Einzelbild herunterladen
 
  

Das neue Gesetzbündel.

Die Notverordnung vom 7. Oftober.

Die Dritte Berordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen" vom 6. Oftober beglückt das deutsche Volt wieder, wie ihre Vorgängerinnen, mit einer unendlichen Fülle gesezgeberischer Maßnahmen, die mitein­ander in gar feinem oder nur in losem Zusammenhang stehen. Verschlechterungen und Verbesserungen des bestehen­den Zustands wechseln in bunter Reihenfolge miteinander ab. Die Verbesserungen beschränken sich hauptsächlich auf jene Erleichterungen der sozialen härten der Juni Notoerordnung, die die sozialdemokratische Reichstagsfrattion in langwierigen und mühevollen Ver­handlungen der Reichsregierung abgerungen hat. Darauf wird an anderer Stelle dieses Blattes näher eingegangen.

=

In diesem Rahmen sollen nur die allerwichtigsten Be­stimmungen der neuen Notverordnung außer den eben erwähnten Berbesserungen der Juni- Notverordnung einer furzen Würdigung unterzogen werden. Alle Einzelregelungen müssen besonderen Darstellungen vorbehalten bleiben..

Die Notrerordnung beschäftigt sich zunächst nochmals mit den Gehältern und Löhnen derin öffentlichen Diensten stehenden Personen. Auch hier ist Erfreuliches mit unerfreulichem bunt gemischt. Erfreulich ist, daß die Regierung endlich einmal den Mut gefunden hat, einer elementaren Volksforderung entsprechend, die Gehälter der höchsten Beamten der öffent­lichen Körperschaften sowie der öffentlichen Wirtschaft( soweit sie nicht mit der Privatwirtschaft in Ronkurrenz steht) auf die Höhe der Ministergehälter zu be= schränken. Unverständlich bleibt dabei freilich, warum die Tantiemen dieser Beamten bis zu einer gewissen Grenze davon ausgenommen bleiben sollen. Unerfreulich, ja vom gewerkschaftlichen Standpunkt im höchsten Maße be= denklich aber ist, daß nunmehr alle öffentlichen Unter­

516

gitais Das Münchener Orakel.

UNTERNEHMER PROGRAMM.

m UNGEHEMMTER LOHN- KAPITALISMUS KURZUNG

Keine SOZIAL­LASTEN

છવાડે જેના

GEWERKUHAFTS PROGRAMM

AUSBAU der PRODAM PREIS­HOCH das SOZIAL der TARIFRECHT CHE

AB­40 STUNDEN BAU WOCHE

FLORATE

Gage uns, o große Pythia Hitler , auf welcher Geite stehen wir Nazi eigentlich?"

hin und gefahren seien und die SA. - Mannen zum Randalieren

nehmungen, auch wenn ſie in faufmännischer Form betrieben Die Bundespräsidentenwahl. angelspornt und fie babel geleitet haben. Es beftand mun die Mobficht,

Gehälter

diensteten genau so fürzen und die gleichen Eingriffe ius Tarifrecht vornehmen müssen wie die sonstigen öffentlichen Körperschaften.

Auch die Kommunen werden in der Notverordnung fehr ungleichmäßig behandelt. Auf der einen Seite werden ihnen vom Reich zufäglich zu den bisherigen Leistungen 170 Millionen Mart zur Erleichterung ihrer Wohl fahrtslasten zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag erscheint uns zwar angesichts der drückenden Laſten der Wohlfahrts­erwerbslosigkeit noch reichlich ungenügend, stellt aber doch wenigstens einen ersten Schritt zu einer wirklich umfassenden Reichshilfe für die Kommunen dar. Andererseits wird freilich den Ländern das Recht gegeben, die Ersparnisse aus ihrer Gehaltstürzung, die sie bisher den Kommunen zur Verfügung stellen mußten, nach eigenem Ermessen zu vermenden.

Eine weitere Berbesserung, besonders im Interesse der Landgemeinden, besteht darin, daß die Landwirte mit einem Einkommen von weniger als 6000 m. jährlich in Butunft in der Regel den vollen Saz der Bürger euer zu zahlen haben werden, während sie nach der bis­Berigen Regelung nur den halben Satz zu tragen gehabt

hätten.

Diesen Berbefferungen stehen aber schwere mate= rielle Berichlechterungen und meitere Ein= bußen der kommunalen Selbstverwaltung gegenüber. Eine materielle Berschlechterung bedeutet es, daß Die auszinssteuer um 20 Proz. gesenkt wurde, während die Kommunen eine Ermäßigung um 15 Proz. zur Abgleichung der Juni- Notverordnung( 3inserhöhung für die Aufmertungshypothefen usw.) für völlig ausreichend hielten. Die Regierung hat also den Hausbesitzern troß der schweren Finanznot der öffentlichen Körperschaften ein Geschenk von 60 bis 80 millionen in die Taschen gespielt. Das ist gemiß mesentlich meniger, als die Haus­befizer selbst in ihrer unerfättlichen Gier verlangt und alle bürgerlichen Parteien ihnen zugestanden hatten, aber es ist mehr, als eine soziale Finanzpolitit vertragen fönnte.

Mit der Neuregelung der Hauszinssteuer ist aber auch der öffentliche ohnungsbau zu Tode getroffen worden. Zwölf Broz. der reduzierten Hauszinssteuer müssen für die 3mede der an sich notwendigen fommunalen ilmschuldungsaktion abgezweigt werden, und darüber hinaus werden die Länder ermächtigt, den Neubauanteil der Haus zinssteuer nach ihrem Belieben für allgemeine Finanzzwecke zu verwenden. Praktisch läuft diese Regelung darauf hinaus, daß außer Hauszinssteuermitteln in unbestimmter Höhe, die die Rotverordnung für die landwirtschaftliche und Vorstadt: siedlung vorsieht, für die Neubautätigkeit so gut mie feine auszinssteuermittel mehr zur Berfügung stehen merden. Das ganze stolze Wert des Wohnungsbaues aus öffentlichen Mitteln, das freilich schon durch die Notverordnung vom Dezember vorigen Jahres schwer erschüttert worden war, bricht also in einem Augenblid zusammen, in dem weit mehr als die Hälfte der Bauarbeiter auf der Straße liegt und viele Hunderttausende von Brole­tariern in fremden Wohnungen haufen müssen.

Die Selbstverwaltung der Kommunen wird auf verschiedenen Wegen eingeschränft. Soweit fie gezwungen find, furzfristige Schulden umzuschulden und sich zu diesem Zwed zur Vermittlung der Umschuldungsstellen bedienen müssen, wird die Umschuldungsstelle ihnen schmere Bedingungen für die Sicherung des Schuldendienstes auf erlegen fännen. Freilich liegt hier zum Teil eine Notwendig feit vor, der man sich beugen muß und die noch immer er träglicher erscheint, als die phantastischen und kommunal­feindlichen Umschuldungspläne, die von den verschiedensten Stellen ausgeheckt wurden.

Aufregung und Geld gespart.

Die Verfassungsver- änderung, die 1930 auf Berlangen der Heim­wehr und ihres obersten Proteftors Seipel durchgedrückt wurde, schreibt die Wahl des Bundespräsidenten durch das ganze Bolf, statt wie bisher durch die Bundesversammlung vor. Diese Wahl war auf den 8. Oktober ausgeschrieben und der sozialdemokratische Kandidat, Dr. Karl Renner , der Präsident des Nationalrates, ist bereits auf einer glänzend verlaufenden Versammlungstour von der Westgrenze des Staates, von Vorarlberg her.

gegen die drei Rädelsführer gemeinsam mit der Anklage gegen Graf Helldorf , Ernst und den Stahlhelmführer Brandt zu verhandeln. Es ist jedoch zu befürchten, daß unter diesen Umständen die Verhandlung gegen Helldorf und Ernst ver­tagt werden müßte. Denn die drei vor kurzem Verhafteten tönnen unter Umständen auf die Wahrung der Ladefristen bestehen. Dann wäre es unmöglich, gegen sie bereits am Freitag zu verhandeln. So erscheint es notwendig, unabhängig von diesen dreien den Prozeß gegen den Grafen Helldorf und Ernst durchzuführen. Es geht doch wahrlich nicht an, immer neue Termine gegen die beiden

Naziführer anzusetzen. Es ist auch keine Gewähr vorhanden, daß nicht in den nächsten Tagen wieder ein paar SA - Krawallbrüder verhaftet werden. Auf diese Weise würde die Verhandlung immer wieder verschoben werden müſſen!

Bremen - Flugzeug aufgefunden.

Die Sozialdemokraten hatten von Anfang an dazu geraten, die Volkswahl abzusagen, um in dieser schweren Zeit Aufregung und Geld zu ersparen. Die Großdeutschen haben den Antrag eingebracht, es diesmal noch bei der Wahl durch die Bundesversammlung ( Nationalrat und Bundesrat) bemenden zu lassen. Nun haben auch die Christlichsozialen diesem Antrag zugestimmt. Damit ist die zu verfassungsändernden Beschlüssen erforderliche Mehrheit beisammen, Vollständig zertrümmert. die Wahlausschreibung wird widerrufen und nächste Woche wählt die Bundesversammlung Herrn Mitlas wieder oder einen neuen Bundespräsidentenabile sib

Wann Prozeß Helldorf ?

Reve Galgenfrift für die Kurfürstendammrädelsführer? Der Vormärts" berichtete gestern von der Verhaftung dreier weiterer Rädelsführer bei den Razitrawallen auf dem Kurfürsten damm am 12. September d. J. Es sind dies der Standarten führer hell, der Sturmtruppadjutant Sagemeister und der Sanitätstruppführer Sameriti. Seugen wollen mit aller Bestimmtheit gesehen haben, daß sie in einem Opelwagen

-

Die Leichen der Flieger noch nicht geborgen.

Halifag, 7. Oftober. Das Satapultflugzeug der Bremen , das gestern in der Cobe­quid- Bai abstürzte, wurde vollständig zertrümmert in der Nähe des Ufers aufgefunden. Die Postfäde frieben in der Nähe auf dem Waffer. Die Leichen der Flieger fonnten bisher noch nicht ge­funden werden.

Für den deutsch - franzöfifchen Wirtschaftsausschuß sind die französischen Bertreter ernannt worden. An der Spize steht. Unter­französischen Vertreter ernannt worden. An der Spige steht. Unter­Staatssekretär Gignour, mährend der Ministerialdirektor am Quai d'Orsay, Coulondre, mit dem Amte des Generalsekretärs der franzöfifchen Delegation betraut worden ist. Im Ausschuß werden im übrigen fünf Ministerien vertreten sein.

sein.

Zu den Bestimmungen, mit denen man sich grundsäglich, all diese weittragenden politischen Bestimmungen der Not­einverstanden erklären fann, gehört die Regelung der verordnung wird noch in anderem Zusammenhang zu reden öffentlichen Pensionen und der privaten Spigengehälter. Es muß begrüßt werden, daß die Regierung endlich nach überlangem Zögern der berechtigten Volksstimmung nachgegeben und gewisse Kürzungen der Höchstpensionen somie hoher Pensionen bei Doppelverdienern vorgenommen hat. Freilich ist diese Regelung noch viel zu zaghaft und in ihrem materiellen Effett durchaus unzulänglich. Andererseits werden in der Notverordnung allgemein die Bensionssäze gesenkt, mas zwar bei höheren Pensionen zu billigen ist, bei niedrigen aber zu sozialen Härten führ 1 muß.

Viel cheidener ist der Eingriff in die privaten pige gehälter. Hier wird nur die Möglichkeit ge­fchaffer älter über 15 000 Mart einseitig herabzusehen bzw. zu unbigen. Wie weit aber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden wird, ist noch sehr fraglich. Es ist zu befürchten, daß gerade die höchsten, ausgesprochen groß­fapitalistischen Gehälter davon gar nicht oder nur unmesent lich betroffen werden.

Schon dieser kleine Ausschnitt aus dem Gewirr der Not­verordnung zeigt, daß eine einheitliche Beurteilung infolge ihres buntschillernden Charakters unmöglich ist. Er zeigt aber auch und ein eingehenderes Studium der zum Teil über­aus fomplizierten Bestimmungen der Notverordnung be ftätigt es noch viel mehr, daß diefer bürokratische Beg der Gesezgebung, diese Vielregiererei von Ministerialbeamten und Interessentengruppen, die den Weg zu ihnen finden, auf die Dauer für ein großes und modernes Land immer unerträglicher wird. Es zeigt sich immer mehr, wie himmelhoch der vielgeschmähte Parlamen­tarismus mit feiner verfeinerten und weitreichenden Volks kontrolle über diesen Regierungsmethoden steht. Und wenn er heute dant der Septemberwahlen in seiner Funktions­fähigkeit geschmächt ist, so wird es die allerwichtigste politische Aufgabe sein, das Volk wieder zur parlamentarischen Reife zu erziehen!

fraftjehung von Grundrechten.

Schon eine Interpretation! Herr Schiele ist in der diesjährigen Notverordnung nur mit einer zwar bescheiden aussehenden, aber doch vom Die Vorschrift der neuen Rotverordnung über die Außer­ernährungspolitischen Standpunkt sehr bedenklichen Liebes­gabe an die Agrarier vertreten; es ist die Bestimmung, mo nach das von ihm heißgeliebte Kartoffelstärtemeh! bis zur Höhe von 5 Broz. dem Weizengebäd beigemahlen oder sonst von den Böckern verwendet werden muß. Gegen derartige zwangsmeise Verschlechterungen von Nahrungs­mitteln, die bedenklich an die Kriegswirtschaft erinnern, muß immer Einspruch erhoben werden, auch wenn sie nicht allzu tief gehende Wirkungen ausüben.

In einem Teil der Presse wird die Vorschrift der neuen Not­verordnung, die sich auf die Außerkraftsehung von Grundrechten be­zieht, dahin ausgelegt, als wenn nun sämtliche, im Artikel 48 ge­nannten Grundrechte allgemein und mit Wirkung für sämtliche Amtshandlungen der Behörden außer Kraft gesetzt wären. Davon fann, wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, keine Rede sein. Die Vorschrift enthält fachlich nichts Neues. Sie findet Darüber hinaus wird aber sämtlichen Kommunen die Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die neue sich im gleichen Wortlaut bereits in der Notverordnung vom Selbstverwaltung dadurch beschnitten, daß in Zukunft nicht Notverordnung auch politische Bestimmungen von 28. März d. 3. Auch die neue Notverordnung hat sich lediglich nur ihre Anleihen, sondern auch ihre turzfristigen großer Tragmeite enthält. Es werden der Reichs darauf beschränkt, die Grundrechte in dem Umfang außer Kraft zu Schulden( außer den Kassenfrediten) der landesregierung Ermächtigungen zur Errichtung von Sonder fezen, wie es zur Durchführung der in der Notverordnung selbst behördlichen Genehmigung unterliegen, und gerichten erteilt, die ganz allgemein gehalten sind und zugelassenen Maßnahmen notwendig ist. Die Außerkraftsetzung gilt daß die Länder in Erweiterung einer früheren Not die der Regierung den weitesten Spielraum zur Ausschaltung also nur für Amtshandlungen der in der Notverordnung selbst verordnung die Ausgaben der Kommunen von sich aus des allgemeinen Rechtsmeges und des ordentlichen Gerichts bezeichneten Art und nur für die Behörden, die mit ihrer Durch auf dem Berordnungswege herabsetzen können. perfahrens geben. Es werden zur Befämpfung politischer führung betraut find. Praktisch handelt es fich lediglich um die bir halten diese Bestimmung für eine der allerbedenk- Ausschreitungen Ausnahmebestimmungen erlassen,| Befugnis, Personen, die bei Waffenvergehen auf frischer Tat er. lichsten der neuen Notverordnung und ebenso die gleich die zwar den Kampf gegen politisches Rowdytum erleichtern tappt find, bis zu ihrer Aburteilung die persönliche Freiheit zu lautende Ermächtigung an die Reichsregierung, die Ausfönnten, sich aber doch auch allzu leicht gegen die politische entziehen, und um das Recht, in die Unverleglichkeit der Wohnung gaben der Sozialversicherung von sich aus, auch Freiheit im allgemeinen wenden können! Und schließlich| infomeit einzugreifen, als Wohnräume za Sammelstätten staats­unter Aenderung des geltenden Reichsrechts herabzusehen. werden in einer allgemeinen und bedenklich unbestimmten gefährlicher Betätigungen gemad) t worden sind. Eine weiter Es muß sehr ernstlich gefragt werden, ob hier nicht eine Wendung die im Ausnahmeartikel der Verfassung genannten gehende allgemeine Bollmacht, sich über die Grund­Fußangel verborgen liegt, um die Leistungen der Sozial- Grundrechte ,, in dem zur Durchführung der Notverord rechte der Staatsbürger hinwegzusehen, ist durch die Notverordnu persicherung auf faltem Wege verschlechtern zu können. nung erforderlichen Umfang außer Kraft gefeßt". Ueber nicht geschaffen worden.

-

=