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Morgenausgabe

Nr. 491

A 247

48.Jahrgang

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Der Vorwärts" erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolk und Zeit".

Dienstag

20. Oftober 1931

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Berliner   Boltsblatt

b

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Die Nazi- Unruhen in Braunschweig   Der mandschurische Konflikt

"

Ableugnungsversuche des braunschweigischen Innenministers.

Braunschweig  , 19. Oftober.( Eigenbericht.)

In der Braunschweigischen Staatszeitung" läßt Klagges am Montag behaupten, daß die gemeldeten Zusammenstöße während Montag behaupten, daß die gemeldeten Zuſammenſtöße während des braunschweigischen Nazi- Treffens nicht den Tatsachen entsprechen und die vom Ortsverein Braunschweig   der Sozialdemokratischen Partei an den Reichsinnenminister gemeldeten Vorfälle auf den Kopf gestellt seien. Daraufhin hat der Abgeordnete des Braun­schweigischen Landtages, Thielemann, folgendes Telegramm an den Reichsinnenminister gesandt:

,, Braunschweigische Regierung teilt in ,, Braunschweigischer Staatszeitung" mit, daß es sich bei meinem Telegramm über Straßenfämpfe in Braunschweig   um glatte Erfindungen handele, die Tatsachen auf den Kopf stellten. Straßentämpfe sind von Tausenden beobachtet. Sachschaden wird fest gestellt. Auch amtlicher Polizeibericht gibt Zertrümmerung zahl reicher Fensterscheiben zu. Befehlshabender Kommandeur der Schutzpolizei   antwortete auf meine Feststellung, daß Polizeikräfte zu schmach feien: Das kann wohl sein." Schriftliche Stellung nahme folgt."

Klagges Feststellungen in der Braunschweigischen Staats zeitung" sind unwahr. In dem amtlichen Polizeibericht werden die Straßenkämpfe zugegeben. Ferner wird zugegeben, daß am Sonntag sowohl auf dem Nickelnkult als auch auf der Langen Straße zahlreiche Fensterscheiben zertrümmert worden sind. Tatsächlich aber haben die SA. nicht nur in diesen Straßen, sondern auch in anderen Straßen der Arbeiterviertel zahlreiche Fensterscheiben zertrümmert, Fensterkreuze eingedrückt und Türfüllungen eingetreten. Die Sozial­ demokratische Partei  

ist dabei, über die Zahl der zertrümmerten

Scheiben nähere Erhebungen anstellen zu lassen.

Die sozialdemokratische Landtagsfraktion wird die Heldentaten" der Nazis im Landtag in einer Großen Anfrage zur Sprache bringen. Der Gauvorstand des Reichsbanners wird Minister Groener eine ausführliche Beschwerdeschrift über die Hakenkreuzausschreitun= gen übermitteln.

Groener fordert Bericht.

Der Reichsminister des Innern hat am Montag bei der braun­schweigischen Regierung über die braunschweigische Gesandtschaft in Berlin   wegen der jüngsten Vorfälle in Braunschweig   neue Vor­stellungen erheben lassen und um einen schriftlichen Bericht über den Verlauf des Sonntags bzw. die in der Presse gemeldeten Borgänge gebeten.

Die Hitlerschen Schlägerbanden haben in den Braun­ schweiger   Arbeitervierteln gezeigt, warum sich ihre Partei eine Arbeiterpartei nennt: weil es ihre Zweckbestimmung ist, Terror gegen die Arbeiterbevölkerung zu

üben. Sie haben in Braunschweig   gewütet, weil sie fich ficher fühlten. Der Polizeiminister in Braunschweig  , Braunschweig  , Klagges, hat seit seinem Amtsantritt jede öffentliche K: undgebung republiftreuer Organisationen verboten nicht einmal sozialdemokratische Kinder durften in Braunschweig  geschlossen über die Straße gehen. Er hat dafür den Auf marsch von 30 000 Hitlerleuten gestattet und hat aktiv daran teilgenommen. Er hat ferner durch Leute von Hitlers Schutz­sturm Polizeidienste verrichten lassen, er trägt ein vollgerüttel­tes Maß von Schuld an den Vorgängen in Braunschweig  . Tatsache ist, daß die Hitlergarden in den Braunschweiger  Arbeitervierteln gehauft haben, als sei das Dritte Reich be­reits angebrochen. Wes Geistes Kinder diese Burschen sind, ergibt sich aus den Vorfällen in Liegniz.

Die Reichsregierung muß sich im flaren darüber sein, was dies bedeutet. Wenn eine Partei, die ganz offen nach dem Bürgerkrieg ruft, in einer Stadt 30 000 Mann fon zentriert, die dort Terror üben, und sich von dort wieder ins Land ergießen, überall Unruhe und Zusammenstöße hervor rufend, so ist dies schon Provokation genug. Wenn diese Par­tei dabei aber noch Begünstigung durch eine Landesregierung erfährt, so wird die Provotation unerträglich! Die Reichsregierung muß die Vorgänge in Braunschweig  auf das ernsteste prüfen und dann ihre Folgerungen ziehen! Braunschweiger Waffenscheine für Auswärtige?

Nach Meldungen auswärtiger Zeitungen sind von der braun­schweigischen Polizei Waffenscheine für auswärtige Nationalsozialisten ausgestellt worden. Insbesondere soll der hannoversche Nationalsozialist und Sturmtruppführer Horsemann in Braunschweig   einen Waffenschein erhalten haben. Ich frage die Regierung: 1. Es ist es wahr, daß Korjemann in Braun­ schweig   einen Waffenschein erhalten hat? Wenn ja, warum? 2. Haben noch andere auswärtige Nationalsozialisten Waffenscheine erhalten? Wenn ja, wer?"

Die Unruhen gehen weiter.

Braunschweig  , 19. Oktober.

Ein Trupp kommunisten zog heute abend durch einige Ge­schäftsstraßen der Innenstadt und schlug die Schaufenster­scheiben mehrerer Geschäfte ein. Als die Polizei ein­traf, waren die Täter bereits verschwunden.

In der Nähe des Amtsgerichts wurde ein Auto mit einigen Nationalsozialisten von einer größeren Horde von Leuten aus der Altstadt mit knüppeln und Steinen beworfen. Die Nationalsozialisten gaben daraufhin mehrere Schüsse ab, durch die eine Arbeiterin verletzt wurde. Die Polizei nahm mehrere Berhaftungen vor. Wie verlautet, sollen die Nationalsozialisten im Befih von Waffenscheinen sein.

Anschlag auf das Boltshaus in Liegnitz  .

Ciegni, 19. Oktober.  ( Eigenbericht.) Nazi- Horden, die aus Braunschweig   zurückkehrten, versuchten am Montag beim Morgengrauen einen Anschlag auf die fozialdemokratische Liegnißer Bolts- Zeitung" der Bolkszeitung brachten fie einen Sprengkörper zur Explosion. Die und einen Angriff auf das Bolkshaus. Vor dem Druckereigebäude Detonation des Körpers war weithin hörbar. Schaden wurde jedoch nicht angerichtet.

Im Anschluß an den Anschlag auf die Bolkszeitung wollten die Nazis einen Angriff auf das Volkshaus unternehmen. Als sich ihnen jedoch Reichsbannerleute entgegenstellten, ergriffen die Rowdys fchleunigft die Flucht. Mehrere stürzten in der Dunkelheit, so daß ihnen fofort eine Leffion erteilt werden konnte.

Erst muß Brüning stürzen!

Warum man die Tarifverhandlungen verschleppte.

aus

Es war aufgefallen, daß zu der Harzburger Verschwörung nicht nur die politischen Vertreter der Rechtsparteien gekommen waren, sondern auch ganz prominente Führer der Wirt­schaft", besonders Die Poensgen, dem Westen. Grquert und Konsorten spielen zwar die erste Geige im rheinisch- westfälischen Scharfmacherkonzern, aber politisch haben fic sie sich bisher nirgends betätigt, wenn über ihre reaktionäre Gesinnung auch fein Zweifel bestand. Und nun tauchten sie plöglich bei einer ganz großen politischen Aktion auf, ohne daß man wußte, für welche Partei fie dort waren.

In dieses Dunkel wirft eine Nachricht ein grelles Licht, die uns aus dem Westen zugeht. Dort sind, wie anderwärts, die Tarife von den Unternehmern gekündigt worden. Während es aber sonst, wenn es gilt, die Löhne abzubauen, den Unternehmern nicht schnell genug gehen kann, waren sie diesmal merkwürdig zurückhaltend. So merkwürdig, daß die Gewerkschaftsvertreter So merkwürdig, daß die Gewerkschaftsvertreter es handelt sich um die Metallindustrie am 12. Oftober, am Tage nach der Harz­burger Verschwörung, anfragten, wann die Verhandlungen statt finden sollen.

Darauf erhielten sie die Antwort:" Nicht vor dem 19. Oktober. Erst muß die Regierungsfrise beendet sein." Die Unternehmer hofften bestimmt auf den Sturz Brünings. Erst muß Brüning stürzen. Dann braucht man fich braucht man sich über Tarifverträge überhaupt nicht mehr zu unterhalten, denn dann ist es mit den Tarifverträgen vorbei.

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Diese Spekulation der Unternehmer ist zwar etwas grobschlächtig und naiv, fie beleuchtet aber das Manöver, das unter dem Kom­mando der Schwerindustrie von den vereinten Nationalsozialisten und Kommunisten ausgeführt wurde. Daß es nicht gelang, ist ge­wiß nicht die Schuld der faschistisch- kommunistischen Stürmer. Braunschweig  , 19. Oktober.  ( Eigenbericht.) 44- Stunden- Woche bei der BBG. In einer Funktionärversamm Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion des Braun- lung des Personals der BVG. wurde dem Ergebnis der Verhand schweigischen Landtags richtete an den braunschweigischen Innen- lungen, worüber wir an anderer Stelle berichten, in vorgerückter minifter Klagges folgende parlamentarische Anfrage: Nachtstunde gegen eine starke Minderheit zugestimmt.

dret

Sonderforrespondenten)

Schanghai  , Mitte Oktober.( Eigenbericht.) Ungeachtet der formellen Bereitwilligkeit Japans   und Chinas  , die Austragung des mandschurischen Streitfalles der Schiedsgerichtsbarkeit des Völkerbundes zu unterwerfen, zuckt das Wetterleuchten im Fernen Osten weiter. Es besteht vorläufig nicht die Gefahr, daß der Konflikt in einen triegerischen Zusammenstoß ausartet, aber es hat sich doch erwiesen, daß die Autorität von Genf   nicht so weit reicht, spruch zu verhindern. Dec mandschurische Fall ist ein neuer um das Aufhören von Feindseligkeiten durch einen Macht­Beweis dafür, wie sehr die Methode des Völkerbundes für jenseits des europäischen   Kreises liegende Komplikationen revisionsbedürftig ist.

Eine Betrachtung der Verhältnisse in der Mandschurei  führt zur Feststellung, daß die Spannung zwischen den beiden großen Mächten des Fernen Ostens tiefe Gründe hat und nicht einfach am grünen Tisch aus der Welt geschafft werden kann. Wenn der Brandherd gelöscht werden soll, dann sind andere und stärkere Mittel als die der reinen Diplomatie nötig, weil die mandschurischen Differenzen wirtschaftliche und soziale Ur­sachen haben. Hinter den chinesischen Verstößen gegen die japanischen Rechte in der Mandschurei   steckt die Erbitterung eines Volkes, das sich durch politische Kunstgriffe in seinen natürlichen Rechten und in seiner natürlichen Entwicklung be­nachteiligt fühlt. Längs der von den Japanern betriebenen südmandschurischen Eisenbahn, die sich von Dairen bis nach Charbin   zieht, stoßen die großen, die Welt des Ostens bewegenden Ideen hart aufeinander. Japan   spielt hier die Rolle des Nuz nießers von folonialen Konzeffionen, die mit Hilfe militäri­chinesische Arbeit die Mandschurei aus einer Einöde zu einem scher Machtmittel künstlich aufrechterhalten werden, während dicht bevölkerten Lande mit wachsender Bedeutung für die Weltwirtschaft gemacht hat. Obwohl Japan   fast ein halbes Jahrhundert im Besitz dieses wertvollen Stücks Erde   ist, das dicht vor seinen Inseln und an der Grenze seines koreanischen Besizes auf dem asiatischen Festlande liegt, hat es sich darauf beschränkt, dort mit europäischer Kolonialpolitik entlehnten Methoden zu arbeiten. Japaner sind die Besitzer der reichen Bodenschätze, der industriellen Unternehmungen und Kauf­leute, die das chinesische Proletariat mit allen Bedürfnissen bis hinunter zum Rauschgift versorgen. Dagegen haben sich Japaner in nennenswerter Zahl weder als Bauern noch als Arbeiter anzusiedeln vermocht, weil sie an die milde Seeluft ihrer Heimat gewöhnt, das nördliche Klima der Mandschurei .nicht vertragen.

Seit dem Ausbruch der inneren Wirren im Reich der Mitte hat sich von China   her eine der merkwürdigsten Be­

völkerungsbewegungen des 20. Jahrhunderts vollzogen. Mil­lionen von Chinesen haben ihre Heimat in den nördlichen Pro­vinzen des Landes verlassen, Hunderttausende von ihnen sind am Wege umgekommen, aber ein Teil ist doch ans Ziel ge­langt und hat sich in der Mandschurei   eine neue Eristenz aufgebaut, für die er die Mittel durch den Verkauf seiner armseligen Habe und häufig sogar durch den seiner Kinder aufgebracht hat. Mit der Konsolidierung des chinesischen Ele­ments haben sich die Reibungsflächen zwischen der japanischen Oberschicht und den Zuwanderern vergrößert, weil Japan   feinen anderen Ausweg fennt, als sich des von unten her kommenden Drucks durch die Gewaltmittel zu erwehren. Japan   besitzt vertraglich dafür eine Reihe von Möglichkeiten. Es ist ihm erlaubt, zur Sicherung der Bahnlinie, die das Leben seines Hafens Dairen   garantiert, eine Armee von 20 000 Mann in der Mandschurei   zu unterhalten. Japanische Waren können von hier aus zollfrei in das Innere ge­langen. Eine Million japanischer Untertanen aus Korea  findet im Lande auf verschiedene Art ihre Existenz. Die bis aufs Itipfelchen gewahrten Rechte Japans   bilden für die Quelle dauernden chinesische Bevölkerung eine Aergernisse s. Chinesischerseits hat daher ein systemati­scher Kampf gegen die japanische Hegemonie begonnen, der mit allen fleinen Teufeleien geführt wird, deren der Mensch des Fernen Ostens fähig ist, wenn er einem Mächtigeren ans Beug will.

Die südmandschurische Eisenbahn   wird von den Chinesen

..Neue Welt"

Frauenkundgebung Hasenheide

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