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Morgenausgabe

Nr. 515

A 259­

48.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint mochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Juustrierte Gonntagsbeilage Bolt und Zeit".

Vorwürts

Berliner   Bolksblatt

Dienstag 3. November 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Nonpareillezeile 80 1. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An­zeigen" das fettgedruckte Bort 25 Pf. ( zuläffig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Bf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Bf., jedes meitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pf. Familien­anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Haukeehäft Lindenstraße 3, wochen. tag on 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Zu wenig Getreide!

Vier Millionen Tonnen fehlen!- Die Getreidepolitik muß revidiert werden!

Schweinemord in Nordwestdeutschland  . Schweinemord

In den letzten Wochen ist die öffentliche Aufmerksamkeit von der Agrarpolitik abgelenkt worden. Sehr zu Unrecht. Denn der Ausfall der diesjährigen Ernte entspricht nicht den Vor­schäzungen, die bisher veröffentlicht worden find. Die Ver­forgungslage mit Getreide ist deshalb sehr umstritten. Die Groß­agrarier und ihre Presseorgane vertreten begreiflicherweise die Auf­fassung, daß die deutsche Getreideernte ausreicht, um den Bedarf voll zu decken, und daß aus diesem Grunde jegliche Einfuhr unter­bunden werden kann.

Diese günstige Beurteilung der Versorgungslage ist nicht berechtigt!

Betrachten wir die Entwidlung der Getreidepreise. Anfang September kostete Roggen noch 170 m. die Tonne, heute 195 M. Weizen foftete damals 205, heute 224 M. Diese Breisentwicklung läßt nicht gerade auf eine ausreichende Versor­gungslage fchließen, sondern vielmehr auf eine starke Ver Enappung der Getreidevorräte.

Es ergibt sich demnach ein Fehlbetrag von über 3 Mil­lionen Tonnen Futtergetreide und annähernd 1 Million Tonnen Brotgetreide.

Was ist zu tun?

Es muß unbedingt soviel Getreide nach Deutschland   herein­gelassen werden, daß die Versorgung mit Brot und Futtergetreide bis zur neuen Ernte sichergestellt ist.

Auf dem Weltmartt ist in letzter Zeit ein Umschwung erfolgt, der zum geringeren Teil durch die Währungsvorgänge, in der Hauptsache aber durch die Einschränkung der Getreideanbau­fläche in Argentinien   und Australien   sowie durch den allgemein schlechten Ausfall der Roggenernte verursacht ist. Infolgedessen sind die Breife sprunghaft in die Höhe gegangen. Mais notierte Anfang Oftober noch 50 M. je Tonne, gestern dagegen 66 M. Um ein volles Drittel also ist der Maispreis gestiegen. Der beste tanadische Weizen foftete am 1. Oftober im Freihafen Hamburg   noch 100 m., heute dagegen 123 M. Die Russen de boten Anfang Oftober ihren Roggen noch mit 78 m. in Bremen  zur rechten Zeit erscheint vom Institut für an, jetzt verlangen sie 97 M. Also auch der Roggenpreis ist um landwirtschaftliche Marktforschung eine Unter- mehr als 25 Pro3. gestiegen. suchung der deutschen   Getreidebilanz. Als das mich­tigste Ergebnis dieser Untersuchung ist anzusehen, daß die durch die fiändig verstärkten Schuhmaßnahmen erzwungene geringe Ge­treidecinfuhr des letzten Jahres nur möglich war infolge der in den Borjahren erfolgten Ansammlung von Bor räten. Eine Fortsetzung dieser Getreidepolitif ist aber jetzt unmög lich, weil diese Borräte inzwischen aufgezehrt sind und die deutsche Landwirtschaft nicht den gesamten Bedarf

durch Erhöhung ihrer Produktion deden kann. Der deutsche Bedarf an Brofgetreide beträgt 4 Millionen Zonnen Weizen und 4,8 Millionen Tonnen Roggen. Die Ernten an Brot­getreide betragen nach Abzug von Saatgut und Schwund bei Weizen 3,7 millionen und bei Roggen 6 Millionen Tonnen. Hiervon müffen 250 000 Tonnen Weizen und 1,5 Millionen Tonnen Roggen ab­gezogen werden, die von der getreidebauenden Landwirtschaft felber verfüttert werden. Niedriger dürfen diefe Mengen wegen des qualitativ vielfach schlechten Ausfalls der Ernte nicht angefeht werden. Aus eigener Ernte stehen also nur 3,45 Millionen Tonnen Weizen und 4,5 millionen Tonnen Roggen für den menschlichen Verbrauch zur Verfügung. 550 000 Tonnen Weizen und 300 000 Tonnen Roggen müffen also eingeführt werden. Hierbei ist schon an­genommen, daß der Berbrauch dieses lebensnotwendigsten Nahrungs­mittels infolge der durch die Wirtschaftskrise dezimierten Kauffraft der breiten Massen um 6 Proz. niedriger sein wird als im Vorjahr. der breiten Maffen um 6 Proz. niedriger fein wird als im Vorjahr. Wie ernst die Roggenversorgung selbst von dem unter groß agrarischem Einfluß stehenden Deutschen   Landwirtschafts­rat angefehen wird, geht daraus hervor, daß er den Landwirten den Rat gibt, möglichst teinen Roggen zu verfüttern, sondern alle marftfähige Ware an die Mühlen zu verkaufen. Dadurch soll die drohende Roggenknappheit gemilbert, gleichzeitig aber auch die Preise für Gerste und Hafer möglichst hochgetrieben werden.

Wie unverantwortlich diese Preistreiberei für die Futter­mittel ist, wird schlaglichtartig durch

Meldungen aus Nordwestdeutschland  

ethellt. Dort werden schon jeht infolge der niedrigen Schweine- und hohen Futtergetreidepreise die für die Mast bestimmten Ferkel und Läufer abgeschlachtet, weil sich die Schweinemast nicht mehr für die auf Zulauf von Futtermitteln angewiesenen landwirtschaftlichen Be­triebe lohnt. Die Folge ist dann, daß im nächsten Frühjahr die Schweinepreise wieder stark steigen werden, so daß dem Ar­beiter der Fleischgenuß überhaupt unmöglich gemacht wird, da ja Herr Schiele die Einfuhr billigen Gefrierfleisches unter­bunden hat.

Auch die Geflügelfarmen

gehen selbstverständlich bei einer derartigen planmäßigen Treiberei der Futtermittelgetreidepreise zugrunde. Schon jetzt find allein in der Provinz Brandenburg   tausend Hühner farmen banfrott gegangen, weil das Verhältnis zwischen den Eierpreisen und den Futtermittelpreisen so ungünstig ist. Die Versorgung der Geflügelhalter mit billigem Mais durch das Mais­monopol flappt offenbar nicht. Der Grund hierfür liegt wohl beim Maismonopol, in dessen Verwaltungsrat Herr Schiele hauptsächlich seine großagrarischen Freunde berufen hat, die möglichst jede Mais einfuhr hintertreiben möchten. Daß die inländische Erzeugung an Futtergetreide nicht ausreicht, um den Bedarf zu deden, geht ebenfalls aus der Untersuchung des Instituts für Marft forschung hervor. Hiernach stehen nur 15,1 millionen Tonnen on Getreide und Kartoffeln( letztere auf Getreidemert umgerechnet) aus eigener Ernte für die Deckung des Futterbedarfs von 18,4 mil. lionen Zonnen zur Berfügung

Der einzige Lieferant des Weltmarkts für Roggen ist in diesem Jahr die Sowjetunion  . Da der Bedarf der skandinavischen Länder an Roggen in diesem Jahr aber sehr groß sein wird, ist anzu­nehmen, daß der ruffische Roggen noch vor dem Winter vertauft fein wird.

Wartet man erst, bis in Deutschland   eine tatsächliche Roggenknappheit vorhanden ist, dann ist vermutlich auf dem Weltmarkt fein Roggen mehr zu kaufen.

leichtert wird, um nicht später viel höhere Preise auf dem Weltmarkt Es ist also notwendig, daß schon jetzt die Einfuhr möglichst er anlegen zu müssen.

: Das Getreide problem dieses Jahres besteht nicht darin, wie im vorigen Jahr für eine übergroße Roggenernte Ab­fung der Roggen verfütterung zu veranlassen und außer faz zu schaffen, sondern die Landwirtschaft zu einer Einschrän dem den fehlenden Bedarf möglichst billig im Ausland zu decken. Die Sentung der Futtergetreidepreise fann auf berechtigte Widerstände in der Landwirtschaft nicht stoßen, da die Verwendung des Futtergetreides, mit Ausnahme eines Teiles der Haferernte, in den eigenen Betrieben der getreidebauenden Landwirtschaft erfolgt.

Deshalb ist eine Revision der bisherigen Ge­treibepolitit notwendig. Die Reichsregierung muß, wenn fie die von ihr stets im Munde geführte Verantwortung auch in die Tat umsehen will, den unsinnigen und schädlichen Plänen des Reichsernährungsministeriums, die Futtergetreidepreise hochzu­treiben, entgegentreten und durch Erleichterung der Gerste- und Maiseinfuhr jede weitere Preissteigerung vermeiden, um die Ver­forgung mit Brot und Futtergetreide sicherzustellen.

Berlins   Grundstückspolitik.

Städtisches Gelände für Wohnungen und Kleingärten.

Von Stadtrat Dr. Harald Heuer.

Der vor einem Vierteljahr als Stadtrat und Grundstücks­dezernent nach Berlin   berufene Genosse Harald Heuer sendet uns die folgenden Ausführungen über die zukünftige Gestaltung der Berliner   Grundstückspolitik.

Die verhängnisvolle Wirtschaftskrise dieses Jahres er­schüttert alle Zweige öffentlicher und privater Wirtschaft und gibt der Deffentlichkeit Veranlassung, sich für den wirtschaft­lichen Stand der einzelnen Wirtschaftszweige stärker als in normalen Zeiten zu interessieren, Die fommunale Wirtschaft ist heute durch wachsende Ausgaben auf dem Gebiet der Wohl­fahrtspflege und durch einen Rückgang der Einnahmen, ins­besondere bei den Steuern, besonders belastet. Trotzdem ist leider immer wieder festzustellen, daß eine ausreichende Stüßung dieses Zweiges der Wirtschaft aus kommunalfremder Einstellung zu vermissen ist. Die private Wirtschaft hat durch Fehlleitung kurzfristig geliehenen Kapitals die allge­meine Wirtschaftslage in höherem Maße gefährdet als hier und da vielleicht deutsche   Kommunen durch nicht ausreichende Sparsamkeit. Trotzdem scheint immer noch in vielen maßgeb­lichen Kreisen der Glaube an die unbedingte Ueberlegenheit privater Wirtschaftsführung gegenüber der öffentlichen Wirt schaft ein ausschlaggebendes Moment bei der Führung der Wirtschaftspolitik zu sein. Zu den häufig mit starter Leiden­schaft angegriffenen Aufgaben der Kommunen, insbesondere auch von Berlin  , gehört das Kapitel der Grundstücks­politit. Wer, wie der Schreiber diefer 3eilen, an der Grundstüdspolitik der Stadt Berlin   unbeteiligt war und als Grundstücksdezernent und späterer Kämmerer in Magdeburg  die Finanzen dieser Stadt ohne einen Pfennig furzfristiger Schulden abgeben konnte, hat vielleicht das Recht, nunmehr als Berliner   Grundstücksdezernent einige grundsätzliche Be­merkungen über großstädtische Grundstückspolitik vorzutragen. Jede Stadt braucht zur Erledigung der ihr unmittelbar gestellten Aufgaben die Verfügung über Grundstücke zur Errichiung von Schulen, Krankenhäusern, sowie auch zum Ausbau von Straßen, öffentlichen Grünanlagen und über­nahmen. In diesem Umfange wird auch der Grund­haupt zur Durchführung der städtebaulich erforderlichen Maß­erwerb, so weit er vorsichtig gehandhabt wird, von keiner Seite ernsthaft bekämpft werden. Schwierig wird die Stellung­nahme erst dann, wenn es sich um die Frage handelt, ob die Stadt aus fommunalpolitischen Gründen über den oben erwähnten Rahmen der Beschaffung der unmittelbar erforder= lichen Grundstücke hinaus kommunale Grundstücks politik betreiben will. Hier wird man die Auswirkung auf die fom­munalen Finanzen, sowie auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung der Stadt zu berücksichtigen haben. In der augenblicklichen Zeit steht selbstverständlich der ersterwähnte Gesichtspunkt völlig im Vordergrunde.

Es handelt sich heute in allen deutschen   Städten, auch in Berlin  , darum, die finanzielle Leistungsfähigkeit aus eigenen

Öffentliche Kundgebungen

Gegen die Harzburg- Braunschweiger

Reaktion, gegen Inflation und Bürgerkrieg!

Heute, Dienstag, den 3. November, 20 Uhr: Hackescher Hof, Rosenthaler Straße 40-41 Moabiter Gesellschaftshaus, Wiclefstraße 24 Hochschulbrauerei, Seestraße, Ecke Amrumer Straße Swinemünder Gesellschaftshaus, Swinemünder Straße 42 Saalbau Friedrichshain, Am Friedrichshain 16-23 Neue Welt, Hasenheide Türkisches Zelt, Charlottenburg  , Berliner Straße 53 Viktorlagarten, Wilmersdorf  , Wilhelmsaue 114-115 Hohenzollernschule, Schönebg., Belziger, Ecke Eisenach  . Str. Lichterfelder Festsäle, Lichterfelde  , Zehlendorfer Straße 5 Gohlkes Festsäle, Mariendorf  , Chausseestraße 43 Spreegarten, Treptow  , Alt- Treptow 9 Aula des Reform- Gymnasiums, Lichtenberg  , Parkaue. Ecke Möllendorfstraße Schloßpavillon, Weißensee  , Berliner Allee 205 Hubertus- Festsälle, Reinickendorf- Ost, Provinzstraße 64

Freitag, den 6. November: Stadttheater, Köpenick  , Friedrichstraße 6

Sonnabend, den 7. November: 85. Abt. Tempelhof  , Treffpunkt zur Demonstration 18 Uhr am Ullsteinhaus am Kanal. Anschließend große Kund­gebung im ,, Birkenwäldchen", Manteuffelstraße. Redner: Erich Kuttner  , M. d. L.

Redner: Clara Bohm- Schuch, Robert Breuer, Wilhelm Ditt­ mann  , Albert Falkenberg, Gertrud Hanna, Ernst Heilmann  , Kurt Heinig  , Marie Juchacz, Jürgen Jürgensen, Franz Künstler  , Erich Kuttner  , Karl Litke  , Dr. Kurt Löwenstein, Otto Meier  , Dr. Julius Moses  , Erich Ollenhauer  . Fernersprechen in den Kundgebungen: Otto Grotewohl  , Woli­gang Bartels, Paul Junke  , Hans Reinowski   aus Braunschweig