1. Beilage zum„Vorwärts" Berliner VoMlatt. Ur. 145. Mittlvoch» den 24. Imn 1896. 13. Jahrg. NeirZzskttA. 112. Sitzung vom 23. Juni. 12 U h r. Am Tische des BundesratheS: Fürst zu Hohenlohe. Nieberding, Frhr. v. H a m in e r st e i n und zahlreiche Rommissarien. Die zweite Berathung des Bürgerlichen Gesetz- buch es wird fortgesetzt und zwar bei den§§ 819 und 819a betreffend den Wildschadenersatz. Die Vorlage wollte nur den Ersatz des Wildschadens, welchen Schwarz-, Roth-, Elch-, Damm- ober Rehwild ver- Ursachen, den Jagdberechtigten auferlegen. Die Kommission hat auch die Hasen und Fasanen in§ 319 aufgenommen und außerdem einen neuen§ 819 a hinzugefügt, daß für Schaden durch Schwarz- und Rothwild, das seinen Stand in einem anderen Jagdbezirl hat, der dort Jagdberechtigte zum Ersätze verpflichtet sein soll. Die Abgg. Graf Mirbach und v. Stumm(Rp.) beantragen übereinstimmend, beide Paragraphen zu streichen und im Eiuführungsgesetz eine Bestimmung binzuzusügen, wonach die landesgesetzlichen Bestimmungen über Wildschadenersatz unberührt bleiben sollen. Abg. v. Giiltlingen(Rp.) will wenigstens die Hafen aus dem K 819 streichen. Vom Abg. Lenz mann liegt eine andere Fassung des tz 819» vor, welche folgenden Wortlaut hat:„Wird der Schaden durch Schwarz- oder Rolhmild verursacht, das seinen Stand in einem anderen Jagdbezirk hat, so ist dem Ersatzpflichtigen gegen- über derjenige für de» Schaden verantwortlich, welcher ersah- pflichtig sein würde, wenn das beschädigte Grundstück in dem andere» Jagdbezirk läge." Abg. Pauli(Rp.) bezeichnet den einzeln lebenden Hasen als ein für die Felder unschädliches Thier, die Gemeinden würden es in erster Linie spüren, wenn für ihn Schadenersatz eingeführt würde. � Abg. Graf Mirbach(k.): Juristisch ist die Frage des Wildschadenersatzes leicht zu lösen, aber praktisch um so schwieriger. Die Wälder und Felder liegen vielfach im Ge- menge und die Regrcßpflicht läßt sich garnicht genau feststellen. Sie besteht jetzt nur in der Provinz Hannover . Der Erfolg der Annahme des§ 819» wäre die Eingatterung und die Haltung eines großen Wild- standes, um die Kosten zu decken. Dadurch würde die Holzzucht erheblich leiden. Abg. Gröber(Z.): Die Herren, welche behaupten, daß die Wildschadenfrage nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch gehöre, vergessen ganz, daß es sich hierbei um den Schutz des Eigen- thums handelt, lieber den Umfang des Ersatzes kann eine Meinungsverschiedenheit herrschen, aber bezüglich des Grund- fatzeS sollte eine Meinungsverschiedenheit nicht vorhanden sein. Preußischer Landwirthschaftsminister v. Hammerstei«: Alle diese Dinge sind bisher in den einzelnen Bundesstaaten im wesentlichen als Fragen des öffentlichen Rechts behandelt worden. Das gesammte Wild stellt«inen erheblichen Theil des nationalen Wohlstandes und der Volksernährung dar;(Zu- stimmung rechts). Für mich liegt eine gebundene Marschroute vor. Die preußische und die verbündeten Regierungen haben zu- geftonden, vielleicht mit Rücksicht auf die allgemeine öffentliche Meinung, daß man diesen Theil des JagdrechtS , die Wild- fchadenfrage in das B. G. B. ausnehmen und dort regeln solle. Wir wollen unsere Jagd erhalten und sie nur da einschränken, wo sie sich der landwirthschaftlichen Kultur schädlich erweist. Es handelt sich jetzt darum, welchen Werth die Zusatzanträge haben. Was die Aufnahme deS Schadenersatzes für Fasanen betrifft, so ist es eine feststehende Thatsache, daß einzelne Fasanen keinen großen Schaden anrichten. Bei großen Fasanengehegen, Fasanerien, kann der Schaden allerdings ein eminent empfindlicher sein, ihn trägt aber der Großgrundbesitzer, der sich eine solche Fasanerie hält. Auch der Schaden, den ein Hase, der einmal «ine Runkelrübe auf dem Felde herausnimmt, verursacht, ist nicht groß. Allerdings kann der Hase unter Umständen ein viel gefährlicheres Thier sein als das Rothwild, die Rehe u. s. w., nämlich im Winter bei Schneefall und je nachdem waS ihm zugänglich ist. Jeder Bamnschulenbesitzer und Gärtner muß seine Besitzung schützen, sie einfriedigen. Das muß man von ihm verlangen. In Hannover ist allerdings durch gerichtliche Erkenntnisse entschieden, daß eine Schadenersatzpflicht auch dann besteht, wenn dies unterblieben ist. Aehnlich ist es in Ost- frieslaud. Die kleineren und mittleren Besitzer, die kraft der Gesetzgebung nicht das Jagdrecht ausüben können, hatten bisher aus den Jagdverpachtungen eine ganz enorm hohe Einnahme. (Zustimmung rechts.) Im Westen sind Gemeinden, in denen 4—5 M. Pacht pro Morgen bezahlt wurden. Durch die Auf- nähme der Schadenersatzpflicht schaden sie gerade den kleineren und mittleren Besitzern. Der Schade», den der Hase anrichtet, trifft entweder den Grundbesitzer oder den Pächter, und diese mögen die Sache unter einander ausmachen. Abg. v. Giiltlinge«(Rp.) schließt sich den Ausführungen des Ministers bezüglich der Hasen vollständig an und empfiehlt die Annahme seines Antrages. Abg. Lcnzmann spricht seine Verwunderung darüber auS, daß der preußische Landwirthschaftsminister unter dem Beifall der Herren vom Bunde der Landwirthe sich ausgesprochen hat gegen den Schutz der kleinen Landwirthe. Redner drückt seine Befriedigung darüber aus. daß er erst nach Herrn Gröber zu Worte komme, denn man könne doch nun ersehen, wie der Hase läuft.(Heiterkeit.) Der Handel scheint nicht zu stände ge- kommen zu sein. Wir werden den Antrag auf namentliche Abstimmung nicht zurückziehen, damit wir ersehen können, wo diejenigen fitzen, die es mit der Landwirthschast gut meinen. Redner verweist auf die Broschüre des Oberforstmeisters Dankel- mann, welche die Gründe zusammenfaßt, die dazu führen sollen, die Hasen anszunehmen. Es werde da hervorgehoben, daß der einzelnspeisende Hase keinen großen Schaden anstifte. Ich weiß nicht, ob die Gesellschaft gerade de» Appetit reizt.(Heiterkeit) Mir ist es gleich. ob eine Million Einzelhase» die Feldsrüchte abfressen oder ob dies in Rudeln geschieht. Im Osten mag der Bauer seine Gärten einhegen können. aber im Westen hat jeder Ardeiter seinen kleinen Garten, den er nicht einfriedigen kann, weil die Kosten nn Verhältniß zu seinem Ertrage zu groß sein würden. Die Zahl der Prozesse wird sich deswegen nicht vermehren, daß die Bestimmung des§819» angenommen wird. Wenn sie dahin führt, daß die Wälder eingegattert werden, so werde» wir uns sehr darüber freuen. Wie viel Wild die Grundbesitzer sich in den eingegatterten Wäldern halten wollen, ist ihre Sache. Hier können die Herren von der Rechten zeigen, ob sie für die kleinen Landwirthe sorgen wollen oder ob bei ihnen der kleine Landwirth erst bei 309 Morgen anfängt.(Widerspruch rechts.) Redner empfiehlt seinen lediglich redaktionellen Antrag zu§ 819». Abg v. Mantenffel(k.): Herr Lenzmann hat eine so kolossale Unkenntniß bezüglich des Hasen an den Tag gelegt, daß ich doch glaube er weiß nicht, wie der Hase läuft.(Heiterkeit.) Bewiesen hat Herr Lenzmann in keiner Weise, daß die Rom - missionsvorschläae den kleineren und mittleren Grundbesitzern von Nutzen sein würden. Ich bestreite dies. Wie soll der Hasen- schaden festgestellt werden. Im Winter machen die Mäuse sehr viel mehr Schaden als die Hasen. Wollen Sie darüber auch noch eine Bestimmung in das Gesetz aufnehmen?(Heiterkeit rechts, Gelächter links). Herrn Gröber's Kenntniß vom Hasen übertrifft die des Herrn Lenzmann nicht. So boshaft ist der Hase nicht, daß er, nachdem er sich an Kohl sattaefressen hat, die Baumrinde benagt. Das thut er aus Roth oder seiner Gesundheit wegen.(Großes Ge- lächter.) Abg. Frohme(Soz.): Der Landwirthschaftsminister bat sich heute als eigentlicher Jagdminister entpuppt. Es ist charakteristisch, mit welcher Erregung heute über diese Frage von der Rechten debattirt wird, während sie viel wichtigere», ent- scheidenden Fragen mit dem Gefühl vollständigster Wurschtigkeit gegenüberstand! Zur Frage des Vereinswesens, des Arbeits- Vertrages, des Gesindewesens, welche die Interessen von Millionen betrifft, haben die Herren eS nicht der Mühe werth gehalten, Stellung zu nehmen. Hier aber, wo es sich um die noblen Passionen von einigen tausend Leuten handelt, da geralhen Sie in Feuer. Der Vor- redner hat sogar die Drohung ausgesprochen, daß seine Partei, wenn ihren Wünschen nicht entsprochen würde, überhaupt keine Lust haben dürfte, an den Berathungen des Bürgerlichen Gesetz- buches sich zu betheiligen. Es muß vor aller Welt fest- gestellt werden: Dreihundertfünfzig Jahre nach dem Bauern- kriege, welcher verursacht war durch die Unverschämt- heil, Habsucht und den Uebermuth des Adels, hundert Jahre nach der französischen Revolution. welche zum theil aus denselben Ursachen entsprang, erheben Sie(rechts) hier einen Anspruch mit einer Anmaßung, die nicht mit dem Gerechtigkeits- gefühl und dem Rechtsbewußtsein deS Volkes zu vereinbaren ist. Die Einnahme aus den JagdpachKn, die Ausgaben für Waffen und Munition, alles wird angeführt, um die Unnöthigkeit des Wildschadenersatzes zu beweisen. Die Bauern werden sich für eine Verbindung mit Ihnen bedanken. Man will die Sache der Landesgesetzgebung überlassen. Ein schlechter Trost! Die Konservative», das Junkerlhum habe bereits solche Versuche zu vereiteln gesucht. Ich erinnere an die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses von 1890,91. Der Bauer soll den Junkern bei der Jagd tributär sein. Sie(rechts) sind aus den feudalistischen Anschauungen noch nicht heraus. (Widerspruch rechts.) Ich hoffe aber, daß es nicht ge- lingen wird, die Beschlüsse der Kommission zn beseitigen. Wir machen von der Annahme dieser Bestimmung die Zustimmung zur ganzen Vorlage abhängig. Erreichen Sie Ihren Zweck, so mögen Sie dies vor der Wählerschaft, vor dem deutschen Volke verantworten. Im Grunde genommen, können Sie nichts besseres thun, um den von ihnen noch getänschten Bauern endlich die Augen zu öffnen.(Beifall links.) Preußischer Oberforstmeister Dankelmann: Es handelt sich hier um die viel umstrittene Frage der Hasenschaden- Ersatzpflicht. Ich behaupte nach wie vor, daß die Hasen nur einen unbedeutenden Schaden anrichten. Man spricht immer von dem Schaden, der durch das Aesen der Hasen entsteht, aber von dem Quantum ist nicht die Rede. Die Hasen vernichten viel weniger durch das Aesen, als dadurch, daß sie massenhaft zusammensitzen. Oft wissen die Leute den Schaden von Hasen und Kaninchen nicht zu unterscheiden. Die Hafenschaden-Ersatzpflicht besteht in befchränklem Umfange in einzelnen Bundesstaaten; in Hannover und Schaumburg-Lippe besteht sogar die unbeschränkte Hasenschaden-Ersatzpflicht. Im Großherzogthum Hessen bestand fie bis 1395; sie wurde auf- gehoben. weil es sich unwiderleglich herausgestellt hatte— eS war dies unbestritten vom Regierungslische hervor- gehoben worden in der hessischen Kammer— daß infolge der Ersatz- pflickt Mißbräuche, Prellereien, chikanöse Prozesse und Un- gerechtigkciten eingetreten waren. Wenn Sie die hier vor- geschlagene Bestimmung zum Gesetz erheben, so würde ein großer Theil der deutschen Hasenjagd ruinirt, und das ist ein volkswirthschaftlicher Nachtheil, denn zweifellos ist die Hasenjagd eine einträgliche Jagd. Mit ihrer Beschränkung geht ein gutes Stück Volkspoesie und Volksfreude verloren.(Gelächter links) Die Gemeinden hätten von einer solchen Bestimmung geradezu Nachtheil, denn die Genicinschast der Kleingrundbesitzer sind die Jagdverpächter. Die Baumschulenbesitzer und die Obstbau- treibenden find bereits geschützt. Die Bestimmung, welche Ihre Kommission will, ist nichts mehr und nichts weniger als eine Prämie auf schlechte Wirthschaft; die Umzäunungen würden weggerissen werden. Es ist un- zulässig, nach den Erfahrungen von Hannover ein Recht einzuführen, welches sonst nirgendwo in der Welt besteht und sich in Hannover nicht bewährt hat. Es steht im Gegensatz zu den elementarsten Grundsätzen jeder Kodifikation. Das Jagdrecht wird im ganzen Reiche als Ausfluß des Grundeigenthums an- gesehen und der Wildschadenersatz kann auch einheitlich geregelt werden, wie es durch§ 319 der Vorlage geschehen ist. Die Regierung legt aber andererseits Werth darauf, das Bürgerliche Gesetzbuch nicht mit Vorschriften jtl belasten, die wegen ihrer sachlichen Unzweckmäßigkeit und praktischen Undurchführbarkeit niemals in die Wirklichkeit treten können.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. v. Stein(k.) wendet sich namentlich gegen die Regreß- Pflicht und führt auS, daß sie garnicht durchführbar sei. Die jagdbaren Thiere sind rss nullius und gehören erst dem, der sie okrupirt. Deshalb kann man den Grundbesitzer nicht schadens- ersatzpflichtig machen, aus dessen Revier die Thier« ausgetreten sind. Redner erklärt, daß die Konservativen gegen das ganze Bürgerliche Gesetzbuch im Falle der Annahme der Kommissions- vorschlüge stimmen würden. Präsident von Buol theilt mit, daß drei namentliche Ab- stimmungen beantragt sind.(Große Unruhe.) Abg. Rickert(srs. Vg.): Wir müssen doch hier feststellen, daß die Herren(rechts), wenn ihnen in dieser Wildschadenfrage, die doch nicht sehr bedeutend ist. ihr Wille nicht geschieht, nicht mehr mitmachen wollen. DaS ist Ihre nationale Politik! (Große Unruhe rechts.) Bei der Berathung des preußischen Jagdgesetzes sagte der Bauer Conrad- Pleß, daß die Groß- gruudbesitzer ganz frei ausgehen, ebenso der große Sünder. der Forstfiskns. aber die Bauern, die bisher schon mit Ruthen geschlagen seien, würden mit Skorpionen gezüchtigt werden. Bei dem Beeren- und Pilze-Paragraphen waren die Jagdsreunve so tapfere Verfechter des Eigen- thums, daß ich jetzt ihre» Widerspruch garnicht verstehen kann. (Beifall links.) Der Landwirthschafts- Minister, den die Rechte sonst so schlecht behandelt hat, fand heute eine bessere Temperatur. Der Minister hätte uns doch einmal Zahlen vorbringe» sollen. 11 Millionen soll nach einer Statistik der Nutzen der Jagd betragen; der Wildschaden ist jcdensalls sehr viel größer. Die Sache muß reichsgesetzlich geregelt werden, denn es sind schon zu viel Ausnahmen gemacht worden. Abg. Lieber(Z.): Ich kann nicht sagen, daß ich die Er- klärung des Herrn v. Stein sehr bewundere. Aber böse Beispiele verderben gute Sitten. In der Nähe des Herrn Rickert sitzen Leute, welche das Bürgerliche Gesetzbuch zum Scheitern bringen wollte». Wir müssen uns wirklich die Frage vorlege», ob wir an den Hasen das Bürgerliche Gesetzbuch scheitern lassen wollen.(Heiter- k-it.) Wir sind in einer wenig erfreuliche» Lage.(Zuruf des Abg. Singer: In einer bemitleidenswerthen Lage!) Wir hören, daß die Konservativen nicht mitmachen wollen, und wir müssen fürchten, daß, wenn wir Herrn Lenzman» folgen, er uns nachher im Stiche läßt. Deshalb kommen wir lieber den Konservativen entgegen.(Große Unruhe.) Herr Gröber hat ebenfalls erklärt, wenn der Fortschritt nicht gemacht werden könne, dann solle wenigstens kein Rückschritt gemacht werden. Wir bleiben auf diesem Standpunkt stehen, w i r geben die Hasen und den§819» auf, aber wir wollen nicht den ganzen Wildschaden-Ersatz verschwinden lassen. Wir üben diesen Verzicht mit schwerem Herzen.(Gelächter links.) Wer in fo geringer Zahl vorhanden ist(Zuruf links: Wir sind mehr wie Sie!), der kann leicht darüber hinweggehen. Aber wer die Verantwortung dafür tragen muß, der muß es sich doppelt überlegen.(Zuruf links: Dann sollten keine solchen un- verschämten Forderungen gestellt werden!) Ein Theil meiner Freunde war von vornherein gegen die Vorschläge der Kom- Mission. Ich kann auch offen bekennen, daß ich durch die Aus- führungen des Ministers und desOberforst- meisters Dankel mann überzeugt bin.(Heiterkeit.) Wir thun, was wir erklärt haben, nnt dem Bewußtsein, auch dadurch das nationale Werk gefördert zu haben. (Gelächter links; Beifall rechts.) Abg. v. Bennigsen(natl.): Ich halte mich verpflichtet, einer Aeußerung des Abg. Lenzniann entgegenzutreten, daß die Hannover - schen Bauern, speziell die Mitglieder der Kreistage und des Pro- vinzial-Landtages, bei Beralhungen und Beschlußfassungen über derartige Gegenstände sich als Kreaturen der Großgrundbesitzer er- wiesen haben. Herrn Lenzmann müssen wirklich die hannoverschen Verhältnisse sehr unbekannt sein.(Sehr richtig!) Der Hanno- versche, der niedersächsische Bauer zeichnet sich durch große Ruhe, Festigkeit und Selbständigkeit aus(Sehr richtig!) und er ist sehr wenig geneigt, sich überhaupt von irgend einer öffentlichen Ge- walt als Kreatur verwenden zu lassen.(Sehr richtig!) Die Grundeigenthumsverhältnisse in Hannover find auch ganz anders geartet als in vielen Theilen unseres deutschen Vaterlandes. Der hannoversche Bauer besitzt mehr als achtzig Prozent des kultivirten Grund und Bodens, der Rittergutsbesitzer nur etwa 6 pCt. Die Zahl der Groß- gruudbesitzer in den Kreistagen und im Provinziallandtaa ist dementsprechend eine verhältnißmäßig recht kleine und von einem Abhängigkeitsgefühl oder gar einer Abhängigkeit in facto ist bei den Bauern niemals die Rede gewesen. Soviel zur Berichtigung dieser ungewöhnlich irrthümlichen Auffassung des Herrn Lenzmann. Im Gegensatz zu dem Herrn Landwirthschajtsminister bin ich der Meinung, daß der Wildschadenersatz nach der historischen Ent- wicklung dieser Verhältnisse in das Bürgerliche Gesetzbuch gehört. Ich lege entscheidende» Werth darauf, daß der Grundsatz in der von mir bezeichnete» Begrenzung in die Vorlage ausgenommen wird. Für den Zusatz der Kommission lassen sich Gründe für und wider anführen, aber von so großer Bedeutung ist die Frage unter keinen Umständen, daß sie das Schicksal des Bürgerlichen Gesetzbuches entscheiden kann.(Unruhe links. Abg. Bebel: Traurig genug! Rufe links: Die rechts sind es!) Bezüglich der Regrebpflicht sind in der Presse Mißverständnisse untergelaufen. Es handelt sich in keiner Weise um die Entschädigung; diese Frage ist davon ganz unabhängig. Der Wildschaden, der einem einzelnen Bauern zugefügt wird, wird ja unter allen Umständen entschädigt, mag die Bestimmung aufgenommen werden oder nicht. Eine andere Frage ist es, ob es nicht aus juristischen Gründen billig und gerecht ist, daß derjenige, welcher zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, fich schadlos halten kann an jemand, der für den Wild- schade» eigentlich aus höheren Gerechtigkeitsgründen aufkommen muß. Nach den hannoverschen Erfahrungen ist die praktische Anwend- barkeit dieser Bestimmung sehr gering. Deshalb darf man nicht hartnäckig daran festhalten.(Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Abgesehen von Hannover hat eine solche Bestimmung noch nirgends in Deutschland und außerhalb Deutschlands bestanden. Ich bin nicht so eingebildet, daß ich diese Bestimmung von Hannover als Muster aufgestellt haben will. Wollen wir da§ Gesetz zu stände bringen, fo müssen wir von allen Seiten gegen- seitig Resignation üben.(Beffall bei den Nationalltberalen.) Abg. v. Dziembotvski erklärt namens der Pole», daß sie für die Streichung des Hasen stimmen würden, weil der Hasen- schaden nicht so groß sei, daß deswegen ein Prozeß angestrengt würde. Redner fragt a», ob ein Pächter gegen den Besitzer der gepachtete» Grundstücke einen Schadenersatzanspruch hat, wenn dieser die Jagd, die er sich vorbehalten hat, ruhen läßt und da- durch Wildschaden verursacht. Abg. v. Stumm(Rp.): Meine Freunde mckchen von der Gestaltung der§§ 619 und 319» ihre weitere Mitarbeit nicht abhängig; nichts destoweniger verlangen sie die Be- seitigung des Hase» aus§ 819, nicht weil der Ersatz deS von ihm angerichteten Schadens eine große Bedeutung hätte, fvndern weil dadurch der Anlaß zu vielen Streitigkeiten gegeben würde. Da das Zentrum uns entgegenkommt, brauche ich auf die Sache nicht einzugehen. Ich muß nur dagegen protestiren, daß wir durch unsere Anträge auf Streichung unS als Gegner des Wildschadens erkennen. Mr erhalten doch damit nur den Zustand der Landesgesetzgebung aufrecht. Die Wildschadenfrage hängt mit dem Schongesetz und anderen Ge- setzen zusammen, spielt also in das Gebiet des öffentlichen RechtS hinüber. Deswegen halten wir es für bedenklich, in die Landes- gesetzgebung unnöthig einzugreifen. Wir werden deshalb zu- nächst gegen§ 319 stimmen; wenn er angenommen wird, werden wir aber trotzdem das Bürgerliche Gesetzbuch annehmen, weil ja bezüglich Preußens alles beim alten bleibt. Geh. Ober-Regieruugsrath Struckmann: Auf die Frage des Herrn v. Dziembowski erwidere ich: Anspruch auf Wild- schadenersatz entsteht nur dann, wenn der Geschädigte und der Besitzer nicht identisch sind. Der Pächter kann also auf grund des§ 319 nicht einen Anspruch erheben, wohl aber auf grund seines Pachtvertrages, der nach Treu und Glauben ausgelegt werden muß. Abg. Richter(frf. Vp.): Der Beschluß des hannoverschen Provinzial-Landtages ist gegen eine sehr große Minderheit an- genommen worden. Herr v. Bennigsen hat ausgeführt, daß die hannoverschen Bauern mehr Land besitzen, als die Ritterschaft. Aber nicht nach diesem Maßstabe wird der Pro- vinziallandtag zusammengesetzt, sondern nach a ltp re u ß is chem Muster; und die Großgrundbesitzer haben gerade in Hannover ein Stimmrecht, welches weit hinausgeht über ihre Bedeutung, den Umfang ihre? Besitzes und ihre Stcnerkraft. Sie haben einen ganz unberechtigten Einfluß. Im Abgeordnetenhause war wiederholt eine große Mehrheit vor- handen für die Eingatterungspflicht nicht blos für Schwarz-, sondern auch für Roth- und Dammwild und nur dem Widerspruch des Herrenhauses hat man sich gefügt. Wenn man gesagt hat, es könne ein großer Hasenschaden nicht nachgewiesen werden, so erinnere ich nur daran, welchen großen Schaden die Hasen auf den Berliner Rieselfeldern an den dortigen Obstbäumen und Alleen gestiftet haben. Von den Konservativen ist die Drohung ausgesprochen, hier zu streiken. wenn ihnen nicht gewillfahrt würde. Es ist ja wiederholt vor- gekommen, daß man durch Fernbleiben ans dem Saal die Mehr- heit zur Präsenz zwingen wollte. Das ist nicht illoyal, aber so lange der Reichstag besteht, ist es noch nicht vorgekommen. daß die Drohung ausgesprochen ist, man werde sich entfernen. wenn ein Gesetz nicht die gewünschte Gestalt erhält. Das ist beute zum ersten Mal geschehen, daß eine solche Pression ausgeübt wird, und eS ist noch bedenk- lich er, daß man sofort von feiten derZentrums-
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