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Morgenausgabe

Rr. 433

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48.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit".

10 shelf, a

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch 16. September 1931

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Die einfpalt. Nonpareillezeile 80 f. Reflamezeile 5,- R. ,, Kleine An zeigen" das fettgedruckte Bort 25 Pf. ( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 f jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien. anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochen täglich von 8/2 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

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Putschist Pfriemer verhaftet

Auf jugoslawischen Boden.

Wien , 15. September. ( Eigenbericht.) Am Dienstagvormittag um 19 Uhr traf Pfriemer, der Urheber des Heimwehrputsches, in Begleitung von zwei Heimwehrleuten in Marburg ( Jugoslawien ) ein. Er wurde bald darauf von der Polizei festgenommen. Nach einer kurzen Vernehmung auf der Polizeiwache wurde Pfriemer nach Laibach transportiert, wo er sich zur Zeit im Bezirksgefängnis befindet.

Unter der Beschuldigung, die Flucht Pfriemers be. günstigt zu haben, wurde am Dienstag Graf Berthold Stürgkh, der Besitzer des Schlosses Halbenrain bei Mured, ebenfalls in saft genommen. Er wurde dem Be zirksgefängnis zugeführt, bestreitet allerdings jede Schuld. Stürgkh gibt lediglich zu, daß ein Abgesandter Pfriemers bei ihm erschienen sei und ihn gefragt habe, ob er Pfriemer zur Flucht verhelfen könne. Mit Pfriemer ist auch sein ältester Sohn geflüchtet. I

eintraf. Hier hat er die Heimwehrführer alarmiert. Die Wiener Heimwehr wollte zunächst das Ergebnis des Putsches in Steiermart und Oberösterreich abwarten. Immerhin wurden zunächst etwa 2000 Heimwehrleute nach Klosterneuburg entsandt. Sie lagerten dort den ganzen Sonntag über, bis sie abends verhaftet wurden. Aus Oberösterreich sollten die Heimwehrorganisationen auf requi rierten Autos nach Wien gebracht werden. Man hoffte, fich noch im Laufe des Sonntags Wiens bemächtigen zu können. Unter den bei Klosterneuburg verhafteten Heimwehrleuten befindet sich auch ein Neffe des Heeresministers Baugoin.

Das christlichsoziale Weltblatt" behauptet, daß offizielle Stellen Steiermarks von den Butschplänen und deren Durchführung unbedingt Kenntnis gehabt haben müßten. Die ,, Wiener Allgemeine Zeitung berichtet, daß im Zusammenhang mit dem Buisch auch gegen den Obmann der Nationalratsfraktion des Heimatblocks, den Natio­nairat Neustädter Stürmer, belastendes Material zutage ge­fördert worden sei. Die Regierung habe deshalb beim Nationalrat die Aufhebung der Immunität Neustädters beantragt.

Die Vernehmungen der in Haft befindlichen Heimwehrführer haben nach dem neuen Wiener Tageblatt" bisher folgen. Aufbahrung der Putschopfer.

des ergeben: In Heimwehrkreisen war feit ungefähr zwei Wochen

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Putschoperette.

Geh ma heim und sag'n ma's war nix!"

Von Oskar Pollak.

sid nadur sons) 1 Wien , 15. September. Selten ist ein politisches Ereignis so außerhalb jeder Be­ziehung zu Zeit und Ziel erfolgt, wie der Sonntagsputsch des steirischen Advokaten Pfriemer, der zwölf Stunden lang zwischen Judenberg und Mürzzuschlag Staatsgewalt spielte. Die faschistische Heimwehr, die in den Jahren 1929 und 1930 in Desterreich ein bedrohlicher Faktor der Politik war, ist heute ein zerriffener Haufe, von dem nur ein kleiner Teil den Befehlen des Herrn Pfriemer folgte; der Heimwehrputsch, der vor zwei Jahren ernste Drohung, noch vor einem Jahr gefähr= liche Möglichkeit schien, war in dem Augenblick, in dem er mun versucht wurde, eine österreichische Operette. Was in ernſten Stunden, in schweren Kämpfen verhindert werden mußte, damit es sich nicht als Tragödie ereigne, geschah nun tatsächlich als Farce.

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Wahrhaftig aus heiterem Himmel fam in den ersten Morgenstunden des Sonntags die Nachricht nach Wien , daß die steirische Heimwehr losgeschlagen habe. Man wollte es zuerst faum glauben: in diesem Desterreich, das mit den schwersten Wirtschaftssorgen einer einschrumpfen­das soeben wieder den Völkerbund um Geld bittet und als den Industrie und einer rückständigen Landwirtschaft ringt,

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bekannt, daß Pfriemer etwa Mitte September ,, losschlagen" wollte. due Wien , 15. September. ( Eigenbericht.) Es bestand ein strategisch- taftischer Plan, daß erst die Heimwehr Am Mittwoch werden in Brud auf dem Hauptplah die Leichen Nordoststeiermarts vorgehen sollte. Dann sollte Graz zerniert und der beiden während des Heimwehrpulsches in Kapfenberg getö- Antwort ein strenges Spargebot empfängt in diesem Dester­eingenommen werden. Von Graz hofften die Heimwehrführer fichteten Arbeiter aufgebahrt und von hier nach Kapfenberg Ler Eisenbahnlinien bemächtigen zu fönnen. Gleichzeitig sollten die österreichischen Heimwehren losschlagen und auch von Oberösterreich nach Wien losgehen.

Es sollte zugleich von beiden Ländern konzentrisch der Angriff auf Wien erfolgen. Man hoffte durch den Erfolg in Steiermark und Oberösterreich auch die übrigen Bundesländer mitzureißen und in Wien Einzug halten zu können. Der Termin der Sonntag­nacht wurde erst in letter Stunde bestimmt und nur den eingeweihten Führern bekanntgegeben. In der Nacht war ein eigener Kurierdienst eingerichtet

worden.

Ein Heimwehrfurier wurde am Sonntag um Mitternacht in einem Auto von Mariazell nach Wien geschickt, wo er um drei Uhr morgens

gebracht werden, wo ebenfalls eine Trauerfeier abgehalten wird. Die Särge werden dann in Automobilen nach Wien gebracht. Unter­wegs werden die lokalen Organisationen der Sozialdemokratie und des Schußbundes Spalier bilden. In Wien sollen die Särge im Krantenfaffenheim aufgebahrt werden. Die Einäicherung der Opfer des verbrecherischen Putsches ist auf Donnerstag nachmittag angefeht.

reich ein Putsch? Und doch war es wahr: uniformierte Heim­wehrmänner, das Gewehr über der Schulter, den Hahnen­schwanz auf dem Hut, marschierten nächtlicherweile in den steirischen Ortschaften auf, patrouillierten und requirierten, sperrten Straßen ab und besetzten Bürgermeisterämter, hielten Autos an und verkündeten durch Maueranschläge, daß Herr

Italien feiert nur geglückte Faschistenputsche. Dr. Pfriemer eine neue Verfassung dekretiert habe. Sonst

Rom , 15. September. ( Eigenbericht.)

Der Putsch der österreichischen Heimwehr wird auch vom offiziellen Faschismus scharf verurteilt. Mussolinis Bruder erklärt am Dienstag in einem Leitartikel seines Blattes, daß der Verfuch der Heimwehr in Lächerlichkeit geendet habe. Immerhin sei der Putsch in Desterreich eine ernste Warnung für alle Staaten.

Banfenkontrolle-weiße Salbe?!

taten sie freilich nichts; Verhaftungen wurden nur in wenigen Fällen vorgenommen, und wo sich ein Bürgermeister energisch genug weigerte, die neue Regierungsgemalt anzuerkennen, dort sah man ,, vorläufig" davon ab, ihn zu zwingen. Das Telephon ins besetzte Gebiet funktionierte den ganzen Tag ungestört, und die drei Eisenbahnstationen, die die Heimwehr in Besiz nahm, wurden, als die Eisenbahner drohten, den Dienst einzustellen, bald wieder geräumt. Selbst in Leoben , dem Hauptquartier des steirischen Faschismus, beschränkte sich die Machtausübung auf die Besetzung der Gasthöfe. Hier saßen sie mun, standen hinter Maschinengewehren, marschierten auf den Straßen und warteten.

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Man ließ ihnen freilich Zeit dazu. Als die Nachrichten. von der Aktion des Hochverrats und des Wahnwizes in Wien eintrafen bezeichnenderweise erfuhr der Re publikanische Schutzbund von dieser Revo­Iution früher als die Regierung, gaben die stand der Politif des notwendigen Bankenamts hätte fein Bundesbehörden den Befehl hinaus, die Bewegung zu unter­müssen, nachdem die Reichsbant heute noch von den privaten drücken. Aber für solche Befehle ist der Weg von Wien nach Kräften des Generalrats abhängig ist. Durch ihren Einfluß Steiermark , den ein Auto in drei Stunden bewältigt, ziemlich im Generalrat wären die Banken also schließlich wieder ihre lang: es erwies sich, daß die steierischen Behörden ihre eigene eigenen Kontrolleure. Eine solche Konstruktion ist eine Un- Ansicht von der Sache und keineswegs Luft hatten, die von

Kein Bankenamt.- Nur ein Reichskommissar bei der Reichsbank! Wie wir hören, hat das Reichswirtschaftsministerium dem| bestimmenden Einfluß hat, deren Politit selbst wieder Gegen­Reichskabinett einen Gesezentwurf über die Bantaufficht vor­gelegt, der bereits am Montag beraten wurde und der am Mittwoch verabschiedet werden soll. Der Entwurf sieht die Einsetzung eines Reichskommissars für das Bankwesen bei der Reichsbank Der Kommissar soll vom Reichspräsidenten ernannt werden

yor.

und dem Wirtschaftsministerium unterstehen.

Der Reichskommissar für das Bankwesen soll die Befugnis haben, Auskünfte von den Banten über alle geschäftlichen Borgänge zu verlangen, die Einsicht von Büchern und Schriften zu fordern und entsprechende Mitteilungen an die fatzungs­mäßigen Organe oder an die Aufsichtsbeamten zu richten. Er fann nach dem vom Wirtschaftsministerium ausgearbeiteten Gesezentwurf an den Generalversammlungen und Verwaltungsratssitzungen der Banken teilnehmen, die Einberufung derartiger Sizungen ver­langen und schließlich Ordnungsstrafen verhängen.

Im einzelnen soll die Tätigkeit des Reichskommissars für das Bankwesen von einem Kuratorium festgelegt werden, das aus dem Reichsbankpräsidenten, den Staatssekretären des Reichswirt­schaftsministeriums und des Reichsfinanzministeriums, einem Mit­gliede des Reichsbankdirektoriums und dem Reichskommissar be­stehen soll.

Weiter verlautet, daß der Ministerialdirektor Ernst vom Preußischen Handelsministerium, der frühere Staatskommissar an der Berliner Börse und der eigentliche Organisator der Banten feiertage, als Reichskommissar in Aussicht genommen fei.

Wenn die Reichsregierung sich den Vorschlägen des Reichswirtschaftsministeriums anschließt, dann ist eine den volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten entsprechende Banken­und Kreditkontrolle nicht mehr zu erwarten. Von der un­bedingt erforderlichen Betriebskontrolle bei den großen Bantfchuldnern, von der Kontrolle der Kreditlenkung zur Berhinderung von Fehlinvestitionen fann bei den unzuläng lichen Bollmachten des Kommissars feine Rede sein. Zudem sollen die Richtlinien für die Tätigkeit des Kommissars von einem Kuratorium feftgelegt werden, in dem die Reichsbant

möglichkeit.

2011

Boizenburg verboten.

Die Tätigkeit Alexanders verhindert.

Schwerin , 15. September. ( Eigenbericht.) Die Regierung von Mecklenburg- Schwerin hat auf Grund der Notverordnung des Reichspräsidenten verfügt, daß die bisherigen Bürgermeister von Boizenburg und Wittenburg zunächst bis zum 1. April 1932 weiter im Amt bleiben. Dadurch wird die Wahl des Kommunisten Dr. Alexander zum Bürgermeister von Boizenburg und die Wahl des Nationalsozialisten Beymann zum Bürgermeister von Wittenburg vorläufig illusorisch gemacht.

Er

Herr Alexander hat bereits erklärt, daß er eine Arbeitermiliz zum Kampfe um Boizenburg aufstellen und mit ihr den Anord­nungen der Staatsregierung jeden Widerstand leisten werde. hat es sich inzwischen jedoch überlegt. Er wird auf Amt und Miliz verzichten. Die Sowjetkommune fann in Boizenburg mit seinen 5000 Einwohnern beim besten Willen nicht errichtet werden.

Hilfsmaßnahmen für Lehrer.

Konferenz der Lehrerverbände im Bildungsministerium. Im preußischen Kultusministerium werden zur Zeit Hilfs maßnahmen für die durch die Notverordnung der preußischen Regierung vom Abbau bedrohten Lehrer vorbereitet. Der preußische Kultusminister hat die Borsitzenden sämtlicher Lehrer­verbände für Donnerstag zu einer Besprechung der in Aussicht ge­nommenen Hilfsmaßnahmen gebeten.

Wien gewünschte Energie wirklich aufzuwenden. Hat doch der steierische Landeshauptmann Rintelen, einer der ge­finkeltsten Schlauföpfe und korruptesten Geschäftspolitiker unter den christlichsozialen Provinzpaschas, im Laufe des Vor­mittags allen Ernstes nach Wien gemeldet, die anbefohlene Entfendung von Militär aus Graz sei noch nicht möglich ge= wesen, weil man die tags vorher vom Manöver gekommenen Truppen noch nicht auf die Beine gebracht habe! Um das zu verstehen, muß man wissen, daß die Steiermark in der öfter­reichischen Nachkriegspolitik eine besondere Stellung ein­nimmt: sie ist das Land der Alpinen- Montangesellschaft, der Schwer- und Stahlindustrie, die den Heimwehr - Faschismus mit ihrem Gelde großgezüchtet hat, zugleich das Land, dessen Spießbürger unter ihrer eigenen Steirertracht den, aller­eigensten Provinzpartikularismus hegen und dessen reaktio­näre Großgrundbesizer über die Grenze hinweg mit den un­näre Großgrundbesizer über die Grenze hinweg init den un­garischen Grafen liebäugeln. In der Steiermark hat die un­saubere Politik der kleinen Provinzgrößen pon der Bierbank und der Steirerbant, hat die noch unsauberere Verfilzung des behördlichen Apparats mit dem gesellschaftlichen Einfluß der Heimwehr ihre Stätte: Bezirkshaupfleute und Richter sind Heimwehrführer, ein hoher Gendarmerieoffizier ist Heim­wehrabgeordneter und der Landeshauptmann selbst trägt den Ehrenhut" des Heimatschuzes. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, daß die Kameraden" im Staatsdienst den Kameraden im Heimatschußdienst, die gerade ein bißchen Butsch trieben, nicht meh tun wollten. So fonnte es ge­