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Morgenausgabe

Tir. 475

A 239

48.Jahrgang

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Der Vorwärts" erscheint wochentäg. lich zweimal, Gonntags und Montags einmal, die Abenbausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend, Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Beit".

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend

10. Oftober 1931

Groß- Berlin 10 Pi. Auswärts 15 Pf.

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Brünings zweites Kabinett.

Reichswehrminister Groener wird auch Innenminister.

Der Reichskanzler wurde am Freitag um 9.15 Uhr abends vom Reichspräsidenten empfangen. Er präsentierte dem Reichspräsidenten nachfolgende Ministerliste seines neuen Kabinetts:

Brüning : Reichskanzler und Außenminister, Dietrich: Vizekanzler und Reichsfinanzminister, Groener: Reichswehrminister und Innenminister, Stegerwald: Arbeitsminister, Warmbold: Wirtschaftsminister. Schiele: Reichsernährungsminister, Joel: Justizminister,

Treviranus : Verkehrsminister.

Der Reichspräsident hat der Ministerliste seine 3ustimmung erteilt und die von dem Reichs: fanzler vorgeschlagenen Persönlichkeiten zu Ministern crnannt, bzw. die Minister des ersten Kabinetts Brüning in ihren Aemtern bestätigt.

Der bisherige Reichspostminister Schäkel gehört dem neuen Kabinett zunächst nur provisorisch an. Er hat sich seine endgültige Entscheidung bis zur Stellungnahme der Fraktion der Bayerischen Volkspartei zu dem neuen Kabinett vorbehalten. Zum Ostkommissar ist der Reichstagsabgeordnete Schlange Schöningen in Aussicht genommen.

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Brüning II

Beder Neurath, noch Bögler, noch Geßler.

Gegen das zweite Kabinett Brüning kann man genau dasselbe einwenden wie gegen das erste. Aber auch nicht viel mehr. Ein paar Minister sind gegangen, ein paar Minister find gekommen, am Grundcharakter hat sich wenig geändert.

Neurath als Außenminister war eine Hoffnung der Deutschnationalen . Aber er fährt wieder nach London und Brüning übernimmt das Auswärtige mit. Das ist gut, weil damit dem Ausland gezeigt wird, daß der Kurs derfelbe bleibt. Es ist bedenklich, weil das Auswärtige zumal bei der gegenwärtigen Besetzung des Staatssekretärpostens eine ganze Arbeitsfraft braucht.

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Bögler sollte als Minister ein Wahrzeichen dafür sein, daß die offene Schwenkung nach rechts, in das Lager der Sozialreaktion, vollzogen sei. Mit ihm wollte man die Bolts­partei faptivieren. Aber die Volkspartei schmollt weiter, und Bögler kommt nicht.

Geßler, der Innenminister werden sollte, hat sich seit feinem Abgang noch weiter nach rechts entwickellt. Aber auch schon seine letzten Leistungen als Reichswehrminister hatten ihn um die letzten Reste von Vertrauen gebracht, die er aus früheren Zeiten noch auf der Linken besaß. Gegen ihn als Reichsimmenminister wurden lebhafte Bedenken geltend ge= macht, und Geßler bleibt uns erspart.

Neurath , Bögler, Geßler hätten durch ihren Eintritt den Grundcharakter des Kabinetts geändert. Ist er auch dadurch geändert, daß Herr Joel vom Staatssekretär zum Justiz­minister aufgerüdt ist? Oder dadurch, daß Herr Trevira nus nun als Berkehrsminister auf den dritten Ast, in das dritte Amt hüpft? Oder dadurch, daß der leere Seffel des Wirtschaftsministers durch Herrn Warmbold ausgefüllt wird, der ein ziemlich unbeschriebenes Blatt ist?

Für das erste Kabinett Brüning hat sich niemand be­geistern können. Ueber seine Umwandlung in das zweite Kabinett Brüning wird sich wahrscheinlich niemand aufregen. Der weitaus interessanteste Punkt der neuen Liste ist die Schaffung einer Personalunion zwischen Reichsinnen­ministerium und Reichswehrministerium. Herr Groener, der von heute an beide Aemter verwaltet, wird damit für die deutsche Republif eine noch wichtigere Persönlichkeit als bisher.

Durch die Bekämpfung der nationalsozialistischen Umtriebe in der Reichswehr hat sich Groener die erbitterte Feindschaft der ganzen Rechten zugezogen. Zu den dramatischsten Szenen int neuen Reichstag hat es gehört, als der deutschnationale Junter pon DIdenburg Januschau unter dem brou

senden Beifall der Hakenkreuzler seine große Attade gegen Groener ritt. Bis vor kurzem wenigstens wir wissen nicht, ob sich seitdem etwas daran geändert hat- mar Groener für die Rechte der bestgehaßte Mann des Kabinetts.

Eine Gefälligkeit für die Rechte bedeutet also seine Er­nennung zum Reichsinnenminister gewiß nicht. Damit ist jedoch freilich nicht gesagt, daß die Bereinigung von Reichs­ wehr - und Innenministerium in einer Hand für die Linke unbedenklich ist: Wird man nicht im Ausland von Militär­diktatur reden? Und besteht nicht wirklich die Gefahr, daß das Verfassungsministerium der Republik zu einer Filiale des Wehrministeriums herabsinft?

Ein echter, rechter Verfassungsminister, dem die Wehr­macht untersteht, das fann eine sehr gute Sache sein. Ein General und Kriegsminister, dem der Schutz der Verfassung übertragen wird, ist ein gefährliches Experiment.

Wird Groener Staatsmann genug sein, um die Schwierig feit seiner Doppelstellung zu verstehen? Dann wird er sich von heute ab in erster Linie als Berfassungs minister fühlen und erst in zweiter Linie als Wehr minister. Dem Verfaffungsminister fällt heute die Aufgabe 34, gewissermaßen der Treuhänder jener Boltsrechte zu sein, die zur Zeit weitgehenden Beschränkungen unterworfen sind. Er muß darüber machen, daß diese Beschränkungen nicht in willkürliche Unterdrüdung ausarten und daß sie gemildert|

oder aufgehoben werden, sobald die Umstände es gestatten. Es darf ihm aber auch nicht an Entschlossenheit fehlen, wo es gilt, die Feinde der Republit in Schach zu halten.

Ein wenig erinnert dieser neue Vorgang an die Be­frauung des Herrn v. Seedt mit der vollziehenden Gewalt im Jahre 1923. Aus den Fehlern, die damals begangen wurden, fönnte Groener einiges lernen. Immerhin hat Herr v. Seedt, der morgen Ehrengast in Harzburg sein wird, damals der radikalen Rechten das Rezept verdorben. Das mar die Zeit nach dem Münchener Hitler- Putsch. Sollte jetzt eine Aera Groener durch eine Aera Hitler abgelöst werden? Das wäre wahrhaftig eine Ironie des Schicksals!

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Dem zweiten Kabinett Brüning kann man, ja muß man skeptisch und kritisch gegenüberstehen. Aber es ist ein offen­barer Unsinn, wenn man sagt, es sei dasselbe wie eine Re­gierung Hitler ugenberg. Das zweite Kabinett Brüning, das in vieler Beziehung die Zeichen der Un­entschiedenheit trägt, ist damit selber ein Zeichen dafür, daß die legte Entscheidung in dem großen Machtkampf noch aus­steht. Das Wichtigste ist heute nicht, welche Figur diesen der jenen Ministersessel ziert, das Wichtigste ist, ob es ge­lingt, den Generalangriff des Unternehmer­tums auf die politischen und sozialen Rechte der Arbeiterflaffe abzuschlagen, der jetzt in vollem Gange ist. Die Bedeutung dieses Generalangriffs ist

Arbeiterfront gegen soziale Reaktion

Die Gewerkschaften aller Richtungen einig in der Abwehr.

Am Sonntag versammelt sich in Harzburg die ver einte Reaktion. Allein die Absicht dieses Aufmarsches des Blocs der nationalen Heuchelei, dessen höchstes Ziel die Entrechtung der deutschen Arbeiterschaft ist, hat alar mierend auf die Arbeiter, Angestellten und Beamten aller gewerkschaftlichen Richtungen gemirft. aller gewerkschaftlichen Richtungen gemirft. Neuer­dings beschäftigt sich auch der Politisch gemert fchaftliche Beitungsdienst" mit der Harzburger Tagung. Er schreibt:

verärgert, weil sie einen Teil ihrer Aufsichts­ratsmandate niederlegen müssen, und dadurch, daß von ihnen das mit viel Kunst und Verschleierung errichtete Gebäude der Konzernverschachtelungen umgebaut werden muß. Auch die vom Kanzler wiederholt geforderte Bilanz wahrheit entspricht nicht den Wünschen der Industriellen; sie möchten lieber einen undurchsichtigen Schleier über die Bilanzen ihrer Gesellschaften Mögen unter den in Harz­für die nächsten fünf Jahre legen burg anwesenden Gruppen und Persönlichkeiten auch manche sein, ,, Die Tendenz der Harzburger Tagung wird gegeben durch die die einen Kampf gegen die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften Teilnahme von Verbandsvertretern aus der Wirt- vermeiden wollen, so zwingt doch die Zusammensetzung der Teil­schaft und von Unternehmern aus der rheinisch- nehmerschaft mit dem zahlreichen Auftreten der Industrie zu der Feststellung, westfälischen Industrie.

Unter den Verbandsvertretern

der Wirtschaft befinden sich manche Syndizi aus den Verbänden, die erst noch por furzem in einem Sofortprogramm der Reichsregierung auf die Namen der Vertreter an, sondern mehr auf die großen ihre Forderungen überreicht haben. Aber es fommt nicht so sehr Unternehmungen, die von diesen Namen repräsentiert werden.

So find alfo in Bad Harzburg die Vereinigten Stahlwerke, die Gute- Hofnungs- Hütte, die Stinnes- Zechen und schließlich auch der Bergbauverein vertreten.

Der Bergbauverein hat in der Arbeit, mie sie in Harzburg von der Industrie geleistet werden soll, einige Erfahrung. Zwar hat er nicht immer so vorsichtig gearbeitet, wie er dies in der letzten Zeit versucht hat, denn man konnte ihm noch vor nicht allzu langer Zeit in einem Prozeß nachweisen, daß er die wirtschaftsfriedlichen Effener Arbeiterverbände finanziell fubventioniert hat. Für die christlich- nationale Arbeitnehmerschaft ist mit diesem Teil nehmertreis Sinn und Zweck der Harzburger Tagung gegeben. Es mag manchen etwas eigentümlich berühren, den National fozialisten Goebbels und Herrn Kastl auf der gleichen Plattform zu sehen,

daß die Arbeitnehmer von Harzburg nur eine Zerschlagung der Tarifverträge, des Schlichtungswesens und ihrer Gewerkschaften erwarten fönnen.

So sehen auch die christlich nationalen Arbeitnehmer, gleichgültig, ob Angestellte oder Arbeiter, Harzburg an, und selbst, menn sie in einer der dort vertretenen Parteien ihre politische Heimat hatten."

Das ist die Meinung eines Organs der christlichen Gewerkschaften über Harzburg .

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Die Auffassung der Hirsch Dunderschen Gewerkschaften über die Harzburger Tagung der vereinten Reaktion ergibt sich aus Aeußerungen des Reichs­tagsabgeordneten Lemmer , der in einer Mitgliederver­jammlung seiner Organisation in Berlin erklärte, daß es sich bei der Absicht der Krisenmacher feineswegs nur um eine Angelegenheit der roten Gewerkschaften" handele, wie man es gern irreführenderweise darzustellen pflege, sondern, daß diese Frontalangriffe der sozialen Reaktion von allen Gewerkschaftsringen ohne Unterschied ihrer sonstigen melt­anschaulichen und politischen Orientierung als ein Schlag gegen die Grundlage moderner Sozial- und Gewerkschaftspolitit empfunden werde. Die Ge­werkschaftsringe werden ta meradschaftlich, an der Wenn die Industriellen in solch großer Zahl und so repräsentatio in Seite der freien und christlichen Gemert­Harzburg auftreten, dann müffen fie große Pläne mit den schaftsverbände stehen, wenn in der kommenden Gruppen der Deutschnationalen Volkspartei , der National3eit um die Lebensrechte der breiten Masse der Lohn- und ozialisten und dem Audeutschen Verband des Herrn Claß Machtkampf in Deutschland gekämpft werden müsse. verfolgen. Die Wirtschaftspolitik des Kabinetts Brüning hat ihnen nicht zugesagt, und in einzelnen Bestimmungen der Notverordnung über die Attienrechtsreform und in der Möglichkeit der Kürzung der hohen Bezüge der Generqdirettoren, die munt die dritte Rot verordmmg gibt, sehen sie einen persönlichen Angriff. Sie find

um fo mehr, als schließlich das Ergebnis von Harzburg nur der Kampf gegen die Gewerkschaffen fein fann.

So formieren sich die Arbeiterbataillone aller Rich tungen zur Abwehr der sozialen Reaktion, mit den Ziel, dem Blod der nationalen Seuchelei einen Blod der Arbeiterorganisationen aller Richtun gen entgegenzustellen.