Einzelbild herunterladen
 
  

Iwan Heilbut  : Alte Liebe

( Schluß.)

Gleich nach dem Essen ergab sich die Gelegenheit, mit Jette Mamsen in ein Gespräch zu kommen. Und es dauerte nicht lange, so sprach ich den Namen Melanchthon Petersens aus.

Die Greifin schwieg. Wie sie mich ansah, wurde es mir sogleich zur Gewißheit, daß sie sich Petersen gegenüber in einer Schuld fühlte... in einer Schuld, die weniger ihre eigene als die des Lebens war. Aber ich wagte nicht, von unserem Besuch bei Melanchthon ausführlich zu sprechen. Jette Mamjen zitterte leise. Da fing ich lieber vom letzten großen Unwetter an, und sie lächelte wieder mit ihren guten Augen.

Sie wohnte in der sogenannten Abnahme", dem Altenteil, auf dem Hof ihres Sohnes. Am späten Nachmittag, als die anderen fich beim Tanz in der Scheune eben im besten Zug befanden, äußerte sie den Wunsch, nach Hause zurüdzufehren. Eine umständliche Be­ratung folgte, der Sohn versuchte, die Mutter zum Bleiben zu über­reden, bis er auch für seine übrige Familie anspannen würde. Aber Jette wollte unverzögert nach Hause vielleicht hatte sie eine alten Leuten eigentümliche Sorge um die kleinen, auf dem Hof des Sohnes zurüdgelassenen Kinder sie ergriffen.

-

Ich rief den Kaufmann beiseite und schlug vor, ich wollte die Frau in seinem Auto nach Hause bringen. Er wunderte sich, daß ich die Festlichkeit, die mir so gut gefiel, für eine Weile verlassen mollte; aber er war einverstanden. Fünf Minuten später saß Jette im Rücksitz des Wagens und ich am Lenkrad.

-

Wir fuhren los. Als wir an die Wegkreuzung famen, bog ich zur Rechten ein.

,, Links!" rief Jette von hinten ,,, der Weg geht links!"

Keine Angst! Es dauert emas länger, aber der Weg ist besser!" ,, Nein, der Weg ist verkehrt, ganz verkehrt..." rief Jette.

Ich fuhr meiter, immer weiter, trog Frau Jettes Protesten. Schon wurde die Fahnenstange vor dem Laden des Kaufmanns fichtbar. In eiligem Tempo fuhr ich an dem Hause vorbei. Und jetzt

schien es, als wüßte Jette mit aller Gewißheit, wo diese merkwürdige Fahrt für sie enden sollte.

-

,, Nein, nein, nein!" rief fie angsterfüllt. Ich wendete mich halb zu ihr um.- ,, Ja, Frau Jette, was Sie denken, das stimmt. Jawohl, ebendahin will ich mit Ihnen. Und wiffen Sie auch, warum? Weil Sie ihm, zu dem wir jetzt wollen, in diesem Leben noch etwas schuldig sind. Und wissen Sie, wem außerdem Sie noch etwas schuldig find? Sich selber! Jawohl, Jette Mamsen. Wie ich vorhin seinen Namen aussprach, da ist es Ihnen unter die Augen gestiegen, da sahen Sie aus, als wären Sie sich einer Schuld bewußt."( Eben dasselbe Geficht machte sie in diesem Augenblid.)

"

-

,, Und mit genau demselben Blid, der etwas erwartet und doch nichts wagt, der in grauenhafter Angst das 3u spät" fürchtet und doch weiter nichts fann, als in die sich nähernde Stunde starren, die alles unabänderlich macht- mit genau demselben Blick hat auch er mich angesehen. Sehen Sie, da find wir schon." Die Fenster seines Hauses waren wie immer geschlossen. Melanchthon Petersen!" schrie ich,., Melanchthon Petersen! Rommen Eie raus!"

-

Und es ging leichter, als ich's mir vorgestellt hatte. Melanchthon  war wie erwartet am Fenster, aber er öffnete es auch. Sein gelbes Geficht mit der uralten bestickten Kappe erschien, in den Augen die Erwartung, die stumme, lautfchreiende Frage feines Lebens feine Zügen waren so gemaltig verzerrt, als hätte ihm seine Ahnung ein geflüstert, daß diese Stunde die Entscheidung für ihn bereit hielt. Melanchthon Petersen!" fchrie ich ihm zu, heraus mit Shnen! Kommen Sie! Sehen Sie nichts Jette Mamfen ist da!"

Siegfried Neftriepke:

|

Ich wendete mich zu ihr um. Sie hatte die kleinen verrunzelten Greifinnenfinger vor's Geficht gelegt, ihr Kopf machte tausend fleine Bewegungen. In ihrer Erschütterung löste sich die Beunruhigung vieler Jahrzehnte und die lange heimliche Angst vor diesem Augenblid.

Petersen aber stand unbeweglich am Fenster, nur sein Kopf zitterte und die weißen Haare unter der Kappe bewegten sich. Er starrte zu uns hin und es schien mir, als verwandelte sich die ungeheure Spannung, die ihn beherrschte, in einen Triumph. Da war Jette Mamsen? Jette Mamsen war da!

-

Wie? Hatte der alte zweiundneunzigjährige Herr einen Rappel bekommen? Spielte er nun den stolzen Mann, der nicht den ersten nein, nicht einmal den zweiten Schritt tun will? Was? Das wäre ja nicht wenig zum Lachen? He? Er hatte wohl noch nicht lange genug auf seine Jette gewartet! Ein halbes Jahrhundert ge= nügte ihm wohl nicht!

Ich fuhr wie der Teufel aus dem Auto heraus und in's Haus hinein. Durch die Spinnweben hindurch, nahm ich ihn sozusagen beim. Kragen. Ich führte ihn am Arm über die Schwelle in's Freie. In seiner imponierenden Größe gewaltig und demütig und voll Versöhnung und Liebe stand er am Auto, und sagte:

,, Jette... Jette..."

-

Da nahm Jette Mamsen die Hände von ihrem Gesicht, fie fagte fein einziges Wort, fie las nur, las in seinem Gesicht, las ein Buch, das an Umfang und Inhalt für sie so gewaltig war wie die Bibel... In einem einzigen Augenblid las sie das alles und im nächsten maren ihre Augen und Wangen in Tränen gebadet.

,, Jette... Jette..."

es...

-

-

-

-

-

-

reich, demütig fegte er sich an ihrer Seite, zweiundneunzig Jahre Ich führte Melanchthon in den Wagen hinein. Langsam, fieg­und achtzig Jahre, fie saßen nebeneinander und sahen sich an. Ich setzte mich vorn. Sachte fuhr ich in der Landschaft herum. Ich hörte ihre Unterhaltung hinter mir: Ja... Ja... Melanchthon... Du bist ,, Ja... ja... Das... das bin ich wohl... Ja..." Ja... ja... Du... Ach du..." ,, Ja... Jette... Ja..." Ja, diese beiden, sie waren gesprächig, sie hörten gar nicht auf, miteinander so zu sprechen In einem Seitenweg hielt ich an, fletterte heraus und setzte mich achtzig Schritte vom Wagen entfernt unter einem Busch. Es war still. Grillen sangen. Da hinten saß also Melanchthon bei seiner Jette, mit der und feiner anderen! vor länger als einem halben Jahrhundert seine Nachkommenschaft hatte zeugen wollen. Ich wußte selber nicht ganz genau, ob mir zum Lachen oder zum Weinen zumute war.

-

-

-

―er

Die Sonne war hinter dem Wald verschwunden, ein abendlicher Wind fuhr den Feldern durch's Haar da kehrte ich zum Wagen zurüd. Ich pfiff einen Hochzeitsmarsch und schaufelte mit meinem Bärchen heimwärts. Vor seinem Hause half ich Herrn Petersen her­aus. Als er draußen stand, nahm er meine Hand mit seinen beiden, meiße aber breite Hände, er preßte fie, als wollte er mich festhalten. Dann wintte er uns nach, bis wir hinter der nächsten Biegung ver­schwunden waren. Seine Gestalt gestrafft, die Angst war aus den Augen heraus, er leuchtete so habe ich Melanchthon Petersen in Erinnerung, wenn ich an ihn denfe. Und ebenso Jette Mamsen... die ich an jenem Abend wohlbehalten zur Abnahme" brachte, wo sie mit einem herzlichen Blick von mir Abschied nahm.

-

Ob sie sich später noch einmal besucht haben? Ich weiß es nicht. wenige Monate später ist Melanchthon Petersen gestorben. Ich mache mir nicht den Vorwurf, daß die Aufregung jener Stunde sein altes Herz zu mächtig in den Fugen hat beben machen: Es war die schönste Stunde seines Lebens.

Die Fürstengruft" und ihr Dichter

Zum 140. Todestage von Chr. Fr. D. Schubart

Da liegen sie, die stolzen Fürstentrümmer, Ehmals die Gößen ihrer Welt!

Da liegen sie, vom fürchterlichen Schimmer des blassen Tags erhellt!.

Da liegen Schädel mit verloschnen Bliden, Die chmals hoch herabgedroht,

Der Menschheit Schrecken! Tenn an ihrem Niden Hing Leben oder Tod.

Nun ist die Hand herabgefault zum Knochen, Die oft mit faltem Federzug Den Weisen, der am Thron zu laut gesprochen In harte Fesselre schlug... Sprecht, Höflinge, mit Ehrfurcht auf der Lippe, Nun Schmeichelein ins taube Ohr! Beräuchert das durchlauchtige Gerippe Mit Weihrauch, wie zuvor!

Es steht nicht auf, euch Beifall zuzulächeln Und wiehert feine Boten mehr, Damit geschminkte Zofen ihn befächeln, Schamlos und geil

wie er.

Bis in die jüngste Bergangenheit hinein lebten diese Verse aus Schubarts Fürstengruft" in den Herzen aller, die mit einem Gefühl der Empörung sahen, wieviel Anmaßung, Unfähigkeit und Gemeinheit sich auf Fürstenthronen breit machte. Die Fürstens gruft" fonnte nun vor wenigen Monaten ihren 150. Geburtstag feiern, und heute, am 10. Oftober, ist es 140 Jahre her, daß ihr Berfaffer, Christian Friedrich Daniel Schubart  , in Stuttgart   starb.

Schubarts Fürstengruft" ist der Aufschrei eines gequälten Herzens, der Protest Eines, der allen Anlaß hatte, gegen das Willkürregiment derer von Gottes Gnaden zu protestieren. Als Christian Schubart   sein Gedicht niederschrieb oder richtiger:

einem anderen in die Feder diktierte

J

-

jaß er seit mehr denn 3 Jahren als Gefangener des Herzogs Karl Eugen   von Württem berg auf dem Hohenasperg  , ohne Gerichtsverfahren, ohne Urteil, ja, ohne daß ihm auch nur der Grund seiner Berhaftung angegeben worden war. Und wie war sie erfolgt! Schubart   wohnte 1777, als er gefangengesetzt wurde, gar nicht in Württemberg  : auch war er feineswegs württembergischer Untertan"; nur daß er lange vorher einige Jahre in Ludwigsburg   als Stadtorganist gewirkt hatte. Seit 1775 lebte er in Ulm  . Aber da erschien bei ihm in der Maste eines guten Freundes der Amtmann des württembergischen Dertchens Blaubeuren  ; der lud ihn unter nichtigem Vorwand zu einer Schlit tenpartie in seinen Wohnort ein. Raum aber hatte Schubart das Haus des Amtmanns betreten, so erschienen Karl Eugens Soldaten, verhafteten ihn und schleppten ihn wie einen Schwerverbrecher zur Festung. Dort mohnte der edle Herzog seibst der Einterferung bei, feine tugendpuffelige Mätresse Franzista von Leutrunt, später non Hohenheim  , die er ihrem Gatten für 20 000 Gulden abgefauft hatte, als Begleiterin neben fich.

-

Man hat allerlei Untersuchungen darüber angestellt, was den Herzog veranlaßt haben könnte, Schubart in so hinterliftiger Art gefangen zu sehen und 10 Jahre hindurch denn so lange dauerte Schubarts Haft gefangen zu halten. Ganz klar sieht man jedoch nicht. Wahrscheinlich wirkte verschiedenes zusammen. Schubart  , der nicht nur ein bedeutender Dichter und dazu ein hervorragender Musiker und Komponist war, hatte sich in Illm auch journalistisch betätigt. Er gab eine Halbwochenschrift mit dem Titel Deutsche Chronit" heraus, die mit Recht weithin Aufsehen erregte und viele Leser fand. Diese Chronik", mit einer sonst nicht bekannten Frische geschrieben, verjocht zwar feine revolutionären Tendenzen, aber sie trat doch für politische Freiheit ein, sie forderte ein Deutsches Bater­land über alle Kleinstaaterei hinaus, fie fämpfte gegen Pfäfferei und Servilismus, fie schoß manchen Pfeil gegen die herrschenden Mächte ab. Einzelne Anspielungen mochte der Herzog von Württem­ berg   auf sich beziehen und übelnehmen. Immerhin erklären sie noch nicht sein schroffes Vorgehen gegen Schubart  . Wahrscheinlich trugen dazu auch Einflüsterungen anderer Personen bei, mit denen Schu­ bart   in offener Fehde lag. Vielleicht wirkten auch Erinnerungen an jene Zeit mit, da Schubart   in Ludwigsburg   als Stadtorganist tätig gewesen war. Schubart   hatte damals in Ludwigsburg   Um­gang mit den höchsten Kreisen" gehabt und war als Musiker gewisser Hofdamen in verschiedene Abenteuer verstrict gewesen. Möglich, daß Karl Eugen   nachträglich von Beziehungen erfuhr, die seinen Zorn erregten.

-

Wie dem auch sei, ungefeßlich und gemein blieb die Ver­haftung Schubarts auf jeden Fall. Und mie grausam sezte man ihm auf dem Hohenasperg   zu! Anderthalb Jahre mußte er in einem engen dumpfen Loch mit faulendem Stroh sizen, ohne jeden Ver­tehr mit der Welt, ohne jede Arbeit und ohne jede Schreibgelegen­heit. Als er versuchte, Gedanken und Berse mit einer Dochtschere in die Wand zu rizen, wurde ihm die Schere entzogen. Ebenso ging es mit einer Hosenschnalle. Noch schlimmer war vielleicht, daß der Herzog Schubart   nicht nur bestrafen, sondern auch bessern", d. h. zu einem braven, gottesfürchtigen, von seiner Minderwertigkeit durchdrungenen Untertanen machen wollte. In diese Aufgabe teilten sich der Kommandant und der Festungsgeistliche, während der Dekant Zilling in Ludwigsburg  , einst Schubarts Borgesetzter, die Ober­leitung hatte. Von dem Geiste dieses edlen Mannes gibt ein Schreiben an den Garnisonprediger auf dem Asperg   Kunde, in dem gesagt wird, von einer Besserung Schubarts fönne nicht eher die Rede sein, als bis er sich selbst anstinte, physice et moraliter". Nun, es gelang den vereinten Bemühungen seiner Kerfermeister und den seelischen Auswirkungen der Haft, Schubart   so weit zu bringen. Der starte Mann brach zu sammen; er sah die Ein­terferung als verdiente Strafe" für ein gottloses, unwürdiges Leben an; er marterte fich mit Selbstvorwürfen, schmor alle Wider­fcglichkeit gegen das Dogma der Kirche ab und überschlug sich in Ausbrüchen einer entfeglichen Selbsterniedrigung.

Als man ihn soweit hatte, gab es gewisse Milderungen feiner

|

Haft; Schubart   erhielt einen freundlichen Aufenthaltsravin, durfte nach zwei Jahren auch wieder schreiben, betam Feftungsfreiheit und konnte Besuche empfangen. Frau und Kinder durften ihn allerdings erst nach achteinhalb Jahren besuchen. Der Merkwürdigste ist vielleicht, daß Schubart, sobald er sich wieder im Rayon der Festung frei bewegen durfte, von dem Kommandanten auch sofort eingespannt wurde, um ihm selbst und der auf dem Asperg  stationierten Soldateska das Leben angenehm zu machen. Schubart  erhielt den Auftrag, eine Komödie" einzurichten; er hatte Fest­prologe zu den Geburtstagen des Kommandanten, des Herzogs, seiner Mätreſſe usw. sowie lustige Singspiele zu dichten und für ihre Einstudierung zu sorgen. Später wurde Schubart auch die ,, Gnade" zuteil, den Kindern der Festungsgewaltigen Unterricht zu erteilen, ja, er durfte sogar den Schulmeistern der Umgegend Vor­lung seiner Gedichte herauszugeben. Den Verlag der Gedichte über­lesungen halten. Außerdem erlaubte ihm der Herzog, eine Samm­nahm sogar die herzogliche Akademiedruckerei und erzielte damit daraus, seinen Gefangenen mit tausend Talern abzufinden, selbst ein ausgezeichnetes Geschäft; der Herzog machte sich kein Gewissen aber an die zweitausend Taler einzusaden. Schubart   entfaltete auch auf dem Asperg   eine erstaunliche Produktivität. Noch als er ohne Schreiberlaubnis im dumpfen Kerkerloch schmachtete, diktierte er einem Mitgefangenen durch ein Loch in der Wand seine Lebenserinnerungen. Was er schrieb und komponiert, ist freilich in seinem Wert höchst ungleichmäßig. Natürlich klingt in den Versen dieser Zeit auch manchmal die Sehn­sucht nach Befreiung an. Aber der Ton der Empörung über das erlittene Unrecht, ein Aufschrei des Hasses gegen die Tyrannei, die ihm das Unrecht auferlegt, der findet sich eigentlich nur einmal: eben in der Fürstengruft", die 1780 entstand. Damals hatte der Herzog Aeußerungen getan, die Schubart   auf rasche Frei­lassung hoffen ließen. Aber es zeigte sich, daß der Herzog sein der einmal auf, und die anflägerischen Berse strömten aus über­Wort nicht hielt. Da flammte der alte Feuergeist in Schubart mie­

vollem Herzen.

Das heißt, was wir heute in den Gedichtsammlungen als Fürsten­gruft" finden, wurde damals von Schubart   nur teilweise diktiert; nämlich nur soweit, wie dies Gedicht eine Abrechnung mit den despotischen, sittenlosen Gottesgnadenmännern enthält. Später fühlte sich Schubart   verpflichtet, den ersten 13 Strophen noch eine Reihe weiterer Verse anzuhängen, Strophen, die den guten" Fürsten   gewidmet sind und ihre Ruhe, ihre Urständ feiern:

Ihr aber, bess're Fürsten  , schlummert füße

Im Nachtgewölbe dieser Gruft!

Schon wandelt euer Geist im Paradiese Schüllt in Blütenduft"

Schubart mar nie ein besonders starter Charakter gewesen nun war er vollends verängstigt. Er verbog die Spitze seiner An­flage, um den Herzog nicht noch mehr zu reizen. Soll man ihm daraus einen Strick drehen? Der Weg zur Freiheit führte ja nur über die Gnade des Herzogs. Im übrigen hat dieses Anhängs?! der späteren Verse seiner Fürstengrust" im Ohr der Mitwelt und der Nachwelt nie die anflägerische Tendenz genommen.

Schubart   empfing, wie sein Sohn berichtet, die ersten An= regungen zu seinem Gedicht schon in einer Zeit, da er, aus Ludwigsburg   ausgewiesen, unftet das Land durchwanderte; ein Besuch in der Gruft der bayerischen Kurfürsten in, München   soll den Gedanken an die Dichtung in ihm geweckt haben. Nicht ohne Einwirkung blieben wohl auch Verse seines Ulmer   Freundes Jo­ hann Martin Miller  , der einen Todesengel an die Bahre eines Fürsten stellte und mit den Untaten des Toten scharfe Abrechnung halten ließ. Es handelte sich hierbei freilich um sehr viel weniger einprägjame und schlagfräftige Berje als jene, die dann Schubart  formte:

Wurde Schubart   durch eine andere Dichtung angeregt, so wirfte auch seine Fürstengruft" wieder auf spätere Dichter anregend. Unter anderen stand der junge Schiller, der Schubart   auf dem Hohenasperg   besuchte, sicherlich unter dem Eindruck der Schubartschen Verse, als er sein Gedicht von den Schlimmen Monarchen" nieder­schrieb. Andere, weniger bedeutende Boeten zehrten gleichfalls von dem Schubartschen Fluch über die Despoten.

-

Ein Wort noch über den Ausgang Schubarts: 1787 schlug ihm endlich die Stunde' der Freiheit. Und nicht nur das: fein Beiniger, der ihn zehn Jahre lang auf dem Asperg   festgehalten hatte, verband feine Enthaftung nun auch noch gleich mit einer Ernennung zum Herzoglichen Württembergischen Hofdichter und Direttor des Deutschen Theaters" in Stuttgart  . Freilich entsprang diese Be­förderung wohl meniger einer Anwandlung von Großmut als sehr materiellen Erwägungen. Ganz abgesehen davon, daß Schubart  auf dem Hohenasperg   beachtenswerte Proben sowohl in schmeichle­rischer Festprologdichterei wie im Arrangement. unterhaltsamer Vor­stellungen abgelegt hatte gabten, aber müde gewordenen Manne so am besten den Mund Karl Eugen   wußte, daß er einem be­ſtopfen konnte. Er verspekulierte sich nicht. Schubart   nahm nicht nur den Posten an, er versah ihn auch wunschgemäß; ein leises dichtungen der folgenden Jahre liest, in denen er seinen Herzog als Grausen überfomint einen, wenn man die Schubartschen Feſt­Hort der Gerechtigkeit, als Schüger aller Bedrängten, als Tröster aller Leidenden feiert. Ganz freilich war sein Feuer, seine Kampf­natur, sein Freiheitsdrang noch nicht erloschen. In der Chronit", die er wieder aufleben lassen durfte, fand er noch manch schönes, ferniges Wort für die Ideale der früheren Zeit, hier begrüßte er fogar herzhaft die franzöfifche Revolution. Nur fehlte die starke, zwingende Einheit der Gesinnung...

Lange durfte Schubart   sein äußerlich nun recht behagliches Leben nicht mehr genießen. Am 10. Oktober 1791 riß ihn ein Schleimfieber dahin. Im Bolte hieß es später, er sei lebendig be­graben worden. Das ist gewiß eine Legende. Aber richtig ist: sein leiblicher Tod endete nicht das Leben seiner Werke im Volke. Manches seiner volkstümlichen Lieder wird noch heute gesungen. Und mit ihnen hielt sich, weit über ein Jahrhundert hinweg, das stärkste seiner politischen Gedichte, die Fürstengrust".

Einfache Lösung

Die feruelle Frage ist in Sowjetrußland ein viel erörtertes Problem. Wieder einmal saß in Moskau   ein privater Zirkel zu­sammen und diskutierte leidenschaftlich über die Form von Ehe und Familie und über die Schwierigkeiten, die der befriedigenden Lösung des Serualproblems entgegenstehen. Da beseitigte Radek mit einem Schlage alle Schwierigkeiten, indem er erflärte: Die Sache ist doch ganz einfach. In grauer Vorzeit herrschte das Matriarchat; später tam das Patriarchat, und heute erledigt das alles das Sekretariat!"

Giftige Weibchen. Im Meere lebt ein Wurm, Bonellia ge= Bentimeter, die Männchen dagegen nur einen Millimeter lang find nannt, der dadurch merkwürdig ist, daß die Weibchen mehrere und sich lebenslang als Parafiten im Darm oder den langen Kopf­lappen der weiblichen Tiere aufhalten. Nach den Feststellungen des Forschers Balzer foll nun die Ursache des so auffallenden Klein­wuchses der Männchen darin liegen, daß in den Körpergeweben ist, durch das das Wachstum der Männchen verhindert wird. Die der Weibchen, namentlich in den Kopflappen, ein Gift enthalten Wasser, in dem Bonellia- Bürmer lebten, das Gewebegift beifügte, Wirkung dieses giftigen Stoffes zeigte sich schon, wenn man dem oder die Männchen mit den Geweben der Weibchen fütterte. Auch auf andere Sectiere mittte das Gift fchädigend ein.