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Nr. 517 48. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Mittwoch, 4. November 1931

. Ansturm zu den Massenkundgebungen.

Alle Säle überfüllt.- Begeisterte Kampfstimmung.- Zur Abwehr entschlossen.

Berlin   stand gestern unter dem Zeichen der Massen fundgebungen, die von der Sozialdemokratischen Partei gegen die Harzburg- Braunschweiger Reaktion, gegen Inflation und Bürgerkrieg einberufen worden waren. In allen Stadtteilen strömte die Arbeiterbevölkerung in die Versammlungsjäle, allzu oft mußte der Saal tregen Ueberfüllung polizeilich gesperrt werden, und mancher war gezwungen, under­richteter Dinge nach Hause zu gehen. Männer und Frauen, jung und alt, Parteigenossen, Reichsbanner. fameraden und Sympathijierende alle in einer Front, um zu bekunden, dan die Berliner   Arbeiterschaft in Geschlossenheit gegen Hitler   und Klagges, gegen Goebbels  , Hugenberg und Schacht steht! Unsere Braun­schweiger Genossen wurden in allen Versammlun. gen ganz besonders herzlich empfangen. Sie sollten die Gewißheit mit in die Heimat nehmen, daß das Berliner  Proletariat zu ihnen steht und mit ihnen kämpft.

Schon etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Versammlung mußte der Große Saal der Neuen Welt in der Hasenheide polizeilich gesperrt werden. Die Neuköllner   und Kreuzberger  Freunde und Angehörigen der Sozialdemokratie wollten ihrem Willen Ausdruck geben, daß der Faschismus bei der Berliner  Arbeiterbevölkerung feinerlei Aussichten auf Erfolg hat Nach kurzen einleitenden Worten des Borsitzenden, Genossen Harnisch  , nahm, stürmisch begrüßt,

Reichstagsabgeordneter Grotewohl Braunschweig  das Wort. Ihr Beifall, Genossen, gilt nicht mir, sondern ist eine Sympathiekundgebung für die braunschweigische Arbeiterschaft in ihren schweren Kämpfen und harten Leiden. Wieder einmal steht Braunschweig   auf vorgeschobenem Posten und das kleine Ländchen ist Mittelpunkt des politischen Interesses. Die braun­schweigische Arbeiterschaft ist in jahrzehntelangen Rämpfen erprobt, und sie ist der felfenfesten Ueberzeugung, daß, wenn auch die Kurve im Augenblid nach unten meist, es wieder nach oben gehen wird. Braunschweig   ist alter historischer Boden für die Arbeiterklasse. Hier tagte der Braunschweiger Ausschuß unter Brade 1870 während

des deutsch  - französischen Krieges, und mit eisernen Ketten an Händen

und Füßen wurden die Kämpfer der Arbeiterklasse nach der Festung Löken geschleppt. Der Geist des Kampfes ist ungebrochen. Das hat sich gezeigt seit dem Tage, da die Hitlerschen Landsknechte mit dem mehr berüchtigten als berühmten Herrn Franzen, zusammen mit dem rechtsstehenden Bürgertum, zu regieren begannen. Franzens Karriere nahm ihren Anfang damit, daß er die preußische Bolizei anschwindelte. Schon würde taum noch ein Mensch von thm fprechen, wenn er nicht der Arbeiterklasse schwere Belastungen hinterlassen hätte.

Die Wohnungsmieten wurden von ihm um 7 Mark monatlich erhöht. Sieben neue Steuern, bei denen der Besig geschont und die Arbeiterklasse belastet wird, sind eingeführt worden. Die Kulturrealtion wütet. Nach der Entlassung der diffiden­tischen Lehrer, nach der Erhöhung der Klaffenfrequenz, nach der Einstampfung von Schulbüchern kamen die 22% Jahre Gefängnis, die über die freigeistigen Eltern verhängt wurden.( Pfuirufe.)

Jetzt hat Herr Klagges nach dem blutigen Sonntag die legte Weisheit darin gefunden, unser Parteiblatt, weil es die Wahr­heit schrieb, zu verbieten. Es haben in Braunschweig  Straßentämpfe stattgefunden. Mag Herr Klagges es auch

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Familie Soviet

Romant von Elfe Mobus

Er begleitete sie zur Tür, wie wenn das so sein müßte. Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und nahm die Anschaffungsliste, die er gearbeitet hatte, zur Hand, um sie weiterzuführen. Aber seine Gedanken waren nicht bei feiner Arbeit. Er stand auf und ging mehrere Male im 3immer auf und ab. Dann drückte er auf die Klingel.

Bestellen Sie doch bitte Herrn Ulljamer, er möchte sich in der Bause zu mir bemühen, sagte er zu dem eintretenden Schuldiener.

Dann jetzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und nahm die Lifte zur Hand. Aber da fam ihm plöglich zum Bewußtsein, daß er foeben das feltſamfte Erlebnis seiner dreißigjährigen Schulzeit gehabt hatte.

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Die Jahre gehen dahin. Die fließen nicht langsam und stockend, fie lasten und bedrücken nicht. Niemals hat Germaine den Wunsch empfunden, die Stunden möchten eilen, die Schulzeit möchte rascher zu Ende gehen, und sie selbst möchte älter, felbständiger, freier werden. Sie nimmt die Lage, die Wochen, die Monate so entgegen, wie sie sind, mit einem fief innerlichen Bewußtsein, daß alles so und nicht anders fein muß, daß alles, was ist, so und nicht anders zu ihr und zu ihrem Leben gehört.

Gie fennt nicht die quälende Sorge der materiellen Not, die auch starke Menschen langsam zerbrechen kann, für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, daß der Bater ihr alle Bücher fauft, die sie gern haben möchte, daß sie reisen darf, daß sie jede Woche ihr Taschengeld bekommt, ohne darum zu bitten. Auch die Begrenztheit und Beschränkung der fleinen Stadt ist ihr nach nicht zum Bewußtsein gekommen, das Alltägliche und Kleinliche, das Eingeengte und Philisterhafte. Sie hat bis jetzt nur die Schönheit ihrer Heimat gesehen und erlebt, und sie genießt den Schuß und das Wohlbehütete ihrer Um gebung mie ein Geschenk, das unsichtbare, geheimnisvolle Mächte ihr immer von neuem spenden.

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abstreiten wollen, uns stehen Berge von eidesstattlichen Versiche­rungen zur Verfügung. Hunderte von Fensterscheiben sind ein­geschlagen worden. Und wenn Herr Groener uns statt des Reichs­wehrkommandeurs angehört hätte, hätte er wohl ein anderes Bild bekommen. Man ist über Frauen hergefallen, hat sie an den Haaren ( Stürmische Pfuirufe.) Passanten find niedergehauen, und man geriffen und mit Stuhlbeinen und Gummifnüppeln niedergeschlagen. rief ihnen zu: Hund heb deine Knochen auf. Du bist auch einer von der Kommune."( Neue Empörung.) Drei Tote sind zu beklagen und neben den 70 Schwerverletzten haben noch) Hunderte eigene Hilfe angewandt. Beim Mord an dem parteilojen Arbeiter Fischer, der meder Kommunist, noch Sozialdemokrat, noch Reichsbannermann war, wurde geschrien:

,, Caßt das Schwein verreden. Stoßt ihn in die Goffe." ( Der Versammlung bemächtigt sich eine immer steigende Empörung.) In den Arbeiterstraßen wehrten sich die einzelnen Männer ver­zweifelt gegen die Haufen von S.- Leuten, die mit Steinen, Latten und Rohren vorgingen. Kinderwagen waren umgefallen, Frauen fielen in Ohnmacht, Berlegte lagen am Straßendamm. Wie soll cin Straßenfampf anders aussehen?. Halten die Ueberfälle und der Terror an, dann ist die Braunschweiger Arbeiterschaft rechtlos und vogelfrei. Herr Klagges verbietet alles. Alle Kundgebungen der Arbeiterschaft bis zu den Kinderfreunden, Verbot, Verbot, Berbot ist seine Regierungskunst. Wenn nicht der friedliche Braunschweiger Arbeiter endlich den Schutz der gesetzlichen Organe des Staates erhält, dann wird über ihn jene Stimmung fommen, die in der Bibel ihren Niederschlag in den Worten findet: Auge um Auge, Zahn um Zahn.( Stürmische Zustimmung.) Die Braun­laffen. Wenn Terror und Vergewaltigung anhalten, wenn die schweiger Arbeiterklasse denkt nicht daran, sich zerschmettern zu Mordandrohungen, die felbff in offener Parlamentssitung erhoben werden, fortdauern, wenn die Nationalsozialisten in ihren Zeitungen uns Gesindel, Banditen, Ungeziefer und marristischen Mob nennen, jo geben wir das heilige Gelöbnis ab, Braunschweig   war rol und wird wieder rot!( Stürmischer, langanhaltender Beifall.)

Tragödie im Walde.

Mutter erschießt ihr Kind/ Nach der Zat Gelbstmordversuch Im Forst zwischen Lichtenrade   und Mahlow   spielte sich gestern eine erschütternde Tragödie ab. Die 23 Jahre alte Elfriede Ruschig tötete ihren fünf jährigen Sohn durch einen Kopfschuß und richtete dann die Waffe gegen sich selbst.

Das Mädchen mar bei einem Gastwirt in der Reithstraße in Berlin   beschäftigt. Ihr Kind hätte sie bei Bekannten in Pflege gegeben. Gestern nachmittag fuhr Elfriede R. mit dem Jungen nach Mahlom hinaus. Ihren Bekannten hatte sie erzählt, daß sie einen Ausflug unternehmen wolle. Bewohner aus Mahlow   sahen die Frau mit dem Kinde am Rande des Waldes spielen. Gegen 19 Uhr wurde die Frau am Chauffeegraben etwa einen Kilometer von Mahlow   entfernt von Landarbeitern in einer Blutlache wimmernd aufgefunden. Man schaffte die Schwerverlegte, die einen Schläfen schuß hatte, ins nächste Krankenhaus, wo sie furze Zeit zur Be­finnung fam und angab, daß sie ihr Söhnchen am Rande einer Schonung erschossen habe. Als der Landjägermeister nachforschte, entdeckte er die fleine Leiche an der bezeichneten Stelle. Das Motiv der furchtbaren Tragödie ist noch Gegenstand der kriminalpolizei­lichen Ermittlungen.

Es gibt so unendlich viele Freuden in dieser Jugend. Eine reicht der anderen die Hand, eine sucht die andere zu übertreffen an Glanz, an Tiefe, an Frosinn. Da ist der fleine Bruder, der zärtlich an ihr hängt, der Tag um Tag wartend an der Gartentür steht oder ihr entgegenläuft, sobald die Schule zu Ende ist. An den freien Nachmittagen suchen sie Kaulquappen und waten barfuß im Schlamm der kleinen Tümpel, oder sie tollen um das alte Stadttor.

Manchmal sizen sie auch zusammen auf der Wiese am Abhang des Waldberges, und Germaine liest unermüdlich Geschichten, glühende, bunte Schilderungen aus fernen Län­dern, aus Dschungel und Wüste, aus Urmäldern und Sumpf gebiet. Dann ruht der Kleine mit dem Kopf in ihrem Schoß und hat die Augen geschlossen, und nur das Kommen und Gehen der Blutwellen, die sich unter der zarten Haut ab Welt. Er ist ein etwas empfindliches, nervöses Kind, und heben, zeigt, wie gefangen und erfaßt er ist von dieser fernen Germaine überschlägt mehr als einmal die eine und die andere Stelle, um ihn nicht zu sehr aufzuregen.

Aber sie fann es nicht verhindern, daß an den Sonn­und Feiertagen die Glocken der Kirchen in einem mächtigen Brausen zufammentlingen, und daß der Kleine dann jedesmal blaß wird und sich die Ohren zuhält. Er kann auch den vollen Ton des Flügels im Mujifzimmer nicht recht ertragen. Ger­maine sieht mehr als einmal, wie er unruhig wird und hin­ausschlüpft. Nur wenn Kammermusit gespielt wird, wenn die Herren vom Trio oder vom Quartett zum Bater tommen, wenn Bioline, Viola und Cello durch den Raum tönen, mährend der Klavierpart fich fanft und gedämpft ihrem Gesang anschmiegt, dann sitzt der fleine blonde Junge still und mit weit geöffneten, glüdlichen Augen in einer Ede. Aber die schönsten Stunden bringen die Tage vor den Ferien. Da figen die Geschwister tief gebeugt über Atlas und Weltfugel und werden nicht müde, sich die bevorstehende Reise auszumalen. Und dann sigen sie eng nebeneinander im Zug, und draußen fliegen rotblühende heideflächen und reife Kornfelder. mächtige Berglandschaften und zart duftende Wiesen vorbei. Bis die Landschaft immer ernster und ein töniger wird, bis schwarzbraunes, fruchtbares Marschland sich auftut, und in der Ferne ein gewaltiger, dunkler Streifen sich zeigt: das Meer.

Oder fie fahren durch geheimnisvolle Tunnels, in immer erneuten Bindungen, durch Wälder und Berge, vorüber an uralten, erloschenen Bultanen, bis endlich ein Märchenland fich auftut: Schneebedeckte Höhen und grüne Almen, reißende

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Als zweiter Redner sprach Genosse Kurt Heinig  - Berlin  . Er gab eine tiefschürfende Untersuchung über die wirtschaftlichen Hintergründe der nationalsozialistischen Bewegung. Der Brie vatkapitalismus, der Katzenellenbogen- Freiheit haben will, bemizt Hitler und seine Leute als die gelbe Bewegung. Daneben sind daß ihre gesellschaftliche Stellung vor dem Kriege über der des Prole­Hitler Mittelstand und Bürgertum gefolgt, die nicht vergessen fönnen, tariats war.

Der Kampf gegen den Nationalsozialismus ist ein Stück aus dem großen Klassenkampf, den wir führen. Wir werden ihn durchführen und wir werden ihn siegreich bestehen. Auch Genosse Heinig erntete reichen Beifall. Genosse Harnisch   schloß die Kundgebung mit einem von der Versammlung begeistert aufge­nommenen Hoch auf die Sozialdemokratie.

Ansturm in Charlottenburg  .

Im Türkischen 3elt fand die Versammlung des Kreises Charlottenburg   statt, die so gut besucht war, daß der Saal polizei­lich gesperrt werden mußte. Genosse Dittmann schilderte in anschaulicher Weise die Regierungsmethoden in Braunschweig  , we die Arbeiterklasse den Willkürakten der Nazihorden schuklos aus­geliefert ist. Die Fehlspekulationen des Kapitalismus haben die in der lleberrationalisierung erzeugten Waren nicht dem Inlande durch Preissenfung zugute fommen lassen, sondern sie verhindern mit allen Mitteln die von uns angestrebte Planmäßigkeit. Die Arbeiter­tlasse wird pon jenen strupellos ausgenugt, und daher ist es unsere Aufgabe und äußerste Pflicht, uns schüßend vor die Interessen der Arbeiter zu stellen und die Gegner zurückzudrängen, soweit es in unseren Kräften steht. Wir spielen nicht mit dem Bürgerkrieg, som dern werden Gewalt gegen Gewalt setzen. Als nächster Redner sprach der Braunschweiger Genoffe Reinomsti, der den Terror der Nazibanden anschaulich schilderte, der leider wieder Arbeiter­blut gefordert hat. Der Kreisvorsitzende dankte dem Braun­ schweiger   Genossen für die überbrachten Grüße und schloß die Versammlung mit einem begeistert aufgenommenen och auf die deutsche Sozialdemokratie.

Gaalbau Friedrichshain auch zu klein.

Der Saalbau Friedrichshain war schon bald nadj 7 Uhr besetzt und wurde vor Beginn der Versammlung polizeilich abgesperrt. Als erster Redner führte Genosse Junke Braun­

schweig aus: Die politischen Kämpfe im Lande Braunschweig   standen schon immer auf des Meffers Schneide. Braunschweig   mit seiner alten parteihistorischen Vergangenheit ist in den letzten Wochen von Braunschweig   zu einem Anwachsen der Braunhemben geführt. Der Nazis überschwemmt worden. Der 14. September hatte auch in Wahlkampf wurde unter der Barole geführt: Kampf dem Margis­mus und Senfung der Steuern." Rachdem wurden unter Franzen fieben neue Steuern eingeführt und als Folge die Wohnungsmieten in 7 Mart erhöht. Braunschweig   war vorbildlich auf dem Gebiete des Schulwesens. Hier setzte die Reaktion in einer Weise ein, daß es zu einem Proteststreit der Eltern fam. Die Eltern wurden mit 22% Jahren Gefängnis bestraft. Der Redner appellierte an Herrn Groener. Herr Groener, hören Sie nicht nur auf die, die mit Ihnen gefühlsmäßig sympathisieen, hören Sie auch auf die, die Zeugen dieses Treibens waren. Wir in Braunschweig  , sagte Genosse Junte, find rechtlos. Gewalt und Brutalität triumphieren. Erst gestern wurde uns ein Flugblatt beschlag­nahmt, das sich gegen die hohen Gehälter wendet und zeigt, wo gespart werden kann.

Nachdem sich der stürmische Beifall für den Genossen Junke gelegt hatte, nahm Genosse Franz Künstler   Berlin   das Wort: Die ganze Welt ist in Aufruhr. Es vollzieht sich

Gebirgsbäche und tiefe Schluchten. Und sie gleiten weiter, längst ist die Nacht hereingebrochen, und noch immer sind sie nicht am Ziel. Bis sie sich endlich am Ufer eines leuchtend blauen Meeres wiederfinden, unter dem Glanz einer füd­lichen Sonne, im Schatten hoher Pinien und breitäftiger Delbäume.

Ja, diese Jugend ist ein Paradies, ein herrlicher Traum, der immer neu geträumt wird, ein Rausch, der kein Ende nimmt. Auch die Schule mit ihren fleinen Aufregungen, ihren Enttäuschungen, ihren Ungewißheiten tritt inimer er­neut zurück vor der Gewalt dieser Glüdsträume, die Birk­lichkeiten sind. Man verbringt täglich fünf Stunden in ihren fahlen, unfreundlichen Räumen, aber was bedeuten diese Stunden, an dem gemessen, was die freien Nachmittage an Schönheit, an Erfenntnis, an Frohsinn bieten.

im Arbeitszimmer des Baters fitzt, wenn sie mit ihm die Briefe Was der Vormittag brachte, das verfintt, wenn Germaine der Frau Sévigne liest, wenn sie die Deutschlandreise der Frau von Staël erlebt, wenn sie die scharf geschliffenen Gen­tenzen La Rochfoucaulds und die Plaudereien Montaignes in fich aufnimmt. Das ist eine andere Welt, ein tief inner­lich vertrautes, heimatliches Land, eine Geisteshaltung, deren Berwandtschaft sie ahnend begreift, obwohl sie den Jahren nach noch ein Kind ist.

Ja, das ist eine andere Welt der Seele und des Geistes, durch einen unüberbrüdbaren Abgrund getrennt von dem, was der Lehrer des Französischen in der Schule zu geben hat. 3war führt auch er seine Schüler von Jahr zu Jahr tiefer in die Literatur des Landes ein, deffen Grenze wenige Kilometer von der fleinen Stadt entfernt vorbeiläuft, das sich weit in der Ferne ausbreitet und dessen Türme bei klarem Wetter hinaufgrüßen zu den hochragenden Bergen am an­Trennende, das Unterscheidende, während der Vater das Ge­deren Ufer des Stromes. Aber er unterstreicht das meinsame betont, die gleichartigen, gleichwirkenden Sträfte der Seele, die Mensch und Mensch zusammenschließen, ohne Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bolke.

Germaine liebt das Maßvolle, das Berhaltene, das ästhetisch Schöne, das Elegante, das Schwebende dieser Kultur, ohne sich bewußt darüber flar zu sein. Sie weiß nur, daß ihr Herz jedesmal start und freudig flopft, wenn der Bater den Arm um sie legt und seinen ,, besten Kameraden", wie er sie dann nennt, zu seiner Bibliothek führt.

( Fortsetzung folgt.)