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Morgenausgabe

Nr. 505

A 254

48.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentäg­lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolf und Zeit".

Mittwoche 28. Oktober 1931

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

Die einspalt. Nonpareillezeile 80 Pt. Reflamezeile 5,- R. ,, Kleine An­zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zulässig zwei fettgedruckte Worte). jedes meitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Werte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Henderson unterlegen!

Sieg der Konservativen.

lett mit 11 000 Stimmen Vorsprung geschlagen, sein Kollege Hay­cod ebenfalls mit 11 000 und Toole mit 6000 Stimmen Vorsprung besiegt.

Wenn die ersten, zunächst spärlich am späten Abend ein-| Mehrheit. So wurde der bekannte Gewerkschaftsführer Ben Til­gelaufenen englischen Wahlresultate sich im Laufe der Nacht und des heutigen Tages in ihrer bisherigen Tendenz ver­allgemeinern sollten, dann ist zu befürchten, daß die Neu­wahlen für die Arbeiterpartei überaus schlecht aus­gefallen find.

Die Bürgerblodparole der Koalitionsregierung hat offenkundig gewirkt. Die Klassensolidarität der Bourgeoisie hat die konservativen und liberalen Wähler, unbeschadet ihrer traditionellen Gegensätze, gegen die Arbeiterpartei zusammengeführt. Die großen Mehr­heiten, mit denen die Regierungskandidaten bei den meisten zunächst eingelaufenen Ergebnissen gewählt wurden, ent­sprechen durchweg den zusammenaddierten Stimmenzahlen der Konservativen und der Liberalen, als diese im Mai 1929 getrennt marschierten.

Insofern erinnern die gestrigen Neuwahlen starf an die berüchtigten ,, hakiwahlen" vom Dezember 1918, als die Regierungsfoalition unter Führung von Lloyd George der Opposition von Arbeiterparteilern und Linksliberalen eine schwere Niederlage zufügte.

London , 27. Ottober.( Eigenbericht.) Die ersten Wahlergebnisse trafen erst gegen 22.30 Uhr ein und betrafen zwei sichere konservative Wahlkreise, deren Abgeord­nete mit riesiger Mehrheit wiedergewählt wurden. In Hornsey siegte der Konservative mit der Rekordmehrheit von 33 600 Stimmen( 1929: 9500 Stimmen Vorsprung), in Chelten ham sein Frattionsfollege mit 17 000 Stimmen Vorsprung( 1929: 6750). Diese beiden Mehrheiten entsprechen ungefähr den 3ahlen von 1929, wenn man die damaligen liberalen Stimmen mit den tonservativen zusammenaddiert. Ferner wurde als einer der ersten der Führer der Rechtsliberalen Sir John Simon als wieder­gewählt gemeldet.

Um 1 Uhr 30 morgens waren gewählt: Konservative 86(+19), Liberale 18(+ 4), Arbeiter 9(- 22).

In Barnsley wurde der Arbeiterabgeordnete Potts, der das vorige Mal mit 9340 Stimmen gefiegt hatte, von den liberalen Roalitionskandidaten mit 700 Stimmen Vorsprung geschlagen. Ebenso wurde in Wakefield der Arbeiterabgeordnete Sher­wood mit 2000 Stimmen Mehrheit durch die Konservativen be­siegt, nachdem er das letzte Mal mit 2300 Stimmen in einer dreieckigen" Wahlschlacht gewählt worden war. Das gleiche Schick= fal erlitt der Arbeiterabgeordnete Septon in St. Helens, der fein Mandat an einen Konservativen verlor. Sein eigener Bor­sprung betrug das letzte Mal 8100 Stimmen, mit 2000 Stimmen wurde er diesmal besiegt.

Der erste Labour- Abgeordnete, der gegen 1 Uhr nachts als wiedergewählt gemeldet wurde, war Wallhead in Merthyr ( Wales ), der mit 13 000 Stimmen Vorsprung über einen Mosley­Mann fiegte und seinen Vorsprung von 1929 damit behauptete.

Henderson unterlegen!

Condon, 28. Offober( 1 Uhr nachts). Der frühere Staatssekretär des Aeußeren, Arthur Hender­ son , Führer der Arbeiterpartei, ist bei der Wahl in Burley unter­legen. * Sieger Süber Henderson ist der konservative Admiral Gordon Campbell mit 8200 Stimmen Vorsprung. Der Kommunist erhielt

nur 500 Stimmen.

Im Jahre 1929 hatte Henderson 28 000 Stimmen erhalten, ein Konservativer 20 000, ein Liberaler 12 500 Stimmen. Konservative und Liberale hatten also schon damals 4500 Stimmen mehr. Indem fie diesmal gemeinsam stimmten, sicherten sie sich den Sieg und vergrößerten sie ihren Vorsprung.

Der Admiral Campbell ist im Kriege als Schöpfer der so­genannten U- Boot- Fallen" berühmt geworden.

Außer Henderson sind noch weitere ehemalige Mitglieder der Arbeiterregierung unterlegen, und zwar der

Um 1.45 Uhr Berliner Zeit zählte man als gewählt 114 Ron­servative, 10 Nationalliberale, 9 Liberale, 1 Nationaler Unab­hängiger, also insgesamt 134 regierungsfreundliche| frühere Gesundheitsminister Arthur Greenwood und der Abgeordnete und nur 11 Arbeiterabgeordnete!

In den drei Wahlkreisen von Salford ( Nord, Süd und West), die zum Gebiet von Manchester gehören, find alle drei bis herigen Arbeiterabgeordneten von ihren fonserva tiven Gegnern besiegt worden, zum Teil sogar mit beträchtlicher

frühere Minister für das Verkehrswesen, Herbert Morrisson. letzterer im Londoner Stadtteil Hackney- Süd, außerdem der Kriegs­minister Tom Shaw und der Bergwertminister Ben Turner. Ebenso ist die bekannte Arbeiterabgeordnete Miß Ellen Wil. tinson von einem Liberalen in Middlesbrough besiegt worden.

Keilerei zwischen Harzburgern.

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Reichsbahn - Schiedsspruch.

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Eine Zwischenlösung. Einheitsverband nimmt an. Die Schlichtungsverhandlungen für den Reichsbahnbetrieb find geffern zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Fol­gender Schiedsspruch wurde gefällt:

1. Da die Notverordnungen vom 5. Juni 1931 und 6. Of­fober 1931 offenbar davon ausgehen, daß die Regelung der Löhne dieses Mal zuerst bei den Reichsarbeitern( einschließ­lich der Reichspost) erfolgt, wird der zwischen den Parteien be­stehende Lohntarifvertrag ohne zeitliche Unterbrechung über den 1. November 1931 hinaus bis zur endgültigen Erledi­gung dieses Schlichtungsverfahrens verlängert.

2. Sobald die Lohnregelung für die Reichsarbeiter( einschließ­lich der Post) endgültig erfolgt ist, treten die Parteien er­neut zusammen. Berständigen sie sich nicht, so findet anschließend, und zwar spätestens binnen einer Woche, das Schlichtungs­verfahren seine Forijehung. In diesem Verfahren kann die Lohn­regelung für die Reichsbahnarbeiter mit Wirkung ab 1. November 1931 getroffen werden.

3. Frist zur Erklärung unter den Parteien und dem Reichs­arbeitsminifterium gegenüber 29. Offober 1931, 17 Uhr.

Damit hat die Schlichterkammer der Notverordnung Rechnung getragen. Der§ 8 der Notverordnung gibt der Reichsbahn nur das Recht, eine vom Reich und der Reichspoft nach§ 6 der Not­verordnung getroffene Regelung entsprechend anzuordnen. Aus diesem Umstande ist es verständlich, daß eine endgültige Entscheidung der Streiffrage nicht eintreten konnte, ehe nicht die Lohnfrage in diesen Betrieben entschieden ist.

Mit diesem Schiedsspruch ist zunächst die Cohnkrije in einem der wichtigsten Betriebe auf furze Zeit vertagt. Endgültig ist fie noch nicht aus der Welt geschafft.

Der Verbandsbeiral des Einheitsverbandes der Eisenbahner hat gestern abend noch zu dem vorläufigen Schiedsspruch Stellung ge­nommen. Die Haltung des Vorstandes sowie der Verhandlungs­fommiffion wurde anerkannt. Der Schiedsspruch wurde als ein moralischer Erfolg betrachtet. Der Verbandsbeirat sprach die Erwartung aus, daß in den kommenden Berhandlungen von den zuständigen Stellen alles getan wird, auch in materieller Sin­ficht eine Krise zu vermeiden. Der Verbandsbeirat richtet einen Appell an die gesamte Mitgliedschaft sowie die gesamte Eisenbahner­fchaft, die Organisationsinstanzen in ihren Bemühungen tatfräffig zu unterstützen.

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Der Schiedsspruch für die Reichsbahn schafft eine Pause im Kampf oder, um einen moderneren Ausdruck zu ge= brauchen, ein Stillhalteablommen" für begrenzte Zeit. Jedenfalls ist damit auch der Reichsregierung eine Ueberlegungspause gegeben, die sie nutzen mag, um verhäng­nisvolle Fehler zu vermeiden, die, einmal geschehen, nicht so leicht wieder gutzumachen wären. Alle Welt ist sich heute darüber klar, daß das viel raschere Tempo, in dem Löhne und Gehälter im Verhältnis zu den Preisen gesunken sind, zu den Hauptursachen der Wirtschaftskrise gehört. Kauftraft und Preise wieder miteinander in Uebereinstimmung zu bringen, ist also ein notwendiges Wert auf dem Weg zur Ueberwin­dung der Wirtschaftskrise. Eine neue allgemeine Lohnsenkung würde nicht nur nichts zur Ueberwindung der Krise beitragen, fondern vielmehr zu ihrer Berschärfung und Verhärtung führen.

Eine Entscheidung von so weittragender Bedeutung zu fällen in dem Augenblick, in dem der neue Wirt­

Goebbels flötet einem dicken Bürger den Marsch.- Geschäft und Gesinnung schaftsbeirat zusammentritt, würde bedeuten, den

im Hause Hugenberg.

aber hat Herr Kriegt sich in die Rüstung des nationalen Aufsichts­beamten geworfen und macht in solcher Kriegsbemalung den findlichen Versuch, die nationalsozialistische Bewegung und ihren Führer beim Portepee zu fassen. Wir halten es für ausgeschlossen, daß Herr Hugenberg von solchen Attacken Kenntnis hat oder gar sie billigt. Um so notwendiger erscheint es uns, dem Bürger Kriegt den Marsch zu flöten.

Der Hugenberg- Journalist Dr. Kriegt hat im Mon-| hohen Höhe herunterschaut, wenn man ihn unten anbellt. Nun tag" behauptet, gewissen nationalsozialistischen, Führern sei es mit dem Sturz des heutigen Systems nicht ernst. Darauf antwortet Goebbels im Angriff". Er hat sich, wie er es selber ausdrückt, die Aufgabe gestellt ,,, dem Bürger Kriegt den Marsch zu flöten", und man muß zugeben, daß er sich auf das Flöten versteht. Ausgerechnet Herr Kriegt!" ruft er aus, und er nennt Herrn Kriegt einen dicken Herrn, einen wilden Bürger, einen rasenden Reporter, einen mit beneidenswerter Naivität ausgezeichneten Zeitgenossen und einen bürgerlichen Stribenten. Als Beschäftigung des Herrn Kriegt gibt Goebbels an, teils Porzellan zu zerschlagen und vor dem Scherbenhausen seine Hände in Unschuld waschen, teils politische Brunnenvergiftung zu treiben. Einen solchen diden Herren in nationaler Zuver­lässigkeit machen zu sehen, findet Herr Goebbels zu amüsant. Nichts liege ihm ferner, so versichert er, als der Deffentlichkeit Nichts liege ihm ferner, so versichert er, als der Oeffentlichkeit das Schauspiel einer feuchtfröhlichen Keilerei zu bieten, doch fann bekanntlich auch der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Und Herr Kriegt war es, der anfing:

Solange Herr Dr. Otto Kriegt sich darauf beschränkt, mit Na= delstichen an unsere Elefantenhaut zu piden, haben mir es mit jenem mond gehalten, der nur lächelnd aus seiner

"

Danach könnte man meinen, die im Gange befindliche feuchtfröhliche Keilerei" sei nur ein Spezialvergnügen der nächstbeteiligten Herren. Daß dem aber nicht so ist, und daß der Angriff" gegen Hugenberg selber losschlägt, davon fann man sich an einem zweiten Artikel des Nazi- Blattes über zeugen. Dort wird nämlich Herr Hugenberg nicht etwa ,, am Bortepee" angefaßt, sondern vielmehr an einem viel empfind­licheren Teil, nämlich am Inseratenteil seiner Blätter. Heftige Vorwürfe werden gegen ihn erhoben, weil er gegen Bezahlung für Warenhäuser und ausländische Firmen Re­flame mache, während der Textteil seiner Blätter für den Schutz des Mittelstandes und der nationalen Arbeit eintrete. Ob dies alles nur eine Nederei zwischen Liebenden ist, oder ein erstes Zeichen einer beginnenden Zersetzung der nationalen Opposition", muß sich bald zeigen.

Wirtschaftsbeirat vor vollendete Tatsachen zu stellen. An= gesichts der Zusammensetzung dieses Wirtschaftsbeirats, die von gleichberechtigter Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft im Sinne der Reichsverfassung nichts merken läßt, wird man allerdings an die Arbeit dieser neuen Kommission feine ver­wegenen Hoffnungen nüpfen dürfen. Trotzdem wäre es widersinnig, jetzt schon vollendete Tatsachen zu schaffen, die jede Wirksamkeit zur Ueberwindung der Krise illusorisch

machen würden.

Wenn nun, wie verlautet, die zum 1. November ab­laufenden Lohntarife kurzfristig verlängert werden sollen, so ist das noch lange nicht eine Lösung der schwebenden politischen und wirtschaftlichen Probleme, wohl aber bedeutet es eine Milderung des augenblicklichen Drucks und die Möglichkeit, friedliche Lösungen vorzubereiten. Der schwerindustrielle Flügel der Harzburger Front fann es freilich gar nicht mehr erwarten und verlangt von der Reichs­regierung Lohnsenkungen über Hals und Kopf. Ihr Berliner Organ, die Börsenzeitung ", schreit Zetermordio über die Sozialdemokratie im allgemeinen und den Bor= wärts" im besonderen, weil sie angeblich die schwebenden Der Lohnverhandlungen unter ihr Diktat" stellen wolle Regierung Brüning wird bescheinigt, daß sie schon mehrmals vor unseren Drohungen fapituliert hätte. Das eine Mal, als