Einzelbild herunterladen
 
Ar. 51 1« 4S. Jahrgang Gonnabend, 31. Ottober 1931
3
Werksvernichtung im Linoleumtrust Blühender Betneb abgedrosselt. Legalisierte Werkspionage.
?!ach den verschiedenen Preisskandalen, die der vom D e n t- schen Linoleumkapital beherrschte Europäische Linoleum» lrust provoziert hat, wird jetzt ein neuer unerhörter Fall von der Betriebspolitik der deutschen   Konzernleitung bekannt. Nach den letzten Verhandlungen mit der bayerischen Staats- regicrung in München   ist es eine beschlossene Sache, datz das bayerische Werk Maximiliansau., ein hochrentabler und blühender Betrieb des Konzerns, stillgelegt werden soll. Dabei lann auch die Konzernleitung der Deutschen Linoleumwerke A.-G. nicht bestreiten, daß bei richtiger Verteilung der vorhandenen Auf­träge sämtliche noch im Betrieb befindlichen Werke gut b e s ch ä f- t i q t werden könnten. Die wahren Gründe der Stillegung liegen aber auf einem ganz anderen Gebiete. Es ist bekannt, daß der Linoleumtrust ungeheure Summen in faule ausläodische Werke, wie die frau- zösischc Fabrik Sarliuo und das holländische llulernehmen Sromweui gesteiki hat und nun dieffr unnatürlich aufgeblähten ausländischen Betriebe auf Kosten der deutschen Werke/ mit Aufträgen füttert. Dabei würde jedes einzelne deutsche Konzernwerk einschließlich Maxi- inilian-au mit feiner Wirtschaftlichkeit jeden ausländischen Betrieb aus dem Felde schlagen. Das ist aber den im Trust maßgebenden deutschen   Herren völlig gleichgültig. Offenbar sieht man in der langsamen "bdrosielung der guten deutschen   Betriebe, die seit zwei Iahren von sieben bis auf drsi Werke zusammengeschmolzen sind, den besten Weg, das Konzernkapital aus Deutschlaxid heraus- zubringen. Wie rigoros man hierbei vorgeht, zeigt sich am deutlichsten darin, daß ausläudifche Ingenieure in den deutschen   werken ein- und aus- gehen. über die neuen Versuchsarbeiten bis ins kleinste informiert werden und dann mit den neuen Rezepten und Fabrikations- vorfahren ausgestattet, wieder in die holländischen und franzö- s'.lchen Werke zurücksahren. Den deutschen   Konzernmagnaten sind also die deutschen   Qualitätsarbeiter gut genug, um als Versuchs- tarnickel neue schwierige Fabrikationsmethoden zu erproben; haben sie aber ihre Schuldigkeit getan, so setzt man sie rücksichtslos auf die Straße. Die Oeffentlichkeit kann diesem rigorosen Ausbluten und Zlb- ' rocken blühender deutscher Unternehmungen in heutiger Zeit am
allerwenigsten kritiklos zuschauen. Die Politik des Linoleumtrustes | ist geradezu ein«Schulbeispiel, wie dem kalten Profitinter- e s s e des internationalen Kapitals die lebendige Arbeits- kraft und der gesunde Betrieb geopfert werden. Die Entscheidung in dem Fall Maximiliansau liegt bei der bayerischen  Regierung. Sie hat es in der Hand, die Verhältnisse bei diesem Werk in allen Einzelheiten zu prüfen und hat die Pflicht, jeden Still- legungsantrag schroff zurückzuweisen, der nicht mit tatsächlich vor- handenen wirtschaftlichen Notwendigkeiten begründet ist. Uucht in die G.m.b.H. Aus Angst vor den verschä'rsten Aktienrechtsbesiimmungen Die R o th-Büchner 2L- G., eine Rasierklingenfabrik, welche die bekannten MarkenRotbart" undMond extra" herstellt, hat beschlösse� ihren Aktionären die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine G. m. b. H. vorzuschlagen. Dieser Fall ist für die gegenwärtige Situation, in der sich die Großoerdieucr unter den Aktiengesellschaften befinden, äußerst kenn- zeichnend. Die durch Notverordnung verschärften B e st i m- mungen des Aktienrechts zwingen die Unternehmungen nämlich zu.einer Offenlegung chrer Profite, die ihnen alles andere als angenelzm ist. Die Roth-Büchner A.-G. ist diese Notverordnung besonders quf die Nerven gefallen, denn dieses Unter- nehmen komite unbeschadet der schweren Krise in den letzten beiden Jahren je 2 2 Proz. Dividende an die Aktionäre zahlen. Dabei mar diese Dividende schon künstlich durch verschiedene Mani- pulationen, wie'hohe Sondcrabschreibungen und Rückstellungen, herabgedrückt worden, denn den tatsachlichen Gewinnen nach hätten die Dioidendensätze in den beiden letzten Ärisenjahren ohne w e i- be r e s nuchBO bis 33 Proz. betragen können. Solch« Gewinne lassen sich in schwerster Krisennot in Deutschland   mit Markenartikeln machen! Die Verwandlung der Aktiengesellschaft in eine G. m. b. 5z. stellt daran, wird keine Vcrwaltungserklärung rütteln können nichts anderes als eine Flucht vor den verschärften Bestimmungen der Akticnrechts-Notverordnung dar, denn eine G. m. b. H. braucht ihre Bilanzen nicht zu veröffentlichen. Wir haben zum Beweis dieser Behauptung auch einen ausgezeichneten Zeugen, denn ein den Unternehmern nahestehender Interessent, der sich bemüßigt fühlte, gegen die scharfe Bilanzkritik desVorwärts" zu protestieren, er- klärte der Redaktion gegenüber, daßbei derartigen Presseangriffen die AkticiiWsellschaften in Deutschland   am besten täten, in einer G. m. b. H.. unterzutauchen, wo sie kein« Rechenschaft schuldig seien". So geschehen am 28. März lf)30.
Reichspofiausträge. Warum einseitige Äevorsngmlg der Reichsbahn? Aus welchem Grunde wird eigentlich der Gesamteingang der ülirmestieanleihe er beträgt bekanntlich über 200 Millionen Mark ausschließlichder Reichsbahn zur Verfügung gestellt? Man darf nicht vergessen, daß die Reichsbahn schon die laufenden und jetzt nicht abzuliefernden R e p a r a t i o n s st e ue rn in ihrem Betrieb behäll. Aus diesen beiden Riesenzuwendungen des Reiches entsteht eine Eonderbeoorzugung der Reichsbahn, die unverechtigt ist. Wir haben auch noch andere riesenhafte Reichsb«triebe, bei denen durch Austragserteilung die Beschäftigung in den Liefer­industrien behoben werden kann. Der wichtigste Reuhsbetrieb neben der Eisenbahn ist die P o st. Die Reichspost hat der in ganz wesent- l ichem Umfange von ihr lebenden Schwachstromind n st r i« sowohl für den Aemterbau wie für den Apparatebau und für die Ferntabeloerlsgung im laufenden Jahre die Auftrüge gegenüber dem Vorjahr halbiert. Neuerdings ist die Reichspost dazu über- gegangen, ganze Jahresviertel au Aufträgen für die Schwachstrom- Industrie einfach zu streichen, obwohl sie für dos laufende Jahr vorgesehen waren. Die Folge ist, daß in per so wichtigen und viele Tausende von Angestellten und Arbeitern beschäftigenden Schwachstromindustrie wieder eine Abbauwellc droht. Wir sind der Auftassung, daß die Reichsregierung, wenn sie schon die an sich seltene Möglichkeit hat, Reichsbetriebe mit Geldmitteln für Aufträge auszustatten, n i ch t einseitig nur
für die Reichsbahn sorgen darf. Die Zeichnnngen auf die Amnestie-' anleihe sind groß genug, daß auch etwas an die Reichspostaufträg« gedacht werden kann. Es ist dringend notwendigl
2,4 Milliarden Einzelhandelsverluste. Unter dem Einfluß der Wirtschaftskrise sind die Einzel- Handelsumsätze in diesem Jahr auf den Stand von 1928 zurückgegangen. Sie waren in den Monaten Januar b i s A u g u st um l 1,8 Proz. niedriger als in den gleichen Monaten des Borjahres. Das bedeutet eine wertmäßige Umsatzverminderung von rund 2,4 Milliarden Mark. Damit würde der gesamte Jahres- umfatz des Einzelhandels im Jahre 1931, soweit sich die Entwick­lung berefts übersehen läßt, unter 30 Milliarden Mark bleiben. 1930 gleich 32 bis 33 Milliarden Mark, 1929 gleich 35 bis 36 Milliarden Mark. In den ersten acht Monaten des lausenden Jahres machten die Einzelhandelsumsätze ün Rahrungs- und Genußmittelgewerbe 90,4 Prozent der Umsätze in der entsprechenden Zeit des Vorjahres aus, im Bekleidungsgewerbe 88 Proz. und in Hausrat und Möbeln 9l,7 Prozent. Starker Rückgang der deutsche» Oel- und Venziveinsnhr. Die deutsche Mineralöleinfuhr ist in den ersten acht Monaten dieses Jahres gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres von 2,55 auf rund 2 Millionen Tonnen gesunken.
1 0/3 Milliarden Spareinlagen Leichte Entspannung im September. Die deutschen   Sparer haben mft Recht das Vertrauen zu den Sparkassen behalten. So läßt der jetzt vorliegende Ausweis für den Monat September ganz klar erkennen, daß die durch die Vankenkrife hervorgerufene Mißtraucnswelle im Abebben be- griffen ist. Ende September 1931 betrug der Gesamt- bestand an Sparkasseneinlagen in Deutschland   rund 10,22 gegen rund 10,50 Milliarden Ende August d. I. Die Auszahlungen hiellen sich zwar mit rund 655 Mil­lionen auf der gleichen Höhe wie im August, da durch die Pfund- krise zunächst wieder eine gewisse Beunruhigung iu Deutschland  Platz gegriffen hatte. Daß diese Unruhe aber nur vorübergehenden Charakter hatte, geht daraus hervor, daß die Einzahlungen im September erfreulicherweise auf fast 369 gegen 354 Millionen im August gestiegen sind. Dementsprechend ist auch der e f f« k- tive Abgang an Spareinlagen im Berichtsmonat auf 286,1 gegen rund 300,7 Millionen im vorhergehenden Monat gesunken. Wenn auch infolge der schweren üreditkrise in Deutschland   in den letzten vier Monaten die Spareinlagen um rund eine Milliarde zurückgegangen sind, so ist es doch cm Beweis des allgemein großen Vertrauens der Sparermassen zu der Sparkaisevorganisakion, daß der gesamte Spareinlogebestand mit 10.22 Milliarden noch etwas über dem Stand vom September 1930 mit 10,14 Milliarden liegt und den Bestand vom September 1929 sogar noch um mehr als 1.6 Milliarden Mark übersteigt. Finanznot im reichen Holland  . Stadt Rotterdam   erhält StaatsMschüsse. Holland   ist neben der Schweiz   und Frankreich   das relatio reichste Staatswesen Europas  . Auch dort werden jetzt Spar maß- nahmen und Steuererhöhungen durch die Wirtschaftskrise nötig. Ein Gesetzentwurf soll zugunsten der. Landwirtschast gewisse Einfuhren einschränken. Die Staatsausgaben sollen wegen des Staatsdefizits beschnitten, die vorgesehene Benzinsteuer um 50 Proz. auf 6 Gulden je Doppelzentner erhöht werden. Eine Kürzung der Militärausgaben wird in einer Regierungsdenkschrift unter den gegenwärtigen internationalen Verhältnissen bezeichnenderweise als nicht möglich erklärt. Die Stadt Rotterdam   ist dadurch in sinanziellen Schwie­rigkeiten, daß sie keine Kassenkredüc erhall, weil die Umwandlung in Anleihen auch in Holland   schwer ist. Die Regierung soll der Stadt mit einem Beitrag zu den Soziallasten von 12 Mill. Gulden zu Hilfe kommen. Ist auch in Holland   öffentlich« und kommunale Mißwirtschaft an dieser Entwicklung schuld?
Rordwolle-pensionäre erhalten ihr Recht. Wir hatten Anfang Oktober das rücksichtslose Borgehe» des Nordwolle-Gläubigerausschusses, der jede Unterstützung an die Ast- Pensionäre des Unternehmens abgelehnt hatte, scharf kritisiert. .- Jetzt hat das-Hrbeitsgerich: Bremen   in der K'agesachc eines Pensionärs eine grundsätzliche Entscheidung in dieser Frage getroffen. Das Gericht erkannt« den Anspruch des Klägers auf Zahlung der Pension auch nach der Konkurseröffnung als Masseschuld an und verurteille die Konkursverwaltung zur Zahlung des zunächst bis Ende Dezember 1931 eingeklagten Be- träges zuzüglich 8 Proz. Verzugszinsen. Die Reichsbahn-Gesellschast gibl ihre Einnahmen für den Monat September mit 331,06 Millionen Mark an und ihr« Ausgaben mit 374,18 Millionen Mark. Der Eimrahmerückgang stellt sich damit gegenüber dem Monat September 1930 auf 18,6 Proz. und gegenüber dem Monat September 1929 auf 33,1 Proz. Im September hat sich der Güterverkehr belebt. was auf die Ernte und den Transport von Hausbrandkohle zurück- zuftihren ist. Mit 116 300 Wagen lag die Wagengestellung um 6,7 Proz. höher als im August 1931, aber um 13,'l Proz. niedriger als im September 1930. Der Personenverkehr blieb im September hinter dem Stand des Vormonats zurück. Der Per» sonalbestand wird mit 674 957 Kopsen, davon 52 738 Zeit- und Aushilfarbeller, angegeben, gegenüber 665100 Köpfen, davon 41 686 Zell  , und Aushilfsarbeitcr, im Monat vorher. Der Schuhverband der Schultheiß  -Aktionäre(Anschrift Ber­ lin   W 15, Kurfürstendamm   184) will alle verantwortlichen Stellen zum Schadenersatz gegenüber dem Konzern und den Aktionären ver- anlassen, beim Scheitern der entsprechenden Verhandlungen«ine außerordentliche Generalversammlung verlangen, bei der ein« unab- hängige Revisionskommission gewählt werden soll. Die Banken sollen auf Grund des Börscngesetzes haftbar gemacht werden. In nächster Zeit soll eine Versammlung der freien Aktionäre einberufen werden-