1931
Der Abend
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Es geht ums Ganze!
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Der deutsche Faschismus beginnt die Karten aufzudecken. Die Tagung der faschistischen Reaktion in Harzburg ist ein Alarmsignal. Die entscheidenden Kämpfe darum, ob Deutsch land weiterhin ein demokratisches Land sein soll oder ob es
Der Fall Schacht.
unter faſchiſtiſcher Diktatur ein Hort der Unterdrückung der Ein Angriff auf die Stabilität der deutschen Mark. - Unverantwortliche Behaup
Arbeiterschaft, ein Hort des Kriegsgedankens sein soll, werden die nächsten Monate erfüllen.
Die Versammlung der Konterrevolution in Harzburg hat fich gebärdet, als sei sie das wahre und das fünftige Parlament Deutschlands , obgleich es klar ist, daß nur eine Minderheit des Volkes hinter ihr steht. Sie hat eine Kundgebung erlassen, die als Angriff auf die Reichsverfassung gedacht und gewollt ist, in Form und Inhalt. Jener Absatz der Rundgebung, der es ablehnt, das heute herrschende System mit dem Einsatz unseres Blutes zu schüßen, enthält die offene Absage an die demokratisch- republikanische Verfassung. Für die Harzburger existiert die demokratisch- republikanische Berfaffung nicht mehr, sie sind offene und erklärte Berfaffungsfeinde.
Diese Tagung zeigt das Gesicht der Körperschaft, die tünftig Deutschland regieren würde, wenn der faschistische Staatsstreich Erfolg haben, würde: Generäle, Großagrarier, Schwerindustrielle! Der Bille zur Klaffendiktatur gegen die Arbeiterschaft, zum schärfsten Klassenkampf von oben spricht aus dieser Kundgebung des deutschen Faschismus.
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tung.- Schärffte Gegenerklärungen der Reichsregierung.
Der frühere Reichsbantpräsident Schacht hat auf der Harzburger Tagung der deutschen Faschisten einen heftigen Stoß gegen die Stabilität der deutschen Währung und gegen die Reichsbanf als Zentralnotenbank geführt. Er hat dort nicht mehr und nicht weniger gefagt, als daß in Wahrheit die deutsche Reichsbant schon längst bantroff fei. Er hat daran eine Reihe von weiteren Behauptungen geknüpft, die für die Jeftigkeit der deutschen
Arbeiterfront gegen faschistische Reaktion!
Es ist gar keine Rede davon, daß die Reichsbank der öffentlichen Finanzwirtschaft irgendwie zu Hilfe gekommen wäre. Keinen Pfennig hat die Reichsbank dem Reiche gepumpt und den Ländern so gut wie gar nichts. Es ist vielleicht einmal ein Schatzwechsel oder eine Schazanweisung eines Landes mit Hilfe der Reichsbank mobilisiert worden, aber selbst wenn das ein paar Millionen betragen hätte, so wäre es auch nur eine Lappalic. Die Gemeinden haben sowieso teinen Kredit bei der Reichsbant. Ebenso unwahr ist die Behauptung Schachts, daß die Währung nur noch die 31liquidität der öffent lichen Hand verbergen solle. Die mit 200 Millionen Mart an Garantien, davon 50 Millionen eingezahltem Geld gestützte Atzeptbant hat die Danat- Bank die die Sparkassen wieder in Gang gefeßt. Das ist aber gar fein Geheimnis und Schacht selbst hat bei einem früheren Bankenzusammenbruch
Gemeinsame Besprechung aller Spigengewerf die Hilfe der Reichsbant in Aussicht gestellt. schaften zur Abwehr der Umsturzpläne der Reaktion.
Die Spitengewerkschaften aller Rich= tungen, einschließlich der Beamtenbünde, tamen heute zu einer Besprechung zusammen. In erster Linie galt die Besprechung der Abwehr der Gefahr, die durch die Umsturzpläne der Reaktion, insbesondere für die Lohn- und Sozialpolitik entstanden sind. Die Besprechungen werden fortgesetzt.
Diese Kundgebung von Harzburg ist das verlogenste Dofument der deutschen Parteiengeschichte! Sie spricht vom Verfagen des Staats gegenüber dem Blutterror des Margismus während die faschistischen Mörderbanden täglich Opfer fordern. Sie spricht vom Kulturbolichemismus aber der schlimmste Kulturbolschewismus ist die Verelendung des arbeitenden Volkes durch die Wirtschaftsdiktatur der Konzerne, durch die bankrotten und unfähigen Wirtschaftsführer, die hinter der Harzburger Tagung stehen! Sie redet von der Zerreißung des Volkes durch den Klassenkampf im selben Augenblick, wo sie zur Errichtung der Unterwährung und für den deutschen Kredit im Ausland eine verhängnisnehmerdiktatur über die Arbeiter ausholen, volle Wirkung ausüben müffen. von der Ausschaltung der nationalen" Kräfte, als ob nicht seit 1924 mit furzer Unterbrechung Rechtsregierungen im Reich das Ruder in der Hand gehabt hätten!
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Diese Kundgebung ist zugleich die schlimmste Beschimpfung der Mehrheit des Volkes, sie ist die offene Deklaration, daß das deutsche Volk in zwei feindliche Heerlager zerriffen ist, daß die Front des Faschismus, der sozialen Reaktion, der Unternehmerdiktatur bereit steht, über das deutsche arbeitende Bolk herzufallen.
Faschistische Diktatur!
Was wollen fie? Die Hugenberger wollen in diesem Reichstag vier Dinge durchsetzen: Sturz von Brüning, Reichstagswahl am 8. November, Aufhebung aller Notverordnungen, Sperrung der Polizeikostenzuschüsse an Preußen mit dem 30. Oftober 1931.
Neuwahlen: rechnen sie auf eine Mehrheit, wollen fie parlamentarisch zur Macht gelangen, wollen sie parlamenta
rischen Regierungswechsel? Nein! Sie wollen vielmehr mit
tommunistischer Hilfe den Parlamentarismus zerschlagen, um die Bahn frei zu haben zum Staatsstreich, zum offenen Bürgerfrieg!
Aufhebung aller Notverordnungen: das heißt, sie wollen die Deckung der Staatsfinanzen zerschlagen, um das Chaos herbeizuführen. Sie wollen nicht etwa Arbeiter, Angestellte und Beamte entlasten, ihnen ihre früheren Löhne wiedergeben, sie denken nicht an Aufhebung der Lohnsenfungsschiedssprüche, sie wollen vielmehr die fürchterlichste Bedrückung aller Lohnarbeiter!
Sie wollen vor allem die preußische Erefutine! Das ist ihr Anfangsprogramm. Und dann? Ueber Dies nachher hat Herr Frid erschöpfende Auskunft gegeben, ( Fortfegung auf der 2. Geite.)
Der wahre Wortlaut der Rede von Schacht ist der deutschen Deffentlichkeit bisher nicht bekannt geworden. Hugenbergs Telegraphen- Union veröffentlichte zunächst eine Zusammenfassung der Rede von Schacht, aus der späterhin Teile wieder herausgenommen wurden. Schon dies zeigt, wie ungeheuerlich das Auftreien von Schacht in Harzburg gewesen ist.
Indessen läßt sich damit dieser offene Borstoß des neuen Führers der Inflationsfront nicht ungeschehen machen. Eine sehr große Anzahl von Auslandsforrespondenten hat über diese Rede berichtet und schon heute vormittag zeigen sich die Wirfungen. In New York herrscht die größte Aufregung über diese Rede. Deutsche Finanzkreise werden mit telegraphischen Anfragen über ihre Bedeutung und über die Situation der deutschen Geldwirtschaft bestürmt.
Die Reichsregierung geht mit außerordentlich scharfen Erflärungen gegen den früheren Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht vor.
Der Reichsfinanzminister gegen Schacht
Reichsfinanzminister Dr. Dietrich hat vor Pressevertretern feine helle Empörung über die Rede Schachts ausgesprochen,
der längst bekannte Dinge tendenziös als Enthüllung von Ge heimnissen vorgebracht hat, was die deutschen Interessen nur auf das heimnissen vorgebracht hat, was die deutschen Interessen nur auf das schwerste schädigen fann. Der Reichsfinanzminister betonte u. a., in England wäre es unmöglich, daß ein Mann von der früheren Stellung Dr. Schachts auf einer politischen Tagung derart gegen die Zentralnotenbank und die Festigkeit der Währung vorgeht; ein folcher Mann wäre in England fortan unmöglich. In bittersten Worten äußerte der Minister sich darüber, daß es offenbar das Kennzeichen des" echten" deutschen Nationalismus sei, auf alle verantwortlichen Stellen müft zu schimpfen und dadurch schließlich die ganze Arbeit im Intereffe der Gesamtheit zu lähmen.
Im einzelnen erwiderte der Reichsfinanzminister auf die Be hauptungen Schachts etwa folgendes:
Wie falsch die Behauptung von einer Zahlungsunfähigkeit des Reiches ist, wird dadurch bewiesen, daß das Reich bis zum 1. Oftober von seinen 420 Millionen schwebenden Schulden 287 Millionen zurückgezahlt hat.
Schacht behauptet, der Finanzminister wisse nicht mehr, wie er weiter fommen solle. Der Minister weiß das danz gut, aber allerdings find einige Gemeinden in Schwierigkeiten. Das sind aber höchstens 2000 bis 3000 von den 55 000 Gemeinden im Reiche. Auch
indem Obligationen, die von der Gemeinschaftsgruppe der Deutschen
Da=
ihnen soll auf Grund der neuen Notverordnung geholfen werden, Hypothekenbanken mit der Girozentrale, den Gemeinden selbst und dem Reiche garantiert sind, lombardfähig gemacht werden. liarden Mart um ganze 200 oder 300 Millionen erhöht werden, durch wird der Betrag der lombardfähigen Papiere von 4 bis 5 Milwobei diese Obligationen nur zu 50 Proz. des Kurswertes belehnt werden und bei einer allzu starken Beanspruchung des Lombards die Reichsbank jederzeit stoppen kann. Wenn Herr Schacht die Reichsbantleitung als unfähig bezeichnet, so ist eine derartige lle berheblichkeit nicht gerade ſelben anzutreffen.
Was die ausländische Verschuldung Deutschlands angeblangt, so ist man jetzt dabei, ihren Gesamtbetrag festzustellen, was übrigens Herr Schacht als Reichsbankpräsident auch schon hätte in Angriff nehmen können.
Die Feststellung ist sehr schwierig, weil schließlich auch der ausländische Besiz an Häusern und Aktien dazu gehört und weil auch Doppelzählungen bei jenen Krediten möglich sind, die über die Banfen laufen. Es scheint, daß die kurzfristigen Kredite höher sind als
man vermutet hat.
Schließlich verweist der Reichsfinanzminister auch noch darauf, daß Schacht als Reichsbankpräsident eine 50- millionen- Dollaranleihe in Amerifa zu den gleichen Zweden besorgt hat, deren Erfüllung auf dieselbe Weise er jetzt in Grund und Boden verdammt.
Die Gesamtfituation in Deutschland kennzeichnet der Minister dahin, daß wir nicht so wie im Krieg oder der Inflation vom Hunger bedroht find. Brot, Fleisch, Kartoffeln, Kohlen find in vollkommen ausreichender Menge verfügbar, Zuder produzieren wir im Ueberfluß. Nur wenn im Deutschen Bolt sich in der Not alle gegeneinander auftreten, dann kann es wie schon mehrmals in seiner
Geschichte an dieser Not scheitern.
Im übrigen ist unser Notenumlauf mit 4,6 milliarden geringer als er fchon gewesen ist. Frankreich hat einen Notenumlauf von mindestens 13 Milliarden
Reichsmart. Dort find noch viel mehr Noten als bei uns zinslos
in den Brieftaschen. Das Verhältnis Deutschlands in der Weltfinanz faßt der Minister in den einen Saz zusammen, daß Deutsch land vor dem Krieg 30 Milliarden Guthaben im Ausland hatte, heute aber 25 Milliarden Schulden.