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BERLIN   19 FC mi nep

Montag 28.September

1931

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW68, Lindenfir.3 Fernsprecher: Donhoff( A 7) 292-297­

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B 227 48. Jahrgang

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Spalausgabe des Vorwärts"

els polse

Berlin   Nr. 87 536.

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Briand   und Laval   in Berlin  .

Die deutsch  - französischen Verhandlungen.

Die Ankunft des französischen   Ministerpräsidenten Laval   und des Außenministers Briand   gestaltete sich zu einer eindrucksvollen Kundgebung für den Frieden und die deutsch  - französische Verständigung.

Schon um 8 Uhr am Sonntagmorgen war der Platz vor dem Bahnhof Friedrichstraße   von einer ständig wachsenden Menschen­menge umfäumt, die um 29 Uhr nach Tausenden zählte. Auf der Reise entstand in Hannover   wegen eines Maschinendefekts ein halb­stündiger Aufenthalt; der Expreßzug holte aber diesen Zeitverlust bis auf drei Minuten wieder ein.

Auf dem Bahnhof Charlottenburg waren der französische  Botschafter Francois- Poncet   und der deutsche Botschafter in Paris  , von Hoesch, zugestiegen, um die Gäste zu begrüßen. Auf dem Ankunftsbahnhof erwarteten Reichskanzler Dr. Brüning, Außen­minister Dr. Curtius, die Staatssekretäre Dr. Bünder, v. Bülom

Laval( links) und Briand  zeigen sich auf dem Balkon des Hotel Adlon  

jua und Dr. Weißmann( für Preußen) und weitere Vertreter der Reichs­tanzlei und des Auswärtigen Amtes, sowie die Mitglieder der französischen   Botschaft und des Generalkonsulats, eine Abordnung der Berliner   französischen   Kolonie die Minister. Die Polizei hat die notwendigen Absperrungen unauffällig gestaltet. Die Regie inner­halb des Bahnhofs flappte weniger gut.

Nach der Begrüßung auf dem Bahnsteig wurden die französischen  Staatsmänner, in deren Begleitung sich die Herren vom Quai d'Orsay, Berthelot, Monier, Léger, und Hesnard von der Botschaft befanden, nach dem Vorplatz geführt. In dem Augenblid, als fie mit Brüning und Curtius aus dem Bahnhof traten, setzten viel tausendstimmige Rufe ein:

Es lebe der Frieden, es lebe die deutsch  - französische Ber­ftändigung, vive la paix!"

Laval   und besonders Briand   wurden, als sie durch Schwenten des Hutes und Winten mit der Hand für die freundliche Be millkommnung dankten, herzlich aktlamiert. Vor allem Briand   war durch den herzlichen Empfang tief gerührt. Als wieder einmal die Hochrufe auf den Frieden besonders stürmisch erschollen, wandten sich die französischen   Staatsmänner zum Reichsfanzler, um die Be deutung dieser Friedenskundgebung zu unterstreichen. Nachdem sich die Gäste den Photographen gestellt hatten, fuhren sie unter neuen Zurufen der Massen, die teilweise die Absperrung spontan durch brachen, in Begleitung der deutschen   Minister durch die Neustädtische Kirchstraße über die Linden nach dem Hotel Adlon  . Genau 10 Minuten nach der Ankunft trafen die französischen   Staatsmänner hier ein. Auch da hatten sich zur Begrüßung, die durch prächtiges Herbstwetter begünstigt war, Tausende eingefunden. Bom Dach des

Die Hamburger Wahlen

Zuwachs der Radikalen- Sozialdemokratie bleibt stärkste Partei

Hamburg  , 28. September. Das vorläufige amfliche Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahlen gibt folgendes Bild: Bürgerschaftswahl 19.2.28

Sozialdemokraten 214 509 Kommuniften... 168 618 DлВP.

Mandate

246 685

46( 60)

114 257

35( 27)

43 269

94 048

Staatspartei

67 088

87 553

9( 22) 14( 21)

Deutsche Volkspartei  

36 920

85507

Wirtschaftspartei

11 373

20 136

Nationalsozialisten. 202 465

14 760

Zentrum

10 794

9 402

7( 20) 2( 4) 43( 3) 2( 2)

Boltsrechtspartei

1156

5609

Chriftl.- Soz. Boltsd. 10 874

2(-)

Die Wahlbeteiligung betrug 83 Proj.

Reichstagswahl

14.9.30 240 984 135 279 31 376 64129 69 149 16 910 144 684 10 980 1956 11 968

Mit einem Verlust von 14 Mandaten fehrt sie in die neue Bürgerschaft zurüd. Das ist ein empfindlicher Verlust, aber die Sozialdemokratie hat das Recht und die Pflicht, auf die furchtbare Zerstörung des wirtschaftlichen und damit politisch- sozialen Gefüges zu verweisen.

Die Wirtschaftstrife und ihre Zuspigung durch die Ratastrophenpolitit von rechts und links sowie die wirtschaftlich unsinnige Politik der Reichsregierung, die die Welthafenstadt besonders hart getroffen hat, haben auch die Hamburger Bevölkerung im tiefften aufgewühlt.

Das Arbeitslosenheer ist gewachsen, fleine und mittlere Eristenzen sind vernichtet, Not, Elend und Verzweiflung haben Tausende von Menschen ergriffen. Es ist tennzeichnend, daß in der Wahlagitation sowohl der Nationalsozialisten als auch der Kommunisten, die sich ausschließlich gegen die Sozial­

Zu dem Ausgang der Wahlen wird uns aus Hamburg   demotratie richtete, nicht so sehr die hamburgischen als vielmehr geschrieben:

Die Hamburger   Wahl hat die Erwartungen des demo. tratischen und freiheitlichen Deutschland   nicht erfüllt. Die Berzweiflungsstimmung, die die Botsmassen angesichts der drohenden Binternot padt, hat die Stimmen der Vernunft erdrückt. Das Bild bes 27. September 1931 ist leider kein besseres als das des 14. Sep­tember 1930. Auch die Hamburger Bürgerschaftswahl ist eine Ratastrophenwahl und ihre wirtschaftlichen und politischen Folgen für Hamburg   sind dabei obgleich sie nicht unterschätzt werden sollen nicht einmal das Schlimmste. Ernster und gefähr licher werden die politischen und psychologischen Aus wirtungen auf das Reich sein.

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Die Nazis haben ihre Stimmenzahl vom September 1930 noch um faft 58 000, das sind rund 40 Proz., steigern fönnen. Das Bürgertum, das sich noch vor wenigen Jahren in seiner Mehr heit um die Mittelparteien scharte, ist abgewandert zu den Nazis. Nur die Staatspartei hat relativ günstig abgeschnitten. Die Kommunisten haben 33 000 Stimmen oder 25 Proz. gewonnen. Die Sozialdemokratie hat gegenüber September 1930 rund 26 000 Stimmen verloren. Gegenüber der letzten Bürgerschafts­wahl im Februar 1928 beträgt der Verlust etwa 40 000 Stimmen.

Adlon   wehten die Trifolore und die Reichsfahne. Kurz nachdem Briand   das Hotel betreten hatte, zeigte er sich am Fenster. Hunderte von Menschen durchbrachen den Polizeifordon. Der Zuruf: Geben Sie der Welt den Frieden!" fand tausendstimmigen Wider­hall. Auch als Laval auf dem Balkon erschien, wurde ihm eine Dvation gebracht.

"

des

Die Hochrufe auf die Gäste wurden immer wieder durch ftürmische Kundgebungen für den Frieden übertönt. Während Laval   mit dem Taschentuch winkte, grüßte Briand   durch Händeminten und nahm durch Händellatschen an dieser Kundgebung teil. Die Franzosen waren durch die Fülle der spontanen Kund­gebungen fichtlich bewegt und überrascht.

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Es gehört schon eine starte Portion Uebelwollens dazu, die Demonstration für den Frieden bei der Ankunft der französischen  Gäste als eine fünftliche Mache hinzustellen. Einem Montags­blatt Hugenbergs blieb das vorbehalten. Wer die Kundgebung mit erlebt hat, der spürte, daß vor dem Bahnhof und vor dem Hotel Adlon  

ein spontaner Maffenwille, der Frieden und deutsch  - französische Berständigung verlangt,

zum Ausdrud fam. Hieran wird auch die Sabotage durch die Hugenberg- Bresse nichts ändern.

Den von Charlottenburg   nach der Friedrichstraße   Fahrenden bot sich eine Stunde vor Eintreffen des Norderpreß das ungewohnte Bild einer befonderen Sicherung der Bahnanlagen Unter den Brückenbogen und in den Stadtbahnhöfen patrouillierten Schupodoppelposten. Der Bahnförper wurde von Bahnschußbeamten abgegangen.

die allgemeinen reichspolitischen Verhältnisse im Vordergrund standen. Daß sich troßdem fast 215 000 Männer und Frauen in Hamburg   zur Sozialdemokratie bekannt haben, ist nicht nur ein Erfolg des Apparates, sondern eine Manifestation fest verankerter sozialdemo fratischer Gesinnung, ist ein Erfolg einer jahrzehntelangen politischen Arbeit. Die Sozialdemokratie hat sich auch in Hamburg   als der all erwiesen, der allein gegenüber den andrängenden Fluten eines verbrecherischen Radikalismus standhält.

Die Regierungsverhältnisse sind durch den Ausgang der Hamburger Wahl höchst verworren geworden. Kommunisten, Nationalsozialisten und Deutschnationale haben die Mehrheit der Size inne, so daß der gegenwärtige Senat, der aus Sozialdemokra ten, Staatsparteilern, Volksparteilern( einschließlich Zentrum) besteht, teine Mehrheit mehr in der Bürgerschaft hat. Es kann also jederzeit gestürzt werden. Aber da die Opposition nicht in der Lage ist, sich zu einer Regierungsbildung zusammenzufinden, und dan andererseits auch die bürgerlichen Parteien teine Mehrheit haben. ist ein ungeflärter Zustand eingetreten. Wahrscheinlich kommt auch in Hamburg  , was schon in Sachsen   und Bayern   seit Monaten besteht: eine an sich gestürzte Regierung muß als ge= schäftsführende Regierung weiteramtieren.

Zwischen der französischen   Botschaft und dem Hotel Adlon   rasen Sekretäre hin und her. Breffephotographen stehen auf dem Anstand. Die französische   Kolonie Berlins   ist auf den Beinen. Ueberall hört man ihre melodische Sprache auf dem Pariser Platz und in der Wilhelmstraße. Niemand weiß, welches Programm der Aufenthalt nimmt. Gerüchte schwirren herum. An der Neuen Wache steht ein Tonfilmauto und wartet auf die fremden Staatsmänner. Sie wollen ben unbekannten Soldaten des großen Krieges ehren. Man wartet. Briand   hat inzwischen einen anderen Toten geehrt. Auf dem Luisen­städtischen Kirchhof legt er

auf dem Grabe Stresemanns einen Kranz mit weißen Chrysanthemen und blauweißroter Schleife nieder. Ueberall, wo Briand   erscheint, wird er herzlich begrüßt. Bis spät in die Nacht stehen Menschen vor dem Hotel Adlon  .

Laval   an die Presse.

Am Vormittag äußerte sich Laval vor den Pressevertretern dahin, daß der Berliner   Besuch ein wichtiges Datum in der Geschichte der deutsch  - französischen Beziehungen darstelle. Zwed und Ziel der Reise sei, für die gegenseitigen Beziehungen eine bessere Zukunft vorzubereiten. sou

Am Nachmittag begannen in dem Kongreßsaal des alten Reichs. tanzlerhauses die Besprechungen. Sie sind durch lange diplomatische Berhandlungen vorbereitet worden. Die einzusehende deutsch­französische Kommission wird den Auftrag erhalten, ernsthaft und ohne Berschleppung bestimmte wirtschaftspolitische Lösungen zu suchen, um die deutsch  - französische Zusammenarbeit in die Wirklichkeit überzuführen.

Im einzelnen werden Fragen des Verkehrs, des Handels, der gegenseitigen finanziellen und industriellen Beteiligung an