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Alexander

.Sacher Majoch: Ein Mensch geht heim

die Büroräume der Herren Aufseher auszufegen.

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Am Nachmittag, um dreiviertel fünf, pflege ich mir die Hände I meine Mutter jeden Morgen in die frühe Dämmerung hinaus, um zu waschen. Dann streife ich die Bluse ab und stopfe mir oft noch mein Pfeifchen mit jener Umständlichkeit und Sorgfalt, die uns älteren Männern eigen zu sein pflegt, während die Jungen hastig an mir vorbeistürmen, um den allerersten Zug zu erreichen. Ihr habt Eile", denke ich mir, denn ihr wißt noch nicht, daß wir nie so ganz zurechtkommen können in diesem Leben. Auch ich hatte Eile in eurem Alter."

Dann muß ich noch eine halbe Stunde mit dem Borortzug fahren. Der Mann am Schalter grüßt mich, denn ich wohne schon seit Jahren in diesem Ort. Ich gehe eine lange Baumallee entlang. Wenn es Sommer und noch hell ist, tanzen die Schatten der I Stämme über den Weg und über meine Stiefel. Im Winter ist es die Dämmerung, die ihre Schönheiten hat. Am Ende der Allee steht ein einzelner, leuchtender Stern über der Ziegelei, die rechter Hand zwischen den Bauplätzen dunkel emporragt. Diesen Stern kenne ich genau. Er grüßt mich jeden Abend. Wenn ich um die Begbiegung fomme und diesen Stern erblicke, dann weiß ich, daß ich nach weni­gen Schritten daheim bin.

Der Ort, in dem ich wohne, liegt in der Ebene, und oft pfeift der Wind durch die kleinen, eingezäunten Gärtchen und zwischen den Einfamilienhäusern der Arbeiter hindurch.

Gestern tamen mir auf dem Heimweg seltsame Gedanken. Ge­nauer gesagt, hatte dieses Nachdenken über Ereignisse meines ver­gangenen Lebens schon im Wagen der Vorortbahn begonnen. Ich faß an meinem Play, junge Kerle stiegen ein. Sie hatten die Müze schief im Genic, scherzten und lachten miteinander. Als der Zug in bie zweite Station einfuhr, begann einer von ihnen ein Lied zu fingen und die anderen stimmten ein und sangen mit. Ich kann mich nicht mehr genau an den Text erinnern, aber es war ein Lied, das von der Arbeit handelte und von der Heimkehr nach der Arbeit.

Wenn die Dämmerung steigt Und die Sonne sich neigt,

Dann fehren wir heim

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Diese jungen Leute verließen bald wieder den Wagen, aber die lete Strophe des Liedes haftete irgendwie im pulsenden Rollen der Räder und ging mir nicht aus dem Kopfe. Auch ich kehrte heim. Zu meiner franken Frau. Und auf dem Wege vom Bahnhof bis zu meinem Häuschen durchdachte ich mein Leben. Meine Kinder mein Junge und mein Töchterchen, wuchsen freilich nicht so gehegt und gepflegt auf, wie die Kinder der Reichen. Aber welch ungeheure Kluft trennt ihre Kindheit von dem bitteren und qualvollen Los meiner Kinderjahre, die vor mir auftauchen in der Erinnerung. Dennoch kann ich nie ohne Rührung an die schwarzen, verrußten Mauern jener Arbeiterfaserne zurückdenten, in der meine Eltern hausten. Insgesamt waren wir vier Geschwister und wohnten in einem elenden Loch, das uns als Küche, Kammer und Stube zugleich diente. Hart an die Mauer der Mietkaserne grenzte das Eisenwert, wo mein Vater beschäftigt war. Die Wände unserer Wohnung bebten Tag und Nacht unter den Schlägen der Eisenhämmer und der Mörtel brödelte von den Wänden. Dieses Dröhnen hörte niemals auf, Tag und Nacht, Nacht und Tag dröhnten die Hämmer. In diesem Lärm wurde ich geboren. Ich kannte die Stille nicht. An den Sonntagen stand das Mert, aber der Lärm hämmerte meiter in unseren Herzen. Wir hörten ihn auch dann, menn er schwieg. Das Haus mar zmei Stockmerke hod), hinter den fleinen Fenstern hingen rußige Gardinen, im Hofe wucherte Un­frant. Gegenüber erhab sich in geringer Entfernung ein zweites Wohngebäude. So entstand ein Biereck, dessen zwei Seiten die beiden Arbeiterblöcke bildeten, die dritte Seite grenzte an die Mauern der großen Maschinenhalle, die vierte bildete ein Zaun, in deffen Mitte eine fleine Holztüre mündete. Genauer genommen, war hier früher einmal eine Türe gemejen, aber seit ich mich er­innern fonnte, fehlte fie bereits und an ihrer Stelle sah man ein vierediges, in den Zaun gebrochenes Loch. Durch dieses Loch trat

Denn ihr Tagewerk begann um vier Uhr früh, manchmal noch früher. Ihre Augen waren immer von Schlaflosigkeit gerötet, sie hatte ein bleiches, längliches Gesicht und ihre Nase stach spitz hervor. Ich weiß noch, daß ich mich damals als fleiner Knabe oft wunderte, wie dünn ihre Arme waren, wenn sie die Aermel der Bluse hoch streifte, um nachts die Wäsche für uns zu waschen. Ich schlief in einem Bett mit meinem jüngeren Bruder Michel, stedte den Kopf unter der Dede hervor und starrte meine Mutter an. Ihre hagere Gestalt hing gebeugt über dem Waschtrog und sie stemmte sich mit ihren schwachen Fäusten gegen das Waschbrett. Von Zeit zu Zeit hielt sie inne, um zu verschnaufen und preßte ihre linke Hand gegen ihr heftig pochendes Herz. Und weil sie sich unbeobachtet wähnte. feufzte sie in längeren Baufen tief auf und strich sich mit einer eigen artigen, schüchternen Bewegung durch das Haar. Diese Geste ist mir die vielen Jahre hindurch in Erinnerung geblieben und in dieser Stellung sehe ich die Gestalt meiner Mutter oft vor mir, wie sie sich mit der Hand durch das Haar streicht. Diese Bewegung erweďte den Eindruck, als habe sie etwas verloren oder vergessen und denke angestrengt darüber nach, was es wohl sein könne. Was mochte sie wohl verloren haben?

Sie hatte alles verloren. Sie tammte die Sonne nicht, fie mußte nichts vom Blühen der Bäume und vom Duft, der an stiffen Sommerabenden aus der Erde strömt. Denn niemals verließ sie das Industrieviertel . Ihr Tag begann mit der frühen, schmutzig- grauen Dämmerung des Morgens, die Fabrikschlote verrauchten ihr den Himmel und das war vielleicht der Grund, daß ich sie immer so vor mit frei erhobenem Kopfe. mir sehe, mit gesenktem Blick und gebeugtem Nacken, niemals aber

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An diesen Frühherbsttag, der zugleich mein erster Schul­tag war, erinnere ich mich noch ganz genau. Dieser Tag mar in mehr als einer Beziehung bemerkenswert. Ich war sechs Jahre alt und erhielt an diesem Morgen mein erstes Paar Schuhe. Ich muß noch heute lächeln, wenn ich daran denke, mit welcher Feierlichkeit meine Mutter mir die Schuhe an jenem Morgen überreichte. Bis zu diesem Tage bin ich immer barfuß gelaufen, barfuß im Sommer, Frühling und Herbst im Winter pflegte ich unser Zimmer nicht zu verlassen. Das feierliche Antlitz meiner Mutter an jenem Morgen bewirkte, daß ich die Schuhe mit einer gewissen ehrfurchtsvollen Scheu betrachtete, und als ich sie endlich mit Hilfe meiner Mutter angezogen hatte, meine Füße nicht wiedererkannte. Ich stieg ver­legen von einem Bein auf das andere, strauchelte bei den ersten Schritten und wäre fast gefallen. Von dem Lärm der dadurch ent­stand, erwachte mein Vater und fluchte erbittert vor sich hin. Er hatte einen seiner seltenen freien Tage und mein Gepolter störte ihn im Schlaf. ( Schluß folgt.)

S.Richards: ,, Armer Heinrich"

Von den Docks flingt hämmernder Stahl herüber. Um uns wirbelt das grellbunte Treiben des Hafenviertels: Neger, Matrosen, Händler und Huren. In den engen, steilen Gassen, die nach dem Hafenschlund hinabführen, türmen sich die Häuser. Es riecht nach verdorbenem Fleisch und Fischen. Bettler und franke Kinder überall. Hierscheint es fault die Erde!

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Im Hafen von Marseille . Glutende Hize lagert über der Stadt und frißt sich sengend in die Haut ein; der heiße Odem kündet das nahe Afrika . In den Straßen ist es unerträglich für uns; am besten ist wohl die Flucht ins offene klarblaue Wasser hinaus. Wir schlendern zum Kai. Dort liegen die Boote für den Fremdenverkehr. Schilder und Bootsteurer weisen auf das Fahrtziel hin. Ohne Be­sinnen steigen wir in eins der Boote. Grüßend hebt der Bootsmann die Rechte, um mit der Linken sofort den Fahrpreis zu fordern; vier Frank fünfzig! Der Motor springt an. Langsam gleitet das Boot durch den Wald fremder Schiffe. Ein wirres Gezweig von Masten, Rahen und Buggestängen. Trotz der Hize ist auf den Schiffen regstes Leben. Frachten werden gelöscht; Ruß und Qualm schwärzen hier den südlichen Himmel.

Endlich steuern wir ins offene Meer hinaus. Seitlich voraus stemmt ein letztes Fort sich finster und fühn in den Himmel hinein. Auf den Mauern liegen Blauhosen, Soldaten und winken. Legionäre, die heißhungrig auf die afrikanische Erde warten.

Das Boot steuert weiter seemärts. Die Bugmelle schäumt auf. In flimmernder Breite zieht das Kielwasser hinter uns her. Eine Insel taucht aus dem Meere empor: schwarz, still und stumm. Im Kreisrund der Tongläser sind nur Felsen und hohe Steinmauern zu erfennen, an denen sich die vom Meere gebrochenen Sonnenstrahlen mieder emporspiegeln. Der Bootsmann faßt das Sprachrohr und spricht erklärende Worte zu uns ins Boot. Frankreichs Leiproserie ist in Sicht gekommen die Insel der Aussätzigen! Uns schaudert! Der Bootsführer erzählt uns die Geschichte dieser Insel und ihrer Bewohner. Wieder richten wir die Gläser hinüber und hören zu Es ist ein grauenvoller Bericht.

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Seitdem die Seuche auf der Insel lauert, hat nie mehr eines gesunden Menschen Fuß die Insel betreten. Man meidet die Bea

Erna Büsing: Reitende Tiger

Im Bremer Museum stehen ausgestopft ein Tiger und ein Elefant. Es ist eine der grausigsten Gruppen, die man sich denken fann; denn der Tiger hat sich an dem Elefanten festgebissen und der Ueberfallene macht den Versuch, die Bestie sich unter die Beine zu schleudern, um sie zu zertrampeln. Wer wird siegen? Die Frage bleibt ohne Antwort. Sie beschäftigt einen immer wieder, weil man einen unverlöschlichen Eindruck von diesem rekonstruierten Kampf mitnimmt.

Tiger und Elefant, sind sie überhaupt zusammenzubringen? Die Frage verfolgt einen und Rudolf Matthies machte den gelingen­den Versuch. Seit Jahren Raubtierdompteur, brachte er vor 20 Jahren einen Löwen heraus, der auf einem Elefanten ritt. Sollte dasselbe Experiment nicht mit einem Tiger glücken?

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An Tigern ist bei Matthies gerade kein Mangel, verbringt er doch sein Leben unter Tigern und selbst wenn man in irgendeinem Zirtus in seine Garderobe kommt, springt einem dort ohne weiteres ein Tiger entgegen. Das ist natürlich nie ein ausgewachsener, aber sehr oft ein ziemlich derber Bursche. Der Dompteur sagt in solchem Falle erklärend: ,, Er ist es nicht gewohnt, hinter Gittern zu leben." Was praktisch bedeutet: Wenn du vor einer fleinen Körper­verletzung oder um deine Kleider Angst hast, dann bleib' draußen." Mit derartig lieben Tigerfreunden versucht ein Tierlehrer selbstredend allerlei Kunststückchen auszutüfteln. Namentlich, wenn ihm ein Tiger so ans Herz gewachsen ist, mie Kitty. Sie erblickte in der Gefangenschaft das Licht der Welt, zusammen mit zwei reizenden Brüderchen. Im Zirkusstall war hellste Freude, nicht mur bei den Menschen, sondern auch bei der Tigermama, bis die eines Tages mal besonders schlecht gelaunt war und ihre beiden Söhne auffraß. Kitty blieb übrig.

,, Sicher ist sicher", dachte Matthies, nahm der Tigerin das Baby meg und brachte es zu sich in den Wohnwagen. Auf diese Art und Weise bekam das kleine Tigermädchen Menscheneltern, die es mit der Flasche großzogen. Das ist nicht leicht, ein Tiger verlangt oft zu trinken und immer und immer wieder mußte Milch gewärmt werden. Das Ehepaar Matthies fonnte in feiner Stadt gemeinsam ausgehen, einer mußte beim Tigerbaby bleiben. Am schlimmsten aber war es nachts während der Fahrt. Heutzutage meilt ein Zirkus nur kurze Zeit an einem Ort. Die Fahrten werden nachts zurückgelegt und der Wohnwagen steht auf einem offenen Güter­wagen. Er schaufelt gewaltig. An einem Reisetag kommt der Dompteur immer erst nach Abbruch des Zirkus, also sehr spät ins Bett und er muß früh wieder raus, weil am neuen Ort die Raub­tierwagen gleich geöffnet werden. Man muß dann die Wagen reinigen und die Tiere füttern. Doch Kitty verlangte troydem zu trinken. Stunde um Stunde wurde der Wecker gestellt und jede Stunde mußten die Pflegeeltern aus den Betten; denn bei dem Schudein des Wagens verschüttete Stitty sonst die nötige Ration und

darum mußte einer den Tiger und der andere die Flasche halten. Da wurde mitunter, wenn der Wecker ratterte, ganz heimlich und verstohlen gedacht: Ach, Kitty, hätte deine Mutter dich doch auch mit aufgefressen."

Kitty lohnte die Pflege durch vorzügliches Gedeihen. Sie wurde ein selten schöner Tiger. Und ausgerechnet darum sollte sie auf einem Elefanten reiten.

Dieferhalb wurde der Chapiteau- Karren( Chapiteau ist das Zinkuszelt) in den Rundkäfig gebracht. Ein Wärter spannte sich vor den bewußten Karren, ein anderer Wärter schob von hinten, auf dem Karren saß Kitty und in der Manege stand der Dompteur. Unablässig fütterte er Kitty mit Fleisch. So lenkte er sie fürs Erste vom Karren ab und gewöhnte sie an ihn. Ein unruhiges Raubtier ist nämlich immer gefährlich. Gerade wenn es sich mit seinem Lehrer gut steht, will es ihn womöglich auf etwas aufmerksam machen und im selben Augenblick hat Herrchen die Pranke tief in seinem Rücken sizen. Das gibt nicht nur eine schwere Fleischwunde, sondern meistens auch noch eine Blutvergiftung; werden doch durch den Schlag an den Krallen sigender Schmuz oder Teilchen vom Dompteuranzug tief in die Wunde getrieben. Nach einem halben Jahr täglicher Spazierfahrt hatte Kitty sich an den Karren gewöhnt. Der Elefant Lili war zum Tigerreittier ausersehen. Kitty und Lili klingt jedoch für zwei gemeinsam arbeitende Tiere zu ähnlich. Einem Tier wird doch sein Name niemals ordentlich vorbuchstabiert, es lernt ihn ja auch nicht schreiben, es kann ihn nur mit dem Gehör auffassen. Within wurde Lili in Birga( indischer Mädchenname) umgenannt und es wurde streng darauf geachtet, daß jeder Stall­bursche die Elefantendame mit dem neuen Namen anredete. Wenn ein Mensch mit einem Tier in ein richtiges Vertrauensverhältnis fommen will, muß das Tier unbedingt seinen Namen kennen. Nun, eines Tages fam Birga in den Rundkäfig, wo auf einem Postament Kitty saß. Beide hatten keine Angst, Herrchen mar ja bei ihnen. Jetzt mußte dem Tiger bedeutet werden: Du, menn du auf dem Elefanten fißt, dann ist das fein schöner, blutmarmer Fraß unter dir, sondern bloß Chapiteau- Karrenersatz." Und der Elefant mußte verstehen lernen: Du darfst deinen Reiter nicht mit dem Rüssel dir vom Sattel holen und dir den Tiger unter die Füße werfen und ihn zertrampeln. Er ist dein natürlicher Feind, aber wenn Herrchen dabei ist, dein Kamerad."

Die Tiere wurden miteinander bekanntgemacht ten sich.

und gewöhn

Zwischen zwei aneinander gewöhnten Tieren jedoch besteht eine seelische Verbundenheit, die wir Menschen mit unserem Verstand nie werden erfassen können. Abend für Abend reitet jetzt Kitty auf Birga. Wenn mir das erleben, können wir darüber nachdenken, daß dies allgemein bekannte Sprichwort Der Mensch ist ein Gewohnheitstier", totfächlich eine tiefe Weisheit bingt.

rührung mit den Aussäßigen. Wer je nach dieser Insel verfrachtet wird, der fehrt nie von ihr zurück; der ist für immer ausgestoßen­ausfähig geworden. Und nicht wenige sind es, die dieses Los heute noch trifft. Allein in Frankreich zählt man auf je hunderttausend Wehrpflichtige 7,7 Lepröse. Auf der Insel hausen Männer und Frauen gemeinsam. Aber Männer sind in der Ueberzahl. Alle in besten Alter, zwischen dreißig und fünfzig Jahren. Sie haben keine Hoffnung mehr. Es gibt kaum Besserung ihrer Krankheit, fast feine Heilung. Dämmerndes Dunkel liegt über dem Erreger der Seuche. Wege zur Ausheilung sind noch nicht gefunden worden. Dabei ist der Aussatz eine der ältesten Krankheiten, die Europas Seuchen­geschichte fennt. Bisher ist es noch nicht einmal gelungen, den Bazillus in Reinfultur zu züchten, um wenigstens Tierexperimente durchführen zu können. Auf der Insel leben, lieben und leiden die Kranten fast ebenso wie wir. Sie haben Fest- und Trauertage. Auch bei ihnen dreht sich um Geburt und Tod das ganze Leben. Dennoch bekommt man feine Kinder zu sehen. Nach der Geburt kommen die Säuglinge nach der Küste, damit Ansteckung vermieden wird. Wie aber das Leben auch sei, über allem auf der Insel herrscht grausam und souverän der Tod. Hier gibt es mur Menschen­mrads. Wenn die Kranken nicht irgendeiner Beschäftigung nach­gehen, hocken sie in Türen und Fenstern. Entsetzlich verstümmelte Gestalten. Hier eine tiefeingefunkene Rase im fnotigen Geficht, dort freisen lästige Fliegenschmärme um entzündete, vielleicht schon er blindete Augen. Stumm stehen die Menschen herum. Das Karbo!- wasser, das auf die Straßen gesprengt wird, bannt den Geruch lepröser Wunden nicht. Stetig huschen Aerzte und Schwestern in den Häusern ein und aus. In aufopfernder Arbeit leiſten ſie einen großen Menschheitsdienst. Aber auch sie sind leprös! Ihre Erfahrungen legen sie in eingehenden Berichten nieder. Berlauf der Krankheit, die so mannigfaltige. Erscheinungen kennt, die Wirkung der Heilmittel, alles wird genauestens registriert, damit diese Er­fahrungen den klinischen Instituten in allen Erdteilen zugänglid; gemacht und dort ausgewertet werden können, bis nun, bis einmal Heilung möglich sein wird.

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Inzwischen geht das Leben weiter. Der Staat versorgt die Kranken mit allem notwendigen Lebensbedarf. Zweimal in der Woche fährt die Leprabarke nach der Insel, um Kisten und Ballen an Land zu werfen. Keiner darf von Bord und umgekehrt auf das Schiff. Während die Kranken ihre Gärten pflegen, die Häuser be­treuen oder sonstigen Beschäftigungen nachgehen, bringen ihnen der Telegraph und das Radio die neueste Kunde. Die Sender Berlins , Londons und von Paris wetteifern darin, ein Bild des geistigen Lebens unserer Zeit auf die Insel hinüber zu spiegeln. Und doch ist das Schweigen dieser Insel unheimlich und grauenvoll.

Das Steuer zwingt das Boot in weitem Bogen um die Insel die Pointen seiner Rede. Mit sarkastischen Bemerkungen spricht er herum. Der Bootsmann erzählt noch immer. Geschickt verteilt er vom eisernen Besen dieser Insel, der das faulende Fleisch ins Meer fegt. Die furchtbare Brutalität seiner Worte wird den Mitfahrenden gesellschaft. Die Insel taucht wieder ins Meer. Die slackernden faum bewußt; er ist der beste Bootsfahrer der Fremdenverkehrs-. Strahlen der untergehenden Sonne leuchten wie ein Fanal über dieser sterbenden Welt. Im gewaltigen Atem des Meeres wird das Boot hin und her geschaufelt. Aber der Bootsmann ist seines Steuers ebenso sicher wie der Wirkung seiner Worte.

Wir fahren in den schmutzig- faufenden Sumpf des Hafens zurück. Doch unsere Gedanken weilen noch draußen auf der Insel der Ausfähigen. Bei jenen Menschen, die mit der furchtbarſten Seuche behaftet sind, die die Erde kennt. Schon im Mittelalter gab man ihr den grausamen Namen Armer Heinrich". Jahrzehnte warten die Kranken auf den Tod, den sie täglich vor Augen haben. Er zerrt und zerstört ihre fanken Glieder, aber er heilt sie nicht. So tönen seit Jahrhunderten die Schmerzensschreie dieser Aus­fähigen durch Europa , und doch versagte das rastlose Menschenhirn bisher im Kampfe gegen den winzigen Leprabazillus. Auch die süd­liche Sonne, die wenige Bahnstunden von hier, an der Riviera, Tausenden noch Heilung bringt, fie vermag diesen Menschen nicht mehr zu helfen. Das Boot legt an. Die ersten Positionslaternen der Schiffe lassen ihr buntes Licht ins Wasser zittern. Noch in dec Nacht verspüren wir den heißen Odem dieser faulenden Erde.

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Die chinesische Hauptstadt Pefing ist durch ihre verschiedenen und jede ist durch eine Mauer abgeschlossen. Die ganze Stadt ist Mauern berühmt. Es liegt gewissermaßen eine Stadt in der anderen, von einer Hauptmauer umgeben, die vier Tore, eins nach jeder Himmelsrichtung, hat. Der Mandschu- Kaiser Chan Ling hat diese Mauer vor zweihundert Jahren erbaut. Die nächstfolgende Mauer umschließt die Tatarenstadt, dann kommt die Mauer, die die Ver­ botene Stadt " von ihrer Umgebung abtrennt. In dieser Verbotenen Stadt liegen die kaiserlichen Paläste, die noch wieder von der., Kaiser­mauer" dicht umgeben sind. Endlich befindet sich noch eine Mauer Diese Mauer ist mit Schießscharten versehen. Heute darf die Ver­um das Biertel, in dem die ausländischen Gesandtschaften liegen. botene Stadt gegen Erlegung eines fleinen Eintrittsgeldes von jedem betreten werden.

Eine Auster bringt bis zu 1 200 000 Junge hervor. Würde man diese Tiere auswachsen lassen, so würden sie etwa 1200 Fäffer füllen.