Nr. 469 48. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Die letzten Industrie- Enqueten.
Konzernmacht in der Papierindustrie.
Der Deutsche Enqueteausschuß, der die Produktions- und Absazbedingungen der deutschen Wirtschaft in einer großen Anzahl wertvoller Arbeiten untersuchte und durchleuchtete, veröffentlicht jetzt seine legten beiden Industrie Enqueten. Es sind dies eine Untersuchung über die Industrie der Kleinmusikinstrumente und über die deutsche Zellstoff, Bapierund Pappenindustrie.( Berlag E. S. Mittler u. Sohn, Berlin .)
Die Untersuchung über die Papierindustrie und ihre Nebenzweige hat wertvolles Material zutage gefördert. Nach der Betriebszählung von 1925 umfaßte die papiererzeugende Industrie
1151 Betriebe mit mehr als 117 000 Arbeitern und Angestellten. Seit 1907 hat sich die Zahl der Betriebe um rund 14,4 Proz. zunehmender Konzentration vermindert. Wäherend die Belegschaft zu gleicher Zeit um 23,9 Proz. gestiegen ist. Immerhin machten die Betriebe bis zu 50 Arbeitnehmern immer noch 56,4 Broz. aus, während auf die Betriebe von 1000 bis 2000 Beschäftigte nur 1,1 Proz. entfielen und über 2000 Beschäftigte nur zwei Betriebe oder 0,2 Proz. der Gesamtzahl der Werke in der Papierindustrie aufwiesen. Andererseits vereinigten die Betriebe mit mehr als 1000 Mann Belegschaft fast 17 Proz. der Gesamtbelegschaft auf sich, während die kleinen Betriebe bis zu 50 beschäftigten Personen nur 9,8 Proz. der Gesamt. belegschaft aufmiefen.
Der Wert der Produktion in der deutschen Papierindustrie erreichte 1929 1,41 milliarden und der Wert der reinen Papiererzeugung 1 milliarde Mark.
Gegenüber der Borkriegszeit ist die Menge der Produktion in der Zellstoffindustrie um 45 Broz. gestiegen, während die Produktion in der Holzschliffindustrie um 26 und in der Papier: industrie um annähernd 32 Proz. sich erhöht hat. Von der Fabrikation gingen in der Vorkriegszeit wertmäßig bei 3ell stoff rund ein Fünftel, bei Pappe rund ein Achtel und bei Papier fast ein Fünftel ins Ausland. Der Ausfuhrwert der deutschen Papierindustrie betrug 1913 128 Millionen oder 1,3 Pro3. des Gesamterportes, während 1928/29 der Anteil der Papierindustrie am Gesamterport rund 2 Proz. erreichte. Der Ausfuhrüberschuß hatte 1926 seinen höchst stand mit fast 260 Millionen erreicht und betrug 1930 noch 193 gegen 213 Millionen im vorhergehenden Jahr. Der Betriebszahl und der Stärke der Belegschaft nach steht Deutschlands Papierindustrie in der Welt an erster Stelle. Allerdings folgt es in der Gesamtproduktion erst on dritter Stelle hinter den Vereinigten Staaten und Kanada .
Wegen der Schwierigkeiten, die Unternehmungen ohne eigene Halbzeugbasis zu überwinden haben, ist die Konzernierung derartiger Betriebe am häufigsten. Hand in Hand mit der soge: nannten vertikalen Konzernbildung laufen aber auch vielfach horizontale zusammenschlüsse. Zur Zeit beherrscht der WaldhofRonzern über ein Biertel und der Aschaffenburg - Konzern etwa ein Sechstel der Produktion an Sulfitzellstoff. Der Hartmann- Konzern umfaßt beinahe die gesamte Sulfatzellstoff- und ungefäähr die Hälfte der Sulfatpapierfabrikation. Die bemerkenswertesten Aktionen der Konzernbildung hat in den letzten Jahren die Feldmühle A.= G. in Stettin durchgeführt. Nach der Aufsaugung der ReisholzGruppe und der Königsberger Kohoint konzentriert der Feldmühle Konzern rund 25 Broz. der Fabrikation von Zeitungsdrud papier. Insgesamt entfallen auf diese Großkonzerne der Papier industrie zwei Drittel der Zellstoffproduktion und ungefähr ein Zehntel der Holzschliffproduktion.
Bon dem Gesamtkapital, das Ende 1927 in Höhe von 279 Millionen inneffiert war, find etwa 38 Proz. fonzerngebunden. Leider sind die Untersuchungen über das Kartellwesen nicht erschöpfend durchgeführt worden. So fehlen insbesondere nähere Feststellungen über die Politit des Drudpapierfartells, das die Deffentlichkeit mehr als einmal wegen seiner rigorosen Preisfestlegungen zur Kritik herausgefordert hat. Die Preise für Zeitungspapier lagen 1930 noch um 50 bis 55 Pro3. über dem Stande von 1913. Berücksichtigt man, in welchem Umfange die jehr scharfe Rationalisierung fostensentend gewirkt hat, und die Rohstoffpreise gesunken sind, so müssen diese Preise als maßlos überhöht angesehen werden. Hier vermißt man eine Kritik des Untersuchungsausschusses, die mehr als angebracht gewesen wäre.
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Im Berlage von Mittler u. Sohn, Berlin , ist vor furzem eine der letzten Beröffentlichungen des Enqueteausschusses er schienen, der Bericht über die Industrie der Kleinmusikinstrumente" ( 239 Seiten, 6,50 M.). Wenn auch der Produktionswert
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Kämpfe des Kleinmufit: Gewerbes.
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dieser Industrie, die die. Fabrikation von Mund- und Ziehharmonkken, von Orchesterinstrumenten( Saiten, Blas, Schlaginstrumenten) und die Fabrikation von Saiten umfaßt, verhältnismäßig flein ist betrug im Jahre 1930 nur 33,6 Millionen Mark und war mengen mäßig erheblich niedriger als in der Vorkriegszeit so bietet die Untersuchung doch in vielfacher Hinsicht viel Interessantes.
Im Jahre 1928 beschäftigte die Kleinmusikinstrumentenindustrie in 3000 Betrieben etwa 20 000 Arbeitsfräfte. Die Produktion ist fast ausschließlich auf zwei Bezirke, das obere Vogt land( Sachsen ) und in Trossingen ( Württemberg ) tonzentriert. Während nun in Trossingen ein einziges Riesenunternehmen( die Mathias Hohner A.-G.) sich bildete, das alle früheren Kleinunternehmen aufgefogen hat, ist im Vogtland das ausgewerbe mit mehr als 1800 Betrieben noch stark verbreitet.
Ein Vergleich mit der Betriebszählung des Jahres 1907 zeigt, daß das Hausgewerbe feineswegs verschwindet, sondern sich ebenso wie die Großbetriebe auf Kosten der Mittelbetriebe ausgedehnt hat. Das kommt daher, daß diese handwerks: mäßigen Betriebe, die kaum bezahlte Arbeitskräfte, höchstens mehr oder minder unbezahlte Familienmitglieder beschä tigen, frisenfester sind als die Mittelbetriebe ihre Arbeitszeit ist nicht festgelegt, und fire Kosten für Betriebskapital find nicht vorhanden.
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Die Verdienste sind im Hausgewerbe mie bei den zahl= reichen Heimarbeitern( die nicht selbständig arbeiten), schreckend niedrig; dementsprechend niedrig sind auch die von den Betrieben gezahlten Löhne, obwohl die Arbeits= leistung gegenüber der Vorfriegszeit nicht unerheblich gestiegen ist. Der Anteil der Löhne am Fabrifpreis beträgt etma 30 bis 50 Prozent. Da aber der Handel auf den Fabrikpreis 100 Prozent aufschlägt, ist der Anteil der Löhne am Preis, den der Abnehmer zahlt, nur 15 bis 30 Prozent- eine bessere Abjagorganisation mit geringeren Handelsaufschlägen würde also durchaus eine Erhöhung der Elendslöhne ermöglichen.
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Vom gesamten Außenhandel der Welt in Kleinmusikinstrumenten wird mehr als die Hälfte von Deutsch land bestritten. In der Belieferung des Weltmarktes mit Mundharmonikas und mit Saiten hat Deutschland eine Monopolstellung: 90 Prozent der deutschen Produktion werden exportiert.
Dabei ist besonders interessant, daß trop der beherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt nicht weniger als 40 Prozent des deutschen Berbrauchs( 1913 nur 24 Proz.) durch die Einfuhr gedeckt wird. Fast die ganze deutsche Einfuhr besteht in Orchesterinstrumenten. Dabei spielen alte Instrumente( Geigen!) eine besondere Rolle; da die einzelnen Stücke einen sehr hohen Wert haben, kann man aus den Einfuhrziffern nur bedingt Schlüsse ziehen. Ein Teil der Einfuhr besteht auch in Instrumententeilen, die in Deutschland weiter verarbeitet werden. Soviel aber kann gejagt werden: eine hohe Einfuhr braucht nicht im Gegensatz zu den Interessen der deutschen Industrie zu stehen. Denn eine fühlbare Erhöhung der deutschen Zölle auf Kleinmusifinstrumente würde eine Erhöhung der Zölle anderer Länder nach sich ziehen; wenn dann eine Einfuhr nach Deutschland auch nicht mehr möglich wäre, so wäre die deutsche Industrie doch durch den Fortfall ihrer Ausfuhr in viel stärkerem Maße geschädigt.
Auch in USA . fein Geld für Autos.
Die Automobilfabrikation um 60 Prozent gesunken.
Die Automobilerzeugung Amerifas ist, vorläufigen Berechnungen zufolge, im September meiter auf rund 180 000 Personennungen zufolge, im September weiter auf rund 180 000 Personenund Lastkraftwagen zurückgegangen gegenüber einer Produktion von 197 000 Automobilen im Vormonat, 327 000 im Mai und 352 000 Stück im April.
Damit hatte die amerikanische Automobilproduktion im Septemìber gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres einen Rüd gang um 20 Pro 3. und gegenüber September 1929 um rund 60 Broz. aufzumeisen. Die Gesamtproduktion der ersten drei Quartale 1931 beläuft sich auf 2,24 Millionen Wagen gegen 3,05 Millionen im gleichen Zeitraum des Vorjahres und 4,87 millionen Stück in den ersten neun Monaten 1929. Für den Rest des Jahres muß angesichts der höchst unbefriedigenden Entwicklung des Absatzes mit weiteren Produktionsdrosselungen gerechnet werden.
Mittwoch, 7. Oftober 1931.
Preise in England.
Die Bewegung zeigt das typische Inflationsbild. Am 20. September hat England den Gold standard, d. h. die Pflicht der Bank von England zur Einlösung ihrer Noten gegen Gold, aufgehoben. Das bedeutet vorläufig noch nicht, daß die englische Finanzpolitik munmehr den Weg der Inflation beschritten hat. Denn von Inflation kann erst dann die Rede sein, wenn die in der Volkswirtschaft umlaufende Geldmenge ohne
Rücksicht auf die Deckung durch Gold oder durch Handelswechsel über das Maß, das zur Bewältigung der Umsätze in der Boltswirtschaft nötig ist, hinaus vermehrt wird( etwa zum Ausgleichh eines Defizits im Haushalt).
Was England( bisher!) getan hat, ist nur, daß es sich außer halb des in fast allen übrigen Ländern der Welt bestehenden Goldwährungssystem's gestellt hat, eines Systems, dessen Mechanismus zur Regulierung der umlaufenden Geldmenge durch die Verbindung mit Gold gekennzeichnet ist. In diesem System ist aber das Gold das Zahlungsmittel, das letzten Endes die Forderungen der einzelnen Volkswirtschaften gegeneinander ausgleicht, wenn bei der Aufrechnung der gegenseitigen Forderungen eine Spitze( ein Saldo) übrig bleibt. Da nun in der letzten Zeit die Forderungen an England sehr viel höher als Englands Forderungen an seine Gläubigerländer waren, sah es sich außerstande, weiterhin den Saldo durch Gold auszugleichen, d. h. für die angebotenen englischen Pfunde Gold hinzugeben.
Das eberangebot an englischen Pfunden ist es, das ihren Preis, ihren Kurs gedrückt hat. Erst menn England daran geht, durch Neuausgabe von Noten die Menge des umlaufenden Geldes künstlich zu vermehren und dadurch den Geldmert herabzudrüden, dann macht es Inflation".
Aber die Tatsache besteht, daß das Pfund entwertet ist, und zwar um 18 Proz. in der Zeit vom 18. bis 30. September. Dieie Entwertung hat die aus der Inflation bekannten Erscheinungen gezeitigt: die Engländer verkaufen ihre Waren weiter nach Pfund; aber ihre Abnehmer zahlen in Gold jegt weniger als vorher. Folglich entsteht eine Nachfrage nach englischen Waren, die wie jede Nachfrage den Preis der englischen Waren in die Höhe treibt, aber doch nicht so hoch, daß die gestiegenen Breise- auf Gold umgerechnet die frühere Höhe in Goldparität erreichten. Denn wesentliche Bestandteile der Kosten vor allem Löhne haben sich bisher noch gar nicht erhöht, d. h. der Pfundentwer
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tung noch nicht angepaßt. Die Produktionsvermehrung aus der gestiegenen Nachfrage und aus dem An=. reiz der steigenden Preise geht also völlig zu
Lasten der Löhne.
Für die Bewegung der Preise seit dem 18. Auguft veröffentlicht die englische Zeitschrift The Economist " im Heft vom 3. Ottober 1931 interessante Angaben. Die englischen Großhandels( 1927 100) Ende Sept. 1930 Getreide und Mehl. 79,5 Andere Nahrungsmittel. 74,5 Textilien 56,9 Bergwerksprodukte. 79,5 Verschiedenes
preise zeigen folgende Bewegung:
Gesamtinder
•
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18. Cept. 1931
Ende Sept 1931
64,5
68,0
62,2
68,1
43.7
49,5
67,4
72,9
76,7
65,8
68,9
73,2
60,4
65,1
Bis zum 18. September 1931 ist der Preisindex ständig gesunken: von 73,2( 1927= 100) Ende September 1930 auf 60,4
am
18. September. Nach Aufhebung des Golda standards find die Preise sofort gestiegen; der Index steht am 30. September auf 65,1.
Im einzelnen merden dann Preise für wichtige Waren des Welthandels in England und in den Bereinigten Staaten verglichen. Algemein zeigt sich in der Berichtszeit ein Rückgang der Preise in den Vereinigten Staaten und ein Ansteigen in England ( was hier natürlich den Anreiz zu vermehrter Produktion auslöst). Um den Vergleich schlagend durchzuführen, hat der„ Economist " seinem Großhandelsinder, der nach den englischen Preisen in englischen Pfunden berechnet wird, einen Inder von 18 Waren gegenübergestellt, für den die Preise an amerikanischen Börsen( nur für Wolle der Preis von Le Havre ) ermittelt wurden. Dieser zweite Index enthält also nur Rotierungen in wertbeständiger Währung, nur Gold preise. Setzt man beide Indizes für den 18. September dieses Jahres mit 100 an, so zeigt bis Ende September
der Goldinder ein Absinken auf.
94,7,
der Inder der englischen Preise ein Steigen auf 107,8. Die entgegengesette Entwicklung beider Preisreihen ist augenscheinlich. In der gleichen Zeit, in der die in Gold berechneten Preise an den Auslandsbörsen um mehr als 5 Proz. zurüdgingen,
6 Stück nur 20
TETAS
ETA
Die gute und milde
TETA