberhard- Botereitclkeit appellieren. Aber Brigitte sagte ihnen, der dächte in diesem wie in allen Punkten, was Ursula anging«, genau wie sie. „Wir wollen Urselchen doch eine Banane geben; ich habe so schöne mitgebracht," schlug Großmutter II jetzt vor. „Ja, mit Zucker! Es sieht ja so süß aus, wenn sie ißt," stimmte Großmutter 1 freudig ein. „Ursula kriegt jetzt die Brust und weiter nichts," sagte Bri- gitte energisch.„Banan« gibt's nur zu Mittag, sonst kommt sie mit ihrer Verdauung durcheinander. Regelmäßigkeit ist das aller- wichtigste für so kleine Kinder." „Ich hätte es aber wieder einmal so gern gesehen, wenn sie pappapp macht, das sieht doch zu niedlich aus," maulte Großmutter I. Jedoch Brigitte ließ sich nicht irre machen, Ursula bekam die Brust und trank, wie sie es gewohnt war, in vollen Züg«n. Die alten Damen brachen in Iubelgeschrei aus, und Ursula mußte sich nnmer wieder umgucken, denn neugierig war sie schon, das liegt ja einmal den Frauen im Blut. So gab es immer wieder Stockungen bei der Mahlzeit und es half nichts, die alten Damen mußten das Feld räumen, was natürlich nicht ohne heftige Proteste vor sich ging. Dann mutzten sie noch sehen, wie Ursula schlief, dabei konnten sie sich natürlich nicht enthalten, freudige Jauchzer auszustoßen, die Ursula prompt aus dem ersten Schlummer weckten. Geschrei! Geschrei! Dann gingen endlich die Besucher.
„Ich habe meine Mutter eigentlich als«ine ganz vernünftige Frau in der Erinnerung., Wenigstens kann ich mich aus meiner Jugend durchaus nicht'besinnen, daß sie je mit mir solch Theater gemacht hätte," sagte Brigitte abends zu ihrem Mann.„Wie war es denn bei dir?" „Ebenso," antwortete Eberhard.„Verrückt spielen die Frauen meist«rst, wenn sie Großmutter werden. Das wirst du schon noch an dir selber erleben. Dann denk mal an den heutigen Tag." »Bewahr« mich her Himmel vor mir jelbert" jagte Brigitte.