Morgenausgabe
Nr. 449
A 226
48.Jahrgang
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Der Borwärts" erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit".
Freitag 25. September 1931 Groß- Berlin 10 Pf.
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
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Teilweise Truppenzurücknahme in Aussicht gestellt.
Der Völkerbundsrat hat heute abend wiederum eine längere bertrauliche Situng abgehalten, in der sich insofern cin Fortschritt ergab, als die An beraumung einer öffentlichen Sigung des Völkerbundsrates auf eine noch nicht bestimmte Zeit des morgigen Tages möglich wurde.
Wie verlautet, soll die japanische Regierung in gewissen Punkten eine zurückziehung ihrer Trup pen vorgenommen bzw. in Aussicht gestellt haben. Außerdem wurde in der heutigen Sitzung ein Antworttelegramm für die heute eingegangene Mitteilung des amerikanischen Staatssekretärs Stimson beschlossen und abgesandt. Der Völkerbundsrat gibt darin seiner Befriedigung über die amerikanische
Aktion im Interesse der Erhaltung des Friedens Ausdruck. Es wird damit gerechnet, daß der Völkerbundsrat mit Rücksicht auf den japanisch- chinesischen Konflikt bis Dienstag bersammelt bleiben wird. Waffenstillstand zwischen Nanking und Kanton?
Mostau( über Kowno ), 24. September. Nach einer Mitteilung der Telegraphen- Agentur der Sowjet union ist am heutigen Donnerstag eine Abordnung der Nantingregierung nach Kanton abgereift, um einen Waffenstillstand mit kanton zur Bildung einer gemeinfamen Front gegen Japan abzuschließen. Der Abordnung famen Front gegen Japan abzuschließen. Der Abordnung gehören bedeutende Mitglieder der Kuomintang und der Regierung an. Die Gerüchte, wonach Marschall Tichiangtaifchet bereit sei, feinen Posten zu verlassen, find vorläufig unbestätigt geblieben.
Antrag auf Rüftungsstillstand zu Fall gebracht.
Der Bertreter Frankreichs im Abrüftungsausschuß des Völker bundes, Massigli, gab am Donnerstag den Standpunkt seiner Regierung zu dem italienischen Vorschlag auf fofortigen Abschluß eines Rüstungswaffenstillstandes bis zum Abschluß der Abrüstungskonferenz bekannt. Die franzöfifche Regierung lehnte diesen Vorschlag rundweg ab. Sie fordert, die Berhandlungen über diesen Borschlag auf die kommende Abrüftungs
fonferenz zu verschieben.
Gedanke eines allgemeinen Rüstungswaffenstillstandes ermogen würde. Er erfuche die Regierungen, den Vorschlag der franzöfifchen Regierung eingehend zu prüfen.
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Diese Erklärung des französischen Vertreters wird niemanden überzeugen, dem es mit der Abrüstung Ernst ist. Sie wird im Gegenteil den Berdacht verstärken, daß Frank reich an der Spike der Länder steht, die die Abrüstung ver hindern wollen. Am Vorabend des französischen Ministerbesuches in Berlin ist diese Stellungnahme Frankreichs im höchsten Grade zu bedauern. Daß sie sich gegen einen italienischen Vorschlag richtet, ist feine Entschuldigung. Bir Sozialdemokraten stehen gewiß nicht im Verdacht, ein Uebermaß von Vertrauen in die gegenwärtige italienische Regierung zu setzen. Dennoch haben erst gestern der Vorsitzende und der Sekretär der Sozialistischen Internationale in einem Telegramm an den Völkerbund jenen Vorstoß zugunsten eines fofortigen Rüstungswaffenstillstandes lebhaft unterstützt. Diefer Borschlag deckt sich übrigens im wesentlichen mit ähnlichen Anregungen, die von den neutralen Staaten unter breitet worden sind.
Massigli führte zur Begründung seines Standpunktes aus, er wolle zwar an die Ehrlichkeit und Objektivität des italienischen Borschlages glauben, er müsse sich aber fragen, ob diefer Borschlag dem angestrebten Ziel entspreche und nützlich sei. Es müsse aufs allerschärfste abgelehnt werden, daß die jetzt in der ganzen Welt herrschende Nervosität auf den gegenwärtigen Stand der Rüstungen einiger Länder zurückzuführen sei. Diese Nervosität fei vielmehr auf Dinge zurückzuführen, die die unmittelbaren politischen Interessen der Völker berührten. Sie stünden in keinerlei 3usammenhang mit einem Bettrüften, das es heute über haupt nicht gebe.(!) Der italienische Vorschlag habe, wie erklärt wird, eine materielle und moralische Wirkung zum Ziele. Die hierdurch angestrebte Erleichterung für die Haushalte Massigli ist hier schon wiederholt als der böse Geist würde aber nicht eintreten, da die Militärhaushalte bereits bis des französischen Auswärtigen Amtes bezeichnet worden. Er Juni 1932 festgelegt seien und ferner ein Stillstand der Rüstungen vertritt dort weniger die Politik Briands als die militaristische in vielen Ländern zu einer Verschärfung der Arbeits- Richtung des Kriegsministers Maginot, der bei jeder Gelosigkeit führen würde. Der italienische Vorschlag sei feines- legenheit verkündet, daß es ein Wahnsinn und ein Verbrechen megs so eindeutig flar, wie er scheine. Der Vorschlag Lord wäre, wenn Frankreich abrüsten würde. Solange diese RichRobert Cecils, die Regierungen aufzufordern, bis zum tung die französische Bolitit maßgebend beeinflußt, wird in 1. November d. J. zum Waffenstillstands- Vorschlag Stellung zu Deutschland die Arbeit der Anhänger der Verständigung mit nehmen, sei praktisch undurchführbar. Maffigli fuchte Frankreich außerordentlich erschwert sein. dann den Beweis zu führen, daß ein Waffenstillstand zur Zeit somohl auf dem Gebiete der Land-, als auch der See- und Luftrüstungen nicht in Frage fommen fönne. Auf dem Gebiete der Flotten rüstungen hingegen tämen die veralteten Flotten gegenüber den jungen Flotten in Nachteil, und dadurch würde das Derzeitige Flottengleichgewicht gestört werden. Auf dem Gebiete der 2uftrüstungen fönnten die Mächte auch während der Dauer des Waffenstillstandes ihre Kleinflugzeuge durch Großflugzeuge ersetzen. Auf dem Gebiete der 2 and rüstungen feien die Haushalte bereits bis 1932 festgelegt. Somit stoße die Durchführung des italienischen Borschlages auf große, unüberwindliche Schwierig feiten. Es sei anzunehmen, daß fämtliche Regierungen Bor= behalte machen würden, so daß am 1. November d. J. der Zufammentritt einer neuen Konferenz notwendig sein werde. Aber die meisten Regierungen würden sich jetzt faum entschließen, furz vor Beginn der allgemeinen Abrüftungskonferenz die Atmosphäre durch eine neue Konferenz zu belasten. Verschärfung, nicht Entspannung der Lage würde der Erfolg des italienischen Vorschlages sein.
Maffigli fchlug dann vor, den Antrag der japanischen Regiegierung auf Leberweisung des italienischen Vorschlages an die Abrüstungstonferenz anzunehmen. Die Regierungen müßten noch vor Eröffnung der Abrüstungskonferenz ihren Stand puntt bekanntgeben, so daß die Abrüstungskonferenz mit der Aus-| sprache über den Waffenstillstandsvorschlag eröffnet werden könnte. Maffigli betonte sodann, man müsse damit rechnen, daß die Abrüstungskonferenz zu schweren und ausgedehnten Kämpfen führen
würde. Es sei daher von größter Bedeutung für die gesamte Atmosphäre der Abrüstungstonferenz, daß gleich zu Beginn der
85 Merifaner gehenkt. Wegen Lynchung des Bürgermeisters.
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Die Arbeitslosigkeit steigt, sie droht zum Dauerzustand zu werden. Die Kenntnis der sozialen Begleiterscheinungen des herrschenden Wirtschaftssystems hat die Haltung der Sozialdemokratie zur Sozialpolitik von jeher bestimmt. Die Sozialgesetzgebung gibt den Rechtsanspruch auf Hilfe im Falle der Krankheit, der Invalidität, des Alters, der Arbeitslosigkeit. Die Wohlfahrtsgesetzgebung, eine andere Form gesetzlicher Regelung sozialer Notstände, überträgt die Sorge für Kinder, Jugendliche, Kranke und andere Hilfsbedürftige auf die Länder und die Selbstverwaltung. Das breite Gebiet der Wohlfahrtspflege und fürsorge verlangt zur Durchführung der organifierten Hilfe der Staatsbürger. Darin liegt nach unserem Dafürhalten Dafürhalten die heutige Eristenzberechtigung der freien Wohlfahrtspflege. Massennot fann nur erfolgreich bekämpft werden, wenn fein Konkurrenzkampf die Kräfte zersplittert, wenn behördliche und freie Wohlfahrtspflege nach gemeinsam beschlossenem Plan arbeiten. Es ist Sache der Wohlfahrtsbehörden, die Kräfte zu sammeln und zu verteilen. Es ist Pflicht der freien Wohlfahrtspflege, dabei Hilfe zu leisten, Erfahrungen, Anschauungen und geschulte Menschen zur Verfügung zu stellen. Die von der Not betroffenen Menschen müssen das Vertrauen haben, daß ihnen dort, wo aus der Finanznot des Staates heraus ihr Rechtsanspruch geschmälert wurde, trotzdem der moralische Anspruch auf Hilfe geblieben ist.
In der Art, wie Hilfe geleistet wird, besteht ein wesent licher Unterschied. Uns tommt es auf den Geist der Golis darität an, wie er in der Arbeiterbewegung wurzelt, herausgewachsen aus den gemeinsamen Kämpfen eines halben Jahrhunderts.
Die Zeitungen bringen jezt Aufrufe und Pläne für große Hilfsaktionen. Auch der Hauptassiuß für Arbeiter wohlfahrt hat zu einer Hilfsaktion aufgerufen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands , der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund , der Allgemeine Deutsche Beamtenbund, der Hauptvorstand der Sozialistischen Arbeiterjugend Deutschlands und die Zentralfommission für Arbeitersport und Körperpflege haben den Aufruf mit unterzeichnet und damit bekundet, daß die gesamte organisierte Arbeiterbewegung dahinter steht. Andere Organisationen der Arbeiterschaft: der hinter steht. Andere Organisationen der Arbeiterschaft: der Arbeiter- Samariter- Bund , die Arbeiter- Abstinenten, der Reichsausschuß für das Bildungswesen, die Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde haben uns ihre Mitarbeit zu= gefagt.
Wir sind der festen Ueberzeugung, das Richtige zu tun, wenn auch wir uns an die Deffentlichkeit wenden. Sie soll uns helfen, unseren leidenden Schwestern und Brüdern in kameradschaftlicher Form Hilfe zu bringen. Jeder, der noch über ein auskömmliches Einkommen verfügt, jeder, der heute noch einen Arbeitsplatz innehat, dessen Bezahlung ihm ein Dasein über das Notwendige hinaus ermöglicht, muß das als Glück empfinden und sich moralisch verpflichtet fühlen, davon für die schuldlosen Opfer der Wirtschaftskrise herzugeben.
Wir denken jetzt oft an die traurigen Zeiten des Krieges und der Inflation zurück. Und doch ist kein Vergleich möglich. Damals war es die Knappheit der Waren und die Entwertung des Geldes, die die Menschen unverdient in beispielMegito City, 24. September. ( Eigenber.) In der Ortschaft Aguadulce im Staate Tabasco lose Armut drängte. Heute sind Lebensmittel, Kleidung und In der Ortschaft Aguadulce im Staate Tabasco notwendige Gebrauchsgegenstände in ausreichender Menge zu wurden 85 Einwohner im Zusammenhang mit der haben. Diesmal offenbart sich der Widersinn unserer WirtLynchung des Ortsbürgermeisters standrechtlich geschaftsform dadurch, daß er fleißgewohnte Hände zum Feiern henkt. Die Massenhinrichtung erfolgte auf Anordnung des Staatsgouverneurs.
zwingt, die Kaufkraft der Hand- und Kopfarbeiter lähmt und dadurch dauernd neue Arbeitslosigkeit erzeugt.
Das vornehmste Recht des Menschen, das Recht auf Arbeit, ist verletzt. Und der Staat hat ob aus eigener und aus fremder Schuld- heute nicht mehr die Möglichkeit, der wider
für entgangenen Arbeitsverdienst zu geben.
Die Bertrauensmänner des christlich sozialen niederöster- Willen lahmgelegten Arbeitskraft einen ausreichenden Ersatz reichischen Bauernbundes nahmen am Donnerstag in Gegen wart des Bundeskanzlers Buresch eine Entschließung on, in der es heißt, daß die Regierung die Pflicht habe, die Führer der Heimwehr , die oft Hochverrat betrieben hätten, strengstens zu bestrafen. Die niederösterreichische Landesregierung wird aufgefordert, alle ausländischen Hezer, ob National sozialisten oder Kommunisten, abschieben zu lassen.
Ein Rückschrift. Amtlich wird mitgeteilt: Da die spanische Regierung die 1928 mit Deutschland getroffene Bereinbarung über die Aufhebung des Sichtvermertzwanges mit Wirkung vom 25. Sep. tember 1931 gefündigt hat, wird der deutsche Sichtvermert. 3 mang vom genannten Tage ab für spanische Staatsangehörige ebenfalls wieder eingeführt.
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Die Arbeitskraft aber muß erhalten bleiben, sie ist das höchste Gut eines Boltes. Zur Arbeitskraft gehört förperliche und seelische Gesundheit. Beides ist heute gefährdet. Die staatlichen Einrichtungen sind in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt. Die Unterstüßungsfäße reichen nicht aus, um den allernotwendigsten Lebensbedarf zu befriedigen. Das trifft sowohl für die Erwerbslosenversicherung, wie für die Krisen- und Wohlfahrtserwerbslosenunterstützung zu. Kriegsopfer und Unterstützte der Wohlfahrtsämter find in ihren Bezügen geschmälert. Kommt hinzu, daß die Länge und Häufigkeit der Arbeitslofigkeit sich verschärfend auswirkt. Jede Krankheit, jede familiäre Not wird wirtschaftlich stärker empfunden. Die