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BERLIN Montag 21. September

1931

Der Abend

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Nr. 442

B 2211 48. Jahrgang

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Sturm über dem Kapitalismus

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Großbritannien gibt die Goldwährung auf. Schwere Erschütterung überall.

London , 21. September. ( Eigenbericht.)

Die Regierung hat beschlossen, die Goldwährung außer Kraft zu sehen. Ein Gesetzentwurf, der die Bank von England ermächtigt, die Einlösung der Banknoten in Gold einzustellen, wird dem Parlament am Montag vorgelegt und sofort in allen Lesungen erledigt werden.

Aus England sind seit Juli, wie aus Deutschland , ungeheure Summen, mehr als 200 Millionen Pfund, weggezogen worden. Diesen Anforderungen ist man teil­weise mit Hilfe der Bestände an Gold und fremden Va­luten nachgekommen, teilweise mit Hilfe der in Frank­ reich und Amerika eingeräumten Kredite.

Von dem Beschluß der englischen Regierung werden die sonstigen Verpflichtungen Englands bzw. der Bank von England , zum Beispiel Zahlung in Auslandsvaluta wo dies vereinbart worden ist, nicht berührt.

Londoner Diskont: 6 Prozent.

Prozent.)

London , 21. September. ( Eigenbericht.)

Die Bank von England hat ihren Diskontsak von auf 6 Proz. erhöht. Dieser Satz tritt ab Montag in Geltung.

Franzöfifch- amerikanische Hilfsaktion? Heute Beratungen im Pariser Finanzminifterium.

Paris , 21. September. ( Eigenbericht.) Wie der ,, Matin" mitteilt, prüft die französische Re­gierung die Maßnahmen, die angesichts der englischen Währungskrise eventuell ergriffen werden müssen. Bis her ist noch kein Entschluß gefaßt worden. Der Finanz­minister hat eine Reihe von Finanztechnikern, die zum Teil aus Genf zurückberufen wurden, zu Montag vormittag zu einer Beratung ins Finanz­ministerium geladen.

Nach einer Meldung aus New York glaubt man dort, daß eine neue französisch- amerika. nische Aktion zur Stüßung der englischen Währung unternommen werde. Die Federal Reserve Bank habe bereits die Möglichkeit erwogen, dem englischen Schatz­amt neue Kredite zu gewähren und diese Frage sei schon Gegenstand von Verhandlungen mit der Bank von Frankreich gewesen.

Die Rückwirkung auf die Börsen. Der Berliner Börsenvorstand macht bekannt: Mit Rücksicht auf die Schließung der Londoner Börse und anderer europäischer Börsen findet eine Notiz von Wertpapieren, Devisen und Metallen an der heutigen Berliner Börse nicht statt. Der freie Handel in diesen Werten ist nicht zulässig; Devisenkurse werden heute in der Reichsbant festgestellt.

Danzig löst sich vom Pfund los.

Danzig , 21. September. Amtlich wird mitgeteilt: Durch eine Rechtverordung des Senats vom heutigen Tage wird das Privilég der Bank von Danzig dahin abgeändert, daß die Noten der Bank fortan ausschließlich durch Gold und Golddevisen gedeckt sind und die Einlösung der Noten aus­schließlich in Gold oder Golddevisen nach Wahl der Bank erfolgt. Der Gulden ist auf Goldbasis gestellt und mithin ein Goldgulden. Die Danziger Währung ist von der Verbindung mit dem englischen Pfund damit gelöst. Die Deckung des Notenumlaufs durch Gold und in Gold einlösbare Devisen beträgt heute 100 Prozent.

Besorgnisse in Frankreich .

Paris , 21. September.

Der Beschluß der englischen Regierung, die Goldwährung auf zuheben, scheint in gut unterrichteten Pariser Kreisen nicht vollständig überraschend gekommen zu sein, hat aber dennoch große Be­unruhigung ausgelöst. Man gibt die Sache des englischen Bfundes noch nicht verloren und scheint namentlich wegen der mög­lichen Rückwirkungen der jetzt vollends zutage getretenen englischen Krise auf andere Länder weiteren finanziellen Konzessionen nicht abgeneigt zu sein. Auch die französische Presse zeigt Besorgnisse.

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Das Haus der Bank von England

Die amtliche englische Erklärung.

London , 21. September. Von der Amtswohnung des Ministerpräsidenten wurde am Sonntagabend folgende Mitteilung ausgegeben:

Die englische Regierung hat nach Befragen der Bank von Eng­ land beschloffen, zeitweilig den§ 2 des Absages 1 des Gold­standardgesehes vom Jahre 1925 außer Kraft zu sehen, durch den die Bank von England gezwungen wird, Gold zu einem festgefeßten Preise zu verkaufen. Zu diesem 3wed wird ein Gesetz im Unterhaus eingebracht werden. Die Re­gierung wird das Parlament ersuchen, dieses Gesetz in allen feinen Stadien am Montag, dem 21. September, zu beraten. In der zwischenzeit ist der Bank von England aufgegeben worden, so vor­zugehen, als wenn diese Verfügung schon Gesetz geworden wäre.

Die Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben, find 200 Millionen Pfund( 4 Milliarden Mark) belaufen, vom folgende: Seit Mitte Juni sind Gelder, die sich auf mehr als Londoner Markt zurückgezogen worden. Diese Abzüge sind teilweise mit Gold und Devisen, die im Besiz der Bank von England waren, teilweise aus den Einnahmen des Kredites von 50 Millionen Pfund, den die Bank von England aus New York und Paris erhalten hat und der in allernächster Zukunft fällig wird, und teilweise aus den Einnahmen des letzten französischen und amerikanischen 80- Millionen Kredites bestritten worden. Während der letzten Tage haben sich die Abzüge ausländischer Guthaben so start vermehrt, daß die englische Regierung sich verpflichtet gefühlt hat, die oben er­wähnte Entscheidung zu treffen.

Diese Verfügung wird jedoch in keiner Weise die Verpflich­fungen der englischen Regierung oder der Bank von England be­rühren, die in ausländischer Währung zahlbar sind. Die Gold­bestände der Bank von England belaufen sich auf etwa 130 Millionen Pfund. Im Hinblick auf die dringenden Ber­pflichtungen, die unter Umständen erfüllt werden müssen, ist es nicht ratsam, eine weitere Herabsetzung dieser Reserven zuzulassen.

Das laufende Geschäft der Banken wird nicht unterbrochen. Die Banken werden wie gewöhnlich für ihre Kunden offen sein. Es besteht auch kein Grund, Transaktionen in Ster­ling in irgendeiner Weise einzuschränken. Es ist Vorsorge getroffen, daß die Börse am Montag nicht geöffnet wird, an dem Tage, an dem das Parlament die notwendige Gesetzgebung zu er­ledigen hat. Dies wird jedoch in feiner Weise das Geschäft der laufenden Regelungen an der Börse stören, die wie gewöhnlich aus­geführt werden sollen. Die englische Regierung hat feinen Grund erheblichen Maße auf den Export von Kapital durch englische Staats­zu der Annahme, daß die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu einem angehörige zurückzuführen sind. Zweifellos erfolgte die größte Zahl der Abzüge auf ausländisches Konto. Die Regierung wiederholt jedoch eindringlich ihre Warnung, die von dem Schah fanzler gegeben wurde, daß irgendein englischer Staatsbürger, der den Druck auf die Währung durch den Ankauf von ausländischen Sicherheiten vermehrt oder andere hierbei unterstützt, die Schwierig

feiten des Landes vermehrt. Die Banken haben sich zur Zusammen arbeit verpflichtet, um die Anfäufe ausländischer Wäh◄ rung durch englische Staatsangehörige einzu schränken. Ausgenommen find die Fälle, wo ein tatsächlicher Bedarf des Handels vorliegt, oder wo schon Berträge bestehen Sollten weitere Maßnahmen sich als ratsam erweisen, so wird die Regierung nicht zögern, diese zu ergreifen.

Die Regierung ist zu ihrer Entscheidung nur nach großem Zögern gelangt. Aber während der letzten Tage sind die inneren Finanzmärkte demoralisiert und haben ihre Sterling­Guthaben ohne Rücksicht auf den inneren Wert liquidiert. Unter diesen Umständen blieb nichts anderes übrig, als die finanzielle Lage des Landes durch die einzigen Mittel, die ihr zur Verfügung stehen, zu schützen. Die Regierung hat das Gleichgewicht des Haushalts sichergestellt und die innere Lage des Landes ist gesund. Diese Lage muß aufrechterhalten werden. Es ist etwas anderes, wenn man den Goldstandard bei einem nicht ausgeglichenen Haushalt und bei einer nicht fontrollierten Inflation aufgibt, als wenn man diese Maßnahme ergreift nicht wegen der inneren finanziellen Schwierigkeiten, fondern wegen außergewöhnlicher Abzüge geborgten Kapitals.

Die Reserven Englands find ungeheuer, und es besteht fein Zweifel, daß die gegenwärtigen Währungsschwierigkeiten fich nur als zeitweilig erweisen werden.

Der Zusammenbruch.

Die Kreditfrise in England.

Von Rudolf Hilferding .

England ist ein Ereignis, dessen volle Tragweite im Augen­Die Aufhebung der Einlösungspflicht der Bank von blick nur vermutet werden kann. Seit den Napoleonischen Kriegen hat die Bank nur noch im Weltkrieg die Einlösung ihrer Noten in Gold suspendiert. Während des ganzen 19. Jahrhunderts, während der aufeinanderfolgenden Revo­lutionen, während des Krimkrieges und während des Deutsch - Französischen Krieges blieb die englische Währung Frieden die Bank von England zur Aufhebung der Ein­unerschüttert. Jetzt wird mitten in einem sogenannten lösungspflicht getrieben. Die englische Währung ist von heute an eine Papierwährung, gefährdet durch die im Augenblick außerordentlich starke Passivität der englischen 3ahlungsbilanz.

Die Gründe dafür sind sehr klar und von uns bereits früher dargelegt worden. Die Krise in Zentraleuropa und insbesondere die Illiquidität der deutschen kurzfristigen Kre­dite traf am stärksten das Londoner Finanzzentrum und erzeugte dort ebenfalls Besorgnisse wegen der Aufrechterhaltung der Liquidität, das heißt der Möglichkeit, die kurzfristig aufgenommenen Gelder, also hauptsächlich die amerikanischen, französischen, holländischen und schweizerischen außerordentlich hohen Guthaben jederzeit auf Verlangen zurückzahlen zu können. England wurde aber auch in voller Schärfe getroffen von der Krise in Australien und Südamerika , die das Eingehen der großen Zinszahlungen, die England zu fordern hätte, fraglich oder unmöglich gemacht hat.

Die Besorgnisse um die englische Liquidität führten zu einem raschen Abziehen der ausländischen Guthaben durch fast alle anderen Banken. Und die Bank von England verlor in den letzten Wochen rund vier milliarden Mart, eine ungeheuerliche Summe, eine Kapitaltransaktion wie sie von solchen Ausmaßen in so furzer Zeit in der Finanzgeschichte noch nicht vorgekommen Der Run auf Deutschland hat sich noch intensiver wiederholt, und mit denselben Folgen.

war.

Die Bant wird ermächtigt, den Verkauf von Gold zu einem bestimmten Preis einzu stellen. Das bedeutet aber die Aufhebung der entscheiden­den Bestimmung der Goldwährung, deren Wesen ja darin besteht, daß jeder jederzeit für eine Pfundnote ein ein für alle­mal bestimmtes Quantum Gold erhält. Die englische Regie­rung läßt allerdings hinzufügen, daß Verpflichtungen der eng­