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BERLIN  Mittwoch 28. Oktober

1931

Der Abend

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48. Jahrgang

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Der Erdrutsch in England.

Leberwältigender Sieg der Konfervativen

London  , 28. Oktober.  ( Eigenbericht.) Was auch immer das Endergebnis der englischen Wahlen sein wird, an einem überwältigenden Sieg der Konservativen ist nicht mehr zu zweifeln. Eine abso= Iute tonservative Mehrheit im neuen Parlament ist sicher.

Die Ergebnisse laufen in den Vormittagsstunden langsamer ein. Erst am Nachmittag wird man das end­gültige Ergebnis kennen. Der nationalen Regierung stehen bis jetzt 264 Stimmen im Parlament zur Verfü gung, der Opposition 23 Stimmen. 221 Stimmen ent­fallen auf die Konservativen. Die nationale Labour­Gruppe( Macdonald) hat bisher vier, die Nationallibe ralen haben 37 und die Unabhängigen Nationalen 2 Site. Auf der Oppositionsfeite hat die Labour Party   23 Site. In London   allein haben die Konservativen 18 Site neu getconnen. Unter 38 im Bereich von London   bereits vor. liegenden Ergebnissen sind nur 4 Site an die Labour Party   gefallen.

Am erstaunlichsten ist der Rüdgang in den Industrie städten. Lancashire   hat sich offenbar definitiv von sei­nem traditionellen Freihandel abge­wandt; denn in verschiedenen Wahlkreisen der Stadt Manchester   allein sind 9 Gewinne der nationalen Regie: rung gegenüber der Labour Party   zu verzeichnen. In Birmingham   verlor die Labour Party 6 Size. Weitere Site wurden verloren in den Städten Darlington  , Don­ caster  , Halifax  , Hudderfield und Liverpool  .

Die Liberalen haben sich im ganzen gehalten. Es fehlen noch die Ergebnisse aus den wichtigsten Industrie. bezirken im Nordosten Englands, die noch eine ganze Anzahl Arbeitersite bringen dürften, andererseits wer den die noch ausstehenden ländlichen Wahlkreise größ tenteils den Konservativen zufallen.

Die Kommunisten haben keinen einzigen Sit gewonnen, ebensowenig die Partei Sir Oswald Mosleys, der selbst geschlagen wurde.

Ernst sicht das Ergebnis für die Labour Party auch dann aus, wenn man es im einzelnen betrachtet. Außer dem Außenminister der Arbeiterregierung und Führer der Labour Party Henderson  , der in Bur­Ich gegen den konservativen Admiral Gordon Campbell mit 8200 Stimmen unterlag, sind auch zahlreiche andere Mitglieder der letzten Arbeiterregierung geschlagen worden, so der Gesundheitsminister Greenwood, der Kriegsminister Tom Shaw, der Minister für das Verkehrswesen Herbert Morrison  , Innenminister Clynes, Arbeitsminister Frau Bondfield, Ma­rineminister Alegander und Kultusminister Lees Smith  . Ferner unterlagen der Parteiveteran Ben Turner, Sir Trevelyan   und Ben Tillett  . Lansbury   dagegen wurde in Popler mit verringerter Mehrheit wiedergewählt, ebenso der Generalstaatsanwalt der Arbeiteregierung Gripys. Der Lloyd- George- Li­berale Wallace, der Kriminalschriftsteller, unterlag dem konservativen Gegner.

Von den Liberalen und Konservativen wurden alle bekannten Persönlichkeiten und Politiker wiedergewählt. Die Labour Party   erlitt die größten Verluste in den Wahlkreisen, in denen der Kampf nur zwischen zwei Kandidaten vor sich ging. Auf der Regierungsseite hat vor allem die Gruppe Macdonald weniger günstig ab­geschnitten, von der bisher nur vier Abgeordnete ge­wählt wurden. Das Ergebnis aus dem Wahlkreis Mac= donalds ist erst heute nachmittag zu erwarten.

Geringer Stimmenrückgang Labours.

Der liberale ,, News Chronicle" berechnet, daß die Wahlbeteiligung nur wenig höher gewesen sei, als bei der letzten Wahl, und daß die Liberalen überall offenbar geschlossen für die konservativen Kandidaten gestimmt hätten, wo teine liberalen Kandidaten aufgestellt waren; die Arbeiterstimmen seien um ungefähr ein Fünftel ge­junken.

Stimmenmäßig stehen den 4,58 Millionen konser batiben Stimmen bis jetzt 2,48 Millionen Labourstim men gegenüber. Auf die Parlamentsvertreter berechnet tommt jedoch auf 27 836 Konservative cin Abgeordneter, während bis jest auf einen Labour- Kandidaten 154 752 Stimmen entfallen.

POLLING TATION

Die Wahlberichte aus London   geben fast ausschließlich die Stimmenmehrheiten an, mit denen die Abgeordneten ge­wählt oder geschlagen wurden. Da durch das liberal- fonjervative Wahlbündnis die Kampflage gegenüber 1929 völlig verschoben ist, laffen sich aus diesen relativen Ziffern Schlüffe über das Verhältnis der abgegebenen Stimmen nicht ziehen. Die wenigen Fälle, in denen die absoluten Ziffern gemeldet sind, lassen wir hier folgen: In Burnley, dem Wahlkreis Hendersons, erhielten:

Labour Konservative Liberale

1931

1929

28 100

27.000

B

4

20 100

35.000

12 500

-

Wahlen der Ver­zweiflung

Blick in ein englisches Wahllokal in der Tollen ham Court Road in Hol­born, London  .

"

Es versteht sich, daß die konservative Presse in ein wahres Triumphgeschrei ausbricht. Der Sieg ist größer als sie selbst er­wartet hatte. Es ist, wie der liberale News Chronicle" jagt, ein Erdrutsch. Der Daily Herald" weist daraufhin, daß der Kern­best and der Labour Party   nicht angegriffen ist, daß die schwere Niederlage unbestreitbar ist, daß sie aber in keinem Falle, wie es konservative Blätter tun, als eine Vernichtung der Partei betrachtet werden könne.

Diese Einzelergebnisse über die abgegebenen Stimmen zeigen im Gegensatz zu der Zahl der gewählten Kandidaten im Durchschnitt zwar einen Rückgang der Labour- Stimmen,

In Salford Nord  , dem Wahlkreis Ben Tilletts, erhielten: aber in vielen Fällen ist er sehr leicht, in manchen Wahl­

Labour Konservative Liberale

.

In Hythe erhielten:

Labour. Konservative Liberale.

-

1929 17.300

1931 13 300

4

13.600

25 100

6.600

.

1929 .112.600 13 000 7 000

1931 3.600 20 300

In Farnworth( Lancashire  ) erhielten:

Labour Konservative Liberale

.

1929 21 400

10 600

1931 19 500 22 500

9 400

.

In Ashton under Lyne erhielten:

Labour  Konservative

-

1929

1931

B

11 000 12 400

11 100

15 700

In Batley dem Wahlkreis Ben Turners, erhielten:

Labour Konservative Liberale

.

1929

24 600

4

4

4

17 600

1931 18.700

26 400

freisen hat die Arbeiterpartei sich völlig behauptet, hier und da sogar Stimmengewinn. Ein Gesamturteil über die Abstimmung ist jedoch erst möglich, wenn eine weit größere Zahl von absoluten Einzelergebnissen vorliegt.

Schon heute tann jedoch festgestellt werden, daß die eng­lische Wahl vom Oftober 1931 in vieler Beziehung an die Reichstagswahl von 1907 erinnert. Die Sozialdemokratie hatte 1903 81 Mandate und 3 010 000 Stimmen errungen, 1907 stieg ihre Stimmenzahl auf 3.258 000, aber sie hatte durch das bürgerliche Wahlbündnis nur 43 Man­date errungen, fast die Hälfte( 38) verloren. Die damalige Niederlage in der Mandatsziffer war nur der Auftakt zu dem Siege von 1912, in dem die Sozialdemokratie 4,5 Millionen Stimmen und 110 Mandate errang.

Wenn der Lokalanzeiger" heute wie 1907 die Nieder­lage der Arbeiter ,, vernichtend" nennt, so ist keine Be­zeichnung törichter als diese. Die Niederlage der Arbeiter= partei ist ganz vorwiegend durch die Flucht der Liberalen in die Arme der Konservativen durch die Verstellung der Besitz­bürgerlichen Einheitsfront erfolgt.

Für die Stimmung, in der sich diese Wahlen vollzogen, ist es tennzeichnend, daß ein Mann von der politischen Be­deutung Artur Hendersons gegenüber einem nationali­stischen Seebären, dem Admiral Campbell, unterlag. Die Wähler zeigten keine Neigung, die unzweifelhaften Verdienste

In Chelsea( London  ), dem Wahlkreis Samuel Hoares, anzuerkennen, die sich die Arbeiterpartei mit Henderson um die

erhielten:

Labour Ronfervative Liberale

9

9

1929

6 700

1931 4.700

15 500

23 000

4 400

In Merthyr Tydfil   in Wales   murde der Labour- Abge ordnete mit der gleichen Stimmenmehrheit wiedergewählt, die er 1929 hatte.

auswärtige Politik Englands erworben hat. Sie und Hender­son persönlich für absehbare Zeit von der entscheidenden Ein­flußnahme auf die Außenpolitik ausgeschaltet zu sehen, ist eine bebrüdende Vorstellung nicht nur für internationale Sozialisten sondern auch für das deutsche Bolt. Das deutsche Bolt als Ganzes hat alle Ursache, die Niederlage der Arbeiter­partei zu bedauern, die als Regierungspartei mit 3ähigkeit imd mit beträchtlichem Erfolg für die Sache der internatio­