Trude
E.
Schutz: Die Edelsten der Nation
In den Geschichtsbüchern standen sie aufgereiht wie die Puppen| sind nur die Herzogin- Mutter und eine alte Magd anwesend, meil in einem fitschigen Wachsfigurentabinett: als väterliche Beschützer der junge Prinz und seine Gemahlin, um auf einer Fahrt nach ihrer Untertanen, als Vorbilder und Führer. Und die Untertanen Neu- Strelik möglichst viel Staat zu machen, alle anderen Leute freuten sich wie an jedem so auch an diesem Kitsch, und sie jubelten mitgenommen haben." Der Kronprinz Friedrich berichtet seinem ihm begeistert zu, wenn er in prunfvollen Auszügen sich durch ihre Vater, daß er nun auch nach Strelitz meiterfuhr, um sich dem reGegenwart bewegte. Der Krieg und die Jahre des Zusammenbruchs gierenden Herzog vorstellen zu lassen, da man ihm erzählt habe, offenbarten allgemein die Hohlheit dieser Puppen. Aber solange es daß selbiger schön nähen könnte und daß er schöne Casaquins noch Menschen gibt, die, statt sich mit der Wirklichkeit auseinander nähete. Dieses machte mich curieux, ihn zu sehen, und ließen wir uns zusetzen, sich vor ihr in eine romantische Kulissenwelt flüchten, werden als Fremde präsentieren, welches mir auch so gut anging, daß mich diese Puppen immer wieder für ein dankbares Publikum rekonstruiert feiner fennete. Ich kann ihn meinem allergnädigsten Bater nicht werden, das für diesen Glanz gern die höchsten Fürstenabfindungen besser beschreiben, als den alten Stahl, mit einer dicken, blonden zahlt und sich wieder nach der jährlichen Zivilliste für den Landes- Abbé- Perrücke; es ist ein vater und den dazugehörigen Millionengeschenken für seine sonstigen fleinen Spielereien sehnt. Was Wilhelm II. dafür leistete, schildert Graf Zedlitz, der Hofmarschall am Kaiserhof war, so:„ Das Schlimmste ist, daß er sich immer mehr
entwöhnt, wirklich etwas zu arbeiten.
Er steht spät auf, frühstüct um neun., mit drei warmen Gängen, ist nur sehr schwer und sehr ungern etwa zwei Stunden am Bormittag für die Vorträge zu haben; häufig benutzt er sie, um seinen Käten selber Vortrag zu halten. Dann folgt das Frühstüc um ein Uhr. Es folgt die Ausfahrt um zwei, dann Tee, dann Schlafen und vor der Abendtafel um acht noch Erledigung einiger Unterschriften. Infolge des fich öfter bis drei Stunden hinziehenden Nachmittagsschlafes bleibt der Kaiser regelmäßig bis zwölf oder ein Uhr auf und steht dabei am liebsten im Kreis von Menschen, die ihm andächtig zuhören und denen er unentwegt erzählt. So spielt sich das Leben tatsächlich ab. Man vergleiche, was die Historiker darüber sagen."
Dabei war der Kaiser dreiviertel des Jahres auf Reisen und während dieser Zeit irgendwelcher Arbeit überhaupt nicht zugänglich. Mit plumpem Zeitvertreib, wie ihn sich etwa ein Raffte- Typ hätte erträumen können, schlug er dann die Stunden tot. Gegen seine Umgebung, selbst gegen die Damen, benahm er sich wenig höflich; er freute sich an primitiven Späßen, und der Tod, der den Chef des Militärkabinetts, Graf Hülsen- Haefeler, ereilt, nachdem dieser als Balletteuse kostümiert vor dem Kaiser getanzt hat, zeigt ein typisches Bild von der geistigen Einstellung dieses Herrschers, der für die katastrophalen Wirkungen seines eben erschienenen Interviews im ,, Daily Telegraph " nicht den geringsten Wirklichkeitsfinn aufbrachte. Das ist derselbe Mann, der sich auf Jagden vergnügte, die der intime Freund Eulenburg entfeßlich" nennt. Seltsamer meise hat niemand am Hofe das Gefühl dafür, daß es zum Glanz eines Königs nicht unbedingt gehört, armes Wild in eine große Umzäunung zu treiben, in deren Mitte die hohen Schüßen auf gestellt sind, die nun solange auf das atemlos und verzweifelt immer an den äußeren Zäunen entlangrasende Wild schießen, bis alles tot ist oder fich todmund heranschleppt."
Herr, der sehr blöde ist;
sein Hofrat Altrod saget ihm, um so zu sagen, alles was er reden soll." In der Residenz, berichtet Friedrich weiter, war die ganze Miromsche Familie versammelt". Die Mutter ist eine Prinzessin von Schwarzburg , und noch die flügste von allen, die dorten zugegen waren; seine Tante war auch dorten... Der Discours über der Tafel war nichts, als von allen den deutschen Fürsten, so nicht recht flug sind; da war Weimar , Gotha , Waldeck, Hoym , und wie die Häuser alle heißen, auf dem Tapis ; und nachdem sich der gute Herr recht sehr besoffen hatte, stunden wir auf und hat er mir, mit seiner ganzen Familie, versprochen, mich zu besuchen. Kommen wird er gewiß; wie ich ihn aber loswerden werde, das meiß Gott."
Von dem Namen Waldeck in dieser kleinen kompromittierenden Liste läßt sich eine Verbindungslinie ziehen, die auf einen Fürsten Waldeck trifft, dem man den Vorwurf, daß er nicht recht flug ge wesen sei, allerdings faum machen kann. Am 9. Juli 1796 offeriert nämlich der Fürst Friedrich von Waldeck- Pyrmont Wilhelmine Ente, der Geliebten Friedrich Wilhelms II. , sein Fürstentum Byrmont mitsamt seinen Landeskindern und fleht sie an, den König für den Plan zu interessieren. Zwischen
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jeitenlangen friecherischen Schmeicheleien
eine willkürlich herausgegriffene Kostprobe: Ihnen täglich meine Aufwartung machen zu dürfen, ist das Ziel all meiner Wünsche... Der nächste Winter soll nicht vergehen, ohne daß ich mich in die Lage versetze, es zu genießen. Möchten Sie mich seiner würdig finden!" steht die dringende Bitte, den König zur Zusage zu be= stimmen, auch wenn die lebernahme sich noch einige Zeit hinzögern follte: Es wäre ein Wort Seiner Majestät nötig, das mir Mut gäbe, einen späteren Zeitpunkt abzuwarten. Dieses Wort allein würde meine Gläubiger beruhigen. Ohne dieses Wort werden sie mich von allen Seiten anfallen und mir die Möglichkeit entziehen, mir die Großmut des ausgezeichneten Fürsten zu nuße zu machen. I
Die Bibliothek der Hilfe
Jeder Tag erweitert heute die soziale Frage. Das Problem der Wohlfahrtspflege wächst mit jeder Stunde. In der Theorie ist die Forderung nach Hilfe einfach und eindeutig, in der Praxis und in der Ausführung aber wachsen die Pflichten und damit die verschiedenen Formen ins Uferlose. Wie hilft man praktisch?
Für alle die Fragen, die irgendwie auftauchen tönnen, gibt es eine neutrale Zentralstelle, die auf alles eine Antwort weiß, die die gesamte Literatur besitzt, die im letzten Menschenalter über dieses vielfältige Gebiet erschienen ist, eine Stelle, an die sich sowohl die private als auch die öffentliche Wohlfahrtspflege wendet, wenn sie etwas wissen, wenn sie Vergleiche anstellen, wenn sie sich über ein ihr noch neues Gebiet orientieren will. Das ist das Berliner Archiv für Wohlfahrtspflege", Europas größter sozialer Fachkatalog.
Wilhelm II. war feine Ausnahmeerscheinung. Man braucht die Mario Mohr: Besten und Edelsten gar nicht aus allzu großer Nähe zu betrachten, um zu erkennen, daß alles, Primitivität, Gier, Genußsucht, Größenmahn, dem zuliebe das deutsche Volf schließlich in die Katastrophe des legten Krieges getrieben wurde, Eigenschaften sind, an denen es den Landesvätern und dem hohen Adel selten mangelte. Der große Friedrich, der bald nach seiner Thronbesteigung sein Land in ehrgeizige Eroberungskriege stürzte, der seinem Volk und dessen geistigen Leistungen immer verständnislos gegenüberstand, vergnügte fich ein Jahr vor seiner Königsfrönung nach einem Bericht des Freiherrn von Bielefeld , der naiv und ehrerbietig über seinen Besuch in Rheinsberg berichtet, auf folgende königliche Weise:„ Es wird nicht undienlich seyn", liest man in seinen Freundschaftlichen Briefen Ihnen von einem jählingen Unglücksfalle einen fleinen Vorgeschmack zu geben, meil Sie mich bald mit ein paar großen Schmarren über die Stirne, einem blauen Auge und einem ganz zerquetschten und gleich einem Regenbogen grün und gelb gefärbten Baden in Hamburg werden ankommen sehen. Alle diese artigen Berzierungen habe ich in einem Weingelage empfangen. Es ist ohngefehr vierzehn Tage, daß der Kronprinz bey der Tafel außer ordentlich lustig mar. Seine Fröhlichkeit setzte die ganze Tischgesellschaft in gleiche Gemüthsverfassung. Einige Gläser Champagner brachten unsern Wig in Bewegung. Der Prinz fand, daß dieser fleine Rausch uns nicht übel anstand; er sagte daher beym Aufstehen, daß er entschlossen wäre, dieses fleine Bacchusfest an eben dem Drte, wo wir es des Mittags gelassen hätten, des Abends bey der Tafel wieder anzufangen...."
,, Und in der Tat! Wir hatten uns faum zur Tafel gesetzt, als er den Anfang machte, viel wichtige Gesundheiten, eine nach der anderen auszubringen, auf welche man nothwendig Bescheid thun mußte... Ich hatte ein groß Glas Wasser vor mir stehen gehabt. Die Prinzessin, der ich gegenüberzufigen die Ehre hatte, war durch eine kleine Schalkheit bewogen worden, mir das Wasser auszugießen und das Glas mit Silleriwein, so flar wie Quellwasser, anfüllen zu lassen, und überdies hatte man noch den Schaum und Gischt davon abgeblasen. Auf diese Art, da ich schon das Feine im Geschmack verloren hatte, vermischte ich wider Willen meinen Wein mit anderem Wein, und statt der Abkühlung, die ich verhoffte, trant ich mir ein Räuschgen, aber ein solches Räuschgen, das einem Rausche ziemlich nahe fam."
,, Um mir völlig den Rest zu geben, befahl der Prinz, daß ich mich an seine Seite setzen sollte. Er schwagte mir viel von seinen gnädigen Gesinnungen vor und ließ mich ein gestrichen Glas nach dem andern von seinem Lünelwein ausleeren. Indessen empfand die übrige Gesellschaft so gut als ich die Wirkung dieses Nektars, der an diesem Feste wie Wasser floß. Eine von den fremden
Damen, die sich schwanger befand, nerspürte eben dergleichen Ungemächlichkeit mie mir und stand hastig von der Tafel auf, um sich einige Augenblicke in ihr Zimmer zu begeben. Wir fanden diese heroische Haltung bewunderungswürdig. Der Wein macht zärtlich. Die Dame murde ben ihrer Zurüdfunft mit Schmeichelleien und Lobeserhebungen überhäuft. Niemals hat eine Frau ben ähnlicher Verrichtung soviel Beyfall erhalten. Endlich, es sey nun durch Zufall oder aus Vorsaz, zerbrach die Kronprinzessin ein Glas. Dies war gleichsam die Losung für unsere ungestüme Freude, und es schien uns ein großes und der Nachahmung würdiges Beyspiel zu seyn. Den Augenblic flogen die Gläser in alle Winkel des Saals, und alles Crystall, Porcelain , Schalen, Spiegel, Leuchter, Geschirre und dergleichen murden in tausend Stücke zerschlagen... Eben diesen Morgen darauf war das ganze Schloß zum Sterben frant. Meder der Prinz noch ein anderer von seinen Cavalieren fonnten aus dem Bette steigen.
Ueber die Qualitäten anderer regierender deutscher Fürsten um die Mitte des 18. Jahrhunderts erfährt man einiges aus den Briefen, die Friedrich II. als Kronprinz an seinen Vater richtete. Friz Reuters Durchläuchting" wird in dieser Schilderung der Medlenburg- Strelizer Verwandtschaft lebendig, die Friedrich am 26. Ottober 1736 seinem Vater gab:
,, Gestern bin ich nach Mirom gewesen"( Residenz des Herzogs Karl Ludwig Friedrich von Mecklenburg- Strelit).... Im Schlosse
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Da fommt etwa eine Amerikanerin nach Deutschland und will Kinderspeisungen studieren. Sie wendet sich an ihre Botschaft: Wie fann ich das tun? Die Botschaft schickt sie zum Archiv für Wohlfahrtspflege". Dann wieder fommt ein Mann aus der TschechoDann wieder kommt ein Mann aus der Tschechoflowatei, um sich über Altersheime zu informieren. Er wendet sich an das Auswärtige Amt. Das Auswärtige Amt schickt ihn zum Archiv für Wohlfahrtspflege. Da kommen ganze Studienreisegesellschaften. Industrielle, die sich über Arbeiterspeisungen und ArbeiterSiedlungen orientieren wollen. Wohin sie sich auch wenden: jeder schickt sie zum Archiv für Wohlfahrtspflege, denn dort weiß man über alles Bescheid. Und nicht allein den ausländischen und inländischen Studienreisenden hilft das Archiv, sondern überhaupt jedem, der sich irgendwie mit Dingen der Wohlfahrt beschäftigt.
leber sechsundzwanzigtausend Bände stehen hier. Dreizehnhundert Fachschriften laufen regelmäßig ein und werden fatalogisiert. Aus den Parlamentsberichten des Reiches, der Länder und der Kommunen und aus den wichtigsten Tageszeitungen werden alle interessierenden Berichte ausgeschnitten und aufbewahrt. In ganz Europa gibt es feinen sozialen Fachkatalog dieser Größe. Neben den allgemeinen und prinzipiellen Fragen und der Geschichte der Wohlfahrtspflege findet man hier Material über die verschiedensten und verschiedenartigsten Organisationen, über Armenpflege, Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenenfürsorge, Wanderer- und Obdachlofenfürsorge. Jugendwohlfahrt, Arbeitsfürsorge und Arbeitsschuß, Berufsberatung, Erwerbslosenunterstützung und ArbeitslosenversicheBerufsberatung, Erwerbslosenunterstügung und Arbeitslosenversiche: rung, Sozialversicherung, Wohnungswesen, Gesundheitsfürsorge, Rechtsfürsorge, soziale Ausbildungs- und Berufsfragen und alle diese Dinge. Alles, was auf diesen Gebieten jemals geschehen und geleistet, was darüber berichtet und geschrieben worden ist, findet man hier. Gleichviel, welche Frage man anschneidet: das Archin hat im Moment alle Antworten zufammen, die es mur geben fann.
Benutzung. Allein im letzten Jahre hat das„ Archiv für Wohlfahrts Wie wertvoll eine solche Zentralstelle ist, das bemeist ihre starte pflege" über dreißigtausend verschiedene Anfragen beantwortet, die nicht nur aus Deutschland und dem übrigen Europa , sondern auch aus Amerika , Asien und Afrika gekommen waren. Unter den Anfragenden sind alle Kreise vertreten, besonders stark naturgemäß die Behörden. Von den Ministerien bis zu den kleinsten Aemtern und Behörden ist alles vertreten. Da will ein Reichsministerium missen, welches Material über Fürsorge für Ausländer in Deutschland es gibt. 1Inermüdlich ist hier der Betrieb. Aus aller Herren Länder bringt, die Post Anfragen und Material. Inaufhörlich raffelt das Telephon, geht die Türe. Schriftlich, telephonisch und mündlich mird hier Auskunft um Austunft erteilt Und da man hier alles ausgezeichnet und wohldurchdacht organisiert hat, so werden die meisten Fragen fast immer sofort beantwortet. Diese Räume beherbergen das große Gedächtnis der menschlichen Hilfsbereitschaft. Aus jedem Band, aus jedem Att, aus jedem einzelnen Zettel liest man, was alles geschehen ist und noch geschehen muß im großen Kampfe gegen die Not und das Elend. Es ist Deutschlands ernsteste, erschütterndste Bibliothek, denn sie zeigt, mas Menschen leiden und dulden, aber es ist auch eine der schönsten, menschlichsten Bibliotheken, denn es ist die Bibliothet der Hilfe.
Ich wage Sie zu beschwören, liebenswürdige und reizenbe Fren Gräfin , Seine Majestät die fürchterliche Zwangslage, in der ich nich besinde, in Erwägung ziehen zu lassen. Er möge geruhen, mir zu versprechen, daß er mit mir von heute ab in einem Jahr in Unterhandlungen treten wird, und ich bin gerettet. Nur um diesen Preis kann ich es noch werden." Man sieht, das Wasser stand dem Fürsten bis zum Halse. Uebrigens wurde aus dem Kauf doch nichts; 1805 überließ Fürst Friedrich seinem jüngeren Bruder dieses Fürstentum und schloß sich dem Rheinbund von Napoleons Gnaden an. Den
Ehrbegriff hoher und höchster Herrschaften,
der immer wieder darin gipfelt, daß Nehmen seliger ist als Geben, fängt in sehr effektvoller Form ein Brief ein, den dieſe Wilhelmine Ente an ihren Schmiegersohn, den Grafen zu Stolberg- Stolberg, Gatten der Gräfin von der Mark, der Tochter Friedrich Wilhelms II. , richtete: ,, Es tut mir leid, daß der erste Brief, den ich Ihnen schreibe, eine mir fehr unangenehme Angelegenheit betrifft, hauptsächlich des wegen, weil ich nicht verstehen und glauben kann, daß Sie der Urheber derselben sein sollten, der Sie doch mit mir durch Bande verknüpft sind, bei denen nach meinem Empfinden auf beiden Seiten viel Taft und Zartgefühl unerläßlich ist. Herr Berner, bei dem Sie gewohnt haben, hatte die Unverfrorenheit, dem Schatzmeister der Privatschatulle( des Königs) eine Rechnung von 33 000 Talern zu übersenden; zugleich schrieb er letzterem, ich hätte ihn zu diesem Schritt ermächtigt und Sie hätten ihm gesagt, Sie wären mit mir über diese Sache schon ins reine gefommen. Ich gestehe, daß mir das so neu und unglaublich vorkommt, daß ich daran zweifeln würde, wenn ich die Rechnung und den Brief Werners an den Schatzmeister nicht in Händen hätte. Sie erinnern sich, daß ich Sie gefragt habe und Sie habe fragen lassen, ob Sie Schulden hätten; Sie haben mir geantwortet: 12000 Taler. 3Zum Grafen Witgenstein haben Sie gefagt: 3000 Louis. Ich erwiderte Ihnen, ich würde versuchen, wenn es möglich wäre, Seine Majestät dahin zu bringen, sie zu bezahlen. Aber bis jetzt ist es mir nicht gelungen, diese Gnade für Sie zu erwirken... Während diese Gnade nun von Seiner Majestät nicht zu erbitten war und es überhaupt fraglich ist, ob sie je zu erlangen fein wird, wagt man mir eine Rechnung über die Ausgaben, die Sie in Berlin gemacht haben, zu schicken. Man setzt fogar die Geschenke, die Sie Ihrer Verlobten gemacht, darauf, ferner die Pferde für Ihren Bater, Ihren Bruder und für sich selbst, die Wagen, die Schneiderechnungen usw. Mir scheint, daß das wenig taktvoll ist; ich erröte beim Schreiben."
Das ist so eine fleine Sammlung von Momentaufnahmen aus dem Familienalbum der Edelsten und Besten der Nation, unver tennbar gutgetroffene Selbstporträts und solche von lieben Freunden und Verwandten. Sie sind nie, mie die großen Galabilder, für die Augen der Oeffentlichkeit bestimmt gewesen. Aber es lohnt sich schon, in diesen aufschlußreichen Bildchen zu blättern und die Familienähnlichkeiten zu vergleichen.
Dr. Willy Blumenthal:
Erotik heutiger Schuljugend
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Der psychologisch geschulte Erzieher und mir dieser hat heute noch Daseinsberechtigung ist sich seit langem darüber klar, daß die feclische Struktur der jetzigen Jugendgeneration sich stark gewandelt hat. Der Laie nimmt für gewöhnlich an, daß die allgemeine Auffocerung der Sitten nach Krieg und Revolution auf das erotische Erleben der Jugend nicht ohne Einfluß gewesen ist und eine verfrühte und verstärkte Sexualität zur Folge gehabt hat. Der Pädagoge lehnt diese Auffassung aus seiner praktischen Erfahrung heraus ab: Die jungen Menschen tragen nur ihre früher in scheuer Verborgenheit gehaltenen Triebe heute deutlicher zur Schau, ihr erotisches Erleben spielt sich mehr in der Deffentlichkeit ab. Das Triebleben, früher mit dem Mantel der Heuchelei, mit der Maske der Brüderie unhüllt, wird jezt freimütig bejaht, ohne sich deshalb wirklich verstärkt zu haben. Im Gegenteil: Der Zug zur Sachlichkeit, die offene Aussprache über die heikelsten Dinge nimmt ihnen den Reiz des Ver
botenen.
Man beobachte einmal unauffällig die Schuljugend beiderlei Geschlechts vor den zahlreichen Kiosken, die sogenannten Nacktzeitschriften mit ihrer entsprechenden Bilderfülle feilhalten, man jehe die rein sachlich, um nicht zu sagen fachlich interessierten, überlegenen Mienen, mit denen zwölfjährige Knirpse die in den Großstädten mie Bilze emporgeschossenen Buchläden mustern, in denen Serualliteratur mit den dazugehörigen Titelbildern ausliegt, die früher den berühmten Dragoner zum Erröten gebracht hätten. Vergebens wird man auf das Tuscheln, Wispern und verstohlene Lächeln stoßen, das die Borkriegsjugend bei derartigen, selten genug dargebotenen Situa tionen unfehlbar zur Schau trug. Die Gewohnheit, dazu die Sportund Freiluftbewegung hat hier abstumpfend gewirkt. Der Mythos des Geschlechts ist enthüllt, die Ansprüche und Funktionen des Körpers merden von früh auf als selbstverständlich angesehen und ohne Scheu mit Kameraden und Lehrern besprochen. Kein Schüler wird etwas dabei finden, wenn heute ein Lehrer vor der Klasse offen über das Problem der Onanie spricht, und fein Lehrer wundert sich, wenn halbwüchsige Knaben mit furzen Hosen und Matrosenanzügen etwa die Bücher des bekannten Forschers May Hodann( Bub oder Mädel Bon Quintanern einer Berliner höheren Schule, also 11- bis 12jähriu. a.) untereinander austauschen und über ihren Inhalt diskutieren. sollten, begannen einige ihre Arbeit mit folgenden Worten:" Wo ich gen Jungen, die als Klassenaufsatz ihren Lebenslauf niederschreiben sollten, begannen einige ihre Arbeit mit folgenden Worten:„ Wo ich geboren wurde, weiß ich nicht mehr genau, da ich ja in einer Klinie in einer Klinik in der Schumannstraße geboren worden und kam erst zur Welt fam." Oder:„ Ich bin, wie mir meine Mutter erzählte, nach etwa 8 Tagen in unsere Wohnung". Schon die Hosenmäße glauben heutzutage nicht mehr an den Storch und es ist kein Zufall, daß das Schlagwort von der Seguellen Aufklärung" heute faum widlung bedauern oder begrüßen, aufzuhalten ist sie nicht mehr. Den noch gehört wird, weil die Jugend keinerlei Aufklärung mehr braucht. Man mag, je nach der persönlichen Weltanschauung, diese Entwidlung bedauern oder begrüßen, aufzuhalten ist sie nicht mehr. Den die schwere Aufgabe ob, diese Strömungen zu beachten und sie durch Erziehern der heutigen, so ganz anders gearteten Schuljugend liegt Taft und verständnisvolle Teilnahme in die richtigen Bahnen zu leiten. Dann kann man hoffen, daß über manche bedauerlichen Entgleisungen und Auswüchse der heutigen Jugenderotik hinmeg auch und eine kraftvolle Generation ermächst, die berufen und gewillt ist, das Gute, das die Gegenwart hier gezeitigt hat, seine Früchte trägt die Aufgaben der Zukunft, die an sie gestellt werden, zu meistern.
Mac." Die bei englischen und amerikanischen Namen häufige Borsilbe" Mac" ist gallischen Ursprungs und bedeutet ursprünglich Sohn des", so daß also Macdonali eigentlich heißt Sohn des Donald". Diese Vorfilbe wi.d bisweilen in Mc abgekürzt, bedeutet dann aber auch das gleiche.
Gemerlichaftsbewegung: 3. Steiner; Feuilleton : Dr. John Schilowsti; Lotales Berantwortlich für Bolitik: Bictor Schiff: Wirtschaft: 6. Klingelhöfer; und Constiges: Frig Rarstädt; Anzeigen: Th. Glode; sämtlich in Berlin . Berlag: Bormärts- Verlag G. m b. S., Berlin . Frud: Bormärts Buchbruceret und Berlagsanstalt Baul Ginger u. Co., Berlin GB. 68, Lindenstraße 3. Siezzu 2 Beilagen.