Srting ZKriftenien:|/"j Mit nackten Füßen stand Ester auf dem Steinfuhboden. Sie kratzte ihren fünfzehnjährigen Leib mit dem Hemd und gähnte. Plötzlich schlug sie die Zähne zusammen und blickte an sich herunter. Sie preßte die Hand unter die Brüste und hob sie hoch. Sie waren groß wie die einer erwachsenen Frau, nur etwas fester und runder. „Wo zuni Teufel bleibst du denn nur?" die Spitze eines Holz- schuhes donnerte gegen ihre Tür. „Sich zu, daß de mit'm Kadaver aus'n Federn kommst!" Instinktiv schlug Ester die runden Knie zusammen, griff nach dem Hemd, fuhr hinein und vergaß zu antworten. Die Stalltür wurde hart zugeknallt, erst einmal— dann zweimal— ein Zeichen, daß die Butterpreise gefallen waren. „Kadaver", dieses Wort brannte in Esters Ohren. Etwas später, als Ester mit nackten Beinen und Holzpantinen durch das taufrische Gras nach den Rübenfeldern ging, war sie wütend. Mit einem betauten 5?alm zwischen den Zähnen schwor sie, daß sie nicht länger zu Hause bleiben walle. Sie wollte kort. Sie war wohl erwachsen genug. Sie riß den Halm entzwei, daß die Zähne schmerzten. Und nun hatte ihr Vater auch noch gesagt, daß sie oben auf dem Boden über der Schlafkammer wohnen sollte. ' Er hatte geschimpft, weil sie eines Abends mit dem Knecht des Nachbars gegangen war. Richtig wütend war er gewesen, hatte durch die Zähne gezischt, genau wie an jenem Tage, als sie ihn dabei überraschte, wie er zwei Hunde, die eine etwas unanständice Stellung einnahmen, steinigte. Nein! Sie wollte nicht mehr zu Hause bleiben Davon konnte keine Rede sein. Sie gelangte ins Rübenfeld und warf sich zwischen die Reihen. Ihr Rücken krümmte sich. Sie riß mit den Händen an den jungen Pflanzen. Sie krabbelte ruckweise vor, das Unkraut an sich reihend, wie ein großer schöner Käfer, der böse geworden war... Ester hatte ihr Ziel erreicht. Da Bitten nicht halfen, war sie träge bei der Arbeit geworden, hatte gcsaulenzt und so den Schlüssel zur Freiheit erlangt. Sie war unrentabel geworden— und alles, was sich mit diesem Begriff in Zusammenhang bringen ließ, löste bei ihrem Voter die tiefste Verachtung aus. Er hatte ihr selbst die Tür geöffnet und sie gehen lassen. Jetzt war Ester weit weg von zu Hause. Eine ganze Meile. Sie saß mit dem Melkeimer zwischen den Knien und trällerte. Zwei spielerische Strahlen entquollen ihren geschickten Händen. Sic lehnte die Stirn gegen die Kuh und strengte sich an. In den beiden Eutern war nichts mehr— sie griff nach zwei anderen. Als auch diese leer waren, ging sie mit dem schäumenden Eimer davon. Die Katze, welche im Schein der untergehenden Sonne gedöst hatte, schlich herbei. Schnurrend schmiegte sie sich um ihre Beine Die Milch floß geräuschvoll in den großen Eimer. Sie ergriff ihn mit einer jhand und setzte ihn in den Schatten. Fast schämte sie sich ihrer Kräfte. Sie hing die Mclktracht fort, nahm das Kopftuch ab und begab sich in ihre Kammer. Sie setzte sich auf den Bettrand und fischte aus ihrem Busen einen Brief heraus, der ganz warm war. Sie las. während ihre Augen strahlten. Sie tat den Brief wieder fort, riß sich die Bluse ab und wusch sich. Ach— und wie sie sich wusch— sie prustete und planschte im Wasser, daß es kitzelnd über ihre Brüste lief, die sie mit einer Schulterbewegung in enge Berührung brachte. Sie lachte. Sie war ja so überwältigend, lcbens- sprudelnd froh. Er sprach mit ihr wie mit einem richtig erwachsenen Mädchen. Cr wußte nicht, daß sie an Jahren noch ein Kind, und das sollte er nie erfahren. Ja— wenn sie einmal verheiratet sein würden, dann würde sie ihm die Wahrheit wie eine süße Ueberraschung offenbaren. Ja! Eine liebe Ueberraschung würde das sein, denn es gab wohl nur wenig Männer, die sich aus alten Weibern etwas machten. Sie lachte. Sie lockerte den Rock. Der Brief glitt unter dem Hemd herab, kitzelte sie und fiel zu Boden. Sie nahm ihn auf, küßte ihn. Ach— wie war sie doch voller jauchzender, lodernder Freude— voller törichtem Lebensüberschwang. Jeder Muskel vibrierte. Sie putzte ihre Schuhe mit fliegender Hand. Dann warf sie sie hin und fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar, schüttelte es mit zurückgeworfenem Kopf, um es dann wieder zu sammeln. Wie kühle Hände griff die Luft in ihre Achselhöhlen. Keine Minute durfte verlorengehen. Sie sollte Jens unten bei der Plantage treffen Sie vergegenwärtigte sich, mit welcher Geschwindigkeit sie die Pedale des Rades treten würde. Sie ließ das Haar los und betrachtete sich im Spiegel. Ihre eifrigen Füße trippelten bereits. Tags darauf ging Jens pfeisend an die Arbeit. Er führte den fünfjährigen Sohn seines Herrn an der Hand. Die beiden waren unzertrennliche Freunde, und besonders, nachdem Jens Ester kennengelernt hatte, konnten die beiden sich nicht mehr entbehren. Der Knirps trabte plaudernd neben Jens her, dann gab er vor, müde zu sein, und mit einem festen Griff unter den Armen landete er auf Jens' Schulter. Jens machte ein paar Galopp- fprünge, der Kleine lachte und preßte die Händchen um seine Stirn. Innerlich lachte Jens auch. Cr, der früher so schwermütig gc- wcscn war, lachte jetzt immer in seinem Innern. Und er schuftete. Machte Akkordarbeit bei den Rüben, beim Tors und was es sonst noch gab. Nur wenn er Ester treffen wollte, ließ er sich abends frei geben. Und wenn er dann heimkehrte. fetzte er sich auf den Bettrand und stellte Zukunftsberechnungen an. Es lieh sich machen. Vielleicht schon im November. Der Knirps auf seiner Schulter hüpfte, schnalzte mit der Zunge und bearbeitete seine Rippen mit seinen kleinen Hacken. Jens stellte sich vor, wie der Jung« wohl aussehen würde, wenn er Ester ähnelte. Cr umfaßte die Hände des Kleinen— mochte«in paar ge- woftig« Galoppsprünge und lachte innerlich. Cr lachte jetzt immer in seinem Innern. Eines Tages— es war im Septembcr— war Ester bei ihren Eltern. Sie fühlte sich nicht wohl, und als sie essen wollten, über- kam es sie plötzlich—, sie mußte sich übergeben. Die Eltern sahen sich an: die Mutter erbleichte, während den Vater Zornesröte überzog. Er packte Efter beim Arm. „Passiert dir das öfter?" Er schüttelte sie,„antworte Madel!" Ester unterdrückte ein Aufstoßen und nickte. „Satan!" Er preßte ihren Arm. daß es schmerzte, während sich sein Gesicht giftiggelb verfärbte, wie an jenem Tage, als er sich über die Hunde ärgerte. „Ja— aber— Jens will..." Ester brach in Tränen aus. „Nicht ein Wort mehr, oder ich schlag dir die Schnauze ein, verdammte Dirne!" Er schleuderte sie von sich wie einen Sack. Unter seinen Nägeln blieb ein wenig von ihrer Haut haften. „Nimm deine Sachen und folge mir! Ich werde— zum Teufel noch einmal..." Er stürmte hinaus und schob den Feder- wogen vor.„Ich werde zum Teufel noch mal..."
eis und£eben Er schirrte die Sattelgurte, daß die Pferde wieherten. „Ja— aber— Jens will doch..." Ester wollte die Arme um den Hals der Mutter schlingen. „Ich will nicht mit dir sprechen." Die Mutter entwand sich ihr und drehte ihr den Rücken zu. „Kommst du, oder kommst du nicht!" Der Vater kroch auf den Wagen und raffte die Zügel. „Ich werde zum Deubel noch einmal...!" Er durchbohrte Ester mit einem verächtlichen Blick, als sie von Tränen geblendet in den Wagen kroch. Dann ergriff er die Peitsche.
n. Jens und der Knirps lagen südlich vor der Scheune und feierten Sonntag. Jens stellte sich schlafend, während der Kleine ihn mit einem Halm in der Nase kitzelte. Jens nieste und der Kleine wälzte sich vor Freude im Gras, bis sich seine Augen mit Tränen füllten. Dann kam er wieder mit den, verdächtigen Strohhalm angekrochen. Der Hausherr tauchte an der Scheunenecke auf, blieb stehen und betrachtete die Spielenden, bis er selbst innerlich zu lachen anfing. Dann neigte er sich herab und pflückte einen Halm. „Do drinnen ist einer, der dich sprechen will, Jens!" Der Kleine, dem vor lauter Lachen die Tränen in den Augen standen, reckte sich aus dem Gras empor.„Ach— Ach—" er schnappte nach Luft. Jens erhob sich auf den Ellbogen.„Wer ist es?" „Ich weiß flicht!" Der Hausherr steckte den 5)olm zwischen die Zähne und ging denselben Weg zurück. Jens erhob sich und folgte ihm. Der Junge schob seine Hand in Jens' und trippelte mit.„Das wollen wir wieder spielen!" Er bemühte sich, mitzukommen. „Ja!" Jen? blickte nach der Sonnenseite, er dachte an Ester und fing wieder mit der Berechnung an, die er schon hundertmal aus- gerechnet hatte. Und er lacht« innerlich. Er lachte jetzt immer. Sie gingen auf dos Steinhaus zu. das weißfunkelnd in der Sonne lag. Jens dachte: in diesem Sommer haben wir ungewöhn- lich viel Sonne gehabt. Der Kleine lief voran und öffnete. Jens folgte ihm langsam.„Sind Sie Jens Poulen?" Ein dicker bebrillter Mann erhob sich von der Bank.„Ja." „Ich bin von der Staatspolizei— ich habe Ordre , Sie zu ver- haften. Sie müssen mir folgen." Erst erbleichte Jens, dann wurde er rot— und schließlich lächelte er:„Das muß wohl ein Irrtum sein." Der Beamte sah ihm scharf in die Augen.„Sie sind wegen Umgang mit Minderjährigen angezeigt." „Minderjährig?" Jens' Gesicht nahm den Ausdruck maßlosen Erstaunens an, der sich von Minute zu Minute steigerte. „Ja." Der Beamte hielt den Kopf etwas schief.„Sie haben
?. Ronen: Stätfel der HlrseH Einige Riescntiere der Urzeit mögen durch ihre Größe zugrunde gegangen sein, aber nicht bei allen kann diese schuld daran gewesen sein, denn die größten Säugetiere, die Wale, leben noch heute, und auch unser Elefant steht ja nur wenig hinter dem untergegangenen Mammut zurück..Allerdings ist zu beachten, daß, je größer ein Tier ist, es desto weniger Junge hat und desto langsamer diese heranwachsen. Während bei kleineren Tieren der Verlust einzelner Würfe oder Brüten nichts zu bedeuten hat, kam: bei großen Tieren der Verlust der Jungen insolge Krankheit, Verfolgung oder der- gleichen schon die Art ernsthaft bedrohen. Die große diluviale Eiszeit brachte für die Tiere einen furcht- baren Kampf ums Dasein und für viele den Todeskampf. Da der Klimasturz aber nicht auf einmal erfolgte, sondern langsam und von mehreren wärmeren Zwischenzeiten unterbrochen, so konnten immerhin einzelne Arten sich an oie Kälieverhältnisse anpassen, falls es ihnen nicht möglich war, südwärts in wärmere Gegenden zu flüchten. Als nun das Eis wieder fortzufchmelzen begann, zogen ihm die Tiere nach, die sich der Käste angepaßt hatten, und ihre Nachkommen blieben Bewohner der jetzigen hochnordischen Polar- zone. Aber auch das Mammut und das Wollnashorn sind zuletzt am Polarkreis auf dieser Wanderung erlegen. Abgesehen von.Katastrophen arbeitet die Natur mehr mit langsamen, kleinen Veränderungen. Doch müssen in einzelnen Perioden der Erdgeschichte diese Kräfte wirksamer gewesen sein als in anderen, denn nachdem am Ende des erdgeschichtlichen Mittelalters eine Menge artenreicher Tiergeschlechter untergegangen waren, sind am Anfang der Neuzeit wie mit einem Schlage völlig neue Arten entstanden. Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, in denen Arten, Familien, ja ganze Ordnungen ohne erkennbare Ursachen ausgestorben und durch andere ersetzt worden sind In dem Schiefergestein des damals noch vom Meere bedeckten Schwäbischen Iura sind eine Menge Ichthyosaurier enthalten. Sind ihre Leichen dorchin fleschwe>mnt worden oder haben die fischfressendcn Ichthyosaurier mit ihrer Beute dort den Tod ge- fundcn? Diese großen Reptile des Meeres(bis 12 Meter lang) waren dem Leben im Wasser ebensogut angepaßt wie die heute noch lebenden Wale:- jedenfalls besser als die Seehu�e, und doch verschwanden die Ichthyosaurier schon ziemlich lange vor dem Ende des Mittelalters der Erdgeschichte, die Plesiosaurier um die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Dagegen haben die Te.leosourier (vollkommene Echsen) noch den Beginn dieser Neuzeit erlebt. Da diese für den Kampf ums Dasein gut ausgerüsteten Gc- schlechter Meeresbewohner waren, hätten sie auch einer ungünstigen Wendung des Klimas leicht ausweichen können. Es ist auch nicht anzunehmen, daß ihnen keine ausreichende Nahrung mehr zur Verfügung stand, da sie in der Kost nicht wählerisch waren. Auch daß sie sich nicht weiter hätten entwickeln können, läßt sich nicht aimehmen. So bilden die Ursachen des Aussterbens der Meeres- brachen immer noch ein ungelöstes Rätsel. Hier bleibt uns nichts anderes übrig, als uns auf ein un- bekanntes Gesetz des Fortschritts zu beruten, wonach das Leben auf den Ersatz großer, langsamer Tiere durch kleiner«, intellektuell höher entwickelte hinarbeitet. Die höher und besser organisierten Wesen triumphieren im Kampf ums Dasein. Weshalb jedoch irgendeiner Gruppe von Tieren eine vom Schicksal zugemessene beschränkte Lebensdauer beschieden ist, wes- halb einig« Arten uniergehen, wenn sie scheinbar ebensogut wie andere jetzt noch labende ausgerüstet waren, wissen wir nicht, und wenn man behauptet, daß einmal eine Zeit kommt, in der das Keimplasma keine weitere Teiliingstähiokeit mehr besitzt, so«eint Frcderic A. Lucas, man gebrauche da lediglich überflüssige Worte zum Ausdruck unserer Unkenntnis. Unser heutiges Wissen von dem Aussterben der vorzeitlichen Tiere läßt sich dahin zusammenfassen: Einzelne Arten sind aus-
Ester Nielsen kn Umstände gebrach!—- und ste kst gerade erst stdiD» zehn Jahre geworden." Vor Jens' Augen wurde es dunkelrot. Er wankte. Der Beamte blickte den Hausherrn an und lächelte das sphinxhafte Lächeln der Gerechtigkeit. Dann hielt er den Kopf wieder etwas schief und blickte Jens an. Im Zimmer war es sommerstill. Eine Schmeißfliege summte uyzher. Draußen auf dem Scheunen- dach pfiff der Windmotor. „Darf ich mich anders anziehen?" kam es tonlos von Jens' Lippen. Der Beamte wollte etwas erwidern.„Sie können ihn ruhig gehen lassen," sagte der Hausherr finster und bestimmt. „Naja," der Beamte wackelte ärgerlich mit dem Kopf,„aber beeilen Sie sich!"— Jens schwankte hinaus. Als er über den Hof ging, schob sich eine kleine heiße Hand in die seine. Zwei kleine nackte Füße trippetten über die Steine des Hofes. In der Kammer war es dunkel. Auf dem Tisch lag das Buch mit der Rübenberech- nung. Jens machte es zu. Er setzte sich auf den Bettrand und knöpfte die.Hosenträger ab, die über dem Rücken hängen blieben. Jens dachte nach. Der Kleine krabbelte auf den Tisch und begaim an Jens' Harmonika zu ziehen. Diese gab ihren höchsten, kreischen- den Ton von sich— und dann den tiefsten— hohlbrummend wie eine Orgel. Jens stand auf und öffnete das Fenster zum Garten. Er steckte ein Bein hinaus.„Ich will mit!" Der kleine Junge rutschte bäuch- lings vom Tisch herunter. Die Harmonika zog noch Luft ein, als Jens den Kleinen heraushob. Sie trabten gemeinsam über die Felder.„Wo wollen wir hin?" Der Knirps pustete ordentlich. um mitzukommen." Wir wollen runter nach dem Lehmgraben— den großen Hecht fangen." „Wirklich— wollen wir?" Der Kleine hoppste vor Entzücken. „Au— Au!" Cr blieb plötzlich auf einem Bein stehen: Jens blickte hastig nach dem Hof zurück. Dann entfernte er«inen Disteldorn aus dem Fuß des Kleinen. Seine Hände zitterten. Er mußte sein Taschenmesser zu Hilfe nehmen. Dann war der Dorn entfernt. Der Kleine lachte, als es überstanden war. Er blutete ein wenig Jens saugte die Wunde aus. um sie zu reinigen. Dann gingen sie weiter. Sie kamen in ein Tal Jens beugte sich über den Jungen.„Du bleibst hier und suchst Blumen für mich— ich werde dir den Hecht fangen." Er tätschelte die prallen Backen des Knaben:„Lebe wohl, kleiner Christian! Sieh nun zu. daß du einen richtigen, großen Strauß pflückst, bis ich wieder heraufkomme." Jens' Herz schlug. Es hämmerte. Er starrte aus das mergelgelbe Wasser, über dem(ich die Libellen mit klirrenden Flügeln jagten. Unten in der Tiefe schwamm der große Hecht.— Jens blickte nach dem Jungen, der auf seinen kleinen, dicken Beinen zwischen den Blumen herum- stolperte. Zwei Männer kamen herbeigeeilt. Jens nahm einen Anlauf, schloß die Augen— und— sprang. Der Junge hörte das Wasser plätschern. Er lief mit den Blumen unterm Arm. Als die Männer hinzukamen, stand er auf der Böschung und schwang die Blmnen über seinem Kops:„Er hat ihn— er hat ihn!" Der Ruf verklang wett in den stillen Tag hinein... (Einzig antorisi-rte Ucbertragung aus dem Dänischen von Marieluise Henniger.>
gestorben, weil sie ihre Entwicklung vollendet hatten und durch andere höherstehende Arten ersetzt wurden. Ob einzelne Arten durch widrige Verhältnisse in der Natur(Klnnaänderung. Der- änderung der Ernährung-verhältnisse, Katastrophe n) oder durch feindliche Arten ausgerottet wurden, wissen wir in den meisten Fällen nicht. Andere mögen durch Seuchen untergegangen sein. und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Wissenschaft noch genauere Anhaltspunkte gewinnen wird über die Ursache der Massengräber, die Art der Seuchen, die schon in der Vorzeit ganze Tiergeschlechter vernichteten, und über das Leben der Kleinwell, die Bazillen der Urwelt, die dabei beteiligt gewesen sein mögen.
£rco: tBluifauger in der Wein flube „Geben Sie mir heute drei Stück! Bei diesem Wetter habe ich wieder große Beschwerden, und das letztemol wollte er gar nicht anbeißeil." „Ich werde Ihnen heute einen ganz starken aussuchen: der beißt sofort an!" Erstaunt blicke ich von meiner Zeitung auf. hinter der ver- graben ich in einer jener anheimelnden Weinstuben sitze, wie man sie noch vereinzell in einigen 5)äusern des aussterbenden Alt-Berlin findet. Der Kellner, der eben gerade mit einem Gaste diese merk- würdigen Worte gewechselt hat, ist verschwunden und kommt nach einigen Minuten mit einem zugedeckten Glasgefäß wieder, auf dessen Boden sich drei seioigschwarze, langgestreckte, schneckenartige Tiere ringeln: Blutegel. Wer diese Sauger, einst unentbehrliches Requisit nicht nur des quacksalbernden Baders, sondern auch der hochgelahrten Medici, aus der Rüstkammer der mevizinischen Wissenschaft verschwunden geglaubt hat, der hat sich getäuscht. Ein« Zeitlang sah es freilich so aus, als bediente man sich anderer Mittel, um den Kranken das überschüssige Blut abzuzapfen. Seitdem sich jedoch herausgestellt hat. daß der Blutegel beim Saugen auch ein« Flüssigkeit obsondcri, der man verschiedene Heilwirkungen zuschreibt, ist sein« Wertschätzung wieder gestiegen. Die einzige heute noch bestehende Berliner Blutegelhaildlung. die im nächsten Jal>re ihr hundertjähriges Jubiläum feiern kann. befand sich viele Jahrzehnte hindurch in der Stralouer Straße. Heute führt die Enkelin des Gründers, die Inhaberin dieser Alt- Berliner Weinstube, neben dem nahrhaften auch noch dos blut- saugende Geschäft weiter, womit ich. um ollen Irrtümern vorzubeugen, natürlich nur den Verkauf der Büttegel meine. Nicht aus Tradition allein: nein, das Geschäft geht wirklich nicht schlecht. Aus einen Derbrauch von Z Millionen Blutegeln jährlicks, wie vor hun> dert Jahren, werden wir es zwar wohl nicht mehr bringen. Ader in den letzten Iahren Hot sich der Verkauf doch gehoben, und osl werden annähernd hundert Stück an einem Tage verkauft. Großvater Donner, der Gründer, besaß noch selbst eine Egel- zucht. Heute importiert man die Tiere aus Ungarn , wo sie in großen Mengen gezüchtet und van dort, in feuchtem Torf verpackt, m't der Bahn verschickt werden. Hier hält man sie erst einmal volle zwei Jahre lang ohne Nahrung in einem verdunkelten Wasser- gefäß. Danach entwickeln sie naturgemäß einen gesteigerten Appetit auf eine Portion Blut. Der unfreiwillig« Hungerkünstler zeigt sich dann auch, sobald man ihn auf einen Menschen ansetzt, vecht ge- fräßig: schwillt er doch durch das gesaugte Blut auf das Dreifache seiner Größe an. Hat er sich sattgetrunker� so sällt er ob und hat seine Pflicht erfüllt. Die Ehartte, zahlreiche Aerzte und viel« Privatpersonen sind die Abnehmer der Egel. Bei hohem Blutdruck, Venenentzündung. Beinschmerzen und anderen Beschwerden sollen sich gute Erfolge ergeben, und es gibt viele Stammkunden, die sich olle paar Wochen ihren Egel holen. Sie alle schwören auf die Erfolge des Ader- lassen, und sie behaupten, ohne diesen gar nicht mehr auskommen zu können. Die Schulmedizin scheint ihnen nicht unrecht zu geben. Alt« Mittel werden wieder hervorgehalt, die man schon längst ins Raritätenkabinett der Medizin verbannt glaubte.