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BERLINE Sonnabend 3. Oftober 18

1931 sid

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Erpedition: Berlin   SW68, Lindenstr.3 Fernsprecher: Donhoff( A 7) 292-297

Spalausgabe des Vorwärts"

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10 Pf.

Nr. 464

B 232 48. Jahrgang

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Waffenlager unter Gerümpel

Entdeckung beim Wohnungsumzug süt melder spillits

Durch einen Zufall wurde heute vormiffag im Hause Dorf-! ffraße 35 in Mariendorf   ein Waffenlager entdeckt und von der in Kenntnis gefehten Polizei beschlagnahmt, das aus der Zeit der Ein­wohnerwehren und des Kapp- Puffches stammt und in Vergessenheit geraten war. Als heute vormittag eine dorf im Hause wohnende Familie S. wegen Aufgabe der Räume aus30g, wurde von den Padern der Umzugsfirma im Keller beim Ausräumen des dort untergestellten Inventars und Gerümpels ein Waffenlager entdeckt, das sich bereits in völlig unbrauchbarem Zustande befand.

Die Ermittlungen der Kriminal- und Politischen   Polizei er­gaben, daß die Waffen dem im gleichen Hause wohnenden Geheimraf Rosenbruch gehört hatten, der bereits vor Jahresfrist gestorben ist und nach der Revolution in der Einwohnerwehr und dann auch später beim Kapp- Putsch   eine gewisse Rolle spielte. Im Einzelnen fand man 13 Gewehre, 1 Maschinenpistole, 1 Pistole 08, 1 Eierhandgranate und eine Kiste mit Handgranaten, verschiedene Ausweise der früheren Einwohnerwehr sowie eine Anzahl schwarzweißroter Armbinden mit dem Auf­drud S"( vermutlich Selbstschutz").

Die Waffen, die sämtlich völlig verrostet waren, wurden von der Polizei sichergestellt und nach dem Präsidium geschafft. Die Aufdeckung des Waffenlagers bei den Umzugsarbeiten hatte unter den Bewohnern des Hauses begreifliche Aufregung verursacht, da das Borhandensein der Handgranaten bei Feuersgefahr schwere Folgen häffe haben fönnen.

Spiel mit dem Tod.

Kein Verbrechen, sondern Fahrlässigkeit.

Die Untenntnis der Schußwaffen und das unvorsichtige Han fieren damit haben in der vergangenen Nacht wieder ein Menschen­leben gefordert. In der Wohnung einer Eltern im Hause Alt­Moabit 45 wurde der 24 Jahre alte Arbeiter Alfred Lewin, mit einem Kopfschuß tot aufgefunden. Es entstand alsbald das Gerücht, daß er von fremder Hand erschossen worden fei. Noch in der Nacht begab sich Kriminalkommissar Grosched nach Moabit   hinaus, um die Ermittlungen mit seinen Beamten ein­zuleiten. Durch die Untersuchung ist jetzt festgestellt, daß ein Berbrechen nicht in Frage kommt, daß es sich viel­mehr um einen Unglücksfall handelt.

Das Ehepaar Lewin betreibt einen Produktenhandel, bei dem es von seinen Söhnen unterstützt wird. Ein Teil der Waren lagert im Keller, einiges wird auch mit in die Wohnung im vierten Stock im zweiten Hof des Hauses Alt- Moabit 45 hinaufgenommen. Bor etwa zwei Monaten hatte Lewin unter den Waren einen alten Trommelrevolver gefunden, wie sie heute nicht mehr im Gebrauch sind. Patronen sind für diese Art Waffe nicht mehr fäuflich. Als Kuriosität nahm der junge Mann den alten Revolver mit in die Wohnung hinauf. Kurze Zeit darauf fand er eine 9- Millimeter- Patrone und nahm fie ebenfalls an sich. Schon tagelang hatte er versucht, die Patrone, die gar nicht zu dem Revolver paßte, in den Lauf hineinzuzwängen, obwohl seine Brüder ihn mehrmals vor dieser Spielerei gewarnt hatten. Alfred Lewin schlug mit dem Hammer immer wieder auf die Patrone, bis sie schließlich in den Lauf hineingepreßt war. Am Freitagabend hantierte er wieder mit der Waffe umher, hörte auch nicht auf die Warnungen seiner Angehörigen, sondern erwiderte lachend: ,, Ach, das alte Ding geht ja doch nicht los." Wie die Mutter später bekundete, hat er fünfmal geknipst", beim sechstenmal ging der Schuß los und traf Alfred Lewin so unglücklich. daß er tot zusammenbrach. Die Entladung der Waffe glich fast einer Explosion. Durch das nicht passende Geschoß wurde der Lauf von der Trommel abgesprengt und flog gegen und in die Wand hinein. Ein anderes Eisenstüc traf einen Schlafburschen, der auch im Zimmer war, gegen das Auge und brachte ihm eine blutende Ver­letzung bei. Aller Anwesenden bemächtigte sich eine ungeheure Auf­regung. Erst geraume Zeit darnach, als die Kriminalbeamten die Angehörigen auf dem 22. Polizeirevier vernehmen konnten, erfuhr man die Einzelheiten. Die Leiche des jungen Mannes ist beschlag­nahmt und nach dem Schauhause gebracht worden. Die Reste der gesprengten Waffe wurden ebenfalls sichergestellt.

Kampf gegen Schaufenster.

In der Vorwärts" filiale in der Utrechter Straße murde heute nacht furz nach 3 1hr die Schaufenster­fcheibe durch zwei halbe Mauersteine eingeworfen. Einem hinzu­kommenden Bolizeibeamten gelang es, zwe: verdächtige Leute fest­zunehmen und der politischen Polizei einzuliefern.

Jubiläum der Bildungsarbeit

Tagung im Parteihaus

od dedi

Der Reichsausschuß für sozialistische Bildungsarbeit, der aufsätzliche Arbeit. Die Ueberwindung der Krise und die ein 25jähriges Bestehen zurückblidt, hatte im Barteihaus in der Lindenstraße 3 eine Reichstonferenz der Bezirksbil dungsausschüsse einberufen, die einen außerordentlich starken Besuch aufwies.

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Der Vorsitzende Genosse Heinrich Schulz wies in seinen ein­leitenden Worten auf die Not der Zeit hin, die zur Sparsamkeit zwingt. Nicht zum Vergnügen, sondern im Dienste der großen Sache treten wir zusammen. Wenn ich daran zurückdenke, wie ich vor 25 Jahren allein in dieses Haus einzog, dann kann ich heute wohl sagen, daß wir mit einem starken Stolz auf das Ge= leistete zurüdbliden fönnen." Herzlich begrüßte Schulz dann feine citen Mitkämpfer Alexander Knoll, Schreck Bielefeld  , Wildung von den Arbeitersportlern, Crispien vom Parteivor stand und die Genossin Bohm Schuch. Ein weiterer besonderer Gruß galt den Genossen aus dem Ausland, aus Schweden  , Hol­ land  . Polen   und der Schweiz  .

Arbeitsbeschaffung stehen im Vordergrund. Je länger die Arbeitslosigkeit anhält, um so schwieriger und komplizierter und gefährlicher wird die Lage der Erwerbslosen, um so stärker die Neigung, radikalen Strömungen zu folgen. Gradunterschiede und Altersunterschiede sind bei der Behandlung der Erwerbslosenfrage besonders zu beachten. Aber wenn wir den Erfolg unserer Arbeit betrachten, fönnen wir sagen, daß sie es verdient, bejaht zu werden. Die Auswirkung sehen wir nicht im einzelnen, jie zeigt sich in der Familie, bei den Nachbarn, bei den Kollegen.

nicht beendet. In einer Entschließung wird die dringende Forderung Bei Redaktionsschluß ist das Referat des Genossen Adams noch erhoben, daß bei der steigenden Zahl der Erwerbslosen Reich, Staat und Gemeinden Mittel und Möglichkeiten schaffen, um Bildungs­neranstaltungen für die Erwerbslosen in größerem Umfange durch­zuführen. Wenn auch die lleberwindung der Wirtschaftskrisis und damit die Beschaffung von Arbeit im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehen muß, so ist doch die Aufgabe, die Erwerbslosen zu ernsthafter geistiger Tätigkeit anzuregen und sie durch Veranstal­tungen unterhaltender Art zu beschäftigen, als ebenso dringend zu bezeichnen. Besonders gilt dies für die langfristig Erwerbslosen, deren seelische Notlage positive Maßnahmen gebieterisch erfordert.

Genosse Schreck Bielefeld   wies in einem herzlichen Glück wunsch an Heinrich Schulz auf die Kameradschaftlichkeit hin, die eine leider manchmal zu wenig beachtete Notwendigkeit sei, aber in der Bildungsarbeit der Partei immer eine hervorragende Rolle gespiel: habe. Schulz machte sodann darauf aufmerksam, daß die Bildungs­arbeit nicht zu separatistischen Bestrebungen benutzt werden dürfe. Meinungs- und Richtungskäinpfe dürfen im Rahmen der sozialisti­ schen   Bildungsarbeit unter feinen Umständen ausgetragen werden. Unsere Arbeit dient der Schulung, Meinungstämpfe sind in der Organisation der Gesamtpartei auszutragen." Genosse Alexander Stein erstattete sodann einen volkstümliche Konzerte, sportliche Uebungen und andere Darbietungen. Bericht über

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die Arbeit des vergangenen Jahres.

Wir mußten uns einstellen auf die politischen Kämpfe, ,, Wir mußten uns einstellen auf die politischen Kämpfe, die im Vordergrund des Interesses standen. Im Kampje gegen den Nationalsozialismus haben uns Parteivorstand und Reichstags: fraktion auf das wirksamste unterstützt. Unsere Vortragskurse zur Bekämpfung des Faschismus hatten großen Erfolg. 84 Kurse fanden statt. Vergessen wir aber nicht, daß nicht weniger als ein Drittel der Teilnehmer erwerbslos waren. Trotz aller Not gelang es uns, die Aktivität zu heben, und bei dieser Arbeit ver­danken wir viel unseren Wanderlehrern, die niemals grauer Theorie erlagen, sondern pofitive Ziele in den Vordergrund ihrer Arbeit stellten. Unsere Ferienkurse haben unter der Not der Zeit eine beflagenswerte Einschränkung erfahren müssen. Bei der Schulung der Funktionäre erfuhren wir durch den Parteivorstand eine besonders wertvolle Unterstützung. Wir holten auch hier die Arbeitslosen heran, weil wir die Arbeit auf den Stempel stellen für besonders wichtig halten und unseren Genossen für die Werbung bei den von der Not der Zeit besonders Betroffenen das erforderliche Wissen geben wollen. Wir wollen feine Meinungsfabriken,

feine Grammophonplatten wie Nazis und Kommunisten, wir wollen wissende Menschen. Die Leipziger   Tagung über Feste und Feiern wies neue Wege, die Tagung in Bad Grund   schaffte Klarheit im Verhältnis zu den Bolksschulen. Wir sind in der Frage der Volkshochschulen ent schlossen zu kritischer positiver Mitarbeit. Im Rahmen der Gesamt­partei soll die Bildungsarbeit kein Sonderdafein führen, sondern wichtiger integrierender Bestandteil sein. Lebensnah und lebenswirklich prüfen wir die Lage des Proletariats. Die Erwerbslosenfrage verlangt besondere Arbeit und der Parteitag in Leipzig   übertrug gerade den Bildungsfunktionären die Schulung der jungen Genossen und ihre Eingliederung in die Parteiarbeit. Wir mollen Idealismus, Phantasie und Fanatismus, aber wir lehnen die Utopien des verlogenen Nationalismus und des wirklichkeits­fremden, oft verbrecherischen Kommunismus ab.

Genosse Czapinski- Polen

mies auf die internationale Bedeutung der deutschen   sozialistischen  Bildungarbeit hin. Er nannte die Deutschen   Pioniere des Sozialismus, die gerade für seine Heimat, für Polen  , große Bedeutung hätten. Die Bildungsarbeit sei ein Stück aus der großen internationalen solidarischen Arbeit, die von den Sozialisten aller Länder geleistet mürde.

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-Genosse Adams Hamburg hielt sodann ein Referat über die Bildungsarbeit für Erwerbskofe.

An Veranstaltungen dieser Art kommen in Frage: Fortbildungs­kurse der Arbeitsämter, Kurse für Erwerbslose in den Volkshoch= schulen, Freizeiten für Jugendliche in geeigneten Heimen, Aufnahme von Erwerbslosen in Volkshochschulheimen, Film- und Lichtbild darbietungen, gemeinsames Rundfunkhören, Theatervorstellungen, Die Bildungsausschüsse werden aufgefordert, durch die Abgeordneten und Gemeindevertreter der Partei darauf hinzuwirken, daß Mittel für diese Zwecke bereitgestellt werden. Ferner ist es notwendig, im Zusammenwirken mit den Gewerkschaften und anderen Arbeiter­organisationen, vor allem auch der Arbeiterwohlfahrt, einige Ver= anstaltungen für Erwerbslose und deren Angehörige durchzuführen. Neben diesen vom Geist der oft bewährten Solidarität der Arbeiter­flasse getragenen Maßnahmen ist Wert darauf zu legen, daß die Erwerbslosen zu allen Veranstaltungen der Organisation, für die Eintrittsgeld erhoben wird, unentgeltlich Zutritt haben. Darüber hinaus ist erforderlich, die Erwerbslosen in engster Berbindung mit dem gesamten Organisationsleben zu erhalten, damit ihnen die Arbeiterbewegung Stütze und Halt in ihrer schweren Notlage ist.

Im Rahmen der Tagung findet im Brandenburger Büro, Lindenstr. 3, 2. Hof, 2 Tr., eine Ausstellung statt, die sehr wirkungsvoll in bildlicher Darstellung alle Möglichkeiten zur Werbung für sozialistische Bildungsarbeit aufweist. Der Besuch ist. sehr zu empfehlen.

Heute, Sonnabend, abends, 8 Uhr, findet im Saal des Preußischen Staatsrats, Leipziger Str. 3, anläßlich des 25jähri gen Bestehens des Zentralbildungsausschusses eine große Fest versammlung mit Begrüßungskundgebung statt, die von Gesangsdarbietungen( es merden die vom Sozia­listischen Kulturbund preisgekrönten Lieder zu Gehör gebracht) um­rahmt wird. Eintritt 50 Pf., Erwerbslose und Jugendliche unter 18 Jahren 30 mittags 12 Uhr, eine Künstlerische Feierstunde stait 1197.- Beiter findet morgen, Sonntag, mit der Aufführung von Beethovens Fünfte Sinfonie  , einer An­sprache des Genossen Heinrich Schulz und der Uraus­führung des Chorwerks Aufmarsch" Tießen, Text von Max Barthel  . Eintritt 1 M., Ermerbs= lose und Jugendliche unter 18 Jahren 50 Pf. Eintrittskarten für beide Veranstaltungen sind an der Abendkasse im Herrenhaus und an der Tageskasse in der Volfsbühne noch erhältlich.

von Heinz

Neuer Volkskommissar für Verkehrswesen. Das Präsidium des Vollzugsausschusses der Sowjetunion   hat den Volkskommissar für Berkehrswesen, Ruchimowitsch, von seinem Bosten entbunden. zu seinem Nachfolger wurde Andrejem ernannt. Der Rücktritt Rudimowitschs ist darauf zurückzuführen, daß es ihm nicht gelungen ist, Ordnung auf den russischen Eisenbahnen zu schaffen.

Der italienische Außenminister Grandi mird, wie in Rom   ver lautet, seinen Berliner   Besuch bereits in der ersten Oktoberhälfte

Bei dieser Arbeit für Erwerbslose handelt es sich um zu machen.