Nr 499- 4S Jahrgang ��0<�301�(1)01��0 Gonnabend, 24. Oktober 1931
Tragödie der Not. Ursachen der Verzweiflungstat des Bauarbeiters Loge.
Die weiteren Ermitilungen bei der Aamilieutragödie in der Sa- diner Strohe haben ergeben, daß Bewohner des Borderhauses die Leiche des Arbeiters Loge in der Tür von der Suche zum Korridor durch das Küchenfensler erblickten. Sie alarmierten die Feuerwehr, um den Leichnam bergen zu lassen. Dabei bemerkten die Feuerwehrleute emen penetranten Verwesungsgeruch aus dem austobend n Fim» er. wo die Leichen der Angehörigen lagen. Die Ehefrau wie- Nässende Schrdeloerlehungen auf, während dem vier- jährigen Knaben der hals durchschnitten war. Der sieben Monate alte Säugling hatte keine äuheren Verlehungen, so dah anzunehmen ist. dag das Sind Hungers gestorben ist. Anler den Betten zeigten sich grohe Blutlachen, die von den Letten aus den Fuhboden durchgesickert wareu. Me Leichen waren mit den Bett- decken verh»llt' nd mit Blumen geschmückt. Zn der Küche wurden aus dem Tisch Abschiedsbriese vorgefunden. * Die grausige Bluttat des Arbeiters Kurt Log« lenkt die Auf- mertjamkeit der Oefsentlichkeit auf die N o t d e r D e r l i n e r B a u- arbeiterschaft. Kurt Loge war einer von den 30 000 erwerbs- losen Bauarbeitern Berlins . Er war Hilfsarbeiter. Seit zwei Jahren war er arbeitslos. Durch die Kürzung der Unterstützungs- sätze für die Bauarbeiter, die bekanntlich als„Saisonarbeiter" wem- ger Unterstützung erhalten als die übrige Arbeiterschaft, bekam er zuletzt nur noch 14 M. wöchentlich für seine vierköpfige Familie. Wie fast alle anderen langfristig erwerbslosen Bauarbeiter konnte <r von der kargen Unterstützung seine Miete nicht mehr bezahlen. Schon im vergangenen Winter war Loge mehrer« Monat« lang die Miete rückständig. Im Laufe des Sommers ge- lang es ihm aber, für einige Zeit eine Aushilfsarbert zu bekommen. Sofort zahlte er von dem Lohn die rückständige Miete dem Haus-
wirt ab. Dann war aber die AusHilfstätigkeit beendet und das Elend verschärfte sich mehr und mehr. Nun ging Loge vor unge- fähr sechs Wochen a u f s L a n d. In der Nähe von Strausberg verdingte er sich beim Kartoffelbuddeln, um Nahrung für seine Familie heranzuschaffen. Es gelang dem Verzweifelten jedoch nicht, seine angesammelten Mietschulden abzutragen. Schließlich war er drei Monate lang die Miete schuldig- wie uns die Schwester des Toten mitteilt, eine Summe von 90 M. Da er die 90 M. nicht auf- treiben konnte, ließ der Hauswirt der unglücklichen Familie die Räumungsklage zustellen. Diese nahm sich der erst 2Sjährige Bau- Hilfsarbeiter so zu Herzen, daß er seine Frau, seinen vierjährigen Sohn Norbert und sein 7 Monate altes Kind Günther erschlug, um sich dann selbst zu erhängen. Die wenige Häuser entfernt wohnenden Verwandten hatten sich während der größten Not schon der Kinder der jungen Fa- milie angenommen. Sie wurden vom Schwager verpflegt. Der Schwager hat aber selbst nur eine AusHilssstelle in der Ber liner Konfektion. Beim Schwager wohnt der Vater des Toten. Er ist ebenso wie sein Sohn Bauhilfsarbeiter und auch schon über ein Jahr erwerbslos. Es kam hinzu, daß die Schwester des Toten erkrankte und sich in den letzten Tagen nicht mehr um die Kinder kümmern konnte. In seiner Verlastenheit beging Kurt Loge dann die Verzweiflungstat. Auf dem Tisch lag die Räumungsklage.... Iri einer nicht viel weniger verzweifelten Lage befinden sich rund 30 000 Bauarbeiter Berlins . Fast auf keinem großen Bau wird weitergearbeitet und wenn die wenigen Fassadenausbesserungen beendet sind, werden 100 Prvz. der Berliner Bauarbeiterschast ohne Arbeit sein. Es müssen alle Anstrengungen gemacht werden, um Geldmittel und Arbeitsmöglckichkeiten für die notleidenden Bau- arbeiter heranzuschaffen, ehe es zu weiteren Katastrophen kommt.
Die Not der Mieter. Forderungen der Sozialdemokratie im preußischen Landtag- Ei» Ankrag der Sozialdemokratie im Preußischen Landing weist darauf hin. daß die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage den Mietern in immer größerem Umfang die Möglichkeit Miimmt, ihren Berpflichtungea aus den Mielverlrägeu nachzukommen. Der dadurch eingetrekene Mietausfall, besonders in Neubauten, bringe die wohnungsunleraehmungeu in größte Gefahr. Der Zu- sammeubruch der Unternehmungen werde unvermeidlich, wenn nicht geeignete Hilfsmaßnahmen getroffen würden. Das gleiche gelle llalürlich auch für die Einzelmieler und die kleiuhaus- besitzet. Der Landtag wolle deshalb beschliehen, das Staatsminlsterium zu ersuchen: 1. die Verzinsung bzw. Tilgung der Hauszinssteuer- hypolheten-Darlehen auszusehen. 2. mit allem Nachdruck aus eine Senkung der Zins- und Ttlgungssätze für sonstige Hypotheken hinzu- wirken. Z. auch die vor dem 1. April 1931 fertiggestellten Neubaute« von der gemeindlichen Grundvermägenssteuer. soweit das bisher nicht geschehen, freizustellen. 4. bis zum Erfolg der Bemühungen für eine hypolhekenverbilligung nach Lage des einzelnen Falles Zinszuschüsse zu gewähren.
Todessturz vom Baugerüst. Auf dem Hof des Grundstücks Mainzer Straße in Wil- mersdorf ereignete sich gestern ein schwerer Unglücksfall. In den Nachmittagsstunden war eine Kolonne von Gerüstarbeitern mit dem Ausrichten eines Baugerüstes beschäftigt. In der Lzöhe des dritten Stockwerkes war der 46jährige Gerüstbauer Rudolf Stolz aus
der Fontanepromenade in Berlin tätig. Stolz verlor plötzlich den Halt und stürzte kopfüber auf den Hof hinab, wo er mit zerschmetterten Gliedern tot liegen blieb. * Auf tragische Weife kam gestern die einjährige Anneliese D. aus der Stindeftraße in Steglitz iims Leben. Die Kleine spielt« in der Küche und fiel, als die Mütter einen Augenblick den Rücken gekehrt hatte, in einen mit Wasser gesüllten Eimer. Als die Frau schon nach wenigen Minuten zurückkehrte, war die Kleine bereits tot. Kassenräuber am Werk. Zwei Kolonnen erbeuten 500 M. in Lebensmittelgeschäften In den gestrigen Abendstunden wurden in Pankow und Reinickendorf die Sassen zweier LebenswiNelgeschäste von jungen Burschen ausgeraubt, ihnen steten etwa 500 M. In die Hände. Der erste Ueberfall spielte sich um 18.46 Uhr in der Flora- st r a ß e 2 3 in Pankow ab. Dort drangen vier Burschen mit vor- gehaltenen Pistolen in die Butterfiliale der Firma Reichelt ein. Euter der Täter ging auf die Ladenkasse zu und raubte einen Bs- trag von 160 bis 200 M. Die Täter flüchteten und entkamen. Ein ähnlicher Vorfall spielte sich in der Butterfiliale von Thürmann in der Arosa-Allee 149 in Reinickendorf ab. Kurz vor Laden- schluß stürmte eine Kolonne von fünf jungen Leuten in das Geschäft. Drei von ihnen hatten P i st o l e n in den Händen und forderten die Verkäuferinnen und mehrere Kundinnen, die. gerade im Ge- schäft anwesend waren, auf, sich völlig ruhig zu verhalten. Während zwei der Täter einen Stapel Konservenbüchsen umkippten, um die Aufmerksamkeit abzulenken, plünderte einer ihrer Komplicen die Ladenkasse. In diesem Falle sielen ihnen 300 M. in die Hände. Unter Mitnahme größerer Mengen Lebensmittel flüchtete die Bande.
3000 Mark Belohnung. Kriminalpolizei auf Mörderfuche.- Wichtige Zeugen- Mitteilungen. Für die AufNärung der beiden gestrigen Mordtaten sind von den Behörden im Laufe des Freitags 2000 M. Belohnung aus- gesetzt worden. Der Regierungspräsident von Potsdam hat für die vingfestmachung des Mörders an der 70 Jahre allen Frau Faltia aus Basdorf 1000 M. und der Berliner Polizeipräsident gleich- falls 1000 M. für die Festnahme des jugendlichen Mörders an der 7öjährigen Frau Wahnitz aus der Angermünder Straße ö aus- gelobt. Zu gleicher Zeit sichert die Oberpostdirektion Berlin demjenigen 1000 M. Belohnung zu. der zur Ermittlung der beide» Täler beiträgt, die am Mittwochvormittag den Geldbriefträger in der Florapromcnade überfielen und rund S00 M. raubten. In allen vorgenannten Fällen ist die Polizei mit den Nach» forschungen eifrig beschäftigt. Es sind bereits eine ganze Reihe von Zeugenmitteilungen eingelaufen, die sich zum Teil als haltlos er» wiesen haben, zum anderen Teil noch nachgeprüft werden müssen. In dem Basdorfer Mordfall find der Mordkommission Lobbes-Stiller verschiedene Personen als der Tat verdächtig ge- nannt worden. So ist zwei Tage vor dem Mord ein Kollekten- sammlet in Basdorf gesehen worden, der auch das Haus von Faltin aufsuchte. Nach diesem Mann wird zur Zeit gefahndet Anderer- seits glaubt man, daß für die Täterschaft ein Mann in Frage kommt, der als Interessent des zum Verkauf stehenden Siedlungs- Hauses auftrat und sich dabei das Vertrauen der alten Frau er- schlichen hat. Der Täter glaubte vielleicht größere Beute zu machen; nach den Feststellungen und den Angaben des Mannes der Er- mordeten fehlen aber nur einige Gegenstände von geringem Wert und ein kleiner Barbetrag. Faltin hatte vor einigen Tagen in einer Berliner Zeitung sein Haus zum Verkauf angeboten und mehrere Käufer hatten sich gemeldet. Die beiden Radfahrer, die am Mord- tage in der Nähe des Faltinschen Hauses gesehen wurden und in den Verdacht der Tat gepaten waren, sind inzwischen ermittelt worden. Sie kommen für den Mord aber nicht in Frage. Unter Hinweis auf die ausgesetzte Belohnung werden alle Personen, die zu den Mordtaten Mitteilungen machen können, ge- beten, ihre Wahrnehmungen dem Polizeipräsidium in Berlin , Berolina 0023, zu machen.
Gchimpfheld Loepelmann. Zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Einspruch verworfen In einer nationalsozialistischen Versammlung hatte der natio- nalsozialistische Reichstagsabgeordnet« Studienrat Dr. L o e p« l» mann den Berliner Polizeipräsidenten Dr. Weiß„Isidor mit der langen Nase" genannt. Dr. Loepelmann erhielt darauf«Inen Strafbesehl über einen Monat Gefängnis, gegen den«r Einspruch erhob. Das Schöffengericht Neukölln verwarf aber den Einspruch Dr. Loepelmanns und verurteilt« ihn in Abwesenheit zu einem Monat Gefängnis. Auf die Berufung hin verwies die vierte Große Strafkammer beim Landgericht II die Sache an das Schöffen- gericht Neukölln zurück, weil Dr. Loepelmann begründet um Ver- tagung de» Prozesses gebeten habe. Das Schöffengericht Neukölln erkannte darauf auf eine Straf« von zwei Wochen Gefängnis. Auch gegen dieses Urteil war sowohl von Dr. Loepelmann wie auch von der Staatsanwaltschaft Berufung «ingelegt worden. Die vierte Große Strafkammer beim Landgericht II unter Vorsitz von Land- gerichtsdirektor Dr. Schmidt verwarf nunmehr in der erneuten Berufungsverhandlung die Berufung Dr. Loepelmanns und er- höhte auf die Berufung der Staatsanwaltschaft die Strafe wieder auf einen Monat Gefängnis. Nach der Urteilsbegründung sei die Strafe deshalb so hoch ausgefallen, weil es sich bei dem Beleidigten zunächst um«inen hohen Würdenträger handle. Außerdem könnten aber die Gerichte nur durch abschreckende Strafen zur Bereinigung des politischen Kampfes beitragen.
Loriot beugte sich vor,„ich habe sie auf heute Nachmittag zum Tee eingeladen mit noch einigen anderen, darunter den ärgsten Klatschbasen der Stadt. Du mußt sie liebenswürdig empfangen und betonen, wie lieb es dir wäre, wenn sie öfter käme— oder frag sie, ob sie unserer kleinen Germaine nicht Musikunterricht geben will, da ich so beschäftigt sei... Sage. was du willst— die Hauptsache ist nur, daß sie nach außen rehabilitiert wird."„,. Johanna Loriot atmete schwer. Dann sagte sie letse aber fest: „Ich kann nicht Komödie spielen, und ich will es auch nicht Aber abgesehen davon— hast du vergessen, wie krank Dolf ist? Wie kann ich heute zum Tee empfangen, solange der arme Junge von Tag zu Tag schwächer wird und—' „Der Junge, der Junge, der arme Junge! Herr des Himmels, das höre ich nun schon seit Monaten! Gibt es denn nichts mehr als den Jungen! Bin ich denn nicht mehr für dich da? Hast du nichts mehr für mich übrig, willst du mich mit Gewalt von deiner Seite treiben? Jeanne, hast du alles vergessen, was zwischen uns war. ist denn alles zu Ende! Liebst du mich nicht mehr. Jeanne?" Er riß die Frau zu sich empor und umfaßte sie leiden- schaftlich.„Hast du die Zeit vergessen, als wir uns im Park Ariana trafen, als du deine Pensionsmutter hundertmal de- trogst als du tausendmal Komödie spieltest, um mich zu sehen Hast du vergessen, wie du hinter dem Rücken deiner Eltern dich mit mir trafst, als du nach der Pension nach Hause kamst, wie du deinem Vater versichertest, den jungen Pianisten. der hier konzertierte, nur flüchtig zu kennen, obwohl wir uns schon so nahe standen, obwohl du dainals schon meine Frau warst, auch ohne Standesamt? Und jetzt, nachdem du m,r zwei Kinder geboren host, willst du mich aufgeben, willst mir diese fade Entschuldigung vorreden, du könntest nicht Komodie spielen? Und Dolf— denkst du, mir tut es nicht leid genug, daß der Junge krank ist? Habe ich nicht an den Professor der Universitätsklinik geschrieben und ihm ein Sündenhonorar an-
geboten, wenn er die Operation übernehmen wollte! Habe ich nicht sämtliche hiesigen Aerzte zu Rate gezogen? Weiß Gott , ich bin doch kein Rabenvater! Ich liebe doch den Jungen auch, er ist doch auch mein Kind. Aber wird er gesünder da- durch, daß du niemand mehr empfängst, daß du dich ab- schließest und die einfachsten gesellschaftlichen Verpflichtungen. die wir nun mal hier haben, vernachlässigst? Wird er da- durch gesünder, daß du mich zurückstößt, mich im Stich läßt, jetzt, wo du allein mir helfen kannst! Jeanne— kannst du so hart, so mitleidlos gegen mich fein?" Er hob ihr Gesicht an das seine und preßte seine Stirn an ihre Wange. „Und wie soll das weitergehen mit dir und Fräulein Düring und— mit mir?" Tonlos klang ihre Stimme. Loriot aber warf übermütig den Kopf zurück. „Wie das weitergehen soll?" wiederholte er.„Meinst du, ich werde mir die Dühring, diesen Racker, nicht vom Halse schaffen? Ich habe Lehrgeld genug bezahlt für diese Dumm- heit, ich habe das satt bis hier." Seine Hand fuhr an den seidenen Hemdtragen. Dann umschlang er die Frau mit beiden Armen und küßte sie stürmisch. Johanna Loriot überließ sich ihm für einige Augenblicke, dann inachte sie sich sanft frei und streckte ihrem Mann die Hand entgegen: „Ich will dir auch diesmal glauben, ich muß dir glauben, Andr�." 5. Behagliche Wärme, strahlende Helligkeit durchzog die drei Räume im Erdgeschoß des kleinen Landhauses. Im Musik- zimmer stand eine kleine Gruppe von Gästen um den Haus- Herrn, der soeben seine größte Kostbarkeit, eine Sammlung alter Flöten aus. Silber und Ebenholz seinen Besuchern zeigte. Dann ging man zu dem Betrachten von Autogrammen und Photographien berühmter Musiker über, die Loriot teil- weise selbst gekannt hatte. Er besaß Briefe von Reinecke und Grieg , von Hans von Bülow und Paderewski , von Schaljapin und Caruso und vielen anderen. Eine kleine Widmung von Johannes Brahms , die der Meister wenige Tage vor seinem Tode dem jungen Künstler, dessen musikalische Vegabung ihn begeisterte, in ein Rotenhest schrieb, wurde besonders ehr- fürchtig betrachtet und ging von Hand zu Hand. Nebenan im kleinen Salon und im Eßzimmer leuchteten nur die Tisch- und Stehlampen, was den Räumen ein be-
onders intimes, anheimelndes Aussehen gab. Der Teekessel ummte leise, und die alte französische Uhr auf dem Kamin chlug hell und klingend die sechste Stunde. „Komu�n Sie", Frau Loriot zog eine ältere, würdig dreinschauende Dame au ihrer Seite nieder und winkte auch den übrigen Gästen. Fräulein Düring ist wohl aufgehalten worden— beginnen wir einstweilen mit dem Tee und ver- schieben wir die Musik auf später." Im gleichen Augenblick tönte die Klingel, und wenige Sekunden später trat die Erwartete ein. Sie sah frisch und blühend aus in dem meergrünen Nachmittagskleid, das ihr rotgoldenes Haar wundervoll zur Geltung brachte. In der Hand trug sie einige Rosen, die sie Frau Loriot überreichte. Die beugte sich vor und küßte das junge Mädchen auf die Wange. Dann drohte sie ihr scherzend mit dem Finger. „So strahlend frisch sieht nur aus, wer von einem Rendezvous kommt", sagte sie lächelnd.„Beichten Sie mal schleunigst: Wer ist der Glückliche, der Sie uns eine volle Stunde lang entzogen hat?" Das junge Mädchen schüttelte lachend deit Kopf und sang mit heller, jubelnder Stimme ein paar Takte der Arie der Marzelline aus dem„Fidelio". Dann brach sie ab und warf einen raschen Blick zu Loriot hinüber.„Uebernehmen Sie meine Verteidigungsrede, lieber Herr Professor", sagte sie kokett,„Sie wissen, daß meine Liebe nur der Musik gehört!" Zwei der anwesenden Damen tauschten einen höhnischen Blick. Aber Loriot hatte seine Freude an diesem kecken Spiel, das wie schäumender Champagner auf ihn wirkte. Er erhob sich und versuchte, seiner schlanken Gestalt eine würdevolle Haltung zu geben. „Tes rts sont mainleiiiint et ies pleiirs supcTflus"*), zitierte er pathetisch aus Alfred de Müsset. So koinmen Sie nicht weg. Ich als Ihr Anwalt, den Sie soeben vor diesen Zeugen gewählt haben, habe das Recht, die volle Wahrheit zu erfahren Also gestehen Sie, Angeklagte, und erleichtern Sie ihr Gewissen: Wem von den jungen Herren des Stadt- chens haben Sie den Kopf verdreht!" „Es braucht ja nicht gerade ein junger Herr zu sein", fiel nun Fräulein Holl, die magere Gesanglel�erin der Ober- klassen etwas herausfordernd ein. Die Marzelline des ,, Fidelio" hat bekanntlich ihren jungen Jacquino verschmälst." (Fortsetzung folgt.)
•)„Dein Lächeln und auch deine Tränen sind nun überslüssig."